DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS
mit der
ERKLÄRUNG DER MORALISCHEN GRUNDSÄTZE CHRISTI IN ÜBEREINSTIMMUNG MIT DEM SPIRITISMUS UND IHRE ANWENDUNGEN IN DEN VERSCHIEDENEN SITUATIONEN DES LEBENS
von Allan Kardec
UNERSCHÜTTERLICHER GLAUBE IST NUR DER, DER ZU ALLEN ZEITEN DER MENSCHHEIT DER VERNUNFT GEGENÜBER TRETEN KANN.
EINLEITUNG
Alle Menschen bewundern die moralische Lehre des Evangeliums; alle verkünden ihre Erhabenheit und ihre Notwendigkeit; aber viele tun es, vertrauend auf das, was sie darüber gehört haben, oder gestützt auf einige Maximen, die sprichwörtlich wurden; aber wenige kennen sie gründlich, und noch wenigere verstehen sie und können daraus die Folgen ziehen. Der Grund dafür liegt zum größten Teil in den durch die Lektüre des Evangeliums aufgezeigten Schwierigkeiten, die für die Mehrheit unverständlich sind. Die sinnbildliche Form, der absichtliche Mystizismus der Sprache bewirken, dass die Mehrheit es für die Beruhigung ihres Gewissens und aus Verpflichtung lesen, wie sie die Gebete lesen, ohne sie zu verstehen, was ohne Nutzen bleibt. Die Vorschriften der Moral, hier und dort verstreut, in der Gesamtheit anderer Erzählungen vermischt, bleiben unbemerkt. Es ist dann unmöglich, ihr Ganzes zu verstehen und aus ihr, getrennt, Gegenstand von Lektüre und Meditation zu machen.
Es wurden zwar Abhandlungen der moralischen Lehre des Evangeliums verfasst, aber die Anpassung an den modernen literarischen Stil entzieht ihr die ursprüngliche Einfachheit, die ihr gleichzeitig Zauber und Glaubwürdigkeit gibt. Dasselbe passiert mit den Maximen, die abgesondert auf den einfachsten sprichwörtlichen Ausdruck reduziert wurden, und die dann nichts anderes sind als Aphorismen, die einen Teil ihrer Bedeutung und ihres Interesses verlieren, aus Mangel an Ergänzungen und Umständen, unter welchen sie gegeben worden sind.
Um diesen nachteiligen Folgen vorzubeugen, haben wir in diesem Werk die Abschnitte zusammengefasst, die sozusagen einen Kode der universellen Moral bilden können, ohne Unterscheidung von Glaubensrichtungen. In den Zitaten bewahren wir alles, was von Nützlichkeit für die Entwicklung des Gedankens war, indem wir nur die Sachen, die dem Thema fremd sind, beiseitegelassen haben. Außerdem haben wir gewissenhaft die ursprüngliche Übersetzung von Sacy respektiert, sowie die Unterteilung der Bibelverse. Aber anstatt uns an eine unmögliche, chronologische Form zu binden, die keinen wirklichen Nutzen für solche Themen bringt, wurden die Maximen gruppenweise geordnet und gemäß ihrer Natur methodisch eingeteilt, so dass möglichst die einen die Folge der anderen sind. Die Angabe der Nummerierungen der Kapitel und der Bibelverse erlauben es, auf die übliche Klassifizierung zurückzugreifen, falls es für ratsam gehalten wird.
Dieses wäre nur eine sachliche Arbeit, die von sich aus nicht mehr als einen zweitrangigen nebensächlichen Nutzen hätte. Die Hauptsache war, das Evangelium für alle zugänglich zu machen, mit der Erklärung der unverständlichen Abschnitte und der Entwicklung all ihrer Folgen, hinsichtlich der Anwendung in den verschiedenen Situationen des Lebens. Das ist es, was wir zu tun versucht haben, mit der Hilfe der guten Geister, die uns zur Seite stehen.
Viele Stellen des Evangeliums, der Bibel und der heiligen Autoren sind meistens unverständlich und viele erscheinen unsinnig aus Mangel eines Schlüssels, der uns den wahren Sinn gibt. Dieser Schlüssel ist im Spiritismus vollständig enthalten, wie jene sich schon überzeugt haben, die ihn ernsthaft studierten, und wie man ihn später noch mehr anerkennen wird. Den Spiritismus findet man überall wieder, in der Antike und den verschiedensten Epochen der Menschheit. Überall findet man seine Spuren in den Schriften, in den verschiedenen Glaubensrichtungen und an den Denkmälern. Während der Spiritismus neue Horizonte für die Zukunft eröffnet, wirft er gleichzeitig ein klares Licht auf die Geheimnisse der Vergangenheit.
Als Ergänzung zu jeder Vorschrift geben wir einige Unterweisungen, ausgewählt unter denen, die von den Geistern in verschiedenen Ländern diktiert worden sind, und durch die Vermittlung verschiedener Medien. Wenn diese Unterweisungen aus einer einzigen Quelle entstanden wären, hätten sie einen persönlichen Einfluss oder einen solchen aus dem Milieu erlitten; während die Verschiedenartigkeit der Ursprünge beweist, dass die Geister ihre Lehren überall geben, und dass es niemanden gibt, der in dieser Hinsicht bevorzugt ist.*
Dieses Werk ist für den Gebrauch aller. Jeder kann daraus die Mittel schöpfen, um sein Verhalten in Einklang mit der Moral Christi zu bringen. Die Spiritisten werden außerdem in ihm die Anwendungen finden, die sie ganz besonders betreffen. Dank der von nun an auf eine beständige Art zwischen den Menschen und der unsichtbaren Welt hergestellten Mitteilungen, wird das evangelische Gesetz, das in allen Nationen durch die Geister selbst gelehrt wird, nicht mehr ein totes Wort sein, weil jeder es verstehen kann und unablässig aufgefordert wird, es in die Praxis umzusetzen, durch Ratschläge von seinen geistigen Führern. Die Unterweisungen der Geister sind wirklich die Stimmen des Himmels, die kommen, um die Menschen aufzuklären und sie zur Anwendung des Evangeliums einzuladen.
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* Wir könnten ohne Zweifel über jedes Thema eine größere Anzahl von Mitteilungen geben, die in einer Vielzahl aus anderen Städten und spiritistischen Zentren erhalten worden sind, als jene, die wir zitieren. Aber wir wollten vor allem die Monotonie der unnützen Wiederholungen vermeiden und unsere Wahl auf die begrenzen, die in ihrem Inhalt und in ihrer Form ganz besonders in den Rahmen dieses passen. Die, die hier nicht vorkommen, wurden für die späteren Veröffentlichungen reserviert. Was die Medien betrifft, haben wir sie nicht zitiert; größtenteils auf Grund ihrer eigenen Bitten und weil es nicht angebracht wäre, Ausnahmen zu machen. Außerdem würden die Namen der Medien in keinem Fall dem Werk der Geister mehr Wert hinzufügen. Ihre Erwähnung wäre nur eine Befriedigung der Eigenliebe, und die wahrhaft ernsten Medien interessieren sich nicht dafür. Sie verstehen, dass der Wert der Mitteilungen nicht im Geringsten ihren persönlichen Verdienst steigert, da ihre Rolle ausschließlich passiv ist und dass es kindisch wäre, auf eine intellektuelle Arbeit stolz zu sein, bei der sie nur mechanische Mitwirkung leisten.
Wenn die spiritistische Lehre ausschließlich eine menschliche Anschauung wäre, hätte sie als Garantie nur die Kenntnisse desjenigen, der sie verfasst hat. Nun, niemand auf dieser Welt könnte den Anspruch erheben, allein die unumschränkte Wahrheit zu besitzen. Wenn die Geister, die sie offenbart haben, sich nur einem Menschen gegenüber kundgetan hätten, würde nichts ihre Herkunft garantieren, denn es wäre notwendig, dem Wort desjenigen Glauben zu schenken, der behauptet, von ihnen die Lehren erhalten zu haben. Erkennt man seinerseits absolute Aufrichtigkeit an, könnte er bestenfalls die Menschen in seinem Umfeld überzeugen. Er könnte Anhänger finden, aber es würde ihm niemals gelingen, alle zu vereinigen.
Gott wollte, dass die neue Offenbarung an alle Menschen durch einen schnelleren und glaubwürdigeren Weg herangetragen wird; deshalb hat ER den Geistern befohlen, diese von einem Pol zum anderen zu bringen, sich überall zu offenbaren, ohne jemandem das ausschließliche Privileg zu geben, ihr Wort zu hören. Ein Mensch kann getäuscht werden und er kann sich selbst täuschen, aber es wäre nicht so, wenn Millionen das Gleiche sähen und hörten: Dies ist für jeden einzelnen und für alle eine Garantie. Außerdem kann man einen Menschen verschwinden lassen, aber man kann keine Menschenmassen verschwinden lassen. Man kann die Bücher verbrennen, aber man kann nicht die Geister verbrennen. Würde man alle Bücher verbrennen, die Quelle der Lehre wäre nicht weniger unerschöpflich, weil sie sich nicht auf der Erde befindet. Sie taucht überall auf, und jeder kann daraus schöpfen. Wenn es an Menschen fehlen würde, um sie zu verbreiten, wird es immer Geister geben, die alle erreichen, die aber selbst von niemandem erreicht werden können.
In Wirklichkeit sind es die Geister selbst, die eigentlich den Spiritismus verbreiten mit Hilfe von unzähligen Medien, mit denen sie von allen Seiten Kontakt aufnehmen. Wenn es nur einen einzigen Vermittler gegeben hätte, so sehr dieser auch privilegiert gewesen wäre, wäre der Spiritismus kaum bekannt. Dieser Vermittler seinerseits, egal welcher Klasse er auch angehört hätte, hätte die Vorurteile vieler Menschen hervorgerufen. Er wäre nicht von allen Nationen anerkannt worden; während die Geister, die überall, allen Völkern, allen Religionen und allen Parteien Mitteilungen geben, von allen angenommen werden. Der Spiritismus hat keine Nationalität; ist von allen besonderen Glaubensrichtungen unabhängig und er ist von keiner sozialen Gesellschaftsschicht aufgezwungen, da ja jeder Mitteilungen von seinen Angehörigen und Freunden aus dem Jenseits erhalten kann. Es war nötig, dass es so ist, damit er alle Menschen zur Brüderlichkeit aufrufen kann. Wenn er nicht auf neutralem Boden geblieben wäre, hätte er die Diskussion aufrechterhalten, anstatt sie zu besänftigen.
Diese Universalität der Lehre der Geister bildet die Kraft des Spiritismus. Darin liegt auch die Ursache ihrer so schnellen Verbreitung. Während die Stimme eines Menschen, selbst mit Hilfe der Druckerei, Jahrhunderte benötigen würde * , bis sie alle Ohren erreicht hat, verschaffen sich Millionen von Stimmen gleichzeitig, auf allen Punkten der Erde, Gehör, um die gleichen Grundsätze zu verkünden, und sie an die Unwissendsten wie auch an die Gelehrtesten zu übermitteln, damit niemand benachteiligt wird. Dies ist ein Vorteil, den keine der bis heute erschienenen Lehren genossen hat. Wenn also der Spiritismus eine Wahrheit ist, fürchtet er weder den schlechten Willen der Menschen noch die moralischen Revolutionen noch die physischen Umwälzungen des Globus, weil nichts von diesen Dingen die Geister erreichen kann.
Aber das ist nicht der einzige Vorteil, der sich aus dieser außergewöhnlichen Position ergibt. Der Spiritismus findet darin eine allmächtige Garantie gegen die Spaltungen, die hervorgerufen werden könnten, sei es durch den Ehrgeiz einiger, sei es durch die Widersprüche von gewissen Geistern. Diese Widersprüche sind sicherlich eine Klippe, aber sie tragen – neben dem Bösen – in sich ein Hilfsmittel.
Man weiß,
– dass die Geister, infolge ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten, weit davon entfernt sind, als Einzelne die ganze Wahrheit zu besitzen;
– dass es nicht allen möglich ist, gewisse Geheimnisse zu durchschauen;
– dass ihr Wissen entsprechend ihrem Reinigungsgrad ist;
– dass die niedrigen Geister nicht mehr wissen als die Menschen, sogar weniger als manche Menschen;
– dass es unter ihnen, wie unter den Menschen, Eingebildete und Schein-Gelehrte gibt, die zu wissen glauben, was sie aber doch nicht wissen, und Systematiker, die ihre eigenen Gedanken als Wahrheit annehmen;
– schließlich, dass die Geister höherer Rangfolge, die vollständig dematerialisiert sind, die Einzigen sind, die von irdischen Gedanken und Vorurteilen frei sind;
– man weiß auch, dass die betrügerischen Geister keine Skrupel haben, sich unter geliehenen Namen zu verstecken, um ihre Utopien aufzudrängen.
Daraus folgt, dass alles was außerhalb der ausschließlich moralischen Lehre ist, also die Offenbarungen, die jeder bekommen kann, individuellen Charakter haben, ohne Glaubwürdigkeit; und sie sollten als persönliche Meinung von diesem oder jenem Geist angesehen werden, und es wäre unvorsichtig, diese anzunehmen und leichtsinnig, sie als absolute Wahrheit zu verkünden.
Die erste Kontrolle ist unbestritten die Vernunft, der man alles, was von den Geistern kommt, ausnahmslos unterwerfen muss. Jede Theorie, die dem gesunden Menschenverstand, der strengen Logik und den positiven Angaben, über die man verfügt, widerspricht, auch wenn sie mit einem bekannten, ehrwürdigen Namen unterzeichnet wurde, muss abgelehnt werden. Diese Kontrolle ist aber in vielen Fällen unvollständig, infolge der Unzulänglichkeit der Kenntnisse von gewissen Personen und der Neigung von vielen, die ihr eigenes Urteil für den einzigen Schiedsrichter der Wahrheit halten. Was werden die Menschen in solchen Fällen tun, die sich nicht einmal selbst vertrauen? Sie übernehmen die Ansicht der Mehrheit, die ihnen als Richtlinie dient. So soll es auch sein hinsichtlich der Lehre der Geistwesen, die uns von sich aus die Kontrollmittel liefern.
Die Übereinstimmung in der Lehre der Geister ist deshalb die beste Kontrolle, aber es ist notwendig, dass sie sich unter bestimmten Bedingungen ereignet. Die unsicherste von allen ist es, wenn ein Medium selbst mehrere Geister über einen zweifelhaften Gesichtspunkt befragt. Es ist klar – wenn das Medium unter der Herrschaft einer Besessenheit oder wenn es mit einem betrügerischen Geist verkehrt – dass dieser Geist ihm die gleiche Sache unter verschiedenen Namen mitteilen kann. Es gibt ebenso keine ausreichende Garantie in der Übereinstimmung, die man von den Medien aus dem gleichen spiritistischen Zentrum bekommen kann, weil sie alle unter dem gleichen Einfluss sein können.
Die einzige ernsthafte Garantie für die Lehre der Geister liegt in der Übereinstimmung, die unter den spontan gegebenen Offenbarungen existiert, durch Vermittlungen zahlreicher Medien, fremd untereinander und an verschiedenen Orten.
Man versteht, dass es sich hier nicht um Mitteilungen hinsichtlich nebensächlicher Interessen handelt, sondern nur um die, die sich auf die eigentlichen Grundsätze der Lehre beziehen. Die Erfahrung beweist, dass wenn ein neuer Grundsatz eine Lösung bekommen muss, er spontan und zugleich an verschiedenen Orten auf die gleiche Art und Weise gelehrt wird, wenn nicht in der Form, so zumindest was den Inhalt betrifft. Falls es also einem Geist gefällt ein exzentrisches System zu formulieren, das nur auf seinen eigenen Ideen basiert und außerhalb der Wahrheit, so kann man sicher sein, dass dieses System begrenzt bleiben wird und angesichts der Einstimmigkeit der überall gegebenen Belehrungen abstürzen wird, wie schon bereits zahlreiche Beispiele gezeigt haben. Diese Einstimmigkeit ist es, die alle partiellen Systeme, die im Ursprung des Spiritismus erschienen sind, zu Fall bringt, während jeder auf seine Weise die Phänomene erklärte, bevor man die Gesetze kannte, welche die Beziehung der sichtbaren mit der unsichtbaren Welt lenken.
Das ist die Basis, auf die wir uns stützen, wenn wir einen Grundsatz der Lehre formulieren. Er entspricht nicht der Wahrheit, nur weil er mit unseren Ideen übereinstimmt; wir treten keineswegs als höchster Schiedsrichter der Wahrheit auf; wir sagen niemandem: „Glaubt an solche Dinge, weil wir es euch sagen“. Unsere Meinung ist vor unseren eigenen Augen nichts anderes als eine persönliche Meinung, die vielleicht richtig oder falsch sein kann, weil wir nicht unfehlbarer sind als die anderen. Und wir halten einen Grundsatz auch nicht für wahr, weil er uns gelehrt wurde, sondern weil er die Bestätigung der Übereinstimmung bekommen hat.
In unserer Position, in der wir aus etwa über tausend seriösen spiritistischen Zentren Mitteilungen erhalten, die über die verschiedensten Orte des Globus zerstreut sind, sind wir selbst dazu imstande, die Grundsätze zu erkennen, auf welche sich diese Übereinstimmung begründet. Es ist diese Beobachtung, die uns bis heute geleitet hat, und diese ist es auch, die uns in die neuen Gebiete führen wird, die der Spiritismus erforschen soll. Indem wir die erhaltenen Mitteilungen aufmerksam studiert haben, sowohl aus Frankreich als auch aus dem Ausland, haben wir durch die ganz besondere Natur der Enthüllungen erkannt, dass es eine Tendenz gibt, einen neuen Weg einzuschlagen, und dass der Moment gekommen ist, einen Schritt nach vorne zu machen. Diese Offenbarungen, manchmal durch verschleierte Wörter formuliert, blieben fast immer unverständlich für viele von denen, die sie erhielten; und viele andere glaubten, sie als einzige zu haben. Isoliert angenommen, wären sie für uns bedeutungslos; der Zufall allein gibt ihnen Ernsthaftigkeit. Nachher, wenn sie veröffentlicht werden, wird sich jeder daran erinnern, Anweisungen in dem gleichen Sinn bekommen zu haben. Diese allgemeine Bewegung, die wir beobachten und studieren mit der Unterstützung unserer Geistführer, ist es, die uns bei der Entscheidung hilft, eine Sache zu tun oder sie zu unterlassen.
Diese universelle Kontrolle ist eine Garantie für die zukünftige Einheit des Spiritismus, und sie wird alle widersprüchlichen Theorien annullieren. In dieser Kontrolle ist es, wo man in der Zukunft das Kriterium der Wahrheit suchen wird. Was den Erfolg der formulierten Lehre in den Büchern „Das Buch der Geister“ und „Das Buch der Medien“ gemacht hat, ist, dass überall jeder direkt von den Geistern die Bestätigung bekommen konnte, was in den Büchern enthalten ist. Wenn von allen Seiten die Geister diese bestritten hätten, hätten diese Bücher nach so langer Zeit das Schicksal aller Phantasieauffassung erlitten. Selbst die Unterstützung der Druckpresse hätte jene nicht vor dem Schiffbruch gerettet; während sie auch ohne diese Unterstützung einen nicht weniger schnellen Weg gehabt haben, weil sie diese von den Geistern erhalten haben, deren Bereitwilligkeit darüber hinaus das Übelwollen des Menschen kompensiert hat. So wird es mit allen von den Geistern oder den Menschen abgegebenen Ideen geschehen, welche der Prüfung der Kontrolle nicht standhalten können, deren Macht niemand bestreiten kann.
Nehmen wir also an, dass es einigen Geistern gefällt, ein Buch mit einem beliebigen Titel, im umgekehrten Sinn, zu diktieren; nehmen wir sogar an, dass in einer feindlichen Absicht und mit dem Vorhaben, die Lehre in Verruf zu bringen, die Böswilligkeit unechte Mitteilungen hervorrufen würde. Welchen Einfluss könnten diese Schriftstücke haben, wenn sie von allen Seiten durch die Geister widerlegt werden? Es ist die Zustimmung der Letzteren, deren man sich vergewissern soll, bevor man ein System in ihrem Namen herausbringt. Von dem System eines einzelnen zu dem System von allen gibt es die gleiche Entfernung wie von der Einheit bis zu dem Unendlichen. Was können selbst alle die Argumente der Verleumder gegen die Meinung der Massen bewirken, wenn Millionen befreundeter Stimmen, ausgehend von dem All, von allen Seiten des Universums kommen und sie im Schoß jeder Familie heftig angreifen? Hat die Erfahrung, in dieser Hinsicht, die Theorie noch nicht bestätigt? Was ist mit all jenen Veröffentlichungen passiert, die angeblich den Spiritismus zerstören sollten? Welche von ihnen hat wenigstens die Entwicklung aufgehalten? Bis heute hat man diese Fragen unter diesem Gesichtspunkt nicht betrachtet, ohne Zweifel eine der gravierendsten. Jeder hat sich auf sich selbst verlassen, aber ohne Berücksichtigung der Geister.
Der Grundsatz der Übereinstimmung ist immer noch eine Garantie gegen die Veränderungen, die die Sekten dem Spiritismus aufzwingen möchten, die sich seiner zum eigenen Nutzen bemächtigen und ihn nach ihrer Art und Weise anpassen wollen. Wer auch immer versuchen würde, ihn von seinem von der Vorsehung bestimmten Ziel abzulenken, würde daran scheitern aus dem einfachen Grunde, dass die Geister durch die Universalität ihrer Lehre jede Veränderung zu Fall bringen werden, die sich von der Wahrheit entfernt.
Daraus geht eine wesentliche Wahrheit hervor, dass jeder, der sich gegen die Strömung der wohlbegründeten und sanktionierten Ideen stellen möchte, eine kleine örtliche und vorübergehende Unruhe verursachen könnte, aber nie die Gesamtheit beherrschen würde, weder in der Gegenwart und noch weniger in der Zukunft.
Es geht weiter daraus hervor, dass die Belehrungen durch die Geister über die noch nicht aufgeklärten Punkte der Lehre, kein Gesetz würden, solange sie isoliert bleiben; und dass sie daher nur unter allen Vorbehalten und als Informationen angenommen werden dürfen.
Daher die Notwendigkeit, bei ihrer Veröffentlichung vorsichtig zu sein; und falls man glaubt, sie veröffentlichen zu müssen, ist es wichtig, sie nur als persönliche Meinung darzustellen, die mehr oder weniger wahrscheinlich sind, aber in jedem Fall bestätigt werden muss. Es ist diese Bestätigung, auf die man warten muss, bevor ein Grundsatz als absolute Wahrheit eingeführt wird, wenn man nicht des Leichtsinns oder der unüberlegten Leichtgläubigkeit beschuldigt werden möchte.
Die höheren Geister gehen in ihren Offenbarungen mit äußerster Weisheit vor. Sie behandeln die großen Fragen der Lehre stufenweise, sofern die Intelligenz fähig ist, die Wahrheit von einer höheren Rangordnung zu verstehen, und wenn die Umstände günstig sind, neue Ideen hervorzubringen. Deshalb haben sie nicht alles von Anfang an gesagt und bis heute auch noch nicht; indem sie niemals der Ungeduld der drängenden Menschen nachgegeben haben, welche die Früchte ernten möchten, bevor sie ausgereift sind. Es wäre daher überflüssig, der von der Vorsehung festgelegten Zeit für jede Sache zuvorkommen zu wollen, denn die wirklich seriösen Geister würden sich im positiven Sinn weigern zu helfen. Die leichtsinnigen Geister jedoch, die sich um die Wahrheit wenig kümmern, antworten auf alles. Aus diesem Grund ergibt es sich, dass es auf alle verfrühten Fragen immer widersprüchliche Antworten geben wird.
Die oben genannten Grundsätze sind nicht das Ergebnis einer persönlichen Theorie, sondern die unvermeidliche Folge der Bedingungen, unter der sich die Geister äußern. Es ist ganz klar, dass, wenn ein Geist eine Sache aus einer Richtung sagt, während Millionen von Geistern anderswo das Gegenteil behaupten, die Anmaßung der Wahrheit vielleicht nicht bei demjenigen sein kann, der allein da steht oder fast allein mit dieser Meinung. Es wäre also unlogisch zu behaupten, dass nur ein einziger gegenüber allen anderen Recht hat, ebenso von der Seite eines Geistes wie von der Seite der Menschen. Die wirklich weisen Geister beantworten eine Frage niemals auf irgendeine Art und Weise, wenn sie sich über diese Frage nicht ausreichend aufgeklärt fühlen. Sie erklären, dass sie dieses Thema nur aus ihrem Gesichtspunkt heraus behandeln, und sie raten dazu, auf dessen Bestätigung zu warten.
So groß, schön und gerecht eine Idee auch sein mag, es ist unmöglich, dass sie von Anfang an alle Meinungen vereinigt. Die daraus hervorgehenden Konflikte sind unvermeidliche Folgen der Bewegung, die vor sich geht. Sie sind sogar notwendig, um die Wahrheit besser hervortreten zu lassen, und es ist nötig, dass sie am Anfang stattfinden, damit die falschen Ideen sehr schnell geschwächt werden. Die Spiritisten, die irgendeine Furcht davor haben, sollen deshalb vollkommen beruhigt sein. Alle isolierten Ansprüche werden zwangsläufig vor dem großen und mächtigen Kriterium der universellen Kontrolle umfallen.
Man schließt sich nicht der Meinung eines Menschen an, sondern an die einhellige Stimme der Geister. Es wird kein Mensch sein, weder wir noch irgendein anderer, der die spiritistische Rechtgläubigkeit gründen wird; es wird auch kein Geist sein, der kommt, um sich durchzusetzen, bei wem es auch sein mag: Es wird die Universalität der Geister sein, die sich im Auftrage Gottes überall auf der Erde mitteilen wird. Darin liegt der wesentliche Charakter der spiritistischen Lehre; darin liegt ihre Macht und ihre Autorität. Gott wollte, dass sein Gesetz auf eine unerschütterliche Basis gesetzt wird, deshalb ließ ER es nicht zu, dass es nur auf dem schwachen Haupt eines einzigen ruht.
Es ist vor diesem höchsten Gerichtshof, der weder Gesellschaftsklatsch noch eifersüchtige Rivalitäten, weder Sekten noch Nationen kennt, dass alle Gegensätze, aller Ehrgeiz, alle Ansprüche an die individuelle Überlegenheit, zerbrechen werden. Dass wir uns selbst zerstören würden, wenn wir diese höchste Verordnung durch unsere eigenen Ideen ersetzen wollten. Er allein wird alle strittigen Fragen lösen, die Gegensätze zum Schweigen bringen und Unrecht oder Recht der zuständigen Person geben. Was vermag die Meinung eines Menschen oder eines Geistes vor dieser gewaltigen Überein-stimmung aller Stimmen des Himmels?
Weniger als ein Wassertropfen, der sich im Ozean verliert, weniger noch als die Stimme eines Kindes, vom Sturm gedämpft. Die universelle Meinung ist doch der höchste Richter, derjenige, der in der letzten Instanz spricht. Sie entsteht aus allen einzelnen Meinungen. Wenn eine von ihnen wahr ist, hat sie nur ihr relatives Gewicht auf der Waage; wenn sie falsch ist, kann sie nicht alle anderen überwinden. Bei diesem unermesslichen Zusammenwirken verblassen die Individualitäten, und dies ist ein neuer Rückschlag für den menschlichen Stolz.
Dieses harmonische Ganze nimmt bereits Gestalt an. Dieses Jahrhundert wird nicht vergehen, bevor es in seinem ganzen Glanz erstrahlt auf eine Weise, die alle Ungewissheit auflöst; weil bis dahin mächtige Stimmen die Mission bekommen werden, sich Gehör zu verschaffen, um die Menschen unter der gleichen Flagge zu vereinigen, sobald das Feld ausreichend gepflügt sein wird. Unterdessen kann derjenige, der zwischen zwei entgegengesetzten Systemen schwankt, beobachten, in welche Richtung sich die allgemeine Meinung bewegt: es ist ein sicheres Indiz der Richtung, in der die Mehrheit der Geister sprechen, an den verschiedenen Stellen, wo sie kommunizieren; dies ist ein nicht weniger sicheres Zeichen von jenem der beiden Systeme, das überwiegen wird.
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* Anmerkung der Übersetzerin: Dieses Buch wurde 1864 verfasst; wir haben den Text getreu übersetzt. Mit den heutigen Kommunikationstechniken ist natürlich eine schnellere Verbreitung möglich.
3. Historische Hinweise
Die Samariter führten fast immer Krieg mit den Königen Judäas. Eine tiefe Abneigung, beginnend mit der Zeit der Trennung, bestand zwischen den beiden Völkern ständig fort, die alle Formen der gegenseitigen Beziehungen vermieden. Um das Schisma (Kirchenspaltung) noch tiefer zu machen und nicht nach Jerusalem zur Feier der religiösen Feste gehen zu müssen, bauten sich die Samariter einen eigenen Tempel und führten einige Reformen ein. Sie erkannten nur den Pentateuch an, der das Gesetz Moses enthält, und lehnten alle anderen Bücher ab, die ihm später beigefügt wurden. Seine heiligen Bücher waren in hebräischen Schriftzeichen der höchsten Antike geschrieben. Für die orthodoxen Juden waren sie ketzerisch, deshalb wurden sie verachtet, verflucht und verfolgt. Der Antagonismus der beiden Völker hatte also als einzige Ursache die religiösen Meinungsverschiedenheiten, obwohl ihr Glauben den gleichen Ursprung hatte. Sie waren die Protestanten dieser Epoche.
Noch heute befinden sich Samariter in einigen Gebieten des Orients, insbesondere in Nablus und in Jaffa. Sie befolgen mit mehr Strenge das Gesetz Moses als die anderen Juden und sie heiraten nur unter sich.
Später gaben die Juden diesen Namen den Ersten Christen, in Anspielung auf Jesus aus Nazareth.
Dies war ebenfalls der Name von einer ketzerischen Sekte der ersten Jahrhunderte des christlichen Zeitalters, die ebenso wie die Ebioniten, von denen sie gewisse Grundlagen annahmen, die mosaischen Praktiken mit den christlichen Dogmen vermischten. Diese Sekte verschwand im vierten Jahrhundert.
Unter der römischen Herrschaft waren es die Steuern, die die Juden am schwersten hinnehmen konnten und die die meisten Verärgerungen unter ihnen verursachten. Sie riefen mehrere Revolten hervor, und es wurde daraus ein religiöses Problem gemacht, weil sie als gesetzwidrig angesehen wurden. Es bildete sich sogar eine mächtige Partei, angeführt von einem gewissen Judas, auch „Gaulonite“ genannt, der die Ablehnung der Steuer zum Prinzip erhob. Die Juden verabscheuten folglich die Steuer, und infolgedessen auch diejenigen, die mit der Steuereintreibung beauftragt waren. Dieses ist das Motiv ihrer Abneigung für die Zöllner aller Klassen, unter denen geschätzte Menschen sein konnten, aber die aufgrund ihres Amtes verachtet wurden, zusammen mit all den Menschen, mit denen sie verkehrten, alle wurden in die gleiche Ablehnung mit einbezogen. Die hochgestellten Juden glaubten ihren Ruf aufs Spiel zu setzen, wenn sie mit ihnen enge Beziehungen unterhielten.
Unter diesen Sekten war die einflussreichste die von den Pharisäern, mit Hillel * als Führer, ein jüdischer Doktor, geboren in Babylonien und Gründer einer berühmten Schule, an der man lehrte, dass der Glaube nur auf den Schriften gründet. Ihr Ursprung geht auf das Jahr 180 oder 200 vor Jesus Christus zurück. Die Pharisäer wurden in verschiedenen Epochen verfolgt, insbesondere unter „Hyrkanus“, dem obersten Kirchenfürst und König der Juden, den Königen von Syrien, Aristoboulos und Alexander, der letztere gab ihnen jedoch die Ehren und ihren Besitz wieder zurück und sie erlangten erneut die Macht, die sie behielten bis zum Niedergang von Jerusalem im Jahre 70 der christlichen Ära, eine Epoche, in der aufgrund der Zerstreuung der Juden ihr Name verschwand.
Die Pharisäer nahmen tatkräftig an den religiösen Auseinandersetzungen teil. Sie achteten streng auf die Äußerlichkeiten bei der Ausübung des Kults und der Feierlichkeiten, zeigten einen heftigen Eifer bei der Proselytenmacherei (Bekehrung der Heiden zum Judentum), waren Feinde der Neuerer und täusch ten bei alledem eine große Strenge der Prinzipien vor. Aber unter dem Anschein einer gewissenhaften Frömmigkeit versteckten sie ausschweifende Sitten, viel Hochmut und vor allem eine extreme Gier zu Herrschen. Die Religion war für sie eher ein Hilfsmittel, um ihre Ziele zu erreichen, als Gegenstand eines aufrichtigen Glaubens. Sie achteten nur auf den äußeren Schein, prahlten mit ihrer Tugend, und übten damit einen großen Einfluss auf das Volk aus, in dessen Augen sie für heilige Personen gehalten wurden; deshalb waren sie sehr mächtig in Jerusalem.
Sie glaubten, oder gaben es wenigstens vor, an die Vorsehung, an die Unsterblichkeit der Seele, an die Ewigkeit der Leiden und an die Auferstehung der Toten (Kap. 4; Nr. 4). Jesus, der vor allem die Schlichtheit und die Eigenschaften des Herzens schätzte, der im Gesetz den Geist, der belebt, dem Wort, das tötet, vorzog, bemühte sich während der Zeit seiner Mission, ihre Heuchelei zu entlarven, als Folge davon wurden sie zu seinen blutrünstigen Feinden. Aus diesem Grund sind sie mit dem Hohepriester in Verbindung getreten, um das Volk gegen Ihn aufzuwiegeln, mit dem Ziel, Ihn umkommen zu lassen.
* Verwechselt nicht diesen Hillel, der die Sekte der Pharisäer gründete, mit seinem Namensvetter, der zweihundert Jahre später gelebt hat, und der die religiösen und sozialen Grundsätze von einem ganzen System aus Toleranz und Liebe festlegte; ein System, das heute unter Hellenismus bekannt ist. (Von der portugiesischen Übersetzung der FEB übernommen)
Seit der Zerstörung Jerusalems und der Zerstreuung der Juden dienen die Synagogen in den Städten, wo sie wohnen, als Tempel für die Feier des Gottesdienstes.
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Sokrates, ebenso wie Christus, schrieb nichts auf oder hinterließ zumindest nichts Schriftliches; wie Christus starb auch er den Tod der Verbrecher, Opfer des Fanatismus, weil er den traditionellen Glauben angegriffen und die wahre Tugend über die Heuchelei und die Täuschung durch Festhalten am Formalismus gestellt hatte, in einem Wort, weil er die religiösen Vorurteile bekämpfte. So wie Jesus von den Pharisäern beschuldigt wurde, das Volk mit seinen Lehren zu verderben, ist er ebenfalls von den Pharisäern seiner Zeit angeklagt worden – da es sie in allen Epochen gegeben hat – die Jugend durch die Verkündungen des Dogmas der Einheit Gottes, der Unsterblichkeit der Seele und des zukünftigen Lebens zu verderben. Und ebenso wie wir die Lehre Jesu nur aus den Schriften seiner Jünger kennen, so kennen wir die von Sokrates nur durch die Schriften seines Schülers Platon. Wir halten es für nützlich, hier die wichtigsten Punkte zusammenzufassen, um die Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Christentums zu veranschaulichen.
Denjenigen, die diese Parallele als eine Entweihung ansehen und behaupten würden, dass es keine Ähnlichkeiten zwischen der Lehre eines Heiden und der eines Christen geben kann, antworten wir: dass die Lehre Sokrates nicht heidnisch war, denn sie hatte das Ziel, das Heidentum zu bekämpfen; dass die Lehre Jesu, die vollständiger und reiner als die des Sokrates ist, beim Vergleich nichts zu verlieren hat; dass die Bedeutung der göttlichen Mission Jesu damit nicht vermindert wird; und dass es sich, im übrigen, um historische Fakten handelt, die nicht vertuscht werden können. Der Mensch ist an einem Punkt angelangt, an dem das Licht von sich aus unter dem Scheffel hervorkommt; er ist reif, ihm gegenüberzutreten; schade für jene, die sich aus Angst nicht getrauen, ihre Augen zu öffnen. Es ist die Zeit gekommen, die Dinge auf eine erhabene und umfassende Art und Weise zu betrachten und nicht mehr aus dem kleinlichen und beschränkten Gesichtspunkt der Interessen von Sekten und Kasten.
Diese Zitate beweisen außerdem, dass, wenn Sokrates und Platon das christliche Denken vorausgeahnt haben, man auch gleichzeitig in ihrer Lehre die grundlegenden Grundsätze des Spiritismus findet.
Zusammenfassung der Lehre von Sokrates und Platon
Man kann nicht deutlicher den Unterschied und die Unabhängigkeit des intelligenten Prinzips und des materiellen Prinzips ausdrücken. Dies ist außerdem die Lehre der Präexistenz der Seele; von der vagen Intuition, die sie von der Existenz einer anderen Welt bewahrt, nach der sie strebt; von ihrem Weiterleben nach dem Tod des Körpers; von ihrem Austritt aus der geistigen Welt, um zu inkarnieren und von ihrer Rückkehr nach dem Tod zu dieser Welt. Es ist schließlich der Keim der Lehre der gefallenen Engel.
So täuscht sich der Mensch, der die Dinge von unten, aus der alltäglichen Art und Weise, vom materiellen Gesichtspunkt aus betrachtet. Um sie richtig einzuschätzen, ist es notwendig, sie von einem höheren, d.h. aus dem spirituellen Gesichtspunkt zu sehen. Der echte Gelehrte muss folglich auf irgendeine Art und Weise die Seele vom Körper isolieren, um mit den Augen des Geistes zu sehen. Das ist das, was der Spiritismus lehrt. (Kap. 2; Nr. 5)
Hier haben wir das Prinzip der Fähigkeiten der Seele, durch die körperlichen Organe verdunkelt, und die Ausdehnung dieser Fähigkeiten nach dem Tod. Es handelt sich hier aber nur um entwickelte Seelen, die bereits gereinigt sind; mit den unreinen Seelen geschieht nicht dasselbe.
Nicht nur der Grundsatz der Reinkarnation wird hier deutlich zum Ausdruck gebracht, sondern auch der Zustand der Seelen ist beschrieben, die immer noch unter der Macht der Materie stehen, wie der Spiritismus ihn in den Beschwörungen veranschaulicht. Und zudem wird noch gesagt, dass die Reinkarnation eine Folge der Unreinheit der Seele ist, während die reinen Seelen von ihr befreit sind. Der Spiritismus sagt nichts anderes, er ergänzt nur, dass die Seele, die in der Erratizität gute Entschlüsse gefasst hat und über gewonnene Erkenntnisse verfügt, bei der Wiedergeburt weniger Fehler, mehr Tugenden und mehr intuitive Gedanken mitbringen wird, als die, die sie in der früheren Existenz hatte, und dass daher jede Existenz für sie einen intellektuellen und moralischen Fortschritt verzeichnet. („Himmel und Hölle“, zweiter Teil: Beispiele)
Dies ist die Lehre der Schutzengel oder der Schutzgeister und von den aufeinander folgenden Reinkarnationen nach mehr oder weniger langen Abständen in der Erratizität.
Das Wort daimon, aus dem man Dämon gemacht hat, wurde in der Antike nicht im bösen Sinn benutzt wie in der modernen Zeit. Dieses Wort bezeichnet nicht ausschließlich die Bösartigen, sondern alle Geister im allgemeinen, bei denen man die höheren Geister, auch Götter genannt, und die weniger erhabenen Geister, sozusagen die Dämonen, unterschied, die direkt mit den Menschen kommunizierten. Der Spiritismus lehrt ebenfalls, dass die Geister den Weltraum besiedeln; dass Gott nur mittels der reinen Geister mit den Menschen kommuniziert, die beauftragt sind, ihnen SEINEN Willen zu übermitteln; dass die Geister mit ihnen - während des Zustandes des Wachseins und während des Schlafes - in Verbindung treten. Ersetze das Wort Dämon durch das Wort Geist, und du wirst die spiritistische Lehre haben; setze das Wort Engel ein, und du wirst die christliche Lehre haben.
Das Christentum und der Spiritismus lehren das Gleiche.
Wie man sieht, verstanden Sokrates und Platon vollkommen die verschiedenen Stufen der Dematerialisierung der Seele. Sie bestehen auf dem Unterschied der Situation, die für die Seelen aus ihrer größeren oder geringeren Reinheit hervorgeht. Was sie aus Intuition sagten, beweist der Spiritismus, mit seinen zahlreichen Beispielen, die er uns vor Augen führt. („Himmel und Hölle“, zweiter Teil)
Anders gesagt heißt es, dass der Materialismus, der das Nichts nach dem Tod verkündigt, die Aufhebung von der ganzen späteren moralischen Verantwortung wäre, und folglich ein Anreiz zum Bösen: dass der Bösewicht in dem Nichts alles zu gewinnen hat; dass der Mensch, der sich von seinen Fehlern befreit, und sich an Tugenden bereichert hat, der einzige ist, der unbesorgt das Erwachen in dem anderen Leben erwarten kann. Der Spiritismus zeigt uns durch Beispiele, die er uns täglich vor Augen führt, wie schmerzlich die Durchreise für einen Bösewicht von einem zum anderen Leben ist, ebenso der Eintritt in das zukünftige Leben. („Himmel und Hölle“, zweiter Teil, Kap. 1)
Hier finden wir einen anderen wesentlichen Punkt wieder, der heute durch die Erfahrung bestätigt ist, dass die unreine Seele die Gedanken, die Neigungen, den Charakter und die Leidenschaften beibehält, die sie auf der Erde hatte. Dieser Grundsatz: Es ist besser eine Ungerechtigkeit zugefügt zu bekommen, als sie zu begehen, ist er nicht völlig christlich? Es ist der gleiche Gedanke, den Jesus mit diesem Beispiel zum Ausdruck brachte: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin“. (Matthäus, Kap. XII, 38-42 und Nr. 7-8)
Laut Sokrates treffen sich die Menschen, die auf der Erde gelebt haben, nach dem Tod wieder und sie erkennen sich. Der Spiritismus zeigt uns, dass die Beziehungen unter ihnen auf eine Art und Weise weiter bestehen, und dass der Tod weder eine Unterbrechung noch eine Beendigung, sondern eine Veränderung des weiterbestehenden Lebens ist. In diesen gibt es nichts, das uns überraschen sollte, wenn wir bedenken, dass die großen Wahrheiten ewig sind, und dass die fortgeschrittenen Geister diese bereits gekannt haben müssen, bevor sie auf die Erde kamen, wohin sie sie mitgebracht haben. Wenn wir noch in Betracht ziehen, dass Sokrates, Platon und die großen Philosophen ihrer Zeit später unter denjenigen gewesen sein könnten, die Christus in seiner göttlichen Mission unterstützten, sozusagen auserwählt, weil sie fähiger als andere waren, seine erhabenen Lehren zu verstehen. Und dass sie schließlich heute zu den großen Scharen der beauftragten Geister gehören können, die den Menschen die gleichen Wahrheiten lehren.
Die Liebe, die die Menschen durch ein Band der Brüderlichkeit vereinigen soll, ist eine Folge dieser Theorie von Platon über die universelle Liebe, als Naturgesetz. Sokrates hat gesagt, dass „die Liebe weder ein Gott noch ein Sterblicher ist, sondern ein großer Dämon“, d.h. ein mächtiger Geist, der die universelle Liebe leitet. Vor allem diese Behauptung wurde ihm als Verbrechen angelastet.
Es ist ungefähr die christliche Lehre über die Gnade; wenn aber die Tugend eine Gabe Gottes ist, ist sie eine Gunst, und man kann fragen, warum sie nicht allen gewährt wird; auf der anderen Seite, wenn sie eine Gabe ist, ist sie ohne Verdienst seitens desjenigen, der sie besitzt. Der Spiritismus drückt es deutlicher aus; er lehrt, dass derjenige, der die Tugend besitzt, sie durch seine Anstrengungen in den aufeinander folgenden Existenzen erworben hat, indem er sich nach und nach von seinen Unvollkommenheiten befreit hat. Die Gnade ist die Kraft, die Gott jedem Menschen guten Willens gewährt, um sich vom Bösen zu befreien und das Gute zu tun.
Der Spiritismus gibt den Schlüssel der Beziehungen, die zwischen Seele und Körper existieren, und beweist, dass es eine unaufhörliche Reaktion von einem auf den anderen gibt. Er öffnet so einen neuen Weg für die Wissenschaft und indem er ihr die wahre Ursache von gewissen Leiden zeigt, gibt er ihr auch die Mittel, sie zu bekämpfen. Wenn die Wissenschaft die Wirkung des geistigen Elements berücksichtigen würde, würde sie weniger scheitern.
Dieses ist an die Menschen gerichtet, die die Sachen kritisieren, von denen sie oft nicht einmal das erste Wort kennen. Platon vervollständigt diesen Gedanken von Sokrates, wenn er sagt: „Versuchen wir zuerst, wenn möglich, in den Worten ehrlicher zu werden; wenn nicht, kümmern wir uns dann nicht um sie und suchen nur nach der Wahrheit. Bemühen wir uns zu bilden, aber beleidigen wir einander nicht.“ So sollen die Spiritisten handeln hinsichtlich ihrer Widersacher, seien sie gutartig oder böswillig. Wenn Platon heute noch einmal lebte, würde er die Sache mehr oder weniger wie zu seiner Zeit finden, und er würde die gleiche Sprache benutzen. Sokrates würde ebenfalls Menschen finden, die seinen Glauben an die Geister verspotten, und ihn wie einen Verrückten behandeln würden, so wie auch seinen Schüler Platon.
Weil er diese Grundsätze gelehrt hat, wurde Sokrates zuerst lächerlich gemacht, dann der Herzlosigkeit beschuldigt und dazu verurteilt, den Schierlingsbecher zu trinken. Daher ist es richtig, dass die großen neuen Wahrheiten – weil sie die Interessen und Vorurteile gegen sich aufbringen, die durch sie verletzt werden – nicht anerkannt werden können, ohne Kämpfe und ohne Märtyrer zu machen.
Anmerkung der Übersetzerin: Die Übersetzungen der Bibeltexte sind wortwörtlich nach den Angaben von Allan Kardec erfolgt und nicht irgendeiner Bibelübersetzung entnommen.
KAPITEL I - Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz abzuschaffen
Das Gesetz Gottes ist in den Zehn Geboten formuliert:
I. Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus, herausgeführt hat. Du sollst keine andern, fremden Götter neben mir haben. Du sollst dir kein Gottesbild machen, keinerlei Abbild, weder dessen was oben im Himmel noch dessen was unten auf Erden noch dessen was in den Wassern und unter der Erde ist. Du sollst sie nicht anbeten und ihnen nicht dienen.
II. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.
III. Gedenke des Sabbattags und halte ihn heilig.
IV. Ehre deinen Vater und deine Mutter, auf dass du lange in dem Land lebst, das der Herr, dein Gott, dir geben wird.
V. Du sollst nicht töten.
VI. Du sollst nicht ehebrechen.
VII. Du sollst nicht stehlen.
VIII. Du sollst nicht falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten.
IX. Du sollst nicht das Weib deines Nächsten begehren.
X. Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren, weder seinen Diener noch seine Dienerin; weder sein Rind noch seinen Esel, auch nichts Sonstiges, was dein Nächster besitzt.
Dieses Gesetz gilt für alle Zeiten und für alle Länder und hat deswegen göttlichen Charakter. Alle anderen Gesetze wurden von Moses festgelegt, denn er musste mittels der Furcht ein Volk zurückhalten, das von Natur aus ungestüm und undiszipliniert war; und bei dem er die verwurzelten Unsitten und Vorurteile bekämpfen musste, die während der Knechtschaft in Ägypten entstanden waren. Um seinen Gesetzen Autorität zu geben, musste er ihnen einen göttlichen Ursprung zuschreiben, so wie es alle Gesetzgeber der primitiven Völker gemacht haben. Die Autorität des Menschen sollte sich auf die Gottes-Autorität stützen; aber nur der Gedanke an einen schrecklichen Gott konnte unwissende Menschen beeindrucken, weil bei ihnen der moralische Verstand und die Gefühle einer richtigen Gerechtigkeit noch unterentwickelt waren. Es ist offensichtlich, dass Gott, der SEINEN Geboten diese angefügt hat: - „du sollst nicht töten; du sollst deinem Nächsten keinen Schaden verursachen“, sich widersprechen würde, wenn ER aus diesen Geboten eine Pflicht der Vernichtung machen würde. Die mosaischen Gesetze hatten somit eigentlich einen überwiegend vorübergehenden Charakter.
Christus
Mit den Worten: „Himmel und Erde werden nicht vergehen, bevor alles in Erfüllung gegangen ist, bis zum letzten Jota“ wollte Jesus sagen, dass es notwendig ist, das Gesetz Gottes in Erfüllung zu bringen; d.h. dass es auf der ganzen Erde praktiziert werden sollte, in seiner ganzen Reinheit, mit allen seinen Entwicklungen und allen seinen Folgen. Denn, wozu hätte die Verkündung dieses Gesetzes gedient, wenn es Privileg für einige Menschen oder gar für ein einziges Volk bleiben sollte? Da alle Menschen Kinder Gottes sind, sind sie alle, ohne Unterschied, Grund der gleichen Fürsorge.
Der Spiritismus
Die Zeit ist gekommen, in der die Lehren von Christus vervollständigt werden sollen, um den Schleier aufzuheben, der absichtlich über einige Teile dieser Lehren geworfen wurde; die Zeit, in der die Wissenschaft, indem sie aufhört ausschließlich materialistisch zu sein, von der geistigen Wesenheit Kenntnis nehmen muss und in der die Religion aufhören muss, das organische und unveränderliche Gesetz der Materie zu verkennen. Diese beiden Kräfte, indem sie sich unterstützen und zusammengehen, werden sich gegenseitig stärken. Dann wird die Religion, nicht mehr von der Wissenschaft verleugnet, eine unerschütterliche Kraft bekommen, weil sie in Übereinstimmung mit der Vernunft sein wird und man wird ihr nicht mehr die unwiderstehliche Logik der Tatsachen entgegenhalten können.
Die Wissenschaft und die Religion konnten sich bis heute nicht verstehen, weil sie die Dinge von ihrem ausschließlichen Standpunkt betrachteten und sich gegenseitig zurückstießen. Es fehlte irgendetwas, um die Lücke auszufüllen, die sie voneinander trennte, ein Bindeglied, das sie näher zueinander bringen würde. Dieses Bindeglied ist die Kenntnis der Gesetze, die die geistige Welt und ihre Verbindungen mit der materiellen Welt leitet. Gesetze, die so unveränderlich sind wie die, die die Bewegung der Gestirne und das Dasein der Wesen bestimmen. Diese Zusammenhänge, einmal durch Erfahrung bestätigt, haben ein neues Licht gebracht: Der Glaube hat sich der Vernunft zugewandt, die gar nichts Unlogisches in dem Glauben gefunden hat, und der Materialismus wurde besiegt. Aber hier, wie bei allen Dingen, gibt es Leute die zurückbleiben, bis sie von der allgemeinen Bewegung mitgeschleppt werden, die sie erdrücken, falls sie ihr Widerstand leisten, anstatt sich ihr hinzugeben. Es ist eine moralische Umwälzung, die in diesem Moment stattfindet und das Geistige bearbeitet. Nachdem sie mehr als 18 Jahrhunderte ausgearbeitet wurde, nähert sie sich ihrer vollkommenen Erfüllung und wird eine neue Ära für die Menschheit einleiten. Die Folgen dieser Umwälzung sind leicht vorauszusehen: Sie wird unvermeidliche Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse hervorbringen, gegen die niemand sich widersetzen kann, weil sie in den Plänen Gottes stehen und aus dem Gesetz des Fortschritts, das ein Gesetz Gottes ist, hervorgehen.
Unterweisungen der geistigen Welt - Die neue Ära
Die Zehn Gebote Gottes, durch Moses gegeben, beinhalten den Keim der am meisten verbreiteten christlichen Moral. Die Erklärungen in der Bibel begrenzten ihren Sinn, weil sie, in ihrer ganzen Reinheit praktiziert, nicht verstanden worden wären. Aber die Zehn Gebote Gottes sind nichtsdestoweniger ein beleuchteter Giebel geblieben, ein Leuchtturm, um die Menschheit mit seinem Licht auf dem Weg zu führen, den sie begehen soll.
Die Moral, von Moses gelehrt, war an den Entwicklungszustand angepasst, in dem die Völker sich befanden, für welche diese Moral zur Erneuerung vorgesehen war. Diese primitiven Völker, was die Vervollkommnung ihrer Seele anbelangte, hätten nicht verstehen können, dass man Gott anders hätte anbeten können, als mit Brandopfern und auch nicht, dass man dem Feind vergeben soll. Ihre Intelligenz, bemerkenswert aus dem Gesichtspunkt der Materie, wie auch der Kunst und der Wissenschaft, war moralisch sehr unterentwickelt, und sie hätten sich nicht unter der Führung einer gänzlich geistigen Religion bekehren können. Für sie war eine halbmaterielle Darstellung notwendig, so, wie die hebräische Religion sie ihnen angeboten hat. Das Brandopfer sprach ihre Sinne an, während der Gedanke an Gott ihren Geist ansprach.
Christus war der Wegbereiter der reinsten und erhabensten Moral; die christliche Moral des Evangeliums, die die Welt erneuern soll, die Menschen einander näher bringen und sie in Geschwister verwandeln soll; die aus allen menschlichen Herzen Barmherzigkeit und die Liebe zu den Nächsten hervorquellen lassen und unter allen Menschen eine allgemeine Solidarität erschaffen soll. Kurzum, eine Moral, die die Erde umwandeln und aus ihr eine Wohnung machen soll für höhere Geister als diejenigen, die sie heute bewohnen. Es ist das Gesetz des Fortschritts, dem die Natur unterworfen ist, das in Erfüllung geht, und der Spiritismus ist der Hebel, den Gott bedient, um die Menschheit vorwärtszubringen.
Die Zeit ist gekommen, in der die moralischen Ideen sich entwickeln sollen, um die Fortschritte, die zu den Plänen Gottes gehören, in Erfüllung zu bringen. Sie sollen dem gleichen Weg folgen, welchen die Ideen der Freiheit durchlaufen haben. Man soll nicht glauben, dass diese Entwicklung ohne Kämpfe verwirklicht werden kann. Nein, um die Reife zu erreichen, benötigen sie Erschütterungen und Auseinandersetzungen, damit sie die Aufmerksamkeit der Masse anziehen. Ist die Aufmerksamkeit einmal erreicht, werden die Schönheit und die Heiligkeit der Moral den Menschenverstand verblüffen, und sie werden sich für eine Wissenschaft interessieren, die ihnen den Schlüssel des zukünftigen Lebens gibt und ihnen die Tür zur ewigen Seligkeit öffnet. Moses war es, der den Weg bahnte; Jesus setzte das Werk fort; der Spiritismus wird es vollenden. (Ein israelischer Geist, Mühlhausen, 1861)
Der Spiritismus ist von göttlichem Ursprung, weil er sich auf die Naturgesetze stützt; und seid sicher, dass alles, was von göttlichem Ursprung ist, ein großes und nützliches Ziel hat. Eure Welt ging verloren. Die Wissenschaft hat sich auf Kosten einer moralischen Ordnung entwickelt, aber, indem sie euch zu einem materiellen Wohlstand geführt hat, ist sie zu Gunsten der Geister der Finsternis zurückgefallen. Ihr wisst, Christen, dass das Herz und die Liebe gemeinsam mit der Wissenschaft gehen sollen. Das Reich Christi ist, trotz des Opfers von so vielen Märtyrern, nach 18 Jahrhunderten noch nicht gekommen. Christen, kehrt zum Meister zurück, der euch retten will. Für denjenigen, der glaubt und liebt, ist alles leicht. Die Liebe erfüllt ihn mit einer unaussprechlichen Freude. Ja, meine Kinder, die Welt ist erschüttert; die guten Geister sagen euch das immer wieder. Beugt euch vor dem Windstoß, Vorläufer des Sturms, damit ihr nicht niedergerissen werdet; d.h. bereitet euch vor und ahmt nicht die törichten Jungfrauen nach, die unvorbereitet bei der Ankunft des Bräutigams überrascht wurden.
Die Umwälzung, die im Kommen ist, ist eher moralischer als materieller Art. Die großen Geister, göttliche Boten, flößen euch den Glauben ein, damit ihr alle, aufgeklärte und begeisterte Arbeiter, eure demütige Stimme zu Gehör bringt, weil ihr das Sandkorn seid und ohne Sandkörner würden die Berge nicht existieren. Also, dass die Worte: „Wir sind klein“, für euch keine Bedeutung mehr haben sollen. Ein jeder hat seine Mission; ein jeder hat seine Aufgabe. Baut nicht die Ameise das Gebäude ihres Staates? Und errichten kaum wahrnehmbare mikroskopisch kleine Tiere Kontinente? Der neue Kreuzzug hat begonnen. Jünger des universellen Friedens, und nicht des Krieges, moderne Sankt Bernharde, schaut und marschiert nach vorne. Das Gesetz der Welten ist das Gesetz des Fortschritts. (Fénelon, Poitiers, 1861)
Anmerkung: Kommt Sankt Augustin also, um zu vernichten, was er selber errichtet hat? Ganz sicher nicht; aber wie viele andere, sieht er nun mit den Augen des Geistes, was er als Mensch nicht sah. Seine befreite Seele erfährt neue Erkenntnisse und versteht, was sie vorher nicht verstanden hat. Neue Gedanken offenbaren ihm den wahren Sinn von bestimmten Worten. Auf der Erde beurteilte er die Dinge nach dem Wissensstand, den er besaß, aber, als ihm ein umfangreicheres Wissen zur Verfügung stand, konnte er die Dinge klarer beurteilen. Und so änderte er seine Meinung über seinen Glauben an „Inkubus-“ * und „SukkubusGeister“ ** ; und auch über den Bannfluch, den er gegen die Theorie der Gegensätze (Antipode) geworfen hat. Jetzt, wo das Christentum ihm in seiner ganzen Reinheit erscheint, kann er über einige Punkte anders denken, als er es als inkarniertes Wesen tat, ohne aufzuhören, ein christlicher Jünger zu sein. Er kann, ohne seinen Glauben zu verleugnen, sich in einen Verbreiter des Spiritismus verwandeln, weil er darin die Erfüllung der Voraussagungen sieht. Indem er den Spiritismus heute verkündet, macht er nichts anderes, als uns zu einer richtigeren und logischen Interpretation der Texte zu führen. Das gleiche geschieht mit anderen Geistern, die sich in ähnlicher Lage befinden.
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* Anmerkung der Übersetzerin: Inkubus: (lat) a) römischer Volksglauben > Dämon der Nacht; b) Satan, der Geschlechtsverkehr mit einer Hexe hat. (Deutsches Wörterbuch: Karl-Dieter Brünting)
** Anmerkung der Übersetzerin: Sukkubus: (lat) (hist.) weiblicher Dämon, der mit einem schlafenden Mann Geschlechtsverkehr hat. (Deutsches Wörterbuch: Karl-Dieter Brünting)
KAPITEL II - Mein Reich ist nicht von dieser Welt
Pilatus sagte nun zu Ihm: „Also bist Du doch ein König?“ – Jesus antwortete: „Du sagst es: ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und nur in diese Welt gekommen, um Zeugnis für die Wahrheit abzulegen. Jeder, der zur Wahrheit gehört, hört auf meine Stimme.“ (Johannes, Kap. XVII, 33, 36, 37)
Das zukünftige Leben
Diese Glaubenslehre kann als die Achse der Lehre Christi angesehen werden; deswegen steht sie vorne an erster Stelle in diesem Werk, weil sie das Ziel aller Menschen sein soll. Nur sie kann die Anomalie des irdischen Lebens rechtfertigen und in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit Gottes sein.
Jesus aber, indem Er Seine Lehre an den Entwicklungsstand der Menschen seiner Zeit anpasste, hielt es nicht für angemessen ihnen das ganze Wissen zu vermitteln, welches sie nur verwirrt hätte ohne sie aufzuklären, weil sie es nicht begreifen konnten. Er beschränkte sich auf eine gewisse Weise darauf, das zukünftige Leben im Prinzip nur als ein Naturgesetz zu offenbaren, dessen Wirkung niemand entfliehen kann. Jeder Christ glaubt also zwangsläufig an das zukünftige Leben, aber die Vorstellung, die viele darüber haben, ist noch verschwommen, unvollständig und deswegen in verschiedenen Punkten falsch. Für eine große Anzahl der Menschen ist dieser Glaube ohne absolute Gewissheit; daher die Zweifel und sogar die Ungläubigkeit.
Der Spiritismus ist gekommen, um die Lehre Christi in diesem Punkt wie in vielen anderen zu vervollständigen, da nun die Menschen reif genug sind, um die Wahrheit zu verstehen. Mit dem Spiritismus hört das zukünftige Leben auf, nur ein einfacher Glaubenssatz und eine einfache Hypothese zu sein. Es ist eine materielle Realität, durch Fakten bewiesen, weil es die Augenzeugen sind, die es in allen seinen Phasen und überraschenden Ereignissen in einer solchen Weise beschreiben, dass es nicht mehr möglich ist daran zu zweifeln, und dass die einfachste Intelligenz es sich unter seinem wahren Aspekt vorstellen kann, wie man sich ein Land nach einer detaillierten Beschreibung vorstellen kann. Nun, die Beschreibung des zukünftigen Lebens ist so ausführlich, die glücklichen oder unglücklichen Daseinsbedingungen derer, die sich dort befinden, sind so rational, dass man sich selbst widerwillig sagen muss, dass es nicht anders sein kann und dies die wahrhaftige Gerechtigkeit Gottes ist.
Das Königtum Jesu
Der Gesichtspunkt
Wegen des einfachen Zweifels an dem zukünftigen Leben konzentriert der Mensch seine ganzen Gedanken auf das irdische Leben. Ohne Gewissheit, was die Zukunft betrifft, gibt er sich total der Gegenwart hin. Da er nur die irdischen Güter der Erde als wertvoll schätzt, benimmt er sich wie ein Kind, das nichts jenseits seines Spielzeugs sieht. Er lässt nichts außer Acht, um diese für sich zu bekommen. Der Verlust des Geringsten seines Vermögens verursacht ihm quälenden Kummer; eine Enttäuschung, eine vergebliche Hoffnung, unbefriedigter Ehrgeiz, Opfer einer Ungerechtigkeit, Verletzung des Stolzes oder der Eitelkeit, sind ebenfalls viele Qualen, die seine Existenz mit immerwährenden Angstgefühlen belasten, womit ersich selbst eine andauernde wahre Tortur auferlegt. Da er seinen Standpunkt dem irdischen Leben, in dessen Mitte er sich befindet, entnimmt, nimmt alles um ihn herum gewaltige Proportionen an. Das Böse, das ihn trifft, wie das Gute, das anderen zukommt, erscheint ihm von großer Wichtigkeit. Für denjenigen, der sich im Zentrum einer Stadt befindet, erscheint alles um ihn herum im großen Rahmen; die Menschen, die eine hohe Position haben, erscheinen ihm wie Monumente. Steigt er aber auf einen Berg, kommen ihm Menschen und Dinge sehr klein vor.
Das geschieht es auch mit dem, der das irdische Leben unter dem Gesichtspunkt des zukünftigen Lebens betrachtet: die Menschheit, wie die Sterne am Firmament, verlieren sich in der unermesslichen Weite. Er bemerkt dann, dass die Großen und die Kleinen kaum zu unterscheiden sind, wie die Ameisen auf einem Hügel; dass die Proletarier und die Potentaten von gleicher Größe sind, und er bedauert diese kurzlebigen Wesen, die sich so überanstrengen, um eine Position zu erobern, die sie sehr wenig erhebt und die sie nur für eine kurze Zeit behalten können. Daher folgt, dass die gegebene Wertung zum irdischen Vermögen im umgekehrten Verhältnis zum zukünftigen Leben steht.
Gott verurteilt die irdischen Genüsse nicht, sondern deren Missbrauch, die zum Nachteil der Seele sind; vor solchem Missbrauch sind diejenigen gewarnt, die die Worte Jesu: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ für sich anwenden.
Derjenige, der sich mit dem zukünftigen Leben identifiziert, ähnelt dem Reichen, der ohne Gefühlserregung eine kleine Summe verliert. Derjenige, dessen Gedanken sich auf das irdische Leben konzentrieren, ähnelt dem Armen, der alle Hoffnung aufgibt, wenn er seinen ganzen Besitz verliert.
Unterweisungen der geistigen Welt - Ein irdisches königliches Wesen
Es ist erforderlich, um einen Platz in diesem Reich zu erlangen, Selbstverleugnung, Demut, praktizierende Nächstenliebe in seiner ganzen Erhabenheit und Wohlwollen für alle anzuwenden. Man fragt euch nicht, was ihr gewesen seid und auch nicht welche Stellung ihr besessen habt, sondern nach dem Guten, das ihr getan und wie viele Tränen ihr getrocknet habt.
Oh! Jesus, Du hast gesagt, dass Dein Reich nicht von dieser Welt ist, weil das Leiden notwendig ist, um den Himmel zu erreichen; und die Stufen eines Throns bringen niemanden näher dorthin. Es sind die schmerzlichsten Wege des Lebens, die zu ihm führen. Sucht also den Weg zum Himmel durch Dornen und Stacheln und nicht durch Blumen.
Die Menschheit rennt hinter irdischen Gütern her, als ob sie sie für die Ewigkeit bewahren könnten. Hier aber verschwinden alle Illusionen; bald nehmen sie wahr, dass sie nur nach Schatten gegriffen und die einzigen realen und dauerhaften Vermögen verachtet haben, was als Einziges für die himmlische Wohnung gilt und für den Einzug in sie erforderlich ist.
Habt Erbarmen mit denen, die das Reich des Himmels nicht verdient haben. Helft ihnen mit euren Gebeten, weil das Gebet den Menschen dem Allerhöchsten näher bringt. Das Gebet ist das Bindeglied zwischen Himmel und Erde. Vergesst das nicht. (Eine Königin aus Frankreich, Le Havre, 1863)
KAPITEL III - Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen
Verschiedene Zustände der Seele in der Erratizität
Unabhängig von der Verschiedenartigkeit der Welten können diese Worte Jesu auch den glücklichen oder unglücklichen Zustand des Geistes in der Erratizität betreffen. Die Ansicht der Dinge, die Gefühle, die er empfindet und die Wahrnehmungen, die er hat, variieren die Umgebung, in welcher er sich befindet, unendlich, je nachdem in welchem Maß der Geist mehr oder weniger gereinigt und von den materiellen Bindungen losgelöst ist. Während einige sich von der Sphäre, in der sie gelebt haben, nicht entfernen können, erheben sich andere und durcheilen den Raum und die Welten. Während manche schuldigen Geister in der Finsternis umherirren, genießen die Glückseligen eine strahlende Helligkeit und das erhabene Schauspiel des Unendlichen. Schließlich, während der Böse, gequält von Gewissensbissen und Reue, meistens isoliert, ohne Trost, getrennt von den geliebten Menschen, unter der „eisernen Hand“ der moralischen Schmerzen leidet, genießt der Gerechte in der Gesellschaft seiner geliebten Menschen die Freude eines unbeschreiblichen Glücks. Es gibt also auch in der Erratizität viele Wohnungen, die weder begrenzt noch lokalisiert sind.
Verschiedene Kategorien der bewohnten Welten
– Primitive Welten: Für die ersten Inkarnationen der menschlichen Seele bestimmt;
– Welten der Sühne und der Prüfungen: Wo das Böse überwiegt;
– Welten der Erneuerung: Wo die Seelen, die noch büßen müssen, neue Kraft schöpfen und sich von der Müdigkeit aufgrund der Kämpfe ausruhen;
– Glückliche Welten: Wo das Gute sich gegenüber dem Bösen durchsetzt;
– Himmlische oder Göttliche Welten: Wohnungen der geläuterten Geister, wo ausschließlich das Gute regiert.
Die Erde gehört zu der Kategorie der Welten der Sühne und der Prüfungen; deswegen lebt der Mensch hier konfrontiert mit soviel Elend.
Bestimmung der Erde. Ursachen des menschlichen Elends
Also, so wie sich die ganze Bevölkerung einer Stadt nicht in Krankenhäusern oder in Gefängnissen befindet, genauso ist die gesamte Menschheit nicht auf der Erde anzutreffen. Und so wie diejenigen, die geheilt das Krankenhaus und diejenigen, die nach Verbüßen ihrer Strafe das Gefängnis verlassen, so verlässt der Mensch die Erde, wenn er von seinen moralischen Krankheiten geheilt ist.
Unterweisungen der geistigen Welt - Niedere und höhere Welten
Indem man die Erde zum Vergleich nimmt, kann man sich den Zustand einer niederen Welt vorstellen, wenn man sich den Menschen als solchen auf der Stufe einer wilden Rasse oder einer barbarischen Nation vorstellt, welche auch heutzutage noch anzutreffen und Überbleibsel seines primitiven Zustandes sind. In den rückständigen Welten sind ihre Bewohner in einer gewissen Weise primitiv. Sie haben die menschliche Gestalt ohne jegliche Schönheit, ihre Instinkte haben weder Gefühle der Zartheit und des Wohlwollens noch kennen sie Begriffe der Gerechtigkeit und der Ungerechtigkeit. Die brutale Kraft ist deren einziges Gesetz. Da sie keine Industrie und Erfindungen haben, verbringen sie das Leben nur zur Beschaffung ihrer Nahrung. Gott verlässt aber keines seiner Geschöpfe; tief in der Finsternis der Intelligenz schlummert die mehr oder weniger entwickelte Intuition eines höheren Wesens. Dieser Instinkt reicht aus, den einen über den anderen zu erhöhen und deren Entfaltung für ein besseres Lebens vorzubereiten; denn es sind keine degradierten Wesen, sondern Kinder Gottes, die im Wachstum begriffen sind.
Zwischen diesen niederen und höchsten Stufen gibt es unzählige Rangstufen und bei den reinen Geistern, dematerialisiert und glänzend von himmlischer Herrlichkeit, kann man sehr schwer die primitiven Wesen von damals wiedererkennen, genauso wie man bei den erwachsenen Menschen schwer den Embryo wiedererkennen kann.
Der geringe Widerstand, den die Materie den fortgeschrittenen Geistern leistet, ermöglicht eine schnelle Entwicklung ihrer Körper, kürzt ihre Kindheit ab oder lässt diese sogar fast nicht vorhanden sein. Das Leben, befreit von Sorgen und Angstgefühlen, ist verhältnismäßig viel länger als das auf der Erde. Im Prinzip ist die Langlebigkeit proportional zum Grad des Fortschritts der Welten. Der Tod verursacht nicht die Schrecken des Zerfalls; statt Entsetzen zu verursachen, hält man ihn für eine glückliche Umwandlung, weil dort der Zweifel an die Zukunft nicht existiert. Da die Seele während des Lebens nicht in eine kompakte Materie eingeschnürt ist, strahlt sie und erfreut sich einer Klarheit, die sie in einen fast permanenten Zustand der Unabhängigkeit versetzt und ihr die freie Übertragung des Gedankens ermöglicht.
Welten der Sühne und der Prüfungen
Die büßenden Geister sind hier, wenn man das so ausdrücken darf, fremd. Sie haben schon auf anderen Welten gelebt und sind wegen ihres hartnäckigen Festhaltens an dem Bösen von dort verbannt worden und weil sie Ursache der Verwirrung bei den guten Geistern gewesen sind. Sie sind für einige Zeit unter die rückständigen Geister verbannt worden, mit der Aufgabe, diese vorwärts zu bringen, denn sie haben eine entwickelte Intelligenz und die Keime der erworbenen Kenntnisse mit sich gebracht. Darum befinden sich die bestraften Geister unter den intelligenteren Rassen; diese sind auch diejenigen, für die das Elend des Lebens am bittersten ist, weil sie ein höheres Empfindungsvermögen besitzen und mehr von den Schwierigkeiten betroffen sind als die primitiven Rassen, deren moralischer Sinn derber ist.
Erneuerungswelten
Jedoch es gibt auch dort noch nicht das vollkommene Glück, aber es zeigt sich schon wie die Morgenröte am Himmel. Der Mensch dort ist immer noch aus Fleisch und deswegen weiterhin Schicksalsschlägen unterworfen, von denen nur die vollständig dematerialisierten Wesen befreit sind. Er muss noch Prüfungen ertragen, aber ohne die schmerzlichen Angstgefühle der Sühne. Im Vergleich zur Erde sind diese Welten sehr glücklich und viele unter euch würden sich freuen, dort zu wohnen, weil es die Ruhe nach dem Sturm und die Genesung nach der grausamen Krankheit bedeutet. Jener Mensch jedoch, weniger mit den materiellen Dingen beschäftigt, sieht die Zukunft besser als ihr voraus. Er versteht, dass es andere Freuden gibt, die der Herr denen verspricht, die ihrer würdig sind, wenn der Tod ihren Körper noch einmal ereilt, um ihnen das wahre Leben zu schenken. Und so wird die befreite Seele über allen Horizonten schweben, ohne die materiellen und groben Sinne, sondern mit den Sinnen eines reinen und himmlischen Perispirits (Astralkörpers); indem sie selbst die Emanationen Gottes, die aus SEINEM Schoß strömen, einatmet als einen Duft der Liebe und der Nächstenliebe.
Schaut also bei Nacht in der Stunde der Ruhe und des Gebets dieses blaue Gewölbe an, und fragt euch selbst, welche von diesen unzähligen Sphären, die über euren Köpfen funkeln, zu Gott führen und bittet IHN, dass euch nach der Sühne auf der Erde eine erneuernde Welt ihr Inneres öffnet. (Sankt Augustin, Paris, 1862)
Fortschreiten der Welten
Zur gleichen Zeit während sich die Lebewesen moralisch entwickeln, entwickeln sich die Welten, in welchen sie wohnen, auf materieller Ebene fort. Derjenige, der die Entwicklung einer Welt von dem Augenblick an verfolgen könnte, in dem die ersten für ihren Aufbau bestimmten Atome zusammengeballt sind, würde sehen, wie sie eine unaufhörlich fortschreitende Skala durcheilt, deren Stufen nicht für jede Generation wahrnehmbar sind und ihren Bewohnern einen angenehmeren Aufenthalt bieten, je mehr sie selbst sich auf dem Pfad des Fortschritts vorwärts bewegen. Und so verlaufen der Fortschritt des Menschen, der Tiere, die seine Helfer sind, der Pflanzen und der Wohnung parallel, weil auch die Natur ständigen Veränderungen unterworfen ist. Wie großartig ist dieser Gedanke und der Erhabenheit des Schöpfers würdig! Und im Gegensatz, wie klein und unwürdig SEINER Macht, der, der seine Sorge und seine Vorsehung auf das unscheinbare Sandkorn, das die Erde ist, konzentriert und die Menschheit auf die wenigen Menschen, die sie bewohnen, beschränkt.
Die Erde, gemäß diesem Gesetz, war materiell und seelisch in einem niedrigeren Zustand als heute und sie wird unter diesem Doppelaspekt einen höheren Grad erreichen. Die Erde ist an einem Punkt der Umwandlung angekommen, wo sie aus einer Welt der Sühne zu einer Welt der Erneuerung wird. Die Menschen werden dann auf dieser Erde glücklich sein, weil das Gesetz Gottes auf ihr befolgt wird. (Sankt Augustin, Paris, 1862)
KAPITEL IV - Keiner kann das Reich Gottes sehen, wenn er nicht wiedergeboren wird
Keiner kann das Reich Gottes sehen, wenn er nicht wiedergeboren wird
Auferstehung und Reinkarnation
Jesus antwortete ihm: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: keiner kann das Reich Gottes sehen, wenn er nicht wiedergeboren wird.“
Nikodemus sagte Ihm: „Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, wiedergeboren werden? Kann er etwa zum zweiten Mal in den Leib seiner Mutter eingehen und geboren werden?“
Jesus entgegnete: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus dem Wasser und aus dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch und was aus dem Geist geboren ist, ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir sagte, dass ihr wiedergeboren werden müsst. Der Geist weht, wo er will, und du hörst seine Stimme, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist es auch mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.“
Nikodemus antwortete Ihm: „Wie kann dies geschehen? – Jesus sagte zu ihm: Was! Du bist ein Lehrer Israels und kennst diese Dinge nicht? – Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, wir reden nur das, was wir wissen, und bezeugen nur das, was wir gesehen haben. Unterdessen, nimmst du unser Zeugnis nicht an. Aber wenn du mir nicht glaubst, wenn ich zu dir über die irdischen Dinge rede, wie wirst du mir dann glauben schenken, wenn ich dir über die himmlischen Dinge berichte?“ (Johannes, Kap. III, 1-12)
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* Bemerkung: Die Übersetzung von Osterwald stimmt mit dem Ursprungstext überein; dort steht: nicht aus dem Wasser und aus dem Geist wiedergeboren; die von Sacy sagt: vom Heiligen Geist; jene von Lamennais: der Geist-Heiliger.
Die Kenntnisse der Menschen jener Zeit über die Wissenschaft der Physik waren sehr unvollkommen. Sie glaubten, dass die Erde aus dem Wasser entstanden sei und hielten das Wasser deswegen für ein absolut schöpferisches Element. In der Genesis steht es so geschrieben: “Der Geist Gottes wurde über die Wasser gebracht; schwebte über den Wassern. Möge das Firmament mitten im Wasser entstehen; mögen die Gewässer, die sich unter dem Himmel befinden, sich an einem einzigen Ort sammeln und das trockene Element erscheinen lassen; mögen die Gewässer sowohl lebende Tiere, die im Wasser schwimmen, als auch Vögel, die auf der Erde und unter dem Firmament fliegen, entstehen lassen.“
Nach diesem Glauben war das Wasser zum Symbol der materiellen Natur wie auch der Geist zum Symbol der intelligenten Natur geworden. Diese Worte: „Wenn der Mensch nicht aus dem Wasser und aus dem Geist oder im Wasser und im Geist wiedergeboren wird“, bedeuten also: „Wenn der Mensch nicht mit seinem Körper und seiner Seele wiedergeboren wird“. In diesem Sinne hat man am Anfang diese Worte verstanden.
Diese Interpretation ist ohnehin durch andere Worte gerechtfertigt: „Was aus dem Fleisch geboren wird, ist Fleisch und was aus dem Geist geboren wird, ist Geist“. Jesus macht hier einen positiven Unterschied zwischen Geist und Körper. „Was aus dem Fleisch geboren wird, ist Fleisch“ zeigt ganz deutlich, dass nur der Körper aus dem Körper stammt, und dass der Geist von diesem unabhängig ist.
Und Er fügte hinzu: „Derjenige, der Ohren hat zum Hören, der höre“. Diese Worte, die Jesus so oft wiederholte, sagen deutlich, dass nicht alle in der Lage waren, gewisse Wahrheiten zu verstehen.
14. Übersetzung von „Le Maistre de Sacy“) Wenn der Mensch stirbt, verliert er seine ganze Kraft, er ist tot. Wo ist er danach? Wenn der Mensch stirbt, wird er wieder leben? Werde ich jeden Tag meines Kampfes warten bis zu dem Tag, an dem irgendeine Veränderung eintritt? (Protestantische Übersetzung von Osterwald)
Wenn der Mensch gestorben ist, lebt er weiter; wenn die Tage meiner irdischen Existenz zu Ende sein werden, werde ich warten, denn zu ihr werde ich zurückkehren. (Version der griechischen Kirche)
„In diesem Kampf, in dem ich mich jeden Tag meines Lebens befinde, erwarte ich, dass meine Veränderung kommt.“ Hiob meint natürlich damit den Kampf, den er gegen das Elend des Lebens führt. Er wartet auf seine Veränderung, d.h. er findet sich damit ab. In der griechischen Version: „Ich werde warten“, scheint eher von einer neuen Existenz die Rede zu sein. Es scheint, dass Hiob mit seinen Worten: „Wenn die Tage meiner irdischen Existenz zu Ende sein werden, werde ich warten, denn zu ihr werde ich zurückkehren“, meint, dass er nach seinem Tod irgendwo eine Zeit zwischen der eben abgeschlossenen und einer neuen Existenz auf dieser Erde verbringen wird und sagt, dass er dort auf seine Rückkehr warten wird.
Ohne das Prinzip der Vorexistenz der Seele und die Pluralität der Existenzen sind die Maximen des Evangeliums zum großen Teil unverständlich. Deswegen sind widersprüchliche Interpretationen vorgekommen. Dieses Prinzip ist der Schlüssel, der ihnen den wahren Sinn zurückgeben soll.
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* Um das Dogma der Reinkarnation zu studieren, sollte man folgende Bücher lesen: „Das Buch der Geister“, Kap. IV und V; – „Über das Wesen des Spiritismus“, Kap. II, von Allan Kardec und – „Die Pluralität der Existenzen“, von Pezzani
Die Reinkarnation stärkt die Familienbande, während die einmalige Existenz sie bricht.
Die Geister bilden im All Gruppen oder Familien, die sich durch Zuneigung, Sympathie und ähnliche Neigungen verbunden fühlen. Diese Geister, um glücklich miteinander zu sein, suchen einander. Die Reinkarnation trennt sie nur vorübergehend, denn sobald sie zur Erratizität zurückkehren, treffen sie sich wieder wie Freunde nach der Rückkehr einer Reise. Oftmals sogar folgen sie einander in eine Inkarnation, wo sie sich in einer gleichen Familie oder in einem gleichen Kreis wieder vereinigen und zusammen für ihren gegenseitigen Fortschritt arbeiten. Wenn die einen inkarniert und die anderen es nicht sind, bleiben sie trotzdem durch den Gedanken verbunden. Diejenigen, die frei sind, wachen über die, die in der Gefangenschaft sind; die Fortgeschrittenen helfen den Nachzüglern weiter zu kommen. Nach jeder Existenz haben sie einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Vervollkommnung gemacht. Immer weniger an die Materie gebunden, ist deren Zuneigung intensiver dadurch, dass sie geläutert und weder durch Egoismus noch durch die Beeinträchtigungen der Leidenschaften gestört werden. Sie können also eine unbegrenzte Zahl von körperlichen Existenzen durchlaufen, ohne dass ihre gegenseitige Zuneigung beeinträchtigt wird.
Hier versteht man, dass es sich um die wahre Zuneigung von Seele zu Seele handelt, die einzige, die die Vernichtung des Körpers überlebt, weil die Wesen, die sich in dieser Welt nur durch die Sinne verbinden, keinen Grund haben, sich in der geistigen Welt zu suchen. Es gibt nichts Dauerhafteres als die geistige Zuneigung. Die körperlichen Beziehungen erlöschen mit der Ursache, die sie erzeugt hat; diese Ursache besteht nicht mehr in der Welt der Geister, während die Seele immer existiert. Was die Menschen betrifft, die sich nur aus eigenem Interesse verbinden, sie haben in Wirklichkeit nichts füreinander übrig: der Tod trennt sie sowohl auf Erden wie auch im Himmel.
Mit der Reinkarnation und dem Fortschritt, der daraus resultiert, treffen sich alle wieder, die sich geliebt haben, sowohl auf Erden wie auch im Universum, um zusammen zu Gott zu streben. Wenn einige auf dem Weg zu Fall kommen, verlangsamen sie ihren Fortschritt und ihr Glück, aber ihre Hoffnung ist nicht vollends verloren; Hilfe erhaltend, ermutigt und unterstützt von denjenigen, die sie lieben, werden sie eines Tages aus dem Sumpf herauskommen, in dem sie versunken sind. Mit der Reinkarnation entwickelt sich eine unaufhörliche Solidarität zwischen den Inkarnierten und den nicht Inkarnierten, woraus sich eine Festigung der Liebe ergibt.
Entsprechend der beiden ersten Alternativen brechen die Familienbande nach dem Tod auseinander und es gibt keine Hoffnung auf ein Wiedersehen; mit der Dritten gibt es eine Chance, sich wiederzusehen, sofern man sich in der gleichen Umgebung befindet, und diese Umgebung kann sowohl die Hölle wie auch das Paradies sein. Mit der Pluralität der Existenzen, die von der stufenweisen Progression untrennbar ist, gibt es die Gewissheit über die Fortdauer der Beziehungen zwischen jenen, die sich geliebt haben; und das ist es, was die wahre Familie bildet.
Unterweisungen der geistigen Welt - Grenzen der Inkarnation
Grenzen der Inkarnation
Die Inkarnation hat keine genau gezogenen Grenzen, wenn man damit die Hülle versteht, die den Körper des Geistes bildet, da die Stofflichkeit dieser Hülle schwindet, je mehr der Geist sich reinigt. In gewissen Welten, die entwickelter sind als die Erde, ist sie leichter, weniger kompakt und nicht so grob und deshalb weniger den Schicksalsschlägen unterworfen. In einem höheren Grad ist sie durchsichtig und fast fluidal. Diese Hülle dematerialisiert sich von Grad zu Grad, um schließlich mit dem Perispirit zu verschmelzen. Je nachdem zu welcher Welt der Geist in eine Verkörperung gerufen worden ist, nimmt dieser die angemessene Hülle, die zu dieser Welt gehört.
Der Perispirit selbst durchläuft ununterbrochene Veränderungen; er wird immer ätherischer bis zur vollständigen Läuterung, die dem Zustand der reinen Geister entspricht. Wenn als Aufenthalt für entwickelte Geister besondere Welten bestimmt sind, fühlen sich diese dort nicht so gebunden, wie in den niederen Welten. Der befreite Zustand, in welchem sie sich befinden, befähigt sie, überall hinzugehen, wohin anvertraute Missionen sie rufen.
Wenn man die Inkarnation unter dem materiellen Gesichtspunkt betrachtet, wie sie auf der Erde vorkommt, kann man sagen, dass die Inkarnation sich auf die niederen Welten beschränkt. Es hängt also vom Geist ab, sich von ihr, mehr oder weniger schnell zu befreien, indem er für seine Reinigung arbeitet.
Man soll auch bedenken, dass in dem nicht inkarnierten Zustand, d.h. in der Erratizität der körperlichen Existenzen, die Situation des Geistes im Verhältnis zur Natur der Welt steht, an welche der Grad seines Fortschritts ihn bindet. Daher ist er in der Erratizität mehr oder weniger glücklich, frei und aufgeklärt, je nachdem er mehr oder weniger dematerialisiert ist.
Notwendigkeit der Inkarnation
Die Geister müssen körperliche Leben durchlaufen, damit sie durch materielle Handlungen die Pläne erfüllen können, deren Ausführung Gott ihnen anvertraut hat. Dieses Leben ist für sie erforderlich, weil die Aufgaben, die sie erfüllen müssen, ihnen zur Entwicklung ihrer Intelligenz verhelfen. Gott, der überaus gerecht ist, muss aber alle Seine Kinder gleich behandeln; deswegen gibt ER allen den gleichen Ausgangspunkt, die gleichen Fähigkeiten, die gleichen Verpflichtungen zu erfüllen und die gleiche Freiheit zu handeln. Jegliches Privileg wäre ein Vorzug und jeglicher Vorzug eine Ungerechtigkeit. Aber die Inkarnation ist für alle Geister nur ein vorübergehender Zustand; sie ist eine Aufgabe, die Gott den Menschen bei ihrem Eintritt in das Leben als erste Prüfung ihrer freien Entscheidung auferlegt. Diejenigen, die diese Aufgabe mit Eifer erfüllen, durchlaufen schnell und weniger schmerzlich ihre ersten Stufen der Unterweisung und genießen früher die Früchte ihrer Arbeiten. Diejenigen, die im Gegensatz dazu schlecht mit der ihnen von Gott gegebenen Freiheit umgehen, verlangsamen ihren Fortschritt. So können sie durch ihre Hartnäckigkeit erneute Inkarnationen über eine unbestimmte Zeit hinweg erforderlich machen, und so kommt es, dass die Inkarnation zu einer Strafe wird. (Sankt Ludwig, Paris, 1859)
So geschieht es mit dem Menschen auf der Erde. Für den Geist des Unzivilisierten, der sich fast am Anfang des geistigen Lebens befindet, ist die Inkarnation ein Mittel, um seine Intelligenz zu entwickeln. Aber für den aufgeklärten Menschen – bei dem der moralische Sinn schon weitgehend entwickelt ist und der gezwungen ist, die Etappen eines körperlichen Lebens voller Angstgefühle wieder von vorne anzufangen, während er schon sein Ziel hätte erreichen können – ist die erforderliche Verlängerung seines Aufenthaltes in niederen und unglücklichen Welten eine Strafe. Derjenige, der im Gegensatz dazu sehr fleißig für seinen moralischen Fortschritt arbeitet, kann nicht nur die Dauer der materiellen Inkarnation verkürzen, sondern die Zwischenstufen, die ihn von den höheren Welten trennen, auf einmal durchlaufen.
Können die Geister nicht auch nur ein einziges Mal auf der gleichen Welt inkarnieren und ihre verschiedenen Existenzen auf verschiedenen Planeten erfüllen? Diese Auffassung wäre nur zulässig, wenn sich alle Menschen auf der Erde auf dem gleichen intellektuellen und moralischen Niveau befänden. Die Unterschiede, die zwischen den unzivilisierten und den zivilisierten Menschen existieren, zeigen die Stufen, die sie durchlaufen müssen. Die Inkarnation muss ein nützliches Ziel haben. Nun, welchen Zweck hätten die kurzlebigen Inkarnationen von Kindern, die im zarten Alter sterben? Sie hätten ohne Nutzen für sich und für die anderen gelitten. Gott, dessen Gesetze von höchster Weisheit sind, macht nichts Unnützes. Durch die Inkarnation auf der gleichen Welt hat ER gewollt, dass dieselben Geister, die erneut miteinander in Kontakt kommen, die Möglichkeit haben, ihre gegenseitigen Fehler wieder gutzumachen. Auf Grund ihrer vorhergehenden Beziehungen will ER einerseits die Familienbande auf einer spirituellen Basis vereinigen und andererseits die Prinzipien der Solidarität, Brüderlichkeit und Gleichheit durch ein Naturgesetz stützen.
KAPITEL V - Selig sind die Leidenden
Aber wehe euch Reichen, denn ihr habt euren Trost in dieser Welt. Wehe euch, die ihr satt seid, denn ihr werdet hungern. Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet gezwungen werden, zu heulen und zu weinen. ( Lukas, Kap. VI, 24-25)
Gerechtigkeit der Leiden
Aber was man noch weniger versteht ist, dass das Gute und das Böse so ungleichmäßig zwischen Laster und Tugend verteilt sind; dass die tugendhaften Menschen leiden neben den Bösen, die gedeihen. Der Glaube an die Zukunft kann trösten und Geduld verschaffen, erklärt aber solche Anomalien nicht, die Gottes Gerechtigkeit zu widersprechen scheinen.
Sobald man jedoch Gott anerkennt, kann man sich IHN nicht ohne unendliche Vollkommenheit vorstellen. ER soll der Allmächtige, Gerechte, Gütige sein, andernfalls wäre ER nicht Gott. Wenn Gott souverän, gut und gerecht ist, kann ER weder aus einer Laune heraus noch mit Parteilichkeit handeln. Die Schicksalsschläge des Lebens haben also eine Ursache, und da Gott gerecht ist, muss diese Ursache gerecht sein. Das ist es, wovon sich jeder gut überzeugen sollte. Gott brachte die Menschen durch die Lehre Jesu auf die Spur dieser Ursache, und heute, da ER die Menschen für reif genug hält, um sie zu verstehen, offenbart ER sie vollständig durch den Spiritismus, d.h. durch die Stimme der Geister.
Aktuelle Ursachen der Leiden
Indem man auf die Ursache der irdischen Leiden zurückgeht, wird man erkennen, dass viele eine natürliche Folge des Charakters und des Verhaltens derjenigen sind, die sie erdulden.
Wie viele Menschen fallen aufgrund ihrer eigenen Fehler! Wie viele sind Opfer ihrer Sorglosigkeit, ihres Hochmuts und ihres Ehrgeizes!
Wie viele Leute ruinieren sich aus Mangel an Ordnung und Beharrlichkeit, wegen des schlechten Benehmens und weil sie ihre Begierden nicht einschränken konnten!
Wie viele unglückliche Verbindungen gibt es, weil sie aus einem berechnenden Interesse oder aus Eitelkeit eingegangen wurden, wobei das Herz nicht mit einbezogen wurde!
Wie viele Streitigkeiten und verhängnisvolle Auseinandersetzungen hätte man mit mehr Mäßigung und weniger Empfindlichkeit vermeiden können!
Wie viele Krankheiten und Gebrechen sind die Folge von Unmäßigkeit und Übertreibungen aller Art!
Wie viele Eltern sind mit ihren Kindern unglücklich, weil sie deren schlechte Neigungen nicht von Anfang an bekämpft haben! Aus Schwäche oder Gleichgültigkeit haben sie in ihnen die Keime des Hochmutes, des Egoismus und der törichten Eitelkeit, die das Herz abstumpfen, sich entwickeln lassen. Später, wenn sie ernten, was sie gesät haben, wundern sie sich und regen sich über deren Respektlosigkeit und Undankbarkeit auf.
Alle diejenigen, die im Herzen durch die Schicksalsschläge des Lebens und Enttäuschungen betroffen sind, sollten ganz ernsthaft ihr Gewissen befragen; und indem sie nach und nach bis zur Quelle ihrer Leiden zurück gehen, mit denen sie geschlagen sind, werden sie erkennen, ob sie in den meisten Fällen nicht sagen müssen: „Wenn ich dies und jenes gemacht bzw. nicht gemacht hätte, wäre ich nicht in einer solchen Situation“.
Wem soll man die Schuld für all diesen Kummer geben, wenn nicht sich selbst? Der Mensch ist daher in vielen Fällen der Urheber seines eigenen Unglückes. Aber anstatt dies anzuerkennen, hält er es für einfacher und weniger demütigend für seine Eitelkeit, das Schicksal, die Vorsehung, die fehlenden Chancen und seinen schlechten Stern anzuklagen, während in Wirklichkeit sein schlechter Stern nur seine Nachlässigkeit ist.
Leiden dieser Art haben sicherlich einen bedeutenden Anteil an den Schicksalsschlägen des Lebens. Der Mensch wird sie vermeiden, wenn er an seiner moralischen und intellektuellen Verbesserung arbeitet.
Aber die Erfahrung kommt manchmal etwas spät: wenn das Leben bereits vergeudet und getrübt ist; die Kräfte schon verbraucht sind und wenn das Übel nicht wiedergutzumachen ist, dann fängt der Mensch an zu sagen: „Wenn ich am Anfang meines Lebens gewusst hätte, was ich jetzt weiß, wie viele Fehler hätte ich vermeiden können! Wenn ich wieder anfangen sollte, würde ich mich ganz anders verhalten; aber die Zeit dafür gibt es nicht mehr!“ Wie der faule Arbeiter, der sagt: „Ich habe meinen Tag vergeudet“, sagt er sich auch: „Ich habe mein Leben verloren“. Aber genauso wie für den Arbeiter die Sonne am nächsten Tag wieder aufgeht und ein neuer Tag beginnt, der es ihm ermöglicht, die verlorene Zeit wiedergutzumachen, so wird für den Menschen ebenfalls – nach der Dunkelheit des Grabes – die Sonne eines neuen Lebens scheinen, in dem er die Erfahrungen der Vergangenheit und seine guten Vorsätze für die Zukunft nutzen kann.
Vorherige Ursachen der Leiden
Diejenigen, die unter solchen Umständen geboren werden, haben in der aktuellen Existenz bestimmt nichts gemacht, um ohne Ausgleich so ein trauriges Schicksal zu verdienen, welches sie nicht vermeiden konnten und von sich selbst aus nicht ändern können und das sie auf öffentliche Hilfe angewiesen sein lässt. Also warum gibt es solche unglücklichen Wesen, während neben ihnen, unter demselben Dach, in derselben Familie, andere in jeglicher Hinsicht begünstigt sind?
Was soll man von diesen Kindern sagen, die so jung sterben und im Leben nur das Leid kennen gelernt haben? Das sind Probleme, die noch keine Philosophie lösen konnte; Anomalien, die noch keine Religion rechtfertigen konnte und die die Verneinung der Güte, der Gerechtigkeit und der göttlichen Vorsehung wären, wenn man voraussetzt, dass die Seele gleichzeitig mit dem Körper erschaffen wird, und dass ihre Bestimmung nach einem kurzen Aufenthalt auf der Erde unwiderruflich festgelegt ist. Was haben diese Seelen gemacht, die gerade aus den Händen des Schöpfers hervorgekommen sind, um auf dieser Welt soviel Elend zu erleiden und um dann in der Zukunft irgendeine Belohnung oder Bestrafung zu erhalten, wenn sie weder das Gute noch das Übel tun konnten?
Aber aufgrund des Grundsatzes „jede Wirkung hat eine Ursache“, sind solche Miseren eine Wirkung, die eine Ursache haben müssen, und sobald man annimmt, dass Gott gerecht ist, dann muss diese Ursache auch gerecht sein. Wenn nun die Ursache immer vor der Wirkung steht, und da diese nicht im aktuellen Leben ist, muss sie sich im vorherigen Leben befinden, d.h. sie muss einer vorigen Existenz angehören. Da andererseits Gott jemanden weder für das Gute das er gemacht hat noch für das Böse das er nicht getan hat, bestrafen kann, bedeutet das, dass wenn wir bestraft werden, wir das Böse auch getan haben. Wenn wir dieses Übel nicht im gegenwärtigen Leben getan haben, dann haben wir es in einem anderen Leben getan. Das ist eine Alternative, aus der man nicht entfliehen kann, und wo die Logik zeigt, auf welcher Seite die Gerechtigkeit Gottes ist.
Also der Mensch wird nicht immer in seinem aktuellen Leben bestraft oder ganz bestraft; aber er entkommt nie den Konsequenzen seiner Verstöße. Das Gedeihen des Übels ist nur vorübergehend; wenn er seine Schulden heute nicht büßt, wird er morgen büßen, während derjenige, der leidet, gerade seine Vergangenheit abbüßt. Das Unglück, das auf den ersten Blick unverdient scheint, hat seine Daseinsberechtigung und derjenige, der leidet, kann immer sagen: „Verzeihe mir, Herr, denn ich habe gesündigt“.
So erklären sich – durch die Pluralität der Existenzen und die Bestimmung der Erde als eine Welt der Sühne – die Anomalien der Verteilung von Glück und Unglück zwischen den Guten und Bösen auf Erden. Diese Anomalie existiert jedoch bloß scheinbar, nämlich dann, wenn einzig und allein nur das gegenwärtige Leben betrachtet wird. Wenn man sich aber durch die Gedanken so erhebt, dass eine Serie von Existenzen überblickt werden kann, wird man sehen, dass jeder den Teil bekommt, den er verdient, ohne Beeinträchtigung dessen, was ihm in der Welt der Geister zusteht, und dass die Gerechtigkeit Gottes niemals unterbrochen wird.
Der Mensch soll nie aus den Augen verlieren, dass er sich in einer niedrigen Welt befindet, wo er nur wegen seiner Unvollkommenheiten gehalten wird. Bei allen Schicksalsschlägen soll er sich sagen, dass dies nicht passiert wäre, wenn er einer fortgeschritteneren Welt angehören würde, und dass es nur von ihm abhängt, auf diese Welt nicht mehr zurückkehren zu müssen, indem er an seiner Verbesserung arbeitet.
Die Drangsale sind daher gleichzeitig: Sühnen der Vergangenheit sowie Strafen und Prüfungen für die Zukunft, die von ihnen vorbereitet wird. Danken wir Gott, dass ER in SEINER Güte dem Menschen die Möglichkeit der Wiedergutmachung gewährt und ihn nicht wegen eines ersten Verstoßes unwiderruflich verurteilt.
Zweifellos kann das Leiden, das kein Murren hervorruft, eine Sühne sein; aber es ist ein Zeichen dafür, dass es eher freiwillig ausgewählt wurde, als aufgezwungen. Das Leiden ist der Beweis eines starken Entschlusses, was ein Zeichen von Fortschritt ist.
Vergessen der Vergangenheit
Der Geist wird oft in demselben Milieu wiedergeboren, wo er schon gelebt hat und befindet sich in Beziehungen mit denselben Personen, um das Böse wiedergutzumachen, das er ihnen angetan hat. Wenn er in ihnen diejenigen erkennen würde, die er gehasst hat, könnte vielleicht der Hass wieder entstehen. Auf jeden Fall wäre er vor den Menschen, die er beleidigt hatte, gedemütigt.
Damit wir uns verbessern, gewährt Gott uns genau das, was wir brauchen und was uns genügt: die Stimme des Gewissens und die instinktiven Neigungen; ER nimmt uns weg, was uns schaden könnte.
Von Geburt an bringt der Mensch das mit, was er erworben hat. Er kommt auf die Welt mit dem, was er aus sich gemacht hat; jede Existenz ist für ihn ein neuer Ausgangspunkt. Ihn interessiert es nicht zu wissen, was er war: er wird bestraft, wenn er eine Übeltat begangen hat. Seine aktuellen bösen Neigungen sind das Überbleibsel, das in ihm noch zu verbessern ist; und darauf muss er seine ganze Aufmerksamkeit konzentrieren; denn das, was man vollständig verbessert hat, hinterlässt keine Spuren. Die guten Entschlüsse, die er getroffen hat, sind die Stimme des Gewissens,die ihn auf das Gute und das Böse hinweist und die ihm Kraft gibt, den Versuchungen zu widerstehen.
Außerdem kommt das Vergessen nur während des physischen Lebens vor. Kehrt der Geist in das geistige Leben zurück, erhält er auch die Erinnerungen an die Vergangenheit wieder; daher ist es nichts anderes als eine vorübergehende Unterbrechung, ähnlich der, die im irdischen Leben während des Schlafes passiert, was nicht daran hindert, uns am nächsten Tag daran zu erinnern, was wir am Vorabend und an vorhergehenden Tagen gemacht haben.
Es ist nicht nur nach dem irdischen Tod, dass der Geist die Erinnerung an die Vergangenheit wiederbekommt. Man kann sagen, dass er sie nie verliert, denn die Erfahrung beweist, dass der Geist innerhalb der Inkarnation, während des physischen Schlafes – wo er eine bestimmte Freiheit genießt – das Bewusstsein seiner vorherigen Taten hat. Er weiß dann, warum er leidet, und dass er zu Recht leidet. Die Erinnerung erlischt nur während der physischen Lebensphase. Aber mangels einer genaueren Erinnerung, die für ihn schmerzlich und schädigend bei seinen Sozialkontakten sein könnte, schöpft er in diesen Augenblicken der Befreiung der Seele neue Kräfte, falls er sie nutzen konnte.
Gründe der Gelassenheit
Diese Worte können auch so gedeutet werden: Ihr sollt euch glücklich schätzen zu leiden, weil eure Leiden hier auf Erden eure Schuld von vergangenen Verstößen sind, und diese Leiden, hier geduldig ertragen, euch Jahrhunderte von Leiden in den zukünftigen Leben ersparen. Ihr sollt also glücklich sein, dass Gott eure Schuld vermindert hat, indem ER euch erlaubt, sie jetzt wieder gutzumachen, was euch die Ruhe in der Zukunft garantiert.
Der Mensch, der leidet, ist ähnlich dem Schuldner einer beträchtlichen Summe, dessen Gläubiger sagt: „Wenn du mir heute noch ein Hundertstel deiner Schuld bezahlst, werde ich dir den Rest erlassen und du wirst frei sein; falls nicht, werde ich dich verfolgen, bis du die letzte Rate bezahlt hast“. Würde der Schuldner sich nicht freuen, alle Arten von Entbehrungen zu erdulden, um sich zu befreien, indem er nur das Hundertstel seiner Schuld bezahlen muss? Statt sich über seinen Gläubiger zu beschweren, sollte er ihm nicht dankbar sein?
So ist der Sinn dieser Worte: „Selig sind die Leidenden, denn sie werden getröstet“. Sie sind glücklich, weil sie ihre Schulden bezahlen, und nach der Bezahlung werden sie frei sein. Wenn aber der Mensch bei der Bezahlung einer Teilschuld sich wiederum neu verschuldet, wird er nie seine Befreiung erreichen können. Jeder neue Verstoß erhöht also die Schuld, denn es gibt keinen Verstoß, egal welcher, der keine zwingende und unvermeidliche Strafe nach sich zieht; wenn nicht heute, wird es morgen sein; wenn nicht in dem gegenwärtigen Leben, wird es im nächsten sein. Unter diesen Verstößen muss man an erste Stelle den Mangel an Unterwerfung gegenüber Gottes Willen stellen, denn, wenn man über den Kummer murrt, wenn man ihn nicht mit Gelassenheit und als etwas annimmt, das man verdient hat, wenn man Gott als ungerecht bezeichnet, zieht man neue Schuld auf sich, welche den Nutzen verlieren lässt, den man aus dem Leiden hätte ziehen können. Man muss dann wieder von Neuem beginnen; es ist genauso, als ob ihr bei einem Gläubiger, der euch quält, einen Teil eurer Schulden begleicht, aber gleich wieder ein neues Darlehen von ihm in Anspruch nehmt.
Bei seinem Eintritt in die geistige Welt ist der Mensch wie ein Arbeiter, der am Zahltag erscheint. Zu einigen wird der Herr sagen: „Hier ist der Lohn eurer Tagesarbeit“; zu anderen, den Glücklichen der Erde, die im Müßiggang gelebt haben, deren Glück aus den Befriedigungen ihrer Eigenliebe und weltlichen Genüssen bestanden hat, wird er sagen: „Ihr werdet nichts bekommen, denn ihr habt bereits auf Erden euren Lohn erhalten. Geht und fangt eure Arbeit wieder von vorne an“.
Er schöpft daraus eine Ruhe und Gelassenheit, sowohl für seine körperliche Gesundheit wie auch für seine Seele; während er sich durch Neid, Eifersucht und Ehrgeiz freiwillig der Qual aussetzt und folglich die Miseren und die Ängste seiner kurzen Existenz vergrößert.
Selbstmord und Wahnsinn
Die Verbreitung der materialistischen Lehren ist also das Gift, das die Idee des Selbstmordes in viele Menschen einimpft, die sich umbringen; und diejenigen, die sich zu Aposteln einer solchen Lehre machen, übernehmen eine furchtbare Verantwortung. Mit dem Spiritismus – woran nicht mehr zu zweifeln ist – ändert sich der Aspekt des Lebens. Der Gläubige weiß, dass seine Existenz nach dem Grab unbegrenzt fortbesteht, wenn auch unter gänzlich anderen Bedingungen; was dazu führt, dass ihn die Geduld und die Gelassenheit auf eine sehr natürliche Weise davon ablenken, an Selbstmord zu denken. Kurz gesagt, er hat die moralische Stärke.
Die Zahl der Selbstmorde, die durch den Spiritismus verhindert worden sind, ist beträchtlich und man kann daraus schließen, dass es keine bewussten Selbstmorde mehr geben wird, wenn alle Menschen Spiritisten sein werden. Wenn man also die Ergebnisse der materialistischen Lehren mit denen der spiritistischen Lehren nur unter diesem einen Aspekt des Selbstmordes vergleicht, erkennt man, dass die Logik der Erstgenannten zu Selbstmord führt, während die der anderen den Selbstmord abwenden, was durch die Erfahrung bestätigt worden ist.
Unterweisungen der geistigen Welt
Richtiges und falsches Leiden
18. Als Christus sagte „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“, gedachte er nicht diejenigen, die allgemein leiden. Denn alle, die sich auf der Erde befinden, leiden, ob man auf einem Thron sitzt oder auf Stroh liegt. Ach, wenige aber ertragen das Leid gut! Wenige können verstehen, dass nur die gut erduldeten Prüfungen sie zum Reich Gottes führen können. Mutlosigkeit ist dagegen ein Fehler. So bekommt ihr von Gott keinen Trost, wenn euch der Mut fehlt. Das Gebet ist dabei eine Stütze für die Seele, das reicht jedoch nicht aus. Es muss auf einem lebhaften Glauben an die Güte Gottes basieren. Es wurde euch wohl oft gesagt, dass Er keine schwere Last auf schwache Schultern lädt. Diese Last steht vielmehr im Verhältnis zu den Kräften, genauso wie sich die Belohnung nach der Resignation und dem Mut richten wird. Je beschwerlicher der Kummer ist, umso reichlicher wird diese Belohnung also sein. Diese muss man sich aber verdienen. Das Leben ist deswegen voller Drangsale.
Jeder Sportler, der nicht auf das Spielfeld geschickt wird, ist wohl unzufrieden, da ihm die Ruhepause keine Leistungsverbesserung ermöglicht. Seid daher wie die Wettkämpfer und verlangt nicht nach Ruhe. Eurer Körper würde sich dadurch nur aufregen und eure Seele untätig werden. Freut euch, wenn Gott euch in den Wettkampf schickt. Dieser Kampf ist keine Schlacht, sondern gleich bedeutend mit der Bitterkeit des Lebens. Hierzu benötigt man bisweilen mehr Mut als für einen blutigen Kampf. Denn jemand, der vor einem Feind stark bleibt, beugt sich womöglich dem Druck einer moralischen Strafe. Der Mensch erhält für diese Art Mut keine Belohnung. Gott hält aber ihm den Siegestaumel und einen ruhmreichen Ort bereit. Wenn etwas euch Leid oder Ärger bereitet, versucht euch darüber zu erheben. Wenn ihr es geschafft habt, Anflüge von Ungeduld, Zorn und Verzweiflung zu beherrschen, sagt zu euch selbst voller berechtigter Zufriedenheit: „Ich war der Stärkere.”
„Selig sind, die da Leid tragen; “ kann schließlich wie folgt übersetzt werden: Selig sind diejenigen, welche die Gelegenheit haben, ihren Glauben, ihre Stärke, ihre Beharrlichkeit und die Gottergebenheit zu beweisen, denn sie werden hundertfach die Freuden erhalten, die ihnen auf Erden fehlten. Nach der mühevollen Arbeit wird schließlich die Ruhe folgen.
(Lacordaire, Le Havre, 1863.)
Leiden und deren Heilmittel
19. Ist eure Erde also ein Ort des Genusses, ein Paradies der Freude?
Erreicht die Stimme des Propheten eure Ohren nicht mehr? Hat sie nicht hinausgerufen, dass es Tränen und Zähneknirschen für diejenigen gäbe, die in diesem Tal des Leidens geboren würden? Ihr, die ihr hier lebt, seid gefasst auf quälende Tränen und bitteres Leid! So stechend und tief eure Schmerzen auch sein mögen, richtet eueren Blick zum Himmel und preiset den Herrn, dass Er euch hat prüfen wollen! ... O Menschen! Werdet ihr die Macht eueres Herrn denn nur erkennen, wenn Er die Wunden eueres Körpers geheilt und eure Tage mit Seligkeit und Glück gekrönt hat? Werdet ihr Seine Liebe nur erkennen, wenn Er eueren Körper mit aller Glorie verziert und ihm Glanz und Pracht gegeben hat? Folgt euerem Vorbild nach, das euch gegeben wurde und das in der letzten Stufe der Abscheulichkeit und der Erbärmlichkeit, auf einem Müllhaufen geworfen, zu Gott sagte: „Herr, ich habe alle Wonnen des Reichtums kennen gelernt und Du hast mich in die völlige Armut zurückversetzt; danke, danke, mein Gott, dass Du Deinen Diener hast prüfen wollen!“ Bis wann werden eure Blicke am Horizont stehen bleiben, der durch den Tod gekennzeichnet ist? Wann wird eure Seele endlich den Wunsch verspüren, sich jenseits der Grenzen eines Grabes aufzuschwingen? Und wenn ihr auch ein ganzes Leben lang weinen und leiden müsstet, was wäre das vor der ewigen Herrlichkeit, die demjenigen bereitgehalten wird, der die Prüfung mit Glaube, Liebe und Resignation erduldet hat? Sucht daher den Trost für eure Übel in der Zukunft, die Gott euch bereitet und sucht ihre Ursachen in der Vergangenheit. Und ihr, die ihr am meisten leidet, haltet euch für die Glückseligen dieser Erde.
Im nicht-inkarnierten Zustand, als ihr noch durch das All schwebtet, habt ihr eure Prüfungen ausgewählt, weil ihr euch für stark genug hieltet, diese zu erdulden. Warum jetzt klagen? Ihr, die ihr um Reichtum und Ruhm gebeten habt, wolltet den Kampf gegen die Versuchung aufnehmen und sie besiegen. Ihr, die ihr gebeten habt, mit Leib und Seele gegen das moralische und das physische Übel anzukämpfen, wusstet, je härter die Prüfung ausfiele, desto glorreicher wäre der Sieg. Ihr wusstet außerdem, dass sich, falls ihr triumphiert, - selbst wenn euer Fleisch auf einen Müllhaufen geworfen würde -, aus ihm nach dem Tod eine strahlend glänzende Seele befreien würde, gereinigt durch die Erlösung der Abbüßung und des Leides.
Welches Hilfsmittel sollte man nun denjenigen anbieten, die von grausamen Besessenheiten und quälendem Übel heimgesucht werden? Nur eines ist unfehlbar: der Glaube, der Blick zum Himmel. Wenn ihr in einem Anfall grausamsten Leides Hymnen für den Herrn singt, wird euch der Engel an euerem Kopfende mit der Hand das Zeichen der Erlösung geben und den Platz zeigen, den ihr eines Tages einnehmen werdet ... Der Glaube ist das sichere Heilmittel für das Leid. Er zeigt immer den Horizont der Unendlichkeit, vor dem die wenigen dunklen Tage der Gegenwart verblassen. Fragt uns daher nicht mehr, welches Heilmittel dieses Geschwür oder jene Wunde, diese Versuchung oder jene Prüfung heilen kann. Erinnert euch daran, dass derjenige, der glaubt, durch die Hilfe des Glaubens stark ist; dass wer andererseits auch nur einen Augenblick an seiner Wirkung zweifelt, derart sofort bestraft wird, weil er in dem Moment auch die schmerzvollen Qualen des Kummers spürt.
Der Herr hat all diejenigen, die an Ihn glauben, mit seinem Siegel gekennzeichnet. Christus hat euch gesagt, der Glaube könne Berge versetzen. Ich sage euch, dass diejenigen, die leiden und durch einen starken Glauben gestützt werden, in Seinem Schutz stehen und nicht mehr leiden werden. Die Augenblicke der stärksten Schmerzen werden für ihn die ersten Vermerke einer glückseligen Ewigkeit sein. Die Seele wird sich in einer Weise vom Körper ablösen, dass sie, noch während er sich unter Krämpfen windet, in himmlische Regionen schweben und mit den Engeln Hymnen zum Dank und zu Ehren Gottes singen wird.
Glückselig sind diejenigen, die leiden und weinen! Ihre Seelen sollen sich erfreuen, denn sie werden von Gott erfüllt werden.
(Hl. Augustinus, Paris, 1863)
Das Glück ist nicht von dieser Welt
20. „Ich bin nicht glücklich! Das Glück ist nicht für mich gemacht!“ ruft der Mensch meistens und zwar in allen Gesellschaftsschichten. Dies, meine lieben Kinder, beweist besser als sämtliche Überlegungen die Wahrheit dieser Maxime aus dem Buch Prediger: Das Glück ist nicht von dieser Welt. In der Tat sind weder Reichtum noch Macht und auch nicht die blühende Jugend Hauptbedingungen für das Glück. Sogar nicht einmal diese drei so begehrten Bedingungen zusammen. Denn man hört, wie sich Menschen aller Altersstufen, mitten in den privilegiertesten Schichten, unablässig über ihre Lebenssituation bitter beklagen.
Vor diesem Hintergrund ist es unbegreiflich, dass die kämpfende Arbeiterschicht mit so viel Begierde die Stellung derer beneidet, die durch das Schicksal begünstigt zu sein scheinen. In dieser Welt hat jeder, sosehr man sich auch bemüht, sein Stück Arbeit und Elend, seinen Anteil an Leid und Enttäuschung, woraus man mühelos den Schluss ziehen kann, dass die Erde ein Ort der Prüfungen und der Abbüßungen ist.
Somit irren sich diejenigen, welche die Erde als einzigen Wohnort des Menschen verkünden und sagen, dass es ihm gestattet ist, nur dort und in nur einmaliger Existenz die höchste Stufe der Glückseligkeit, die seine Natur erfassen kann, zu erreichen. Und sie täuschen ihre Zuhörer, da durch jahrhundertealte Erfahrung bewiesen ist, dass dieser Planet nur in Ausnahmefällen die notwendigen Bedingungen für die vollkommene Glückseligkeit des Individuums erfüllt.
Man kann allgemein bejahen, dass dieses Glück auf der Erde eine Utopie ist, zu der sich jede Generation aufmacht, ihr nachzustreben, ohne jemals ans Ziel zu gelangen. Denn, wenn weise Menschen schon eine Seltenheit auf dieser Welt sind, umso weniger findet man hier den vollkommen glückseligen Menschen.
Das, woraus das Glück auf dieser Erde besteht, ist eine vergängliche Sache. Für jemanden, der sich nicht von der Weisheit leiten lässt, verliert sich ein Jahr, einen Monat oder eine Woche vollständiger Befriedigung und alles andere in einer Abfolge von Bitterkeit und Enttäuschungen. Und bemerkt, meine lieben Kinder, dass ich von den Glücklichen der Erde spreche, von denen, die von der Masse beneidet werden.
Wenn das Leben auf der Erde für Prüfungen und Abbüßungen bestimmt ist, muss man folglich annehmen, dass es woanders vorzüglichere Wohnorte gibt, an denen der Geist, obwohl er noch in einem materiellen Körper gefangen ist, über die dem menschlichen Leben innewohnende Freude vollständig verfügt. Deswegen hat Gott in euerem Luftwirbel solche schönen erhabenen Planeten ausgesät, zu denen ihr durch eure Anstrengungen und Neigungen eines Tages hingezogen werdet, wenn ihr genügend gereinigt und vervollkommnet seid.
Trotzdem solltet ihr aus meinen Worten nicht folgern, dass die Erde für immer bestimmt ist, eine Strafanstalt zu sein. Gewiss nicht! Denn aus den schon verwirklichten Fortschritten könntet ihr mühelos zukünftige Fortschritte herleiten und aus den erreichten sozialen Verbesserungen neue und fruchtbarere Verbesserungen. Das ist die große Aufgabe, die diese neue Lehre erfüllen soll, welche die Geistwesen euch offenbart haben.
So möge euch, meine lieben Kinder, dieser himmlische Wetteifer beleben, auf dass jeder den „alten Menschen“ in sich energisch ablege. Ihr sollt euch zur Verbreitung des Spiritismus berufen fühlen, der eure eigene Erneuerung bereits in Gang gesetzt hat. Ihr habt die Pflicht, eure Geschwister an den Strahlen des göttlichen Lichtes teilhaben zu lassen. Also, an die Arbeit, meine lieben Kinder! Auf dass in dieser feierlichen Zusammenkunft eure ganzen Herzen nach diesem großartigen Ziel streben, den künftigen Generationen eine Welt vorzubereiten, in der Glück nicht mehr nur ein leeres Wort sein wird.
(François-Nicolas-Madeleine, Kardinal Morlot, Paris, 1863)
Verlust geliebter Menschen – Frühtod
21. Wenn der Tod eure Familienmitglieder dahinrafft und ohne Einschränkungen die Jüngeren vor den Älteren nimmt, pflegt ihr zu sagen: „Gott ist ungerecht, denn Er opfert jemanden, der stark ist und eine großartige Zukunft vor sich hatte, um diejenigen zu beschützen, die schon viele Jahre voller Enttäuschungen gelebt haben. So nimmt Er jene, welche nützlich sind und lässt andere zurück, die zu nichts mehr taugen. Er bricht das Herz einer Mutter, indem Er ihr das unschuldige Wesen wegnimmt, das ihre ganze Freude war.“
Menschen, in diesem Punkt müsst ihr euch über das Irdische wohl erheben, um zu verstehen, dass das Gute oft da ist, wo ihr meint, das Übel zu sehen und dass die weise Vorsehung dort ist, wo ihr das blinde, unabwendbare Schicksal vermutet. Warum messt ihr die göttliche Gerechtigkeit an dem Wert, den sie für euch hat? Könnt ihr glauben, dass der Herr der Welten euch aus purer Lust und Laune grausame Strafen auferlegen möchte? Nichts geschieht ohne eine bedachte Absicht und was auch immer passiert, alles hat seine Daseinsberechtigung. Wenn ihr jeden Kummer, der euch trifft, besser durchschauen würdet, so könntet ihr darin immer die göttliche Vernunft - ja, eine erneuernde Vernunft – vorfinden.
Eure schäbigen Interessen wären nebensächliche Gedanken, die in den Hintergrund treten würden.
Glaubt mir, dass, selbst bei einer Inkarnation von zwanzig Jahren, der Tod einer schamhaften Zügellosigkeit vorzuziehen ist. Denn sie betrüben die ehrwürdigen Familien und zerbrechen die Mütterherzen, mit der Folge, dass das Haar der Eltern frühzeitig ergraut. Der frühe Tod ist oft ein großes Geschenk, das Gott demjenigen gewährt, der stirbt und der somit vom Elend und den Versuchungen verschont bleibt, die ihn vielleicht in den Ruin gestürzt hätten. Wer in der Blüte seines Lebens stirbt, ist keineswegs ein Opfer des Schicksals. Vielmehr erachtet Gott es als sinnvoll für ihn, dass er nicht länger auf der Erde bleibt.
Ihr sagt „es sei ein schreckliches Unglück“, wenn der Faden eines Lebens, das voller Hoffnungen war, so früh durchtrennt wird. Von welchen Hoffnungen sprecht ihr? Von der irdischen Hoffnung, der Verstorbene hätte die Chance gehabt, erfolgreich zu sein und ein Vermögen aufzubauen? Immer dieser engstirnige Blick, dem es nicht gelingt, sich über die Materie zu erheben. Wisst ihr wie das Schicksal dieses Menschen ausgesehen hätte, das euerer Meinung nach so hoffnungsvoll war? Wer sagt euch, dass dieses Leben nicht voller Leid gewesen wäre? Verachtet ihr also die Hoffnungen des zukünftigen Lebens so sehr, dass ihr den Hoffnungen dieses vergänglichen Lebens, das ihr auf Erden führt, den Vorzug gebt? Nehmt ihr also an, dass ein hoher Rang unter den Menschen mehr wert ist, als ein Platz unter den glückseligen Geistern?
Freut euch, statt euch zu beschweren, wenn es Gott gefällt, eins Seiner Kinder aus diesem Tal des Elends wegzuholen. Ist es nicht egoistisch, sich zu wünschen, dass diese Person da bleiben möge, um mit euch zu leiden? Ach, dieser Schmerz ist begreiflich bei demjenigen, der keinen Glauben hat und der im Tod eine Trennung für immer sieht! Ihr Spiritisten aber wisst, dass die Seele freier lebt, wenn sie von ihrer körperlichen Hülle befreit ist. Und ihr Mütter, seid euch bewusst, dass eure geliebten Kinder nah bei euch sind; ja, sie sind sehr nah. Denn ihre fluidalen Körper umgeben euch, ihre Gedanken schützen euch, eure Erinnerung an sie erfüllt sie mit Freude, aber auch euer törichtes Leid bedrückt sie, denn es zeigt Mangel an Glauben und
Auflehnung gegen den Willen Gottes.
Ihr, die ihr das spirituelle Leben versteht, hört auf den Schlag eueres Herzens, wenn ihr die geliebten Wesen ruft; und wenn ihr Gott darum bittet, sie zu segnen, werdet ihr jenen mächtigen Trost fühlen, der die Tränen trocknet. Ihr werdet jenes wunderbare Verlangen empfinden, das euch die Zukunft zeigt, welche der erhabene Herr euch versprochen hat.
(Sanson, früheres Mitglied der Pariser Spiritistischen Gesellschaft, 1863)
Wenn er ein guter Mensch gewesen wäre, wäre er gestorben.
22. Ihr sagt oft, wenn es sich um einen schlechten Menschen handelt, der einer Gefahr entgangen ist: „Jung stirbt, wen die Götter lieben.“ Indem ihr das sagt, habt ihr es getroffen, denn es geschieht in der Tat recht oft, dass Gott einem jungen Geist, der sich noch auf dem Weg des Fortschrittes befindet, eine längere Prüfung auferlegt als einem guten Geist. Diesem wird als Lohn für seine Verdienste die Gnade zuteil, dass seine Prüfung so kurz wie möglich ausfällt. So gesehen sollt ihr nicht denken, ihr begeht Gotteslästerung, wenn ihr diesen Grundsatz aussprecht.
Wenn ein guter Mensch stirbt, dessen Nachbar ein schlechter Mensch ist, dann sagt ihr voreilig: „Mir wäre lieber, wenn dieser gestorben wäre.” Ihr irrt euch gewaltig, denn derjenige, der gegangen ist, hat seine Aufgabe beendet und der andere, der bleibt, hat vielleicht noch gar nicht damit begonnen. Warum möchtet ihr also, dass der Schlechte keine Zeit mehr bekommt, sie zu erledigen und dass der andere noch auf irdischem Boden gefangen bleibt? Was würdet ihr sagen, wenn man einen Gefangenen, der seine Strafe bereits abgebüßt hat, weiter im Gefängnis behielte, während demjenigen Freiheit gegeben würde, der auf sie kein Recht hätte? Wisset daher, dass die wahre Freiheit in der Sprengung der körperlichen Fesseln liegt; solange ihr auf der Erde seid, seid ihr in Gefangenschaft.
Lernt Sachen nicht zu verurteilen, die ihr nicht verstehen könnt und glaubt, dass Gott in allen Angelegenheiten gerecht ist. Was euch als Böses erscheint, ist oft Gutes. Aber eure Fähigkeiten sind so begrenzt, dass die Gesamtheit des großen Ganzen eueren stumpfen Sinnen entgeht! Bemüht euch, mit den Gedanken aus eueren engen Sphären herauszutreten. Und in dem Maße, wie ihr euch erhebt, wird die Bedeutung des materiellen Lebens zusehends schwinden. Dann erscheint es euch nur mehr wie ein Zwischenfall in der unendlichen Dauer euerer spirituellen Existenz, der einzig wahren Existenz.
(Fénelon, Sens, 1861)
Freiwillige Qualen
23. Der Mensch läuft ständig dem Glück hinterher, das ihm jedoch immer wieder entgleitet. Denn ungetrübtes Glück gibt es auf der Erde nicht. Allerdings könnte der Mensch trotz der Schicksalsschläge, die in diesem Leben eine unvermeidliche Begleiterscheinung sind, wenigstens relatives Glück genießen. Er aber sucht es in vergänglichen Dingen, die denselben Schicksalsschlägen unterworfen sind, das heißt in materiellen Vergnügungen, statt es in den Freuden der Seele zu suchen, die ihrerseits ein Vorgeschmack auf die unvergänglichen himmlischen Freuden darstellen. Statt den Frieden des Herzens zu suchen, das einzig wahre Glück auf dieser Welt, ist der Mensch gierig nach allem, was ihn aufwühlen und verwirren kann. Seltsamerweise scheint er sich sogar absichtlich Qual zu bereiten, die er selbst vermeiden könnte.
Gibt es größere Leiden als diejenigen, die durch Neid und Eifersucht verursacht werden? Für den neidischen und eifersüchtigen Menschen gibt es keinen Frieden. Er fiebert immer. Was er nicht hat, das wiederum andere besitzen, bereitet ihm Schlaflosigkeit. Erfolge seiner Gegner machen ihn schwindlig. Er kämpft ausschließlich darum, seinen Nachbarn in den Schatten zu stellen und seine ganze Freude besteht darin, diese rasende Eifersucht, von der er besessen ist, auch bei denen auszulösen, die ebenso geistesgestört sind, wie er. Es sind in der Tat arme Narren, die nicht daran denken, dass sie vielleicht schon morgen all diesen Tand aufgeben müssen, denn die Gier danach hat ihr Leben vergiftet! Zu ihnen passen sicherlich nicht die Worte: „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“ Denn ihre Sorgen zählen nicht zu denen, für die es im Himmel den verdienten Ausgleich gibt.
Wie viel Kummer erspart sich dagegen derjenige, der sich mit dem zufrieden gibt, was er hat, der ohne Neid auf das blickt, was er nicht hat und der nicht versucht mehr darzustellen, als tatsächlich vorhanden ist. Dieser ist immer reich, denn wenn er seinen Blick nicht nach oben, sondern nach unten richtet, wird er immer Menschen sehen, die noch weniger haben. Er ist ruhig, denn er schafft sich keine trügerischen Bedürfnisse. Und diese Ruhe, inmitten der Lebensstürme, ist das nicht Glück?
(Fénelon, Lyon, 1860)
Wirkliches Unglück
24. Jeder spricht von Unglück, jeder hat es schon einmal gefühlt und glaubt, seinen vielfältigen Charakter zu kennen. Ich möchte euch sagen, dass sich fast alle irren und dass das wahre Unglück keineswegs das ist, was die Menschen, also die Unglücklichen, vermuten. Sie sehen es in der Armut, in dem Herd ohne Feuer, in dem drohenden Gläubiger, in der leeren Wiege, in der einst der Engel lächelte, in den Tränen, in dem Sarg, den man mit unbedecktem Haupt und gebrochenem Herzen begleitet, in der Furcht vor Verrat, in der Not des Stolzes, der sich in Purpur einkleiden möchte und seine Blöße unter den Lumpen der Eitelkeit kaum verbergen kann. Dies alles und noch vielmehr nennt man in der menschlichen Sprache Unglück.
Ja, das ist Unglück für diejenigen, die nur die Gegenwart sehen; das wahre Unglück ist jedoch vielmehr in den Folgen einer Sache als in der Sache selbst zu suchen. Sagt mir, ob ein Ereignis, das zwar für den Augenblick als glücklich angesehen wird, das jedoch unheilvolle Auswirkungen hat, in Wirklichkeit nicht viel unglücklicher ist als jenes, das zunächst heftigen Ärger verursacht und schließlich Gutes hervorbringt. Sagt mir, ob ein Sturm, der eure Bäume entwurzelt, jedoch die Luft reinigt, indem er schädliche Stoffe auflöst, die tödlich gewesen wären, nicht vielmehr Glück als Unglück ist.
Um irgendetwas zu beurteilen, müssen wir dessen Konsequenzen bedenken. Um einzuschätzen, was für den Menschen wahrhaftiges Glück oder Unglück ist, müssen wir uns in das Jenseits dieses Lebens begeben. Denn genau dort sind diese Konsequenzen spürbar. So hört all das, was man in seiner beengten Sichtweise Unglück nennt, mit dem körperlichen Leben auf und findet seinen Ausgleich in dem zukünftigen Leben.
Ich werde euch das Unglück in einer neuen Weise offenbaren, in einer schönen und angenehmen Weise, die ihr annehmt und euch mit der ganzen Kraft euerer getäuschten Seelen wünscht. Das Unglück sind die falsche Freude, das Vergnügen, der Tumult, die unnütze Aufregung und die törichte Befriedigung der Eitelkeit, die das Gewissen zum Schweigen bringen, die Gedankentätigkeit unterdrücken und den Menschen von seiner Zukunft ablenken. Das Opium des Vergessens, das ihr euch so sehnlichst herbeiwünscht, das ist das Unglück.
Wartet ab, ihr, die ihr weint! Zittert, ihr, die ihr lacht, weil eure Körper zufrieden sind! Gott betrügt man nicht; dem Schicksal entrinnt man nicht; und die Prüfungen, diese Gläubiger, die noch unerbittlicher sind als eine vom Elend aufgepeitschte Menge, lauern euerer trügerischen Ruhe auf, um euch urplötzlich in den Todeskampf des wahren Unglücks zu stürzen, das die von Gleichgültigkeit und Egoismus geschwächte Seele überrascht.
Möge euch der Spiritismus Erleuchtung bringen und Wahrheit und Irrtum, die durch eure Blindheit so befremdend entstellt sind, in das rechte Licht rücken! Dann werdet ihr wie tapfere Kämpfer handeln, die eben nicht vor der Gefahr fliehen, sondern waghalsige Kämpfe dem Frieden vorziehen, der ihnen weder Ruhm noch Fortschritt bringen kann! Welche Bedeutung hat es für einen Kämpfer, seine Waffen, sein Gepäck und seine Uniform zu verlieren, wenn er sieg- und ruhmreich aus dem Kampf hervorgeht? Was bedeutet es demjenigen, der den Glauben an die Zukunft hat, auf dem Schlachtfeld des Lebens sein Vermögen und seine körperliche Hülle zu lassen, wenn seine Seele strahlend das himmlische Reich betritt?
(Delphine de Girardin, Paris, 1861)
Die Schwermut
25. Wisst ihr, warum oftmals eine unerklärliche Trauer Besitz von euerem Herzen ergreift und euch das Leben so bitter empfinden lässt? Das ist euer Geist, der nach Glück und Freiheit trachtet und, da er an den Körper gebunden ist, der ihm als Gefängnis dient, in vergeblichen Bemühungen sich erschöpft, aus ihm zu entfliehen. Indem er merkt, dass diese Anstrengungen nutzlos sind, verfällt er in Mutlosigkeit. Da der Körper seinem Einfluss unterliegt, ergreifen Kraftlosigkeit, Niedergeschlagenheit und eine Art Apathie Besitz von euch und ihr fühlt euch unglücklich.
Glaubt mir, ihr müsst diesem Druck, der eueren Willen schwächt, mit aller Kraft Widerstand leisten. Dieses Streben nach einem besseren Leben ist dem Geist aller Menschen angeboren, doch sucht es nicht auf dieser Welt. Und jetzt, da Gott Seine Geister sendet, um euch über das Glück, dass Er euch bereit hält, zu unterrichten, wartet geduldig auf den Engel der Erlösung, der euch helfen wird, die Fesseln zu durchtrennen, die eueren Geist gefangen halten. Denkt daran, dass ihr während euerer Prüfungsphase auf der Erde eine Aufgabe erfüllen müsst, von der ihr nichts ahnt, sei es in der Hingabe an die Familie oder in der Erfüllung verschiedener Aufgaben, die Gott euch anvertraut hat. Wenn ihr im Laufe dieser Prüfung und während der Erfüllung euerer Pflichten merkt, wie Sorgen, Unruhe und Kummer in euch aufsteigen, so ertragt sie mit Stärke und Mut. Tretet ihnen offen entgegen; sie sind von kurzer Dauer und sollen euch zu den Freunden führen, die ihr beweint, die sich auf eure Ankunft freuen und euch bei der Hand nehmen werden, um euch zu dem Ort zu führen, zu dem irdischer Kummer keinen Zugang hat.
(François de Genève, Bordeaux)
Freiwillige Prüfungen – Die wahre Aufopferung
26. Ihr fragt, ob es erlaubt ist, seine Prüfungen abzumildern? Diese Frage läuft auf folgende Frage hinaus: Ist es jemandem, der ertrinkt, erlaubt sich zu retten? Und demjenigen, der einen Dorn im Finger hat, ihn zu entfernen? Demjenigen, der krank ist, einen Arzt zu rufen? Ziel der Prüfungen ist es, Intelligenz sowie Geduld und Schicksalsergebenheit zu entwickeln. Ein Mensch kann gerade deshalb in einer sehr schwierigen Situation zur Welt kommen, um so gezwungenermaßen einen Weg zu suchen, die Schwierigkeiten zu besiegen. Der Verdienst besteht darin, die Folgen des unvermeidlichen Problems ohne Klage zu ertragen; den Kampf durchzustehen; nicht zu verzweifeln, wenn etwas nicht gelingt und sich jedoch auch nicht hängen zu lassen. Denn das wäre Trägheit und keine Tugend.
Diese Frage führt uns selbstverständlich zu einer anderen. Jesus sagte:„Selig sind, die da Leid tragen.“ Ist es daher lobenswert das Leid zu suchen, indem man sich durch freiwilliges Leiden seine Prüfungen erschwert? Darauf antworte ich sehr klar: Ja, wenn Leiden und Verzicht das Wohl des Nächsten zum Ziel haben. Das ist ein großer Verdienst. Denn das ist Nächstenliebe durch Aufopferung. Nein, wenn man es nur, um seiner selbst willen tut, denn das ist Egoismus durch Fanatismus.
Man muss hier einen großen Unterschied machen. Was euch persönlich betrifft, seid zufrieden mit den Prüfungen, die Gott euch sendet und bürdet euch nicht mehr auf, als ihr ohnehin schon tragen müsst. Nehmt sie mit Vertrauen an, ohne zu klagen. Das ist alles, was Gott von euch verlangt. Schwächt eueren Körper nicht durch unnötige Entbehrungen und zwecklose Kasteiungen. Denn ihr benötigt all eure Kräfte, um eure Aufgaben auf der Erde zu vollenden. Den eigenen Körper freiwillig zu quälen bedeutet gegen das Gesetz Gottes zu verstoßen, Der euch Mittel gibt, ihn aufrecht zu halten und zu stärken. Den Körper unnötig zu schwächen ist wahrer Selbstmord. Gebraucht, aber missbraucht nicht: So lautet das Gesetz. Der Missbrauch der besten
Sachen zieht eine Bestrafung durch unvermeidbare Konsequenzen nach sich.
Anderes verhält es sich mit dem Leid, das man sich auferlegt, um seinem Nächsten zu helfen; wenn ihr Kälte und Hunger ertragt, um einen bedürftigen Menschen zu wärmen und zu ernähren und somit euerem Körper Leid zufügt: Ein solches Opfer wird von Gott gesegnet. Ihr, die ihr eure wohl riechenden Wohnungen verlasst, um einem anderen Trost zu bringen, der in einem verwahrlosten Zimmer lebt; ihr, die ihr eure zarten Hände schmutzig macht, um Wunden zu versorgen; ihr, die ihr den Schlaf einbüßt, um am Bett eines Kranken zu wachen, der auch euer Bruder in Gott ist; ihr alle, die ihr eure Gesundheit in den Dienst guter Taten stellt; hier leistet ihr Abbüßung, wahre Abbüßung voller Segen, weil das Glück der Welt eure Herzen nicht ausgetrocknet hat. Ihr habt euch nicht inmitten der aufregenden Vergnügungen des Wohlstandes zur Ruhe gesetzt, sondern wurdet zu tröstenden Engeln für die Bettelarmen.
Aber ihr, die ihr euch aus der Welt zurückzieht, um Verführungen zu entgehen und in Einsamkeit zu leben, worin besteht euer Nutzen auf dieser Erde? Wo ist euer Mut zu Prüfungen, da ihr vor dem Kampf flieht und davonlauft? Wenn ihr euch der Abbüßung unterziehen wollt, so tut dies an der Seele und nicht am Körper; kasteit eueren Geist und nicht euer Fleisch. Geißelt eure Selbstliebe, nehmt Erniedrigungen auf euch ohne zu klagen, bekämpft eure Selbstgefälligkeit und stemmt euch gegen die Schmerzen der Beleidigungen und Verleumdungen, die stechender sind als körperliche Schmerzen. Das ist die wahre Abbüßung, deren Wunden euch angerechnet werden, weil sie euch Mut und Gottgehorsam bescheinigen.
(Ein Schutzgeist, Paris, 1863)
Sollten wir den Prüfungen unseres Nachbarn ein Ende setzen?
27. Soll man den Prüfungen seines Nächsten möglichst ein Ende setzen oder aus Achtung vor dem Plan Gottes die Zustände ihren Lauf nehmen lassen?
Wir haben euch wiederholt gesagt, dass ihr auf diesem Planeten der Abbüßung seid, um eure Prüfungen zu vollenden; und dass alles, was euch geschieht, Folgen aus eueren früheren Existenzen sind, der Schuldenanteil, den ihr noch zu bezahlen habt. Dieser Gedanke ruft jedoch bei manchen Menschen Überlegungen hervor, die unbedingt abgestellt werden müssen, weil sie schlimme Folgen haben könnten.
Einige denken, dass, wenn sie auf der Erde schon zur Buße sind, sie den Prüfungen ihren Lauf nehmen lassen müssen. Ebenso verhält es sich mit denjenigen, die sogar soweit gehen zu glauben, man müsse nichts tun, um sie zu mildern, sondern im Gegenteil, die Prüfungen noch verschärfen, um noch mehr Nutzen daraus zu ziehen. Das ist ein großer Irrtum. Ja, eure Prüfungen sollen den Weg gehen, den Gott euch vorgezeichnet hat. Kennt ihr aber diesen Weg? Wisst ihr, wie weit sie gehen müssen und ob der barmherzige Vater über das Leiden dieses oder jenes Bruders nicht gesagt hat: „Bis hierher und nicht weiter”? Wisst ihr denn, ob Seine Vorsehung euch nicht ausgewählt hat, nicht etwa als Werkzeug der Pein, um das Leid des Schuldigen noch zu verschlimmern, sondern als tröstender Balsam, um die Wunden zu heilen, die Seine Gerechtigkeit geöffnet hat? Wenn ihr also einen euerer Brüder seht, der vom Schicksal getroffen wurde, dann sagt nicht: Das ist die Gerechtigkeit Gottes, sie muss ihren Lauf nehmen. Im Gegenteil, sagt euch: „Lasst uns sehen, mit welchen Mitteln mich der barmherzige Vater ausgestattet hat, um das Leid meines Bruders zu lindern. Lasst uns sehen, ob mein moralischer Beistand, meine materielle Hilfe oder mein Rat ihm nicht helfen können, diese Prüfung mit mehr Kraft, Geduld und Schicksalsergebenheit zu überstehen. Lasst uns auch sehen, ob Gott mir nicht ein Mittel an die Hand gegeben hat, um dieser Prüfung ein Ende zu setzen; ob es mir selbst nicht als Prüfung, vielleicht ja als Abbüßung, auferlegt wurde, das Übel abzustellen und es durch Frieden zu ersetzen.
Helft euch daher stets bei eueren jeweiligen Prüfungen und betrachtet euch nie als Folterinstrumente. Dieser Gedanke muss jeden Menschen, der ein gutes Herz hat, empören, vor allem den Spiritisten. Denn der Spiritist muss, mehr als jeder andere, das unendliche Ausmaß der Güte Gottes begreifen. Als Spiritist muss man daran denken, dass das ganze Leben ein Akt der Liebe und der Ergebenheit ist und dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen wird, was immer er auch tut, um den Entscheidungen des Herrn entgegenzuwirken. Er kann daher ohne Furcht alles unternehmen, um die Bitterkeit der Prüfungen zu lindern, aber Gott allein kann sie beenden oder verlängern, je nachdem, wie Er es für angebracht hält.
Wäre nicht ein Zeichen von übermäßigem Hochmut bei dem Menschen zu finden, der sich dazu berechtigt fühlte, das Schwert gewissermaßen noch einmal in die Wunde zu stoßen? Oder die Dosis des Giftes in der Brust des Leidenden zu erhöhen, unter dem Vorwand, dergestalt sei seine Abbüßung? Ja! Betrachtet euch vielmehr immer als ein Instrument, das ausgewählt wurde, Schmerzen zu beheben. Fassen wir demnach zusammen: Ihr seid alle auf der Erde, um abzubüßen, aber ihr solltet euch alle, ausnahmslos, nach Kräften bemühen, die Abbüßungen euerer Geschwister nach dem Gesetz der Liebe und der Nächstenliebe zu lindern.
(Bernardin, Schutzgeist, Bordeaux, 1863)
Ist es zulässig, das Leben einer kranken Person zu verkürzen, die ohne Hoffnung auf Genesung leidet?
28. Ein Mann ist im Todeskampf, geplagt von grausamen Schmerzen. Man weiß, dass sein Zustand hoffnungslos ist. Ist es erlaubt, ihmeinige Momente derQual zu ersparen, indem man sein Ende schneller herbeiführt?
Wer hätte euch das Recht erteilt, Gottes Vorhaben zu beurteilen? Kann Er einen Menschen etwa nicht bis an den Rand des Grabens führen und ihn wieder zurückziehen, um ihm zu helfen, zu sich selbst zurückzukehren und ihn auf andere Gedanken zu bringen? In welcher Notlage ein Todkranker sich auch immer befinden mag, niemand kann mit Gewissheit sagen, dass seine letzte Stunde gekommen ist. Hat sich die Wissenschaft in ihren Vorhersagen etwa nie geirrt?
Ich weiß, dass es Fälle gibt, die man zurecht als aussichtslos bezeichnen kann. Selbst wenn keine begründete Hoffnung auf eine endgültige Rückkehr zum Leben und zur Gesundheit besteht, gibt es nicht dennoch unzählige Beispiele von Kranken, die im Moment ihres letzten Atemzuges wieder zu sich kommen und für ein paar Augenblicke wieder ihre Kräfte erlangen? Nun gut! Diese Stunde der Gnade, die ihnen gewährt wird, kann für sie von größter Bedeutung sein; denn ihr wisst nichts von den Überlegungen, die während des Todeskampfes in dem Geist stattfinden können; und welche Qualen ihm eine Erleuchtung durch Reue ersparen kann.
Der Materialist, der nur den Körper sieht und der Seele keinerlei Bedeutung beimisst, kann diese Sachen nicht verstehen; doch der Spiritist, der weiß, was jenseits des Grabes geschieht, kennt den Wert des letzten Gedankens. Lindert die letzten Schmerzen, soweit ihr könnt. Hütet euch aber davor, ein Leben zu verkürzen und sei es auch nur um eine Minute, denn diese Minute kann in der Zukunft viele Tränen ersparen.
(Hl. Ludwig, Paris, 1860)
Opfer seines eigenen Lebens.
29. Ist derjenige, der seines Lebens überdrüssig ist, jedoch keinen Selbstmord begehen möchte, schuldig, wenn er den Tod auf dem Schlachtfeld sucht, mit demGedanken, sich durch seinen Tod nützlich zu machen?
Ob sich der Mensch das Leben nimmt oder sich umbringen lässt, das Ziel ist immer, das Leben zu verkürzen; folglich gibt es den absichtlichen Selbstmord und den herbeigeführten. Der Gedanke, sein Tod könne für etwas nützlich sein, ist trügerisch. Er ist nur ein Vorwand, um seine Tat zu beschönigen, um sich vor sich selbst zu entschuldigen. Wenn er ernsthaft den Wunsch hätte, seinem Land zu dienen, würde er versuchen zu leben, um es zu verteidigen und nicht zu sterben. Denn tot kann er dem Land nicht mehr nützlich sein. Die wahre Ergebenheit besteht nur darin, keine Angst vor dem Tod zu haben, wenn es darum geht, nützlich zu sein und der Gefahr zu trotzen und, wenn nötig, sein Leben vorzeitig und ohne Reue zu opfern. Aber die geplante Absicht, den Tod zu suchen, indem man sich der Gefahr aussetzt, selbst um einen Dienst zu erweisen, macht den Wert dieser Tat zunichte.
(Hl. Ludwig, Paris, 1860)
30. Ein Mensch setzt sich drohender Gefahr aus, um das Leben eines Mitmenschen zu retten, obwohl er weiß, dass er selbst dabei umkommen wird. Kann das als Selbstmord betrachtet werden?
Sofern der Tod nicht absichtlich gesucht wird, handelt es sich auch nicht um Selbstmord, sondern um Hingabe und Verzicht, ungeachtet der Gewissheit, sein Leben möglicherweise zu verlieren. Wer aber kann diese Gewissheit haben? Wer sagt, dass die Vorsehung nicht im kritischsten Augenblick noch ein unerwartetes Mittel zur Rettung bereithält? Kann sie nicht sogar Menschen retten, die vor einem Kanonenrohr stehen? Oft kann es sein, dass sie die Prüfung der Schicksalsergebenheit bis zum Äußersten treibt und ein unerwarteter Umstand wendet den verhängnisvollen Schlag schließlich ab.
(Hl. Ludwig, Paris, 1860)
Profitieren Sie vom Leiden für andere.
31. Arbeiten diejenigen, die ihr Leid mit Schicksalsergebenheit annehmen, weil sie sich dem Willen Gottes unterziehen und den Blick auf ihr zukünftiges Glück gerichtet haben, nur für sich selbst; und kann ihr Leid auch für andere Menschen nützlich sein?
Diese Leiden können für andere materiell und moralisch nützlich sein. Materiell gesehen, wenn sie durch Arbeit, Entbehrungen und selbst auferlegte Opfer zum materiellen Wohl ihrer Nächsten beitragen; moralisch durch ihr Beispiel, das sie geben, wenn sie sich dem Willen Gottes unterordnen. Dieses Beispiel für die Kraft des spiritistischen Glaubens kann viele Unglückliche zur Schicksalsergebenheit ermuntern und sie vor der Verzweiflung und zukünftigen, traurigen Folgen bewahren.
(Hl. Ludwig, Paris, 1860)
KAPITEL VI - Christus, der Tröster
Das leichte Joch
Aber sein Beistand und das Glück, das Er den Bekümmerten verspricht, hängen von einer Bedingung ab. Diese Bedingung ist in dem von Ihm gelehrten Gesetz enthalten. Sein Joch ist die Befolgung dieses Gesetzes; aber dieses Joch ist leicht und das Gesetz sanft, da sie nur die Liebe und die Nächstenliebe als Pflicht auferlegen.
Der versprochene Tröster
Der Spiritismus kommt in der vorausgesagten Zeit, um das Versprechen von Christus zu erfüllen: – Der Geist der Wahrheit leitet sein Kommen; er ruft die Menschen zur Befolgung des Gesetzes auf; lehrt alles Weitere, indem er zu verstehen hilft, was Christus nur durch Gleichnisse gesagt hat.
Christus sagte: ”Höre, wer Ohren hat zum Hören”. Der Spiritismus kommt, um die Augen und Ohren zu öffnen, weil er weder bildlich noch allegorisch spricht; er hebt den Schleier, der absichtlich über einige Geheimnisse geworfen worden wurde. Er kommt schließlich, um den Enterbten der Erde und allen Leidenden die höchsten Tröstungen zu bringen, indem er allen Schmerzen eine gerechte Ursache und einen nützlichen Zweck zugrunde legt. Christus sagte: ”Selig sind die Leidenden, denn sie werden getröstet werden”. Aber wie kann man sich beim Leiden glücklich fühlen, wenn man nicht weiß, warum man leidet? Der Spiritismus zeigt die Ursache des Leidens in den vorherigen Existenzen und in der Bestimmung der Erde, wo der Mensch für seine Vergangenheit büßt. Er zeigt den Zweck des Leidens und bezeichnet es als heilsame Krisen, die zur Heilung führen und auch als Mittel zur Läuterung, welche das Glück in den zukünftigen Existenzen gewährleisten. Der Mensch versteht, dass er es verdient hat zu leiden und findet dieses Leiden gerecht. Er weiß, dass dieses seinem Fortschritt dient und nimmt es ohne Klagen an, wie der Arbeiter seine Arbeit annimmt, die seinen Lohn sichert. Der Spiritismus gibt ihm einen unerschütterlichen Glauben an die Zukunft und der stechende Zweifel ergreift seine Seele nicht mehr. Indem der Spiritismus ihm die Dinge von oben zu betrachten ermöglicht, verliert sich die Wichtigkeit der irdischen Schicksalsschläge in dem weiten und strahlenden Horizont, den er ihm enthüllt, und die Perspektive des Glücks, das auf ihn wartet, gibt ihm die Geduld, die Gelassenheit und den Mut, bis zum Ende des Wegs zu gehen.
Und so verwirklicht der Spiritismus, was Jesus über den versprochenen Tröster sagte: Er gibt Kenntnis über die Dinge, indem er den Menschen wissen lässt, woher er kommt, wohin er geht und warum er auf der Erde ist; er ruft den Menschen zurück zu den wahren Prinzipien des Gesetzes Gottes und gibt Trost durch den Glauben und die Hoffnung.
Unterweisungen der geistigen Welt
Das Kommen des Geistes der Wahrheit
Aber die undankbaren Menschen entfernten sich von dem geraden und breiten Weg, der zum Reich meines Vaters führt und verirrten sich auf den schweren, harten Pfaden der Herzlosigkeit. Mein Vater möchte die menschliche Rasse nicht vernichten. ER möchte, dass ihr euch untereinander helft – Lebende und Tote, d.h. die physisch Toten, denn der Tod als solcher existiert nicht – indem ihr euch gegenseitig zu Hilfe kommt und dass nicht mehr die Stimmen der Propheten und der Apostel zu Gehör kommen, sondern die Stimmen von jenen, die nicht mehr auf der Erde sind, um euch zu verkünden: – Betet und glaubt! denn der Tod ist die Auferstehung und das Leben ist die erwählte Prüfung, während dessen die von euch gepflegten Tugenden wachsen und sich entwickeln müssen wie eine Zeder.
Ihr schwachen Menschen, die ihr die Finsternis eurer Intelligenz versteht, entfernt die Fackel nicht, die die göttliche Gnade in eure Hände gelegt hat, um euren Weg zu beleuchten und euch, verlorene Kinder, in den Schoß eures Vaters zurückzuführen.
Ich bin wegen eures Elends, eurer unermesslichen Schwächen so von Mitgefühl erfüllt, dass ich den unglücklichen Irregeleiteten meine helfende Hand entgegenstrecke, die – obwohl sie den Himmel sehen – in den Abgrund des Irrtums fallen. Glaubt, liebt, meditiert über die Dinge, die euch offenbart werden; vermischt nicht die Spreu mit dem guten Samen und die Utopien mit der Wahrheit.
Spiritisten! Liebt euch, das ist das erste Gebot; bildet euch, das ist das zweite. Im Christentum befindet sich die ganze Wahrheit; die in ihm verwurzelten Fehler sind menschlichen Ursprungs; und siehe da, aus dem Jenseits des Grabes, das ihr für das Nichts haltet, rufen euch Stimmen entgegen: – Brüder und Schwestern, nichts vergeht! Jesus Christus ist der Sieger über das Böse, seid ihr nun die Sieger über die Herzlosigkeit. (Der Geist der Wahrheit, Paris, 1860)
Arbeiter, zieht eure Furche; setzt am nächsten Tag die anstrengende Arbeit des Vorabends fort. Die Arbeit eurer Hände versorgt euren Körper mit dem irdischen Brot, eure Seelen aber sind nicht vergessen und ich, der göttliche Gärtner, bebaue sie in der Stille eurer Gedanken. Wenn die Stunde der Ruhe gekommen ist und der Schussfaden eurer Tage euren Händen entglitten ist und eure Augen für das Licht geschlossen sind, werdet ihr spüren, dass mein kostbarer Samen sich in euch entwickelt und keimt. Im Reich unseres Vaters geht nichts verloren und euer Schweiß und Elend bilden den Schatz, der euch in den hohen Sphären reich machen wird, wo das Licht die Finsternis ersetzt und wo der von euch am meisten Entblößte vielleicht der Glänzendste sein wird.
Wahrlich ich sage euch, dass mir diejenigen, die ihre Last tragen und ihrem Nächsten helfen, die Liebsten sind. Bildet euch an dieser kostbaren Lehre, die den Irrtum der Empörungen auflöst und euch das erhabene Ziel der menschlichen Prüfungen zeigt. So wie der Wind den Staub wegfegt, soll auch der Hauch der Geistwesen euren Neid gegen die Reichen der Welt auflösen, welche nicht selten bedauernswerter sind, denn ihre Prüfungen sind gefährlicher als eure. Ich bin bei euch und mein Apostel belehrt euch. Trinkt aus der lebendigen Quelle der Liebe und bereitet euch vor, Gefangene des Lebens, damit ihr euch eines Tages frei und glücklich in die Arme desjenigen stürzen könnt, der euch schwach erschaffen hat, um euch vervollkommnungsfähig zu machen. ER möchte, dass ihr selbst euren geschmeidigen Ton modelliert, damit ihr die Handwerker eurer Unsterblichkeit sein werdet. (Der Geist der Wahrheit, Paris, 1861)
KAPITEL VII - Selig sind die, die im Geiste arm sind
Was man unter „im Geiste arm“ verstehen soll
1. Selig sind die, die im Geiste arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich. (Matthäus, Kap. V, 3)Wissenschaftler und Intellektuellen, gemäß der Welt, haben im Allgemeinen eine so hohe Meinung von sich selbst und ihrer Überlegenheit, dass sie die göttlichen Dinge als unwürdig für ihre Aufmerksamkeit ansehen. Ihre Blicke, auf sich selbst konzentriert, können sich nicht zu Gott erheben. Diese Tendenz, sich allem überlegen zu glauben, bringt sie zu oft dazu, zu verneinen, dass das, was über ihnen ist, sie erniedrigen könnte, sogar die Göttlichkeit zu verneinen; oder, falls sie es doch schaffen dies zu akzeptieren, streiten sie ihr eines ihrer schönsten Attribute ab: Ihr vorsehendes Wirken über alle Dinge dieser Welt, sie sind überzeugt davon, dass sie allein genügen, um die Welt gut zu regieren. Da sie ihre Intelligenz als Maß für die universelle Intelligenz betrachten und sich für fähig halten, alles zu verstehen, können sie nicht an die Möglichkeit glauben, irgendetwas nicht zu verstehen. Wenn sie etwas verkündet haben, sind ihre Urteile für sie unwiderruflich.
Wenn sie sich weigern, eine unsichtbare Welt und eine außermenschliche Macht anzuerkennen, geschieht das nicht, weil sie dazu unfähig wären, sondern weil ihr Stolz sich gegen die Idee auflehnt, es gäbe etwas, worüber sie sich nicht stellen könnten und das sie von ihrem Podest herunterbringen würde. Deswegen haben sie nichts als ein Lächeln der Verachtung für alles, was nicht von dieser sichtbaren und fassbaren Welt ist. Sie halten sich für zu geistig und wissend, um an solche Dinge zu glauben, die ihrer Meinung nach gut für die einfachen Menschen sind und halten diejenigen, die sie ernst nehmen, für geistig Arme.
Ganz gleich, was sie darüber sagen mögen, sie werden dennoch wie alle anderen in diese unsichtbare Welt, die sie verspotten, eintreten müssen. Dort werden ihre Augen geöffnet und sie werden ihren Fehler erkennen. Aber Gott, der gerecht ist, kann nicht denjenigen, der SEINE Macht verleugnete, genauso empfangen wie denjenigen, der sich demütig SEINEN Gesetzen unterworfen hat, und ihm auch nicht den gleichen Anteil geben.
Indem Er sagt, dass das Himmelreich den Einfachen gehört, meint Jesus, dass niemand ohne die Einfachheit des Herzens und die Demut des Geistes dort eintreten kann; dass der Unwissende, der diese Eigenschaften besitzt, dem Wissenden, der mehr an sich selbst als an Gott glaubt, vorgezogen wird. In allen Situationen stellt Jesus die Demut in die Reihe der Tugenden, die uns näher zu Gott bringen, und den Hochmut unter die Fehler, die uns von Gott entfernen; und das aus einem sehr natürlichen Grund: Die Demut ist eine Haltung der Unterwerfung gegenüber Gott, während der Hochmut eine Haltung des Widerstands gegen IHN ist. Es ist also wertvoller für das Glück des Menschen, arm im Geiste zu sein, so wie die Welt das versteht, aber reich an moralischen Eigenschaften.
Jeder der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden
Den gleichen fundamentalen Gedanken finden wir auch in dieser Maxime wieder: „Derjenige, der der Größte sein will, soll ein Diener sein“; und in dieser anderen: „Jeder, der sich erniedrigt, wird erhöht werden und jeder, der sich erhöht, wird erniedrigt werden“.
Der Spiritismus kommt, um die Theorie mit dem Beispiel zu bestätigen, indem er uns die Großen in der geistigen Welt zeigt, die auf der Erde die Kleinen waren, und sehr häufig die Kleinen, die auf der Erde die Größten und Mächtigsten waren. Das bedeutet, dass die Ersten beim Sterben das mitgenommen haben, was allein die wahre Größe im Himmel bedeutet und nicht verloren geht, nämlich die Tugenden; während die anderen das verlassen mussten, was ihre Größe auf der Erde ausmachte und was man nicht mit ins Jenseits mitnehmen kann: den Reichtum, die Titel, den Ruhm, die edle Geburt. Da sie nichts anderes besitzen, kommen sie in die andere Welt ohne irgendetwas, wie Schiffbrüchige, die alles verloren haben, sogar ihre Kleidung. Behalten haben sie nur den Hochmut, der ihre neue Position noch mehr erniedrigt, da sie über sich diejenigen sehen, die sie auf der Erde mit Füßen getreten haben und die jetzt Ruhm ausstrahlen.
Der Spiritismus zeigt uns eine andere Anwendung dieses Prinzips in den ununterbrochen sich wiederholenden Inkarnationen, wo die, die in einer Existenz am höchsten gestellt waren, in einer nächsten Existenz auf den letzten Rang heruntergesetzt werden, wenn sie von Stolz und Ehrgeiz beherrscht wurden. Sucht also nicht den ersten Platz auf der Erde und stellt euch nicht über die anderen, wenn ihr nicht gezwungen sein wollt, herunter zu steigen. Sucht im Gegenteil den bescheidensten Platz, weil Gott euch eine höhere Stelle im Himmel geben wird, so ihr es verdient habt.
Die den Gelehrten und Klugen verborgenen Geheimnisse
Die Macht Gottes offenbart sich in den kleinen wie in den großen Dingen. ER stellt nicht das Licht unter den Scheffel, sondern verbreitet es wie Wellen überall und in einer Art, dass nur die Blinden es nicht sehen. Gott möchte ihnen nicht die Augen mit Gewalt öffnen, wenn es ihnen gefällt, sie geschlossen zu halten. Ihre Zeit wird kommen, aber zuerst ist es notwendig, dass sie die Qual der Dunkelheit spüren, damit sie es nicht für einen Zufall halten, sondern Gottes Hand erkennen, die ihren Stolz trifft. Um die Ungläubigkeit zu überwinden, setzt Gott, je nach Individuum die angemessenen Mittel ein. Es obliegt nicht den Ungläubigen, Gott vorzuschreiben, was ER zu tun hat und IHM zu sagen: Wenn DU mich überzeugen willst, musst DU nach dieser und jener Art und Weise handeln, und zwar bei dieser Gelegenheit und nicht bei einer anderen, weil diese mir am besten passt.
Die Ungläubigen sollen sich also nicht wundern, wenn weder Gott noch die Geister, die Gottes Willen vertreten, sich deren Forderungen beugen. Sie sollten sich fragen, was sie sagen würden, wenn der letzte ihrer Diener sich ihnen aufdrängen wollte. Gott schreibt SEINE Bedingungen vor und übernimmt nicht die an, die man IHM auferlegen möchte. ER hört denjenigen liebevoll zu, die IHN mit Demut ansprechen und nicht denen, die sich größer als IHN einschätzen.
Unterweisungen der geistigen Welt
Der Hochmut und die Demut
Den armen Geistwesen, die früher die Erde bewohnten, gibt Gott den Auftrag, euch aufzuklären. Gelobt sei Gott für die Gnade, die ER uns gewährt, bei eurer Verbesserung zu helfen. Möge der Heilige Geist mich erleuchten und mir helfen, meine Worte verständlich zu machen und mir die Gnade geben, sie jedem erreichbar zu machen. All ihr Inkarnierten, die ihr in Schwierigkeiten seid und das Licht sucht, möge der Wille Gottes mir helfen, dieses vor euren Augen glänzen zu lassen.
Die Demut ist eine von euch ganz vergessene Tugend. Die großen Beispiele, die euch gegeben wurden, werden selten befolgt. Ist es aber ohne Demut möglich, barmherzig gegenüber eurem Nächsten zu sein? Oh nein, weil dieses Gefühl die Menschen gleich macht; es sagt ihnen, dass die Menschen Brüder und Schwestern sind, dass sie sich gegenseitig helfen sollen und es bringt sie dazu, das Gute zu tun. Ohne die Demut schmückt ihr euch mit Tugenden, die ihr nicht habt, als ob ihr eine Verkleidung tragen würdet, um die Missbildung eures Körpers zu verbergen. Erinnert euch an den Herrn, der uns rettete; erinnert euch an Seine Demut, die Ihn so groß machte und über alle Propheten erhob.
Hochmut ist der schlimmste Gegner der Demut. Wenn also Christus den Ärmsten das Himmelreich versprach, so deshalb, weil die Großen auf der Erde meinen, dass Titel und Reichtümer die Belohnung ihrer Verdienste sind und dass ihre Wesen reiner als die der Armen sind. Sie glauben, dass sie ein Recht darauf haben und beschuldigen Gott, ungerecht zu sein, wenn sie ihnen weggenommen werden. Oh! Irrtum und Blindheit! Unterscheidet euch Gott durch eure Körper? Ist die Umhüllung des Armen nicht dieselbe wie die des Reichen? Hat der Schöpfer zwei Menschenarten gemacht? Alles was Gott macht, ist groß und weise. Schiebt IHM niemals die Ideen unter, die eure stolzen Gehirne gebären.
Du Reicher! Weißt du nicht, dass während du unter deinen goldenen Dächern schläfst, vor der Kälte geschützt, tausende deiner Geschwister, die dir gleich sind, auf Stroh liegen? Ist der Unglückliche, der an Hunger leidet, nicht deinesgleichen? Ich weiß wohl, dass dein Hochmut sich über diese Worte empört. Du bist einverstanden, ihnen etwas zu spenden, aber ihnen brüderlich die Hände zu reichen, niemals! Du würdest sagen: „Was! Ich, Abkömmling eines Adligen, eine Größe auf der Erde, soll gleich sein wie dieser Elende in Lumpen? Vergebliche Utopie von sogennanten Philosophen! Falls wir gleich wären, warum hat Gott ihn so niedrig und mich so hoch gestellt?“ Es ist wahr, dass eure Kleidung sich kaum ähnelt, aber welchen Unterschied gäbe es zwischen euch, wenn ihr alle beide entkleidet wärt? „Das adlige Blut“, würdest du sagen. Die Chemie fand aber keinen Unterschied zwischen dem Blut eines Adligen und dem eines gewönlichen Menschen; zwischen dem eines Herrn und dem eines Sklaven. Wer sagt dir, dass du nicht auch so elend und unglücklich warst wie er? Dass du nicht gebettelt hast? Dass du nicht eines Tages bei dem betteln wirst, den du heute verachtest? Sind die Reichtümer ewig? Vergehen sie nicht zusammen mit diesem Körper, vergängliche Hülle deines Geistes? Kehr demütig zu dir selbst zurück! Wirf endlich deine Blicke auf die Realität der irdischen Dinge, auf das, was die Größe und die Erniedrigung in der anderen Welt bestimmt. Denke daran, dass der Tod dich nicht mehr verschonen wird als jeden anderen; dass deine Titel dich vor ihm nicht schützen werden; dass er dich morgen, heute, in einer Stunde treffen kann, und wenn du dich dann in deinem Hochmut vergräbst, wie bedaure ich dich, weil du erbarmungswürdig sein wirst.
Hochmütige! Was seid ihr denn gewesen, bevor ihr adlig und mächtig wart? Vielleicht noch niedriger gestellt als der letzte eurer Diener. Deswegen beugt eure stolze Stirn, weil Gott sie in dem Augenblick erniedrigen kann, in dem ihr sie gerade am höchsten haltet. Alle Menschen sind auf der Waage Gottes gleich, nur die Tugenden unterscheiden sie vor Gottes Augen. Alle Geister sind aus der gleichen Essenz und alle Körper sind aus der gleichen Masse geformt. Eure Titel und Namen verändern nichts daran. Sie bleiben im Grab, und nicht sie sind es, die das versprochene Glück den Auserwählten gibt. Die Barmherzigkeit und die Demut sind eure Adelstitel.
Armes Wesen! Du bist Mutter, deine Kinder leiden; sie frieren, haben Hunger. Du gehst unter deinem schweren Kreuz gebeugt, erniedrigst dich, um ein Stück Brot für sie zu bekommen. Ich verbeuge mich vor dir; wie heilig und groß du vor meinen Augen bist. Hoffe und bete. Das Glück ist noch nicht von dieser Welt. Gott gibt das Himmelreich den Armen und Unterdrückten, die IHM vertrauen.
Und du, junges Mädchen, armes Kind, das sich der Arbeit hingibt und Entbehrungen ausgeliefert ist, warum diese traurigen Gedanken? Warum weinst du? Erhebe deinen Blick zu Gott, fromm und gelassen: Den Vögeln gibt ER Nahrung; vertraue IHM, und ER wird dich nicht im Stich lassen. Der Lärm der Feste, der Vergnügungen dieser Welt lassen dein Herz lauter klopfen. Du würdest auch gern deinen Kopf mit Blumen schmücken und dich unter die Glücklichen dieser Erde mischen. Du denkst dir, dass auch du reich sein könntest, wie diese extravaganten und lachenden Frauen, die an dir vorbeigehen. Schweig Kind! Wenn du wüsstest, wie viele Tränen und unzählige Leiden sich unter diesen schönen Kleidern verbergen; wie viele Seufzer unter dem heiteren Klang des Orchesters ersticken, würdest du deine bescheidene Zuflucht und deine Armut vorziehen. Bleib rein vor Gottes Augen, wenn du nicht möchtest, dass dein Schutzengel zu Gott zurückkehrt, sein Gesicht unter seinen weißen Flügeln versteckend und dich mit deinen Gewissensbissen allein lässt, ohne Führer, ohne Unterstützung in dieser Welt, wo du verloren wärst und auf die Bestrafung in der anderen Welt warten würdest.
Und ihr alle, die ihr die menschlichen Ungerechtigkeiten erleidet, seid nachsichtig mit den Fehlern eurer Brüder und Schwestern, indem ihr euch sagt, dass ihr selbst nicht untadelig seid: Es ist Nächstenliebe, es ist aber auch Demut. Wenn ihr unter Verleumdung leidet, beugt eure Stirn vor dieser Prüfung. Was bedeutet euch die Verleumdung dieser Welt? Wenn euer Verhalten richtig ist, kann Gott euch nicht dafür entschädigen? Die Demütigungen der Menschen mit Mut zu ertragen bedeutet, demütig zu sein und anzuerkennen, dass Gott allein groß und mächtig ist.
Oh, mein Gott! Wird es nötig sein, dass Christus noch ein zweites Mal auf diese Erde kommen muss, um den Menschen DEINE Gebote zu lehren, die sie vergessen? Muss Er noch einmal die Händler aus dem Tempel vertreiben, die DEIN Haus beflecken, welches einzig und allein ein Ort des Betens ist? Oh, Menschen! Wer weiß, ob ihr Ihn nicht wie damals erneut verleugnen würdet, falls Gott euch diese Gnade gewähren würde? Ihr würdet Ihn Gotteslästerer nennen, weil Er den Hochmut der modernen Pharisäer erniedrigen würde. Ihr würdet Ihn vielleicht wieder zum Weg nach Golgatha führen.
Als Moses auf den Berg Sinai stieg, um die Gebote Gottes zu erhalten, verließ das Volk Israel, sich selbst überlassen, den wahren Gott. Männer und Frauen gaben ihre Juwelen und Gold für die Herstellung eines Götzen, den sie anbeteten. Ihr zivilisierten Menschen ahmt sie nach. Christus vermachte euch Seine Lehre; Er gab euch Beispiele für alle Tugenden, und ihr habt Seine Beispiele und Vorschriften verlassen. Jeder von euch bringt seine Leidenschaften mit; ihr macht euch einen Gott nach eurem Geschmack: einige, schrecklich und blutig; andere, unbesorgt hinsichtlich der Interessen der Welt. Der Gott, den ihr euch geschaffen habt, ist immer noch das goldene Kalb, das jeder seinem Geschmack und seinen Vorstellungen anpasst.
Meine Brüder und Schwestern, meine Freunde, kommt zu euch selbst zurück! Möge die Stimme der Geistwesen euer Herz berühren. Seid großmütig und barmherzig, ohne zu prahlen, das heißt, tut das Gute mit Demut; sodass jeder von euch allmählich die Altäre niederreißt, die ihr für den Hochmut errichtet habt. Kurzum: Seid wahre Christen, dann werdet ihr das Reich der Wahrheit erreichen. Zweifelt nicht weiter an der Güte Gottes, ER liefert euch doch so viele Beweise davon. Wir sind gekommen, um den Weg vorzubereiten, damit die Prophezeiungen in Erfüllung gehen können. Wenn der Herr euch eine auffallendere Offenbarung SEINER Gnade geben wird, – möge der Himmlische Lichtbote euch schon wie eine große Familie versammelt treffen; – mögen eure Herzen sanft, demütig und würdig sein, diese heiligen Worte zu empfangen, die er euch mitbringen wird; – möge der Auserwählte auf seinem Weg nur Palmenzweigen begegnen, die für eure Rückkehr zum Guten, zur Nächstenliebe und Brüderlichkeit ausgelegt wurden und auf dass eure Welt zu einem irdischen Paradies wird.
Wenn ihr aber der Stimme der geistigen Wesen gegenüber gleichgültig bleibt, welche gesendet wurden, um eure Gesellschaft zu reinigen und zu erneuern, die zwar zivilisiert und reich an Wissen ist, aber so arm an guten Gefühlen, dann wird uns nichts anderes übrig bleiben, als um euer Schicksal zu weinen und zu stöhnen.
Aber nein, so wird es nicht sein. Kommt zu Gott, eurem Vater, zurück, und wir alle, die wir für die Erfüllung SEINES Willens gedient haben, werden den Gesang der Danksagung singen, um IHM wegen SEINER unendlichen Güte zu danken und um IHN in alle Ewigkeit zu verherrlichen. So sei es. (Lacordaire, Constantine, 1863)
Das Unwohlsein breitet sich weltweit aus. Wen wollt ihr beschuldigen außer euch selbst, die ihr unaufhörlich versucht, euch untereinander zu vernichten? Ihr könnt ohne gegenseitiges Wohlwollen nicht glücklich werden, und wie kann es Wohlwollen zusammen mit Hochmut geben? Hochmut, das ist die Quelle allen Übels. Bemüht euch folglich, ihn zu beseitigen, wenn ihr dessen unheilvolle Folgen nicht für immer fortbestehen lassen wollt. Dafür gibt es nur ein Mittel, das aber unfehlbar ist: das Gesetz Christi als unveränderliche Regel für euer Verhalten zu nehmen; das Gesetz, das ihr entweder verneint oder in seiner Interpretation verfälscht habt. Warum schätzt ihr alle Dinge, die glänzen und den Augen gefallen viel mehr, als, jene, die die Herzen berühren?
Warum ist die Sucht nach Reichtum das Ziel eurer Schmeicheleien, während ihr nur einen verachtenden Blick für das wahre Verdienst habt, das sich in der Anonymität verbirgt? Wenn ein lasterhafter Reicher, der physisch und seelisch verdorben ist, sich irgendwo vorstellt, werden für ihn alle Türen geöffnet und alle Blicke auf ihn gerichtet, während man den guten Mann, der von seiner Arbeit lebt, kaum einer Begrüßung würdigt. Wenn die Hochachtung, die man anderen Menschen schenkt, an dem Gewicht des Goldes, das sie besitzen, oder an dem Namen, den sie tragen, gemessen wird, welches Interesse würden sie haben, ihre Fehler zu verbessern?
Ganz anders wäre es, wenn die Sucht eines reichen Menschen von der öffentlichen Meinung genauso scharf kritisiert würde, wie die Sucht eines armen Menschen. Der Hochmut ist aber nachsichtig mit allem, was ihm schmeichelt. Das Jahrhundert der Habsucht und des Geldes, sagt ihr. Ohne Zweifel, aber warum habt ihr zugelassen, dass die materiellen Bedürfnisse über der Vernunft und dem Verstand stehen? Warum möchte sich jeder über seinen Bruder und seine Schwester stellen? Heute bekommt die Gesellschaft die Folgen zu spüren.
Ihr sollt nicht vergessen, dass so ein Zustand immer ein Zeichen moralischer Dekadenz ist. Wenn der Hochmut die höchsten Grade erreicht, ist das ein Anzeichen eines baldigen Sturzes, denn Gott bestraft immer die Hochmütigen. Wenn ER es auch manchmal zulässt, dass sie sich erhöhen, geschieht das, um ihnen Zeit zum Nachdenken und zur Verbesserung zu geben, durch die Schläge, die ER von Zeit zu Zeit ihrem Stolz versetzt, warnt ER sie. Aber anstatt demütig zu sein, empören sie sich. Wenn dann das Maß voll ist, kippt Gott es vollständig, und der Absturz wird umso schrecklicher sein, je höher sie sich erhoben haben.
Arme menschliche Rasse, deren Egoismus alle Wege verdorben hat, fasse trotzdem wieder Mut. In SEINER unendlichen Barmherzigkeit schickt Gott dir ein wirksames Heilmittel gegen deine Übel, eine unerwartete Hilfe für deinen Kummer. Öffne die Augen zum Licht: hier sind die Seelen derjenigen, die nicht mehr auf der Erde leben, die kommen, um dich an die Erfüllung der wahren Pflichten zu erinnern. Sie werden dir mit der Autorität der Erfahrung sagen, wie klein die Eitelkeiten und die Größen deiner vorübergehenden Existenz vor der Unendlichkeit sind. Sie werden dir sagen, – dass dort derjenige der Größte ist, der der Bescheidenste unter den Kleinen dieser Welt war; – dass derjenige, der am meisten seine Brüder und Schwestern geliebt hat, auch im Himmel am meisten geliebt wird; – dass die Mächtigen auf der Erde, falls sie ihre Autorität missbraucht haben, gezwungen werden, ihren Dienern zu gehorchen; – dass die Nächstenliebe und die Demut, diese zwei Schwestern, die immer Hand in Hand gehen, die wirksamsten Mittel sind, um die Gnade Gottes zu erlangen.
Mission des intelligenten Menschen auf der Erde
Die Intelligenz ist reich an Verdiensten für die Zukunft, aber unter der Bedingung, sie richtig anzuwenden. Wenn alle begabten Menschen sie gemäß dem Willen Gottes benutzen würden, wäre die Aufgabe der Geister leichter, die Menschheit vorwärts zu führen. Leider machen viele aus ihr ein Instrument des Hochmuts und des Unheils für sich selbst. Die Menschen missbrauchen die Intelligenz wie alle ihre anderen Fähigkeiten, obwohl es ihnen an Lehren nicht fehlt, um sie zu warnen, dass eine mächtige Hand das wegnehmen kann, was sie selber ihm gegeben hat. (Ferdinand, ein Schutzgeist, Bordeaux, 1862)
KAPITEL VIII - Selig sind die, die reinen Herzens sind
Lasst die Kinder zu mir kommen
1. Selig sind die, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott sehen. (Matthäus, Kap.V; 8)Dieser Vergleich könnte ungerecht erscheinen, wenn man bedenkt, dass der Geist eines Kindes sehr alt sein kann und dass er in einer neuen Reinkarnation die Unvollkommenheiten mitbringt, von denen er sich während seiner vorherigen Existenzen nicht befreien konnte. Nur ein Geist, der die Vollkommenheit erreicht hat, könnte uns das Beispiel der wahren Reinheit geben. Aber hinsichtlich des gegenwärtigen Lebens ist der Vergleich richtig, denn das Kind, das die Gelegenheit noch nicht gehabt hat, irgendeine perverse Neigung zu zeigen, gibt uns das Bild der Unschuld und der Arglosigkeit. Deshalb sagt Jesus nicht in einer unumschränkten Art, dass das Reich Gottes für die Kinder ist, sondern für diejenigen, die ihnen ähneln.
Bei der Aktivität der Intelligenzgrundlage war es übrigens erforderlich, die Schwäche des Körpers zu berücksichtigen, der eine zu große Aktivität des Geistes schlecht ertragen würde; wie man es bei sehr frühreifen Kindern beobachten kann. Deshalb verliert der Geist, wenn er beim Annähern seiner Inkarnation in Verwirrung gerät, nach und nach das Bewusstsein seiner selbst. Für eine bestimmte Zeit befindet er sich in einer Art Schlaf, wobei seine Fähigkeiten latent vorhanden bleiben. Dieser Übergangszustand ist notwendig, um dem Geist einen neuen Ausgangspunkt zu geben und um ihn die Dinge vergessen zu lassen, die seine neue Existenz stören könnten. Seine Vergangenheit jedoch beeinflusst ihn; er wird für das neue Leben geboren, moralisch und intellektuell gestärkt, unterstützt von der aus der Erfahrung gewonnenen Intuition.
Ab der Geburt kommen seine Gedanken stufenweise zurück, in dem Maße, wie sich seine Organe entwickeln. Man kann daher sagen, dass der Geist während der ersten Jahre wirklich ein Kind ist, da die Ideen, die seinen Charakter formen, noch betäubt sind. Während der Zeit, in der seine Instinkte noch schlummern, ist er flexibler und daher empfänglicher für die Eindrücke, die seine Natur verändern können und seine Entwicklung fördern. Das alles vereinfacht die Aufgabe der Eltern.
Der Geist bemäntelt sich für eine Weile mit dem Umhang der Unschuld, und Jesus hat Recht, wenn Er, von der Vergangenheit der Seele abgesehen, die Kinder als Beispiel für die Reinheit und die Harmlosigkeit nimmt.
Sünde durch Gedanken / Ehebruch
Die echte Reinheit befindet sich nicht nur in den Taten, sondern auch in den Gedanken, denn derjenige, der ein reines Herz besitzt, denkt nicht einmal an das Böse. Das ist es, was Jesus sagen wollte, indem Er die Sünde verdammte, und wenn sie nur in Gedanken begangen wird, weil auch das ein Zeichen der Unreinheit ist.
Wir müssen hier eine wichtige Unterscheidung machen. In dem Maße, wie sich die Seele – die sich auf dem falschen Weg befindet – in ihrem spirituellen Leben weiter entwickelt, erhellt sie sich und befreit sich nach und nach von ihren Unvollkommenheiten gemäß dem mehr oder weniger guten Willen, den sie aufbringt, aufgrund ihres freien Willens. Jeder böse Gedanke ist daher das Resultat der Unvollkommenheit der Seele. Aber gemäß dem Wunsch, der sie antreibt sich zu reinigen, wird sogar dieser böse Gedanke eine Gelegenheit für ihren Fortschritt sein, weil sie ihn energisch zurückweist. Es ist das Indiz eines Fleckens, den sie zu beseitigen versucht; und sie wird nicht nachgeben, falls sich die Gelegenheit ergibt, einen bösen Wunsch in die Tat umzusetzen. Und nachdem sie widerstanden hat, wird sie sich stärker fühlen und sich über ihren Sieg freuen.
Diejenige aber, die im Gegenteil keine guten Entscheidungen getroffen hat, sucht die Gelegenheit, böse Handlungen zu begehen, und wenn sie das nicht schafft, geschieht das nicht, weil sie das nicht wollte, sondern aus mangelnden Gelegenheiten. Sie ist daher genau so schuldig, als ob sie das begangen hätte.
Kurzum: Bei demjenigen, der nicht einmal einen schlechten Gedanken hat, ist der Fortschritt verwirklicht; bei demjenigen, dem dieser Gedanke kommt, der ihn aber zurückweist, ist der Fortschritt dabei sich zu verwirklichen. Bei demjenigen schließlich, der an das Böse denkt und sich dabei gefällt, ist das Böse noch mit seiner ganzen Kraft vorhanden. Bei dem einen ist die Arbeit beendet. Bei dem andern ist sie noch zu vollenden. Gott, der gerecht ist, berücksichtigt alle diese Abstufungen bei der Verantwortlichkeit des Handelns und der Gedanken der Menschen.
Wahre Reinheit / ungewaschene Hände
Jesus antwortete ihnen: – Warum übertretet ihr selbst das Gebot Gottes eurer Tradition wegen? Denn Gott hat dieses Gebot ausgesprochen: Ehre deinen Vater und deine Mutter; und dieses andere: Dass derjenige, der seinem Vater und seiner Mutter beleidigende Worte sagt, mit dem Tod bestraft werden soll. Ihr andern aber sagt: Derjenige, der seinem Vater und seiner Mutter sagt: Jede Opfergabe, die ich Gott bringe, ist euch nützlich und erfüllt das Gesetz – obgleich er danach weder seinen Vater noch seine Mutter ehrt oder ihnen hilft. So habt ihr das Gebot Gottes durch eure Tradition überflüssig gemacht.
Ihr Heuchler, Jesaja hat wohl über euch prophezeit, als er sagte: – Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, doch ihr Herz ist weit weg von mir; und sie ehren mich vergeblich, indem sie die menschlichen Grundsätze und Anordnungen lehren.
Danach rief Er das Volk herbei und sprach zu ihm: Hört zu und versteht dies hier gut: – Es ist nicht das, was in den Mund hineingeht, das den Menschen verunreinigt, sondern das, was aus dem Mund des Menschen herauskommt ist es, das ihn verunreinigt. – Was aus dem Mund herauskommt, kommt aus dem Herzen, und das ist es, was den Menschen unrein macht; denn es ist aus dem Herzen, woher die bösen Gedanken, die Totschläge, die Ehebrüche, die unsittlichen Verhaltensweisen, die Diebstähle, die falschen Zeugenaussagen, die Lästerungen und die üblen Nachreden kommen. Diese Dinge sind es, die den Menschen verunreinigen; aber essen mit ungewaschenen Händen, das ist es nicht, was den Menschen verunreinigt.
Die Jünger näherten sich Jesus und sagten zu Ihm: Weißt Du, dass die Pharisäer empört waren, als sie hörten, was Du gesagt hast? Er aber antwortete: – Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerissen werden. – Lasst sie; sie sind Blinde, die Blinde führen. Wenn ein Blinder einen anderen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen. (Matthäus, Kap. XV, 1-20)
Dasselbe war mit der moralischen Lehre Christus, die letztendlich an die zweite Stelle gesetzt worden ist, was viele Christen nach dem Beispiel der früheren Juden dazu führte zu glauben, dass ihre Rettung mehr durch die äußerlichen Praktiken gesichert sei als durch diejenige der Moral. Es sind diese Zusätze, die der Mensch zum Gesetz Gottes hinzugefügt hat, auf die Jesus anspielte, als Er sagte: Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerissen werden.
Das Ziel der Religion ist es, den Menschen zu Gott zu führen. Der Mensch kommt aber nur bei Gott an, wenn er vollkommen ist. Folglich erreicht jegliche Religion, die den Menschen nicht besser macht, nicht ihr Ziel. Diejenige, auf die man glaubt sich stützen zu können, um das Böse zu machen, ist entweder falsch oder in ihrem Grundsatz verfälscht worden. Dementsprechend ist das Resultat von denjenigen, bei denen sich die Form über den Hintergrund durchsetzt. Der Glauben an die Wirksamkeit der äußerlichen Zeichen ist gleich null, wenn er nicht verhindern kann, dass man Totschläge, Ehebrüche, Raub, Verleumdungen begeht und dem Nächsten Unrecht tut, in welcher Form auch immer. Eine solche Religion macht abergläubische, heuchlerische und fanatische Menschen, keineswegs aber gute Menschen.
Es genügt daher nicht, den Anschein der Reinheit zu haben, es ist vor allem nötig, die Reinheit des Herzens zu haben.
Skandale: Wenn eure Hand ein Grund für einen Skandal ist, hackt sie ab.
Wenn irgendjemand bei einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Empörung hervorruft, für den wäre es besser, dass man ihm um den Hals einen Mühlstein hängt, den ein Esel herumführt, und ihn in die Tiefe des Meeres wirft.
Seht zu, dass ihr keinen dieser Kleinen verachtet, denn ich sage euch, dass ihre Engel im Himmel das Gesicht meines Vaters, der im Himmel ist, unaufhörlich sehen; denn der Sohn des Menschen ist gekommen, um zu retten, was verloren war.
Wenn eure Hand oder euer Fuß Grund für einen Skandal ist, so hackt diese ab und werft sie weit fort von euch. Es ist besser für euch, in das Leben mit nur einem Fuß oder nur einer Hand einzugehen, als zwei zu haben und in das ewige Feuer geworfen zu werden. Und wenn euch euer Auge Grund für einen Skandal ist, so reißt es aus und werft es weit fort von euch. Es ist besser für euch, einäugig in das Leben einzugehen, als zwei Augen zu haben, um in das Feuer der Hölle gestürzt zu werden. (Matthäus, Kap. XVIII, 6-10 und Kap. 5; 27-30)
Nach der Lehre des Evangeliums ist die Bedeutung des Wortes Skandal, das häufig benutzt wird, umfassender und daher versteht man die Bedeutung des Wortes in bestimmten Fällen nicht. Es ist nicht nur das, was das Gewissen anderer empört, sondern alles, was aus den Lastern und der Unvollkommenheit der Menschen resultiert; jede böse Reaktion von Individuum zu Individuum, mit oder ohne Konsequenzen. Der Skandal ist, in diesem Fall, das wirkliche Resultat des moralisch Bösen.
Unterweisungen der geistigen Welt
Lasst die Kinder zu mir kommen
Jesus ruft die intellektuelle Kindheit der erwachsenen Menschen zu sich: Die Schwachen, die Sklaven, die Lasterhaften. Er konnte der physischen Kindheit nichts lehren, die der Materie verhaftet, dem Joch des Instinkts unterworfen ist, und die noch nicht der höheren Kategorie der Vernunft und des Willens angehören, die um sie herum und für sie ausgeübt wird.
Jesus wollte, dass die Menschen zu Ihm kommen mit dem Vertrauen dieser kleinen Wesen mit ihren noch schwankenden Schritten, deren Rufen für Ihn das Herz der Frauen erobern würde, die alle Mütter sind. Auf diese Weise unterwarf Er die Seelen seiner zärtlichen und mysteriösen Autorität. Er war die Fackel, die die Finsternis erleuchtet, das morgendliche Horn, das zum Aufwachen bläst. Er war der Initiator des Spiritismus, der seinerseits nicht nur die kleinen Kinder, sondern alle Menschen guten Willens rufen muss. Das entschlossene Handeln hat begonnen; es geht nicht mehr darum, blind zu glauben oder auf mechanische Art zu gehorchen. Es ist notwendig, dass der Mensch dem intelligenten Gesetz folgt, das ihm seine Universalität enthüllt.
Meine Lieben, die Zeit ist gekommen, wo die erklärten Fehler zur Wahrheit werden. Wir werden euch den wahren Sinn der Gleichnisse lehren, und wir werden euch den starken Zusammenhang aufzeigen zwischen dem, was war und dem was ist. Wahrlich, ich sage euch: Die spiritistische Offenbarung vergrößert sich am Horizont; und hier ist sein Gesandter, der wie die Sonne über den Gipfeln der Berge strahlen wird. (Johannes, der Evangelist, Paris, 1863)
Welch starker Balsam ist dieser, meine Freunde, der solch große Wirksamkeit besitzt; dieser Balsam, der bei allen Wunden des Herzens angewandt wird und sie heilt? Es ist die Liebe, die Nächstenliebe! Wenn ihr dieses göttliche Feuer habt, was fürchtet ihr denn? Ihr werdet in jedem Augenblick eures Lebens sagen: Mein Vater, DEIN Wille geschehe und nicht der meinige. Wenn es DIR gefällt, mich durch den Schmerz und die Nöte zu prüfen, sei es DIR gedankt, denn ich weiß, es ist gut für mich, wenn DEINE Hand auf mir lastet. Wenn es DIR gefällt, oh Herr, Erbarmen mit DEINEM schwachen Geschöpf zu haben; wenn DU meinem Herzen reine Freude gibst, sei es DIR ebenfalls gedankt. Mache aber, dass die göttliche Liebe in meiner Seele nicht einschläft, und dass ich unermüdlich die Stimme der Dankbarkeit zu DIR emporsteigen lasse!
Wenn ihr die Liebe besitzt, habt ihr alles, was man sich auf Erden wünschen kann. Ihr besitzt die wertvolle Perle, die euch weder von den verschiedenen Vorkommnissen noch den Bosheiten von denjenigen, die euch hassen und verfolgen, geraubt werden kann. Wenn ihr die Liebe habt, habt ihr eure Schätze dort gelagert, wo weder die Würmer noch der Rost sie angreifen können und ihr werdet sehen, wie aus eurer Seele alles verschwindet, was ihre Reinheit befleckt. Ihr werdet merken wie das Gewicht der Materie Tag für Tag leichter wird; und wie ein Vogel, der in der Luft fliegt und sich an die Erde nicht mehr erinnert, werdet ihr unaufhörlich immer weiter steigen, bis eure Seele, berauscht, sich an dem Element ihres Lebens, im Schoß des Herrn, sättigen wird. (Ein Schutzgeist, Bordeaux, 1861)
Selig sind diejenigen, die die Augen geschlossen haben.*
Da ich aber hier in einer Versammlung bin, wo es vor allem um das Lernen geht, sage ich euch, dass diejenigen, denen das Augenlicht entzogen wurde, sich als die Glückseligen der Sühne ansehen sollen. Erinnert euch daran was Christus gesagt hat, dass es besser wäre, dass ihr euer Auge ausreißt, falls es böse ist, und dass es besser wäre, es ins Feuer zu werfen anstatt zuzulassen, dass es der Grund für eure Verdammnis würde. Ah, wie viele gibt es auf dieser Welt, die eines Tages in die Finsternis verdammt werden, weil sie das Licht gesehen haben. Oh ja, wie glücklich sind diejenigen, die als Sühne durch das Augenlicht bestraft wurden. Ihr Auge wird für sie kein Grund des Skandals oder des Sturzes sein. Sie können gänzlich das Leben der Seelen leben; sie können mehr sehen als ihr, die ihr klar seht. Wenn Gott mir erlaubt, das Augenlid eines dieser armen Leidenden zu öffnen und ihnen das Licht zurückzugeben, sage ich zu mir: Geliebte Seele, warum kennst du nicht alle Freuden des Geistes, der von der Kontemplation und der Liebe lebt? Du würdest dann nicht darum bitten, dass dir gewährt wird, Bilder zu sehen, die weniger rein und weniger sanft sind, als die, die dir in deiner Blindheit zu ahnen ermöglicht werden!
Oh, selig sei der Blinde, der mit Gott leben möchte. Glücklicher als ihr, die ihr hier seid, spürt er das Glück, berührt es, sieht die Seelen und kann mit ihnen die geistigen Sphären erreichen, die nicht einmal die Auserwählten der Erde erblicken können. Das geöffnete Auge ist immer bereit, das Verderben der Seele zu verursachen. Das geschlossene Auge ist im Gegenteil immer bereit, die Seele zu Gott emporsteigen zu lassen. Glaubt mir, gute und geliebte Freunde, die Blindheit der Augen ist meistens das wahre Licht des Herzens, während das Augenlicht sehr oft der finstere Engel ist, der zum Tod führt.
Jetzt einige Worte an dich gerichtet, meine arme Leidende: Warte und habe Mut! Wenn ich dir sagen würde: Meine Tochter, deine Augen werden sich öffnen. Wie glücklich wärst du? Wer weiß aber, ob diese Freude nicht dein Verderben wäre? Habe Vertrauen in den guten Gott, der das Glück gemacht hat und die Traurigkeit erlaubt. Ich werde alles machen, was mir für dich erlaubt wird; aber deinerseits bete und denke vor allem an all das, was ich dir gerade gesagt habe.
Bevor ich nun gehe, empfangt alle, die ihr hier versammelt seid, meinen Segen. (Vianney, Pfarrer von Ars, Paris, 1863)
KAPITEL IX - Selig sind die Sanftmütigen und die Friedfertigen
Beleidigungen und Gewalt
1. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden die Erde besitzen. (Matthäus, Kap. V, 5)2. Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden. ( Matthäus, Kap. V, 9)
Es ist offensichtlich, dass hier, wie in jeder Situation, die Absicht den Fehler verschlimmert oder mildert. Aber, wodurch kann ein einfaches Wort so viel Gewicht haben, um eine so starke Missbilligung zu verdienen? – Weil jedes beleidigende Wort der Ausdruck eines Gefühls und gegensätzlich zum Gesetz der Liebe und der Nächstenliebe ist, ein Gesetz, welches die Beziehungen der Menschen untereinander regelt und die Eintracht und Vereinigung unter ihnen aufrechterhalten soll; – weil es eine Beleidigung des gegenseitigen Wohlwollens und der Brüderlichkeit ist; – weil es den Hass und die Feindseligkeit schürt; und schließlich, – weil – nach der Demut gegenüber Gott – die Nächstenliebe gegenüber den Mitmenschen das oberste Gesetz für jeden Christen ist.
Während er auf die Güter des Himmels wartet, braucht der Mensch jene der Erde, um zu leben; Er empfiehlt ihnen nur, auf diese Letzteren nicht mehr Wert zu legen als auf die Ersten.
Mit diesen Worten wollte Er sagen, dass bis jetzt die irdischen Güter von den Gewalttätigen vereinnahmt wurden zum Nachteil derer, die sanftmütig und friedfertig sind; diesen letzteren fehlt öfter das Notwendigste, während die andern im Überfluss leben. Er verspricht, dass ihnen sowohl auf der Erde als auch im Himmel Gerechtigkeit zuteil wird, weil sie Kinder Gottes genannt werden. Wenn das Gesetz der Liebe und der Nächstenliebe das Gesetz der Menschheit sein wird, wird es keinen Egoismus mehr geben; der Schwache und der Friedfertige werden nicht mehr durch Starke und Gewalttätige ausgebeutet oder unterdrückt werden. So wird der Zustand der Erde sein, wenn sie gemäß dem Gesetz des Fortschritts und dem Versprechen Jesu eine glückliche Welt durch die Vertreibung der Bösen wird.
Unterweisungen der geistigen Welt
Die Freundlichkeit und die Sanftmut
Zu dieser Klasse gehören auch jene Menschen, die draußen gutherzig, aber zu Hause Tyrannen sind, die ihre Familie und ihre Untergebenen unter der Last ihres Hochmuts und Despotismus leiden lassen. Sie scheinen sich von dem Zwang entledigen zu wollen, den sie sich anderswo auferlegten. Da sie nicht wagen, ihre Autorität auf Fremde auszuüben, die sie zurechtweisen würden, wollen sie zumindest von denjenigen, die ihnen nicht widerstehen können, gefürchtet werden. Ihre Eitelkeit freut sich, sagen zu können: „Hier befehle ich und hier wird mir gehorcht“; ohne darüber nachzudenken, dass sie hinzufügen könnten: „Und ich werde gehasst“.
Es genügt nicht, dass von den Lippen Milch und Honig tropfen, wenn das Herz daran unbeteiligt ist; dies ist Heuchelei. Derjenige, dessen Freundlichkeit und Sanftmut nicht heuchlerisch sind, widerspricht sich nie. Er ist derselbe vor der Welt und in der Intimität. Er weiß außerdem, dass man den Menschen mit dem äußeren Schein täuschen kann; Gott kann man aber nicht täuschen.
Die Geduld
Seid geduldig. Die Geduld ist auch die Nächstenliebe und ihr sollt das Gesetz der Nächstenliebe üben, das euch Jesus, der Gesandte Gottes gelehrt hat. Die Nächstenliebe, die aus den an Arme gegebenen Almosen besteht, ist die einfachste von allen. Es gibt aber eine, die mühsamer ist, und folglich verdienstvoller: Denjenigen zu vergeben, die Gott auf unseren Weg gegeben hat, damit sie Werkzeuge unserer Leiden seien, und um unsere Geduld auf die Probe zu stellen.
Das Leben ist sehr schwer, das weiß ich; es besteht aus tausend Nichts, die wie Stiche von Stecknadeln sind, die schließlich verletzen. Es ist aber notwendig, auf die Pflichten zu achten, die uns auferlegt sind, auf die Tröstungen und die Kompensationen, die wir andererseits erhalten; und wir werden dann sehen, dass der Segen zahlreicher ist, als die Leiden es sind. Die Last scheint weniger schwer, wenn man nach oben schaut, als wenn man die Stirn zum Boden richtet.
Mut, Freunde, Christus ist euer Beispiel; Er litt viel mehr als irgendeiner von euch und hatte sich nichts vorzuwerfen, während ihr eure Vergangenheit sühnen und euch für die Zukunft stärken müsst. Seid geduldig, seid Christen, dieses Wort beinhaltet alles. (Ein geistiger Freund, Le Havre, 1862)
Der Gehorsam und die Ergebenheit
Jede Epoche ist so von der Prägung der Tugend und des Lasters gezeichnet, die sie retten oder zugrunde richten soll. Die Tugend eurer Generation ist die intellektuelle Tätigkeit; ihr Laster ist die moralische Gleichgültigkeit. Ich sage nur Tätigkeit, weil das Genie sich plötzlich erhebt und allein die Horizonte entdeckt, die die große Masse erst nach ihm sehen wird; während die Tätigkeit die Vereinigung der Bemühungen aller ist, um ein weniger glänzendes Ziel zu erreichen, das aber die intellektuelle Erhebung einer Epoche beweist. Unterwerft euch dem Anstoß, den wir euren Geistern geben. Gehorcht dem großen Gesetz des Fortschritts, das das Wort eurer Generation ist. Wehe dem faulen Menschen, der seinen Verstand verschließt! Wehe, weil wir, die wir die Führer der Menschen sind, die auf Erden wandern, ihn peitschen und seinen rebellischen Willen durch die doppelte Kraft auf Zügel und Sporn bezwingen werden. Jeder hochmütige Widerstand muss früher oder später nachgeben. Selig aber diejenigen, die sanftmütig sind, denn sie werden der Lehre willig Gehör schenken. (Lazarus, Paris, 1863)
Der Zorn
Sucht den Ursprung solcher vorübergehenden Irrsinnsanfälle, die euch Tieren ähnlich machen, die euch die Beherrschung und den Verstand verlieren lassen; sucht, und ihr werdet fast immer den verletzten Hochmut als Ursache dafür finden. Ist es nicht der durch Widerspruch verletzte Hochmut, der euch die berechtigten Bemerkungen zurückweisen lässt, der euch im Zorn die weisesten Ratschläge ablehnen lässt? Sogar die Ungeduld selbst, die von Verärgerungen oft kindlicher Art hervorgerufen wird, hängt von der Wichtigkeit ab, die man seiner eigenen Persönlichkeit beimisst, vor der, so glauben wir, sich alle beugen müssen.
In seiner Raserei greift der zornige Mensch alles an: Die Natur, die leblosen Gegenstände, die er zerschlägt, weil sie ihm nicht gehorchen. Ach! wenn er sich in diesem Moment mit Beherrschung sehen könnte, er würde Angst vor sich selbst haben oder sich lächerlich finden! Dann könnte er beurteilen, was für einen Eindruck er dabei auf die andern macht. Mindestens aus Respekt vor sich selbst sollte er sich bemühen, diese Neigung zu besiegen, die aus ihm ein Objekt des Mitgefühls macht.
Wenn er darüber nachdenken würde, dass der Zorn nichts löst, dass er vielmehr seiner Gesundheit schadet, sogar sein Leben in Gefahr bringt, dann würde er erkennen, dass er selbst dessen erstes Opfer ist. Aber eine andere Überlegung sollte ihn vor allem zurückhalten: der Gedanke, dass er alle unglücklich macht, die ihn umgeben. Falls er ein gutes Herz hat, hätte er dann nicht Gewissensbisse, die Menschen, die er am meisten liebt, leiden zu lassen? Was für eine tödliche Reue, wenn er dann in einem Wutausbruch eine Tat beginge, die er sich sein Leben lang vorwerfen müsste.
Kurzum, der Zorn schließt einige Eigenschaften des Herzens nicht aus, verhindert aber, dass viel Gutes getan wird und kann zur Ausübung von viel Bösem führen: Das soll genügen, um zu Bemühungen anzuregen, den Zorn zu besiegen. Der Spiritist ist darüber hinaus aus einem andern Grund dazu aufgefordert: Der Zorn steht im Widerspruch zur Nächstenliebe und zur christlichen Demut. (Ein Schutzgeist, Bordeaux, 1863)
Daher entschuldigt sich zum Beispiel der Mensch, der zum Zorn neigt, fast immer mit seinem Temperament. Anstatt sich für schuldig zu erklären, schiebt er die Schuld auf seinen Organismus, indem er Gott so für seine Missetaten anklagt. Dies ist immer noch eine Folge des Hochmuts, der sich mit allen seinen Unvollkommenheiten vermischt.
Ohne Zweifel gibt es Temperamente, die mehr als andere zu gewaltsamen Taten neigen, wie es flexible Muskeln gibt, die sich besser für kräftige Leistungen eignen. Glaubt aber nicht, dass die ursprüngliche Ursache des Zorns darin liegt. Seid überzeugt, dass ein friedfertiger Geist (ein inkarnierter Mensch), auch wenn er in einem aufbrausenden Körper ist, immer friedfertig sein wird und dass ein gewaltsamer Geist (ein inkarnierter Mensch), auch wenn er in einem trägen Körper ist, nicht sanftmütiger sein wird. In diesem Fall würde die Gewalt nur einen anderen Charakter annehmen. Da der Zorn keinen geeigneten Organismus hat, um seine Äußerungen zu unterstützen, wäre er konzentriert, während er im ersten Fall freundlicher, offener sein wird.
Der Körper vermittelt keinen Zorn demjenigen, der ihn nicht hat, wie auch keine anderen Fehler. Alle Tugenden wie auch alle Fehler wohnen dem Geist inne. Wo sonst wäre andernfalls das Verdienst und die Verantwortung? Der Mensch, der missgebildet ist, kann sich nicht wieder zurechtbiegen, weil der Geist nichts dafür kann, er kann aber verändern, was vom Geist kommt, wenn er einen starken Willen dazu hat. Spiritisten, beweist euch die Erfahrung nicht schon, wie weit die Kraft des Willens gehen kann, wenn sich vor euren Augen die wirklich wunderbaren Verwandlungen ereignen? Sagt euch daher, dass der Mensch nur deshalb lasterhaft bleibt, weil er das so will; aber derjenige, der sich verbessern möchte, das immer tun kann, sonst würde das Gesetz des Fortschritts für den Menschen nicht existieren. (Hahnemann, Paris, 1863)
KAPITEL X - Glücklich zu preisen sind die Barmherzigen
Vergebt, damit Gott euch vergibt
1. Glücklich zu preisen sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. (Matthäus, Kap. V, 7)Wehe demjenigen, der sagt: Ich werde nie vergeben! Wenn dieser nicht von den Menschen verurteilt wird, wird er gewiss von Gott verurteilt werden. Mit welchem Recht würde er die Vergebung seiner eigenen Fehler verlangen, wenn er nicht die Fehler anderer vergibt? Jesus lehrt uns, dass die Barmherzigkeit keine Grenzen haben soll, wenn Er sagt, dass man seinem Bruder vergeben soll, nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.
Es gibt aber zwei sehr verschiedene Arten der Vergebung: – Die eine ist groß, edel, wahrhaft großzügig, ohne Hintergedanken, die mit Zartgefühl die Selbstachtung und die Empfindlichkeit des Gegners rücksichtvoll behandelt, auch wenn dieser letztere Unrecht hat; – Die andere ist, dass der Beleidigte oder derjenige, der sich beleidigt fühlt, dem anderen erniedrigende Bedingungen auferlegt und ihn das Gewicht einer Vergebung spüren lässt, die erregt anstatt zu beruhigen. Wenn er seine Hand reicht, tut er dies nicht mit Wohlwollen, sondern aus Prahlerei, um allen Menschen sagen zu können: Schaut wie großzügig ich bin! Unter solchen Umständen ist eine aufrichtige Versöhnung beiderseits nicht möglich. Nein, hier gibt es keine Großzügigkeit, sondern nur eine Art, seinen Stolz zu befriedigen. Bei allen Anfechtungen wird immer derjenige, der sich versöhnlicher zeigt, der mehr Uneigennützigkeit sowie Nächstenliebe und wahrhaftige Erhabenheit der Seele beweist, die Sympathie der neutralen Menschen für sich gewinnen.
Sich mit dem Gegner versöhnen
Das gefälligste Opfer für Gott
Der Splitter und der Balken im Auge
Verurteilt nicht, um nicht verurteilt zu werden! Derjenige, der ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.
Da richtete sich Jesus auf und sprach zu ihr: „Weib, wo sind deine Ankläger? Hat dich niemand verurteilt?“ – Sie sagte: „Nein, Herr!“ Jesus antwortete: „Auch ich werde dich nicht verurteilen. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Johannes, Kap. VIII, 3-11)
Der Tadel, über das Benehmen von anderen geworfen, kann zwei Ursachen haben: das Böse bekämpfen oder die Person in Misskredit bringen, deren Handlungen wir kritisieren. Dieses letzte Motiv hat nie eine Entschuldigung, da er aus übler Nachrede und Bosheit besteht. Das Erste kann lobenswert sein und verwandelt sich sogar bei einigen Fällen in Pflicht, denn aus ihm kann sich das Gute ergeben und ohne es wäre das Böse in der Gesellschaft nie bekämpft worden; soll denn der Mensch nicht dem Fortschritt seiner Mitmenschen helfen? Man sollte also diesen Grundsatz nicht in seinem unumschränkten Sinn nehmen: „Verurteilt nicht, wenn ihr nicht verurteilt werden möchtet“, denn das Wort tötet und der Geist belebt.
Jesus konnte nicht verbieten, das Böse zu tadeln, da Er uns ja selbst das Beispiel gab und es mit energischen Worten machte. Er wollte aber sagen, dass die Autorität des Tadels im Verhältnis zu der moralischen Autorität von dem steht, der ihn ausspricht. Sich schuldig zu machen mit dem, was man bei anderen verurteilt, bedeutet, auf diese Autorität zu verzichten und es wäre zudem anmaßend, das Recht der Bekämpfung für sich in Anspruch zu nehmen. Außerdem lehnt das innere Gewissen allen Respekt und alle freiwillige Gehorsamkeit vor demjenigen ab, der mit Macht ausgestattet ist, aber die Gesetze und Prinzipien übertritt, mit deren Anwendung er beauftragt ist. Vor Gottes Augen gibt es keine rechtmäßige Autorität, außer der, die sich auf das gute Beispiel stützt; das geht gleichfalls aus den Worten Jesu hervor.
Unterweisungen der geistigen Welt
Verzeihung der Beleidigungen
Hört also auf die Antwort von Jesus und wendet sie bei euch selbst an, so wie Petrus; vergebt; macht Gebrauch von der Nachsicht, seid barmherzig, großzügig, sogar verschwenderisch mit eurer Liebe. Gebt, denn der Herr wird euch geben. Verzeiht, denn der Herr wird euch verzeihen. Erniedrigt euch, denn der Herr wird euch erheben. Demütigt euch, denn der Herr wird euch an Seiner rechten Seite sitzen lassen.
Geht, meine Geliebten, studiert und kommentiert diese Worte, die ich euch im Auftrag dessen sage, der aus der Höhe des himmlischen Glanzes Seinen Blick immer auf euch richtet und mit Liebe die undankbare Aufgabe fortsetzt, die Er vor 18 Jahrhunderten * angefangen hat. Verzeiht euren Nächsten genauso, wie man euch verzeihen soll. Falls ihre Taten euch persönlich benachteiligt haben, gibt es hier ein weiteres Motiv, um nachsichtig zu sein, denn das Verdienst der Verzeihung steht im Verhältnis zur Schwere des Übels. Ihr würdet bei der Vergebung der Fehler eurer Nächsten keinen Verdienst erlangen, wenn sie euch nur geringfügige Kränkungen zugefügt hätten.
Spiritisten, vergesst nie, dass die Vergebung der Beleidigungen, geschehen durch Worte oder auch Taten, nie leere Worte sein dürfen. Wenn ihr sagt, dass ihr Spiritisten seid, dann seid es auch. Vergesst das Böse, das man euch angetan hat und denkt an nichts anderes als an das Gute, das ihr machen könnt. Derjenige, der diesen Weg eingeschlagen hat, soll sich nicht von ihm entfernen, auch nicht in Gedanken, denn ihr seid für eure Gedanken verantwortlich, und Gott kennt sie. Macht also, dass ihr von allen Gefühlen des Grolls frei seid. Gott weiß, was in der Tiefe des Herzens eines jeden ist. Glücklich also derjenige, der jede Nacht beim Einschlafen sagen kann: Ich habe nichts gegen meinen Nächsten. (Siméon, Bordeaux, 1862)
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* Anmerkung der Übersetzerin: Aus heutiger Sicht sind es 21 Jahrhunderte.
Es gibt aber zwei sehr verschiedene Arten zu vergeben: Es ist die Vergebung über die Lippen und die Vergebung aus dem Herzen. Sehr viele Menschen sagen über ihrem Gegner: „Ich vergebe ihm“, während sie innerlich eine heimliche Freude über das Übel empfinden, das ihm widerfährt, und sagen zu sich selbst, dass er bekommt, was er verdient hat. Wie viele sagen: „Ich vergebe“ und fügen hinzu: „aber ich werde mich nie versöhnen; ich möchte ihn in meinem ganzen Leben nicht wiedersehen“. Ist das die Vergebung gemäß dem Evangelium? Nein, die echte Vergebung, die christliche Vergebung ist diejenige, die einen Schleier über die Vergangenheit wirft. Diese ist die einzige, die berücksichtigt wird, denn Gott gibt sich nicht mit dem äußerem Schein zufrieden: ER erforscht die Tiefe der Herzen und die verborgensten Gedanken. Man imponiert IHM nicht mit Worten und leeren Versprechungen. Das vollständige und unumschränkte Vergessen der Beleidigungen ist den großen Seelen eigen. Der Groll ist immer ein Zeichen der Herabwürdigung und Unterlegenheit. Vergesst nicht, dass man die wahre Vergebung mehr an den Taten als an den Worten erkennt. (Apostel Paulus, Lyon, 1861)
Die Nachsicht
Die Nachsicht sieht die Fehler der andern nicht, oder, falls sie diese sieht, vermeidet sie darüber zu reden, sie zu verbreiten. Im Gegenteil verheimlicht sie diese, damit sie nur ihr allein bekannt sind, und falls die Böswilligkeit diese entdeckt, hat sie immer eine Entschuldigung dafür bereit, um sie zu verschleiern, d.h. eine glaubhafte, seriöse Entschuldigung, und nicht solche, die den Schein haben, die Fehler zu mildern, sie aber mit heimtückischer Geschicklichkeit hervorhebt.
Die Nachsicht beschäftigt sich nie mit den bösen Handlungen der andern, es sei denn, um ihnen eine Gefälligkeit zu erweisen, allerdings wird sie sich bemühen, die Folgen dieser Handlungen soweit wie möglich zu mildern. Sie macht keine anstößigen Bemerkungen, hat keine Vorwürfe auf den Lippen, sondern nur Ratschläge, meistens taktvolle. Wenn ihr Kritik übt, welche Konsequenz soll man aus euren Worten ziehen? Dass ihr, die ihr tadelt, nicht getan hättet, was ihr tadelt, und dass ihr besser seid als der Schuldige. Oh, Menschen! Wann werdet ihr eure eigenen Herzen, Gedanken und Taten beurteilen, ohne euch mit dem zu beschäftigen, was eure Mitmenschen machen? Wann werdet ihr eure strengen Augen nur über euch selbst öffnen?
Seid also streng zu euch und nachsichtig den andern gegenüber. Denkt an DENJENIGEN, DER in letzter Instanz urteilt; DER die verborgenen Gedanken jedes Herzens sieht und somit die Fehler entschuldigt, die ihr oft tadelt oder DER verurteilt, was ihr entschuldigt, weil ER das Motiv aller Handlungen kennt, und dass ihr, die ihr so laut schreit: „Bannfluch!“ vielleicht schwerwiegendere Fehler begangen habt.
Said nachsichtig, meine Freunde, denn die Nachsicht zieht an, beruhigt, richtet wieder auf, während die Unnachsichtigkeit entmutigt, entfernt und aufregt. (Joseph, Schutzgeist, Bordeaux, 1863)
Unterstützt die Starken, ermutigt sie zur Beharrlichkeit. Stärkt die Schwachen und zeigt ihnen die Güte Gottes, der die kleinste Reue hochschätzt. Zeigt jedem den Engel der Reue, der seine weißen Flügel über die Fehler der Menschheit ausbreitet und so diese vor den Augen desjenigen verschleiert, der das Unreine nicht sehen kann. Versteht die unendliche Barmherzigkeit eures Vaters und vergesst nie, IHM mit euren Gedanken und insbesondere mit euren Handlungen zu sagen: „Vergib uns unsere Fehler, wie auch wir denjenigen vergeben, die uns beleidigt haben“. Versteht die Bedeutung dieser erhabenen Worte richtig; nicht nur der Wortlaut ist bewundernswert, sondern auch die Lehre, die sie enthalten.
Und um was bittet ihr den Herrn, wenn ihr um Vergebung fleht? Nur um das Vergessen eurer Fehler? Ein Vergessen, das euch nichts einbringt, denn falls Gott sich darauf beschränkt, eure Fehler zu vergessen, würde ER euch nicht bestrafen, aber auch nicht belohnen. Die Belohnung kann nicht der Preis für das Gute sein, das man nicht getan hat und noch weniger für das Böse, das man getan hat, selbst wenn es inzwischen vergessen wurde. Indem ihr um Vergebung für eure Übertretung bittet, bittet ihr um die Gunst SEINER Gnade, um nicht wieder zurückzufallen, und die nötige Kraft, um einen neuen Weg einschlagen zu können, den Weg der Ergebenheit und Liebe, auf dem ihr die Wiedergutmachung der Reue hinzufügen könnt.
Wenn ihr euren Mitmenschen vergebt, gebt euch nicht damit zufrieden, den Schleier des Vergessens über ihre Fehler auszubreiten, denn dieser Schleier ist fast immer für eure Augen durchsichtig. Bringt ihnen die Liebe gleichzeitig mit der Vergebung, tut ihnen das Gleiche, um das ihr euren himmlischen Vater bittet, für euch zu tun. Ersetzt den Zorn, der befleckt, durch die Liebe, die läutert. Predigt mit guten Beispielen diese aktive, unermüdliche Nächstenliebe, die Jesus euch gelehrt hat. Predigt sie, wie Er es getan hat, solange Er auf der Erde lebte, sichtbar für die physischen Augen und wie Er sie noch unaufhörlich predigt, seitdem Er nur noch für die geistigen Augen sichtbar ist. Folgt diesem göttlichen Vorbild; tretet in Seine Fußstapfen; sie werden euch zu einem Zufluchtsort führen, wo ihr Ruhe nach dem Kampf finden werdet. Tragt alle euer Kreuz wie Er und ersteigt mühsam aber mutig, euren Leidensweg, auf dem Gipfel wartet die Verherrlichung. (Johannes, Bischof von Bordeaux, 1862)
Spiritismus, tröstende und segnende Lehre, wie glücklich sind die, die dich kennen und die aus der heilsamen Lehre der Geister des Herrn Nutzen ziehen. Für jene ist der Weg beleuchtet und auf der ganzen Strecke können sie diese Worte klar lesen, die ihnen das Mittel zeigen, um das Ziel zu erreichen: Ausübung der Nächstenliebe, Nächstenliebe des Herzens, Nächstenliebe zum Mitmenschen wie zu sich selbst. Kurzum: Nächstenliebe zu allen und die Liebe zu Gott über alles, weil die Liebe zu Gott alle Pflichten zusammenfasst, und weil es unmöglich ist, Gott wirklich zu lieben, ohne die Nächstenliebe zu praktizieren, aus der ER ein Gesetz für alle Geschöpfe gemacht hat. (Dufêtre, Bischof von Nevers, Bordeaux)
Da niemand vollkommen ist, ergibt sich daraus, dass auch niemand das Recht hat, seinen Nächsten zu tadeln?
Gewiss nicht, denn jeder von euch soll für den Fortschritt von allen arbeiten, und vor allem für diejenigen, die eurem Schutz anvertraut wurden; das ist aber gefühlvoll zu tun, aus einer guten Absicht heraus und nicht - wie es meistens gemacht wird - aus Spaß am Verleumden. In diesem letzten Fall ist der Tadel eine Bosheit; im ersten eine Pflicht, die die Nächstenliebe möglichst rücksichtsvoll zu erfüllen befiehlt. Und selbst den Tadel, den man andern zuerkennt, soll man gleichzeitig an sich selbst richten und sich fragen, ob man ihn nicht auch verdient. (Sankt Ludwig, Paris, 1860)
Alles hängt von der Absicht ab. Gewiss ist es nicht verboten, das Böse zu sehen, wenn das Böse existiert. Es gäbe sogar Nachteile, nur das Gute überall zu sehen. Diese Täuschung würde dem Fortschritt schaden.
Das Unrecht liegt darin, diese Beobachtung zum Nachteil des Nächsten zu nutzen, indem man ihn bei den andern in Verruf bringt. Es wäre noch tadelnswerter, dies aus einem Gefühl der Boshaftigkeit zu machen und der Freude darüber, die andern bei einem Fehler zu ertappen. Es ist ganz anders, wenn man einen Schleier über das Übel wirft, um es vor der Öffentlichkeit zu verbergen, indem man sich darauf beschränkt, es für den eigenen Nutzen zu beobachten, d.h. sich damit zu befassen, um bei sich zu vermeiden, was man bei den andern tadelt. Im Übrigen, ist diese Beobachtung nicht auch nützlich für den Moralisten? Wie könnte er die Fehler der Menschheit beschreiben, wenn er sie nicht an diesen Beispielen erforscht? (Sankt Ludwig, Paris, 1860)
Diese Frage ist sehr heikel; und genau hier ist es notwendig, an die gut verstandene Nächstenliebe zu appellieren. Wenn die Unvollkommenheit einer Person nur ihr selbst schadet, ist es nicht nötig, diese bekanntzumachen; aber falls sie für andere schädlich sein kann, ist es notwendig, das Interesse der Mehrheit vorzuziehen, statt des Einzelnen. Je nach den Umständen kann es eine Pflicht sein, die Heuchelei und die Lüge zu entlarven; denn es ist besser, dass ein Einzelner stürzt, als dass viele von ihm betrogen und Opfer werden. In solchen Fällen ist es notwendig, die Summe der Vor- und Nachteile abzuwägen. (Sankt Ludwig, Paris, 1860)
KAPITEL XI - Liebe deinen Nächsten wie dich selbst
Das größte Gebot
Behandelt alle Menschen, wie ihr von ihnen behandelt werden möchtet. (Lukas, Kap. VI, 31)
Als nun seine anderen Mitknechte sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt und gingen zu dem Herrn und berichteten alles, was geschehen war. – Da ließ sein Herr ihn herbeirufen und sagte zu ihm: – Du böser Knecht, ich habe dir jene ganze Schuld erlassen, weil du mich darum batest. Hättest nicht auch du dich deines Mitknechts erbarmen sollen, wie ich mich deiner erbarmt habe? Und sein Herr wurde zornig und übergab ihn den Folterknechten, bis er alles bezahlt hatte, was er ihm schuldig war.
So wird auch mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn nicht jeder von euch seinem Bruder von ganzem Herzen die Fehler vergibt, die er euch gegenüber begangen hat. (Matthäus, Kap. XVIII, 23-35)
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
Da aber Jesus ihre Bosheit kannte, sprach Er: Warum bringt ihr mich in Versuchung, ihr Heuchler? Zeigt mir die Steuermünze! Da brachten sie Ihm einen Denar, und Jesus fragte: Von wem ist dieses Bild und die Aufschrift? – Des Kaisers, antworteten sie. Da sagte Jesus zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.
Und als sie Ihn so sprechen hörten, bewunderten sie seine Antwort, verließen Ihn und zogen sich zurück. (Matthäus, Kap. XXII, 15-22; Markus, Kap. XII, 13-17)
Unterweisungen der geistigen Welt
Das Gesetz der Liebe
Der Spiritismus seinerseits spricht das zweite Wort des göttlichen Alphabets. Seid achtsam, denn dieses Wort hebt die Steine der leeren Gräber hoch und die Reinkarnation, die über den Tod triumphiert, enthüllt den geblendeten Menschen ihr geistiges Erbe. Nicht mehr zur Qual führt sie den Menschen, sondern zur Eroberung seines Seins, erhaben und verwandelt. Das Blut befreite den Geist, und der Geist muss heute den Menschen von der Materie befreien.
Ich sagte, dass der Mensch am Ausgangspunkt nur Instinkte besitzt. Derjenige, bei dem die Instinkte überwiegen, befindet sich also näher dem Ausgangspunkt als dem Ziel. Um ans Ziel zu kommen, muss der Mensch seine Instinkte besiegen zugunsten der Gefühle, d.h. er muss die Gefühle vervollkommnen und die latenten Keime der Materie ersticken. Die Instinkte sind die entstehenden Keime und Embryos der Empfindung; sie tragen in sich den Fortschritt, wie die Eichel die Eiche in sich enthält, und die weniger entwickelten Wesen sind diejenigen, die nach und nach aus dem Kokon heraustreten, aber noch Sklaven ihrer Instinkte bleiben.
Der Geist muss kultiviert werden wie ein Feld. Der ganze zukünftige Reichtum hängt von der heutigen Arbeit ab, die euch viel mehr als den irdischen Besitz geben wird: die glorreiche Erhabenheit. Und dann, indem ihr das Gesetz der Liebe versteht, das alle Wesen vereinigt; werdet ihr in ihm die sanften Genüsse der Seele suchen, die das Präludium der himmlischen Freuden sind. (Lazarus, Paris, 1862)
Für irgendein Wesen oder Objekt sagte ich, weil es unter euch Individuen gibt, deren Herz übervoll von kostbarer Liebe ist, die diese wertvollen Gefühle an Tiere, Pflanzen und sogar materielle Objekte verschenken: Arten von Menschenfeinden, die sich über die Menschheit im allgemeinen beklagen und der natürlichen Neigung ihrer Seele widerstreben, die um sich herum Zuneigung und Sympathie sucht. Sie erniedrigen das Gesetz der Liebe auf den Zustand des Instinkts. Aber was sie auch tun, es gelingt ihnen nicht, den lebendigen Keim zu ersticken, den Gott ihnen bei ihrer Schöpfung ins Herz gelegt hat. Dieser Keim entwickelt sich und wächst mit der Moral und der Intelligenz, und obwohl er sehr oft vom Egoismus unterdrückt wird, ist er die Quelle der heiligen und sanften Tugenden, die die echten und dauerhaften Zuneigungen ausmachen und auch helfen, die steilen und dürren Wege des Lebens zu durchschreiten.
Es gibt einige Menschen, die die Prüfung der Reinkarnation ablehnen, nur aus dem Grund, dass andere an den Zuneigungen teilhaben werden, auf die sie eifersüchtig sind. Arme Menschen! Es ist eure Zuneigung, die euch zu Egoisten macht: Eure Liebe beschränkt sich auf einen engen Kreis von Verwandten und Freunden und alle anderen sind euch gleichgültig. Also, um das Gesetz der Liebe zu praktizieren, so wie Gott es versteht, müsst ihr Schritt für Schritt dazu kommen, alle eure Mitmenschen ohne Unterschied zu lieben. Die Aufgabe ist langwierig und schwierig, aber sie wird vollendet werden, da Gott es so will, und das Gesetz der Liebe ist das erste und wichtigste Gebot eurer neuen Lehre, denn sie ist es, die eines Tages den Egoismus vernichten wird, egal in welcher Form er sich zeigt; denn außer dem persönlichen Egoismus gibt es auch noch den Egoismus hinsichtlich der Familie, der Gesellschaftsschichten und der Nationalität. Jesus hat gesagt: „Liebt eure Nächsten wie euch selbst“; also, wo ist die Grenze zu meinem Nächsten? Ist sie in der Familie, der Religion, im Vaterland? Nein, die ganze Menschheit ist darin eingeschlossen. In den höher entwickelten Welten ist es die gegenseitige Liebe, die die entwickelten Geister, die sie bewohnen, harmonisiert und leitet, und euer Planet, - zu einem baldigen Fortschritt bestimmt durch seine soziale Umwandlung - wird dieses erhabene Gesetz, ein Widerschein der Göttlichkeit, von ihren Bewohnern praktiziert sehen.
Die Auswirkungen des Gesetzes der Liebe sind die moralische Verbesserung der menschlichen Rasse und des Glücks während des irdischen Lebens. Die Rebellischsten und die Bösartigsten werden sich verbessern, wenn sie die wohltuenden Wirkungen sehen werden, die aus der Beachtung dieses Gebotes resultieren: Den anderen nicht das tun, was ihr nicht möchtet, das man es euch tut; aber tut ihnen im Gegenteil alles Gute, das in eurer Macht steht.
Glaubt nicht an die Unfruchtbarkeit und an die Verhärtung des menschlichen Herzens: Das Herz gibt ungewollt der wahren Liebe nach. Die Liebe ist ein Magnet, dem das Herz nicht widerstehen kann, und der Kontakt mit dieser Liebe belebt und befruchtet die Keime dieser Tugend, die sich im latenten Zustand in euren Herzen befindet. Die Erde, Aufenthaltsort der Prüfung und der Verbannung, wird dann durch dieses heilige Feuer gereinigt, und sie wird die Nächstenliebe, die Demut, die Geduld, die Aufopferung, die Selbstverleugnung und die Opferbereitschaft praktiziert sehen: Alles Tugenden, Töchter der Liebe.
Werdet also nicht müde, die Worte des Evangelisten Johannes zu hören. Als er aufgrund seiner Gebrechen und seines Alters nicht mehr in der Lage war zu predigen, wiederholte er, wie ihr wisst, stets nur diese sanften Worte: „Meine Kinder, liebt einander“.
Geliebte Freunde, wendet diese Lehre nutzbringend an: Die Ausübung ist sehr schwer, aber die Seele zieht unermesslich viel Gutes daraus. Glaubt mir, macht die erhabene Anstrengung, um die ich euch bitte: „Liebt einander“ und ihr werdet die Erde bald in ein Paradies verwandelt sehen, wo die Seelen der Gerechten die Ruhe genießen werden. (Fénelon, Bordeaux, 1861)
Lieben, im tiefsten Sinn des Wortes, bedeutet treu, rechtschaffen und gewissenhaft zu sein, um den anderen das zu tun, was man für sich selbst wünscht, d.h., um sich herum den tiefsten Sinn aller Leiden zu suchen, die euren Nächsten niederdrücken, um ihm Linderung zu bringen. Das heißt, die große menschliche Familie wie eure eigene zu betrachten, weil ihr diese Familie nach einer bestimmten Zeit in den entwickelten Welten wiedertreffen werdet; und die Geister, die sie bilden, seid wie ihr, Gottes Kinder, an der Stirn gekennzeichnet, um sich in Richtung des Unendlichen emporzuheben. Deshalb könnt ihr euren Mitmenschen nicht verweigern, was Gott euch großzügig gegeben hat, weil ihr eurerseits sehr glücklich wärt, wenn eure Mitmenschen euch geben würden, was ihr benötigt. Habt also für alle Leiden ein Wort der Hoffnung und der Unterstützung, damit ihr ganz Liebe und Gerechtigkeit seid.
Glaubt, dass dieses weise Wort: „Liebt viel, um geliebt zu werden“, seinen Weg machen wird. Dieses Wort ist revolutionär, und es geht den Weg, der beständig und unveränderlich ist. Ihr habt aber bereits viel gewonnen, ihr, die ihr mir zuhört. Ihr seid schon unendlich besser, als ihr vor hundert Jahren wart; ihr habt so viel zu euren Gunsten verändert, dass ihr ohne Einwände eine Menge neuer Ideen über die Freiheit und Brüderlichkeit annehmt, welche ihr einst abgelehnt hättet. Nun, in hundert Jahren werdet ihr auch mit der gleichen Leichtigkeit diejenigen akzeptieren, die euch bis jetzt noch nicht in den Kopf wollen.
Heute, wo die spiritistische Bewegung einen so großen Schritt nach vorne gemacht hat, seht, mit welcher Schnelligkeit die Ideen der Gerechtigkeit und der Erneuerung, die in den Kundgebungen der Geister enthalten sind, von dem durchschnittlichen Teil der intelligenten Welt akzeptiert werden; weil diese Ideen allem entsprechen, was göttlich in euch ist. Ihr seid durch eine reiche Saat vorbereitet: Jene aus dem letzten Jahrhundert, die in die Gesellschaft die großen Ideen des Fortschritts eingepflanzt hat. Und da sich alles unter der Führung des Allerhöchsten aneinanderreiht, sind alle empfangenen und angenommenen Lehren in diesem universellen Austausch der Liebe zum Nächsten eingeschlossen. Die inkarnierten Geister, indem sie durch die Nächstenliebe besser urteilen und fühlen, werden sich die Hände bis an den äußersten Rand eures Planeten reichen. Man wird sich zusammen finden, um sich zu verstehen und zu lieben, um alle Ungerechtigkeiten und alle Ursachen der Unstimmigkeiten unter den Völkern zu vernichten.
Großer Erneuerungsgedanke durch den Spiritismus, der so gut im „Das Buch der Geister“ * dargelegt ist, du wirst das große Wunder des zukünftigen Jahrhunderts hervorbringen: die Vereinigung aller materiellen und spirituellen Interessen der Menschen durch die Anwendung dieses gut verstandenen Gebots: „Liebt viel, um geliebt zu werden“.(Sanson, ehemaliges Mitglied der „la Société Spirite de Paris“, 1863)
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* Anmerkung der Übersetzerin: „Das Buch der Geister“ wurde 1864 von Allan Kardec verfasst.
Der Egoismus
Jesus hat euch das Beispiel der Nächstenliebe gegeben, und Pontius Pilatus das des Egoismus; weil, während Jesus die heiligen Stationen Seines Martyriums durchläuft, Pilatus sich die Hände wäscht und sagt: „Was geht mich das an!“ Er sagte zu den Juden: „Dieser Mann ist gerecht, warum wollt ihr Ihn kreuzigen?“ Und trotzdem lässt er es zu, dass sie Ihn zur Hinrichtung bringen.
Dieser Gegensatz zwischen Nächstenliebe und Egoismus, dieser Überfall der Lepra über das menschliche Herz ist daran schuld, dass das Christentum seine ganze Mission noch nicht erfüllen konnte. Euch - neue Apostel des Glaubens, die ihr von den höheren Geistern aufgeklärt seid - obliegt die Aufgabe und die Pflicht, dieses Übel auszurotten, um dem Christentum seine ganze Kraft zu geben und den Weg von den Dornbüschen zu befreien, die seine Entwicklung behindern. Vertreibt den Egoismus von der Erde, damit sie in der Rangordnung der Welten höher kreisen kann. Es ist jetzt an der Zeit, dass die Menschheit sich unerschrocken zeigt, aber dazu muss zuerst der Egoismus aus euren Herzen vertrieben werden. (Emmanuel, Paris, 1861)
Der Egoismus ist die Verneinung der Nächstenliebe. Somit kann es ohne Nächstenliebe keine Ruhe in der Gesellschaft geben. Ich behaupte sogar, auch keine Sicherheit. Mit dem Egoismus und dem Hochmut, die sich die Hände geben, wird es immer ein Rennen mit Vorteil für die Geschicktesten sein, ein Kampf der Interessen, wo die edlen Neigungen mit den Füßen getreten werden, wo selbst die heiligen Bande der Familie nicht mehr respektiert werden. (Pascal, Sens, 1862)
Der Glaube und die Nächstenliebe
Ja, meine Kinder, nutzlos ist es, wenn der genusssüchtige Mensch sich über sein Schicksal auf dieser Welt zu täuschen versucht, indem er behauptet, dass es ihm erlaubt sei, sich nur um sein Glück zu kümmern. Gewiss erschuf Gott uns, um in der Ewigkeit glücklich zu sein, jedoch muss das irdische Leben einzig und allein unserer moralischen Vervollkommnung dienen, welche viel leichter mit Hilfe der physischen Organe und der materiellen Welt erworben wird. Ohne die gewöhnlichen Schicksalsschläge des Lebens mitzuzählen, ist die Mannigfaltigkeit eurer Geschmäcker, Neigungen und Bedürfnisse auch ein Mittel für eure Vervollkommnung, indem ihr euch damit in der Nächstenliebe übt. Denn nur mit der Kraft der Zugeständnisse und der gegenseitigen Opferbereitschaft könnt ihr die Harmonie zwischen so verschiedenen Elementen aufrechterhalten.
Ihr werdet mit der Behauptung jedoch Recht haben, dass das Glück für den Menschen auf Erden bestimmt ist, wenn ihr es nicht in den materiellen Genüssen, sondern im Guten sucht. Die Geschichte des Christentums spricht von den Märtyrern, die mit Freude in ihr Martyrium gegangen sind. Heute und in eurer Gesellschaft braucht man um Christ zu sein, weder den Holocaust des Martyriums noch das Opfer des Lebens, sondern einzig und allein das Opfer eures Egoismus, eures Hochmuts und eurer Eitelkeit. Ihr werdet siegen, wenn die Nächstenliebe euch inspiriert und der Glaube euch stützt. (Schutzgeister, Krakau, 1861)
Nächstenliebe gegenüber Kriminellen
Urteilt nicht, oh! urteilt nicht, meine lieben Freunde, weil das Urteil, das ihr fällt, bei euch noch strenger angewandt wird, und ihr braucht Nachsicht für die Sünden, die ihr ununterbrochen begeht. Wisst ihr nicht, dass es viele Handlungen gibt, die vor den reinen Augen Gottes Verbrechen sind, die aber von der Welt nicht einmal als leichte Fehler angesehen werden?
Die wahre Nächstenliebe besteht nicht allein aus den Almosen, die ihr gebt, auch nicht aus den tröstenden Worten, die sie begleiten; nein, das ist es nicht allein, was Gott von euch verlangt. Die erhabene, von Jesus gelehrte Nächstenliebe, besteht auch aus dem Wohlwollen, das ihr immer und bei allen Dingen euren Nächsten gewähren sollt. Ihr könnt diese erhabene Tugend auch bei vielen Menschen ausüben, die keine Almosen brauchen und die die Worte der Liebe, der Tröstung und der Ermutigung zum Herrn führen werden.
Die Zeiten sind nahe, sage ich nochmals, in denen die große Brüderlichkeit auf diesem Planeten herrschen wird. Das Gesetz Christi ist jenes, das die Menschen regieren wird, und nur dieses wird der Rückhalt und die Hoffnung sein und die Seelen zu den seligen Gefilden führen. Liebt euch deshalb wie die Kinder von eines gemeinsamen Vater; macht keinen Unterschied zwischen den anderen Unglücklichen, denn Gott will, dass alle gleich sind; verachtet niemanden. Gott erlaubt, dass große Verbrecher unter euch sind, damit sie euch zur Lehre dienen. Bald, wenn die Menschen zur Anwendung der wahren Gesetze Gottes gebracht werden, werden diese Lehren nicht mehr nötig sein, und alle unreinen und aufrührerischen Geister werden auf niedrigeren Welten verstreut, je nach ihren Neigungen. Ihr schuldet jenen, über die ich spreche, die Hilfe eurer Gebete: Dies ist die wahre Nächstenliebe.
Ihr sollt nicht von einem Verbrecher sagen: „Er ist ein elender Verbrecher; er muss von der Erde ausgemerzt werden; die Todesstrafe, die ihm auferlegt wurde, ist viel zu mild für solch einen Menschen“. Nein, so sollt ihr nicht reden. Schaut euer Vorbild an: Jesus. Was würde Er sagen, wenn Er diesen Unglücklichen neben Sich sehen würde? Er würde ihn bedauern, ihn als einen armseligen Kranken betrachten und ihm die Hand reichen. Ihr könnt das in Wirklichkeit nicht machen, aber ihr könnt zumindest für ihn beten, seinem Geist helfen während der kurzen Zeit, die er noch auf eurer Erde bleiben muss. Die Reue kann sein Herz berühren, wenn ihr mit Glauben betet. Er ist euer Nächster, wie der Beste unter den Menschen. Seine verirrte und aufrührerische Seele ist genau wie eure erschaffen worden, um sich zu verbessern. Helft ihm also aus diesem Sumpf herauszukommen und betet für ihn. (Elisabeth von Frankreich, Le Havre, 1862)
Soll man sein Leben für einen Verbrecher aufs Spiel setzen?
Dies ist natürlich eine schwierige Frage, die man sich stellen kann. Ich werde entsprechend meiner moralischen Erkenntnis antworten, da es darum geht, zu wissen, ob man sein Leben für einen Verbrecher aufs Spiel setzen soll. Die Aufopferung ist blind: Rettet man einen Feind; so muss man einen Feind der Gesellschaft ebenso retten; anders ausgedrückt, einen Verbrecher. Glaubt ihr, dass man den Verbrecher nur aus dem Tod herauszieht? Man zieht ihn vielleicht auch aus seinem ganzen vergangenen Leben. Denn – denkt darüber nach – in diesen schnellen Augenblicken, die ihm seine letzten Minuten des Lebens nehmen, kehrt der verlorene Mensch zu seiner Vergangenheit zurück, oder vielmehr zeigt sich diese ihm. Vielleicht kommt der Tod zu früh für ihn; seine Reinkarnation könnte schrecklich werden. Eilt ihm zu Hilfe, Menschen! Ihr, die ihr durch die spiritistische Wissenschaft aufgeklärt seid; eilt ihm zu Hilfe, entreißt ihn seiner Verdammnis, dann wird sich dieser Mensch vielleicht in eure Arme werfen, der sonst, euch beschimpfend, sterben würde. Ihr sollt euch indessen keinesfalls fragen, ob er dies machen oder nicht machen wird, sondern sollt ihm zu Hilfe eilen; denn indem ihr ihn rettet, gehorcht ihr dieser Stimme eures Herzens, die euch sagt: „Du kannst ihn retten, also rette ihn!“ (Lamennais, Paris, 1862)
KAPITEL XII - Liebt eure Feinde
Böses mit Gutem vergelten
Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. (Matthäus, Kap. V, 20 und 43-47)
Im Allgemeinen wird der Sinn des Wortes „Liebe“ in diesem Zusammenhang missverstanden. Jesus meint mit diesen Worten durchaus nicht, dass man seinem Feind gegenüber gleich zärtlich sein soll, wie zu seinem Bruder, seiner Schwester oder zu einem Freund. Die Zärtlichkeit setzt Vertrauen voraus. Man kann demjenigen kein Vertrauen schenken, von dem man weiß, dass er uns Böses wünscht. Ebenso wenig ist es möglich, ihm gegenüber Freundschaft zu hegen, weil man weiß, dass er fähig ist, diese zu missbrauchen. Unter Menschen, die sich gegenseitig misstrauen, kann es keinen Impuls der Zuneigung geben, so wie es unter denjenigen möglich ist, die in der gleichen Art und Weise denken. Und wenn man einem Feind begegnet, empfindet man schließlich nicht die Freude, wie bei der Begegnung mit einem Freund.
Diese beiden Gefühle ergeben sich aus einem physikalischen Gesetz: das des Ausgleichs und das der Abstoßung. Der böse Gedanke strömt ein Fluidum aus, dessen Eindruck schmerzlich ist; der wohlwollende Gedanke umhüllt euch mit einer angenehmen Ausstrahlung. Daher der Unterschied der Empfindungen, die man bei der Annäherung eines Freundes oder eines Feindes spürt. Die Feinde zu lieben bedeutet also nicht, dass man keinen Unterschied zwischen ihnen und den Freunden machen soll. Dieses Gebot scheint für uns nur deshalb so schwer, ja sogar unmöglich anwendbar zu sein, weil wir irrtümlicherweise glauben, dass uns damit vorgeschrieben wird, den Feinden einen gleichrangigen Platz in unserem Herzen zu geben. Wenn die Armut der menschlichen Sprache dazu zwingt, dasselbe Wort zu verwenden, um verschiedene unterschiedliche Abstufungen der Gefühle auszudrücken, soll die Vernunft je nach dem Fall eine Unterscheidung herbeiführen.
Die Feinde zu lieben, bedeutet:
– also nicht, für sie eine Zuneigung zu haben, die nicht natürlich ist, denn der Kontakt mit einem Feind verursacht eine ganz andere Art des Herzklopfens, als der mit einem Freund;
– weder Hass noch Groll noch Verlangen nach Rache gegen sie zu haben;
– ihnen, ohne Hintergedanken und bedingungslos das Böse zu vergeben, das sie uns angetan haben;
– der Versöhnung kein Hindernis entgegenzusetzen;
– ihnen das Gute zu wünschen, anstelle des Bösen;
– sich über das Gute zu freuen, das ihnen geschieht, anstatt sich darüber zu ärgern;
– ihnen im Notfall eine helfende Hand zu reichen;
– sich durch Worte und Taten von allem zu enthalten, was ihnen schaden könnte.
– schließlich, ihnen bei allem das Böse mit dem Guten zu vergelten, ohne die Absicht sie zu erniedrigen. Jeder, der dies macht, erfüllt die Bedingungen des Gebots: Liebt eure Feinde.
Der Gläubige und vor allem der Spiritist hat eine andere Sichtweise, da er seinen Blick auf die Vergangenheit und die Zukunft richtet, und weil dazwischen das gegenwärtige Leben nicht mehr als ein Punkt ist. Er weiß, dass man hier wegen der für die Erde vorgesehenen Bestimmung damit rechnen muss, boshafte und perverse Menschen zu treffen; dass die auf ihn treffenden Bosheiten zu den Prüfungen gehören, die er zu erdulden hat, und von dem gehobenen Standpunkt, von dem aus er dies erlebt, erscheinen ihm die Schicksalsschläge weniger bitter, egal ob sie von Menschen oder von Dingen ausgehen. Und wenn er sich nicht gegen die Prüfungen auflehnt, so soll er auch nicht mit denjenigen hadern, die dazu als Instrument dienen. Wenn er, anstatt sich zu beklagen, Gott für die Prüfung dankt, dann soll er sich auch bei der Hand bedanken, die ihm die Möglichkeit gibt, seine Geduld und Ergebenheit zu zeigen. Dieser Gedanke lässt ihn auf natürliche Weise vergeben. Er weiß darüber hinaus, dass er sich in seinen eigenen Augen umso mehr erhebt, je großzügiger er ist, und begibt sich so außerhalb der Reichweite der bösartigen Pfeile seiner Feinde.
Der Mensch, der auf dieser Welt eine erhöhte Position besitzt, fühlt sich nicht getroffen von den Beleidigungen derer, die er als seine Untergeordneten ansieht. So geschieht es auch mit demjenigen, der sich in der moralischen Welt über die materialistische Menschheit stellt. Er versteht, dass Hass und Groll ihn herabwürdigen und erniedrigen würden. Um seinem Gegner überlegen zu sein ist es also nötig, eine größere, edlere und großmütigere Seele zu haben.
Die nicht inkarnierten Feinde
Er weiß außerdem, dass der Tod ihn nur von der körperlichen Gegenwart des Feindes befreien kann, dass dieser ihn aber mit seinem Hass verfolgen kann, sogar nachdem er die Erde verlassen hat; folglich wird die Rache ihr Ziel nicht erreichen, im Gegenteil, sie ruft noch eine größere Verärgerung hervor, die sich von einer Existenz in die andere fortsetzen kann.
Es obliegt dem Spiritismus zu beweisen, durch die Erfahrung und das Gesetz, welches die Beziehung der sichtbaren mit der unsichtbaren Welt regelt, dass der Ausspruch: den Hass mit dem Blut auslöschen vollkommen falsch ist, denn die Wahrheit ist, dass das Blut den Hass sogar jenseits des Grabes aufrechterhält. Es obliegt dem Spiritismus, einen wirksamen Grund und einen praktischen Nutzen der Vergebung und des erhabenen Grundsatzes Christi zu geben: Liebt eure Feinde. Es gibt kein so böses Herz, das von gutem Verhalten nicht berührt würde, selbst unbewusst. Durch gutes Verhalten entkräftet man wenigstens den Vorwand der Vergeltung; aus einem Feind kann man sich einen Freund machen, vor und nach seinem Tod. Durch böses Verhalten verärgert man den Feind, daraus folgt, dass er dann sogar als Werkzeug der Gerechtigkeit Gottes dient, um denjenigen zu bestrafen, der nicht verzeihen konnte.
Ehemals brachte man blutige Opfer dar, um die teuflischen Götter zu beruhigen, die nichts anderes waren als die bösen Geister. Auf die teuflischen Götter folgten die Dämonen, die dasselbe sind. Der Spiritismus hat bewiesen, dass diese Dämonen nichts anderes sind als die Seelen der bösen Menschen, die von den materiellen Instinkten noch nicht befreit sind; dass man sie nur durch Verzicht auf den Hass beruhigen kann, d.h. durch Nächstenliebe; damit die Nächstenliebe somit nicht nur bewirkt, sie von dem bösen Tun abzuhalten, sondern sie auf den Weg des Guten zurückzuführt und zu ihrer Rettung beiträgt. Daher ist der Grundsatz: Liebt eure Feinde, nicht auf den engen Kreis der Erde und des gegenwärtigen Lebens begrenzt, sondern er gehört zu dem großen Gesetz der universellen Solidarität und Brüderlichkeit.
Wenn euch jemand auf die rechte Wange schlägt, bietet ihm auch die andere an.
– dass man das Böse nicht mit dem Bösen vergelten soll;
– dass der Mensch demütig alles annehmen soll, was dazu dient, seinen Hochmut zu verringern;
– dass es edler für ihn sei, geschlagen zu werden, als zu schlagen, geduldig eine Ungerechtigkeit zu ertragen, als selbst eine zu begehen;
– dass es besser ist, betrogen zu werden, als selber ein Betrüger zu sein, ruiniert zu werden, als die andern zu ruinieren.
Dies ist gleichzeitig die Verdammung des Duells, das nichts anderes als eine Äußerung des Stolzes ist. Der Glaube an das zukünftige Leben und an die Gerechtigkeit Gottes, die das Böse nie ungestraft lässt, kann allein die Kraft geben, geduldig die Angriffe auf unsere Interessen und unsere Selbstachtung zu ertragen. Deshalb sagen wir unaufhörlich: Blickt nach vorne, in die Zukunft; je mehr ihr eure Gedanken über das materielle Leben hinaus erhebt, desto weniger werden die irdischen Dinge euch verletzen.
Unterweisungen der geistigen Welt
Die Rache
Weg mit diesen wilden Bräuchen! Weg mit diesen Sitten von früher! Jeder Spiritist, der behauptet, heute noch das Recht, sich zu rächen zu haben, wäre unwürdig, länger noch zur Schar zu gehören, die sich folgenden Prinzip verschrieben hat: Außerhalb der Nächstenliebe gibt es kein Heil! Aber nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mitglied der großen spiritistischen Familie jemals in der Zukunft dem Impuls der Rache nachgeben könnte, sondern nur dem der Verzeihung. (Jules Olivier, Paris, 1862)
Der Hass
Vergesst nicht, meine lieben Kinder, dass die Liebe uns näher zu Gott bringt, und dass der Hass uns von IHM entfernt. (Fénelon, Bordeaux, 1861)
Das Duell
Sein Leben einer Gefahr auszusetzen, um sich für eine Beleidigung zu rächen, bedeutet, vor den Prüfungen des Lebens zurückzuweichen. In den Augen Gottes ist dies immer ein Verbrechen, und wenn ihr von euren Vorurteilen nicht so getäuscht wäret, wie ihr es seid, so erschiene dies in euren Augen als die lächerlichste und größte Torheit.
Die Tötung eines Menschen durch das Duell ist ein Verbrechen; selbst eure Gesetzgebung erkennt das an. Niemand hat das Recht, in keinem Fall, sich an dem Leben seinesgleichen zu vergreifen. Es ist ein Verbrechen in den Augen Gottes, der euch eure Verhaltensregeln vorgegeben hat. Ihr seid in dieser Angelegenheit, mehr als in jeder anderen Situation, Richter in eigener Sache. Erinnert euch, dass euch nur in dem Maße vergeben wird, wie ihr selbst vergeben habt. Durch die Vergebung nähert ihr euch der Göttlichkeit, denn die Milde ist die Schwester der Macht. So lange noch ein Tropfen menschlichen Blutes auf Erden durch Menschenhand vergossen wird, ist das wahre Gottesreich noch nicht eingetroffen; dieses Reich des Friedens und der Liebe, das von eurem Planeten für immer die Feindseligkeit, die Uneinigkeit und den Krieg verbannen wird. Das Wort Duell wird dann in eurer Sprache nur noch als eine ferne, verschwommene Erinnerung an eine längst vergangene Zeit existieren. Die Menschen werden unter sich keinen anderen Widerstreit mehr, als den der edlen Rivalität des Guten kennen. (Adolpho, Bischof von Algerien, Marmande, 1861)
Hat Jesus mit diesen Worten nicht für immer das Duell verurteilt? Tatsächlich, meine Kinder, was für ein Mut ist dieser, der aus einem gewalttätigen, blutrünstigen, cholerischen Temperament hervorgegangen ist, und der bei der ersten Kränkung schon in Rage gerät? Wo ist also die Größe der Seele von demjenigen, der die kleinste Schmähung mit Blut wegwaschen will? Er zittert sogar! Denn stets wird ihm aus der Tiefe seines Gewissen eine Stimme zurufen: „Kain! Kain! Was hast du deinem Bruder getan?“ Er wird dieser Stimme sagen: „Das Blut war nötig, um meine Ehre zu retten!“ Sie wird ihm aber erwidern: „Du versuchtest, sie den Menschen gegenüber rein zu waschen für die wenigen Augenblicke, die dir noch von deinem irdischen Leben geblieben sind, und du hast nicht daran gedacht, sie Gott gegenüber zu retten!“ Du armer Narr! Wie viel Blut müsste Christus von euch verlangen für all die Schmach, die Er erleiden musste. Ihr habt Ihn nicht nur mit Dornen und Lanze verletzt, Ihn auch nicht nur an das schändliche Kreuz genagelt, sondern auch noch mitten in seinem grausamen Todeskampf konnte Er eurer Gespött mit anhören, mit dem ihr Ihn überhäuft habt. Wie viel Wiedergutmachung hat Er für so viel Übel von euch verlangt? Der letzte Schrei des Lammes war ein Gebet für seine Folterknechte. Oh, vergebt und betet - wie Er - für die, die euch beleidigen!
Freunde, erinnert euch an diese Vorschrift: „Liebt einander“ und ihr werdet dann den Schlag des Hasses mit einem Lächeln erwidern und die Beleidigung mit der Vergebung. Die Welt wird sich zweifellos wütend erheben und euch als Feiglinge bezeichnen; zeigt dann hocherhobenen Kopfes, dass ihr nicht fürchtet, nach dem Beispiel Christi ebenfalls Dornen auf dem Haupt zu tragen; dass eure Hand aber nicht Komplize eines Totschlags sein wird, der sozusagen durch einen falschen Schein der Ehre erlaubt ist, der aber nichts anderes ist als Hochmut und Eigenliebe. Als Gott euch erschuf, gab ER euch das Recht über das Leben und den Tod des einen oder andern? Nein, nur der Natur hat ER dieses Recht gegeben, um sich neu zu bilden und wieder aufzubauen. Aber euch hat ER nicht einmal erlaubt, über euch selbst zu verfügen! Wie der Selbstmörder, wird der Duellant mit Blut gezeichnet sein, wenn er vor Gott erscheint, und sowohl dem einen wie dem andern bereitet der höchste Richter harte und lange Bestrafungen. Wenn ER mit SEINER Gerechtigkeit demjenigen gedroht hat, der zu seinem Bruder Racca sagt (was bedeutet: Du bist ein Mann, der zu nichts taugt), wie viel strenger noch wird dann die Strafe sein, die für denjenigen reserviert ist, der vor Gott mit dem Blut seines Bruders an den Händen erscheint! (Sankt Augustin, Paris, 1862)
Ich weiß, dass man sehr oft diese gleichfalls verbrecherische Alternative zu vermeiden versucht hat, indem man es dem Zufall überließ. Ist dies aber nicht in einer anderen Form eine Rückkehr zum „Gottesurteil“ aus dem Mittelalter? Und zu dieser Zeit war man viel weniger schuldig. Der Name Gottesurteil selbst zeigt einen naiven Glauben, aber immer noch einen Glauben an die Gerechtigkeit Gottes, die einen Unschuldigen nicht sterben lassen würde, während man sich beim Duell ja so der brutalen Kraft überlässt, dass es nicht selten der Beleidigte ist, der unterliegt.
Oh, dumme Eigenliebe, törichte Eitelkeit und irrsinniger Hochmut, wann werdet ihr durch die christliche Liebe, die Liebe zum Nächsten ersetzt werden und durch die Liebe, die Jesus euch vorgelebt und gelehrt hat? Nur so werden dann diese scheußlichen Vorurteile verschwinden, die die Menschen immer noch beherrschen und die zu unterbinden die Gesetze außerstande sind, denn es genügt nicht, das Böse zu verbieten und das Gute vorzuschreiben; es ist erforderlich, dass das Prinzip des Guten und die Abscheu vor dem Bösen im Herzen des Menschen verankert ist. (Ein Schutzgeist, Bordeaux, 1861)
Ist die Nächstenliebe einmal zur Verhaltensregel der Menschen geworden, werden diese ihre Handlungen und ihre Worte folgendem Grundsatz anpassen: „Tut den andern nicht das, was ihr nicht wollt, das man es euch antut“. Damit werden alle Ursachen von Misshelligkeiten verschwinden und mit ihnen auch alle Gründe für Duelle und Kriege, die Duelle unter den Völkern sind. (François-Xaver, Bordeaux, 1861)
KAPITEL XIII - Lasst eure linke Hand nicht wissen, was eure rechte gibt
Das Gute tun, ohne zu prahlen
Wie viele gibt es, die nur wohltätig sind, in der Hoffnung, dass der Empfänger der Wohltat diese ausposaunt; die am helllichten Tag eine große Summe, aber in der Verborgenheit kein einziges Geldstück geben würden! Deshalb sagte Jesus: „Diejenigen, die das Gute mit Prahlerei tun, haben bereits ihre Belohnung empfangen“; denn derjenige, der für das Gute das er tut, seine Verherrlichung auf der Erde sucht, hat sich selbst bereits belohnt. Gott schuldet ihm nichts mehr; ihm bleibt nur noch die Bestrafung für seinen Hochmut.
Lasst eure linke Hand nicht wissen, was eure rechte Hand gibt, ist eine bildliche Darstellung, die die bescheidene Wohltätigkeit vortrefflich charakterisiert. Wenn es aber die wahre Bescheidenheit gibt, existiert auch die vorgetäuschte Bescheidenheit, das Trugbild der Bescheidenheit, denn es gibt Menschen, die die gebende Hand verstecken, aber darauf achten, dass ein Teil davon sichtbar herausragt, und gleichzeitig beobachten sie, ob jemand gesehen hat, dass sie die Hand versteckt haben. Unwürdige Parodie der Lehre Jesu! Wenn die hochmütigen Wohltäter unter den Menschen schon verachtet werden, wie werden sie dann vor Gott da stehen? Sie haben ihre Belohnung bereits auf der Erde bekommen. Sie wurden gesehen und sie sind zufrieden damit, dass sie gesehen wurden. Und dies ist alles, was sie haben werden.
Welche Belohnung wird derjenige erhalten, der den Empfänger der Wohltaten damit belastet, indem er ihn auf irgendeine Art und Weise zum Beweis seiner Dankbarkeit zwingt, der ihn seine Position fühlen lässt, dadurch, dass er den Wert seines für ihn geleisteten Opfers preist. Oh! für diesen gibt es nicht einmal die irdische Belohnung, denn ihm wird die wahre Freude vorenthalten, dass sein Name gelobt wird, und dies ist die erste Strafe für seinen Hochmut. Die Tränen, die er zugunsten seiner Eitelkeit getrocknet hat, sind, anstatt zum Himmel hinaufzusteigen, auf das Herz des Leidenden gefallen und haben diesen tief verletzt. Das Gute, das er tut, bringt ihm nichts ein, da er es als Belastung benutzt, und alle mit Ansprüchen verbundenen Wohltaten sind eine Falschmünze und somit wertlos.
Die Wohltätigkeit ohne Prahlerei ist doppelt wertvoll: neben der materiellen Nächstenliebe ist sie auch eine moralische Nächstenliebe. Sie nimmt Rücksicht auf die Empfindlichkeit des Empfängers der Wohltätigkeit; sie lässt ihn die Wohltätigkeiten annehmen, ohne dass seine Selbstachtung darunter leidet, indem seine menschliche Würde gewahrt wird, denn dieser nimmt eher einen Dienst an, als ein Almosen. Einen Dienst in einen Almosen umzuwandeln, durch die Art wie man ihn erweist, bedeutet daher eine Demütigung für denjenigen, der ihn erhält; und einen andern zu demütigen ist immer ein Zeichen von Hochmut und Bosheit. Die wahre Nächstenliebe besteht deshalb darin, auf feinfühlige und einfallsreiche Art die Wohltat zu verbergen, selbst kleinste verletzende Anzeichen zu vermeiden; denn alle seelischen Verletzungen vergrößern das Leiden, das aus der Not entstanden ist. Die Nächstenliebe findet freundliche und nette Worte, die dem Wohltätigkeitsempfänger seine Befangenheit gegenüber dem Wohltäter nimmt, während die hochmütige Nächstenliebe ihn erdrückt. Das Erhabene der echten Großzügigkeit ist, wenn der Wohltäter die Rollen vertauscht, indem er einen Weg findet, selber als der Wohltätigkeitsempfänger gegenüber dem zu erscheinen, dem er den Dienst erweist. Das ist die Bedeutung dieser Worte: Lasst eure linke Hand nicht wissen, was eure rechte Hand gibt.
Die verborgenen Schicksalsschläge
Wer ist diese Frau mit dem vornehmenden Aussehen, einfach gekleidet, aber gut gepflegt, begleitet von einem jungen Mädchen, das auch bescheiden gekleidet ist? Sie betritt ein schäbig aussehendes Haus, in dem sie zweifellos bekannt ist, denn an der Tür wird sie respektvoll begrüßt. Wohin geht sie? Sie steigt bis zur Mansarde hinauf, in der eine Mutter wohnt, umgeben von kleinen Kindern. Bei ihrer Ankunft strahlt die Freude auf den abgemagerten Gesichtern, weil sie gekommen ist, um all ihre Leiden zu lindern. Sie bringt all das Notwendige, begleitet von sanften und tröstenden Worten, die die Hilfsbedürftigen ihre Gabe ohne Erröten annehmen lässt, denn diese Unglücklichen sind keine professionellen Bettler. Der Vater liegt im Krankenhaus und während dieser Zeit kann die Mutter nicht für das Nötigste sorgen. Dank dieser Dame werden diese armen Kinder weder Hunger noch Kälte erleiden; sie werden warm gekleidet zur Schule gehen und die Brust der Mutter wird für die Kleinen nicht austrocknen. Wenn einer von ihnen krank wird, wird ihr keine materielle Hilfe zuwider sein. Von dort geht sie ins Krankenhaus, um dem Vater etwas zum Naschen zu geben und ihn über das Schicksal der Familie zu beruhigen.
An der Ecke wartet ein Wagen auf sie, ein echtes Vorratslager mit allem was ihre Schützlinge benötigen, die sie nach und nach besucht. Sie fragt weder nach ihrem Glauben noch nach ihren Ansichten, denn für sie sind alle Menschen Geschwister und Kinder Gottes. Wenn die Runde beendet ist, sagt sie sich: Ich habe meinen Tag gut angefangen. Wie ist ihr Name? Wo wohnt sie? Niemand weiß es. Für die Notleidenden ist es ein Name, der nichts verrät; aber sie ist der tröstende Engel; und abends erhebt sich ein Segenskonzert für sie bis zum Schöpfer: Katholiken, Juden, Protestanten segnen sie.
Warum so eine einfache Kleidung? Weil sie die Armut mit ihrem Luxus nicht beleidigen will. Warum lässt sie sich von ihrer jungen Tochter begleiten? Damit sie lernt, wie man Wohltätigkeit ausübt. Die Tochter möchte auch die Nächstenliebe praktizieren, aber ihre Mutter sagt ihr: „Was kannst du geben, meine Tochter, wenn du selber nichts hast? Wenn ich dir irgendwas in die Hand gebe, damit du es anderen weitergibst, was wird dein Verdienst sein? In Wirklichkeit bin ich es, die die Nächstenliebe tut und du bist es, die das Verdienst davon haben wird. Dies ist nicht gerecht. Wenn wir die Kranken besuchen, hilfst du mir sie zu versorgen; jemanden zu pflegen, bedeutet etwas zu geben. Scheint dir das nicht ausreichend? Nichts ist einfacher. Lerne nützliche Arbeiten zu machen und nähe Kleidung für diese kleinen Kinder. So wirst du etwas geben, was von dir kommt.“ Auf diese Art und Weise bereitet diese wahre christliche Mutter ihre Tochter auf das Ausübung der Tugenden vor, die Jesus uns gelehrt hat. Ist sie eine Spiritistin? Das ist doch wohl nicht wichtig!
Für das Milieu, in dem sie lebt, ist sie eine Frau von Welt, weil ihre Position es verlangt; aber niemand weiß was sie macht, weil sie keine andere Anerkennung als die von Gott und ihrem Gewissen möchte. Eines Tages aber führte ein unvorhergesehener Umstand eine von ihren Schützlingen zu ihr, um ihr eine Handarbeit anzubieten. Diese erkannte sie und wollte ihre Wohltäterin segnen. „Schweig!“, sagte sie ihr. „Sag es niemandem!“ So sprach auch Jesus.
Der Obolus der Witwe
Diejenigen, deren Absicht ohne irgendein persönliches Interesse ist, sollten sich über ihre Unfähigkeit, soviel Gutes zu tun, wie sie möchten, mit dem Gedanken hinwegtrösten, dass der Obolus des Armen, der gibt, indem er sich Entbehrungen auferlegt, in der Waagschale Gottes mehr wiegt als das Geld des Reichen, der gibt, ohne auf etwas verzichten zu müssen. Es wäre zweifellos eine große Freude, großzügig den Armen helfen zu können; aber wenn dies unmöglich ist, muss man sich damit abfinden und sich darauf beschränken, was man machen kann. Übrigens, kann man Tränen nur mit Gold trocknen? Sollen wir untätig bleiben, nur weil wir keins besitzen? Derjenige, der aufrichtig seinen Nächsten helfen will, findet tausend Möglichkeiten dazu; wenn er sie sucht, wird er sie finden; falls es nicht auf die eine Art und Weise ist, ist es auf eine andere, da es niemanden gibt - im vollen Besitz seiner Fähigkeiten – der nicht irgendeinen Dienst erweisen, einen Trost spenden, ein physisches oder moralisches Leiden mindern, eine nützliche Maßnahme vornehmen könnte. Auch ohne Geld kann man helfen, hat nicht ein jeder seine Kraft, seine Zeit, seine Arbeitspause, wovon er etwas abgeben kann? Auch darin besteht der Obolus des Armen, die Spende der Witwe.
Die Armen und die Behinderten einladen
Diese Worte können dennoch auch in einem buchstäblichen Sinn angewendet werden. Wie viele Leute laden an ihren Tisch nur diejenigen ein, von denen sie selbst wiederum eingeladen werden? Sie tun dies, um - wie sie sagen – sich die Ehre zu erweisen. Andere hingegen freuen sich darüber, ihre Verwandten oder Freunde zu empfangen, die weniger glücklich sind. Wer hat aber solche nicht unter den seinen? Auf diese Art leistet man ihnen manchmal Hilfe, ohne dass es so scheint. Jene üben die Lehre Jesu aus, ohne die Blinden und die Behinderten zu sich zu holen, wenn sie es aus Wohlwollen tun, ohne Prahlerei, und wenn sie ihre Wohltat durch eine ehrliche Herzlichkeit nicht spürbar werden lassen.
Unterweisungen der geistigen Welt
Die materielle und moralische Nächstenliebe
Reiche! Denkt ein bisschen daran. Helft den Unglücklichen so gut wie möglich. Gebt, damit Gott eines Tages euch das Gute, das ihr getan habt, zurückerstattet, damit ihr, wenn ihr eure irdische Hülle verlasst, ein Gefolge von dankbaren Geistern treffen werdet, die euch an der Schwelle einer glücklicheren Welt empfangen.
Wenn ihr wüsstet, was ich für eine Freude erlebt habe, als ich im Jenseits diejenigen traf, denen ich in meiner letzten Existenz geholfen habe!
Liebt euren Nächsten also; liebt ihn wie euch selbst, denn ihr wisst jetzt, dass der Unglückliche, den ihr zurückweist, vielleicht ein Bruder, Vater oder Freund sein kann. Wie groß wäre dann eure Verzweiflung, wenn ihr sie danach in der geistigen Welt wiedererkennt?
Ich wünsche mir, dass ihr richtig versteht, was moralische Nächstenliebe sein kann, die jeder praktizieren soll, die nichts Materielles kostet und die trotzdem schwierig in die Tat umzusetzen ist.
Die moralische Nächstenliebe beruht darauf, sich untereinander zu ertragen, was ihr am wenigsten tut in dieser niedrigen Welt, in der ihr momentan lebt. Es ist ein großes Verdienst, glaubt mir, schweigen zu können, um einen Dümmeren sprechen zu lassen; dies ist auch eine Art von Nächstenliebe. Sich taub zu stellen, wenn ein ironisches Wort aus einem Mund kommt, der gewöhnt ist zu verspotten. Das verächtliche Lachen nicht sehen, mit dem die Leute euch empfangen. Leute, die fälschlicherweise glauben, dass sie über euch stehen, während sie im geistigen Leben – das einzig wahre – manchmal tiefer stehen; das ist ein Verdienst, der nicht Demut sondern Nächstenliebe ist. Denn die Fehler der andern nicht zu beachten, das ist moralische Nächstenliebe.
Diese Nächstenliebe soll jedoch nicht verhindern, dass man die andere außer Acht lässt. Im Gegenteil! Denkt vor allem, dass ihr euren Nächsten nicht verachten sollt; erinnert euch an alles, was ich euch bereits gesagt habe: Es ist notwendig, sich unaufhörlich vor Augen zu halten, dass der zurückgewiesene Arme vielleicht ein Geistwesen ist, das ihr geliebt habt, und das sich zur Zeit in einer niedrigeren Position als ihr befindet. Ich habe einen der Armen eurer Welt wieder getroffen, dem ich zum Glück manchmal helfen konnte, und den ich jetzt meinerseits um Hilfe bitten muss.
Erinnert euch daran, dass Jesus sagte, dass wir alle Brüder und Schwestern sind. Denkt immer daran, bevor ihr einen Leprakranken oder einen Bettler zurückweist. Ade! Denkt an diejenigen, die leiden, und betet. (Schwester Rosalie. Paris, 1860)
Die Nächstenliebe, meine Freunde, kann man auf die eine oder andere Art und Weise ausüben. Ihr könnt sie mit Gedanken, mit Worten und mit Taten tun. Mit Gedanken, indem ihr für die verlassenen Armen betet, die gestorben sind, ohne auch nur einmal das Licht gesehen zu haben; ein Gebet aus dem Herzen hilft ihnen. Mit Worten, indem ihr euren täglichen Begleitern gute Ratschläge gebt. Sagt den Menschen, die durch die Verzweiflung und die Bedürftigkeit verbittert sind und die gotteslästerliche Reden führen: „Ich war so wie ihr; ich litt, fühlte mich unglücklich, aber ich glaubte an den Spiritismus, und seht, jetzt bin ich glücklich.“ Zu den Alten, die zu euch sagen werden: „Das ist nutzlos, ich bin am Ende meines Lebens angelangt; ich werde sterben, wie ich gelebt habe.“ Sagt ihnen: „Die Gerechtigkeit Gottes ist für uns alle gleich; denkt an die Arbeiter der zehnten Stunde.“ Zu den Kindern, die durch ihre Umgebung bereits verdorben sind und auf den Straßen herumlungern, bereit den bösen Versuchungen zu erliegen, sagt ihnen: „Gott sieht euch, meine lieben Kleinen“, und fürchtet euch nicht, ihnen öfter diese sanften Worte zu wiederholen. Sie werden schließlich in ihrem jungen Verstand keimen, und aus kleinen Vagabunden habt ihr dann Menschen gemacht. Auch das ist Nächstenliebe.
Viele unter euch sagen auch: „Nun, wir sind so zahlreich auf Erden, dass Gott uns nicht alle sehen kann.“ Hört gut zu, meine Freunde: Wenn ihr auf der Spitze eines Berges seid, erblicken eure Augen nicht Milliarden von Sandkörnern, die diesen Berg bedecken? Gott sieht euch auf die gleiche Art. Er lässt euch euren freien Willen, wie ihr diese Sandkörner dem Wind überlasst, der sie zerstreut; aber Gott hat in SEINER unendlichen Barmherzigkeit in die Tiefe eures Herzens einen behutsamen Wächter gelegt, den man das Gewissen nennt. Hört auf ihn; er wird euch nichts anderes als gute Ratschläge geben. Manchmal schafft ihr es, das Gewissen zu betäuben, indem ihr ihm den Geist des Bösen gegenüberstellt. Es schweigt dann; aber seid gewiss, dass das arme Vernachlässigte sich Gehör verschaffen wird, sobald ihr es einen Schimmer der Reue spüren lasst. Hört auf das Gewissen, fragt es, und sehr oft werdet ihr getröstet durch den Rat, den ihr von ihm bekommen habt.
Meine Freunde, jedem neuen Regiment übergibt der General eine Flagge; ich gebe euch diesen Grundsatz von Jesus: „Liebt einander“. Praktiziert diesen Grundsatz; versammelt euch unter dieser Flagge und ihr werdet das Glück und die Tröstung bekommen. (Ein Schutzgeist. Lyon, 1860)
Die Wohltätigkeit
Nächstenliebe, ein erhabenes Wort, das alle Tugenden umfasst, du bist es, die alle Völker zum Glück führen muss. Wenn sie dich ausüben, werden sie für sich selbst unendliche Freude für die Zukunft schaffen, und während sie auf die Erde verbannt sind, wirst du ihnen Trost, Vorfreude der Freuden sein, die sie später genießen werden, wenn sie sich alle zusammen im Schoß des Gottes der Liebe umarmen werden. Du bist es, göttliche Tugend, die mir die einzigen glücklichen Momente, die ich auf der Erde erlebte, verschafft hat. Mögen meine inkarnierten Brüder und Schwestern der Stimme des Freundes glauben, die zu ihnen spricht und sagt: Es ist in der Nächstenliebe, in der ihr den Frieden des Herzens, die Zufriedenheit der Seele, das Heilmittel gegen die Übel des Lebens suchen sollt. Oh! wenn ihr nahezu geneigt seid, Gott zu beschuldigen, werft einen Blick unter euch und ihr werdet sehen, wie viel Elend zu lindern ist, wie viele arme Kinder ohne Familie es gibt, wie viele Alte, denen eine freundliche Hand fehlt, die ihnen hilft und ihnen die Augen in der Stunde des Todes schließt! Wie viel Gutes gibt es zu tun! Oh! beklagt euch nicht, sondern bedankt euch im Gegenteil bei Gott und gebt aus vollen Händen eure Sympathie, eure Liebe, euer Geld an all diejenigen, die aller Güter dieser Erde enterbt wurden, in Leiden und Vereinsamung vergehen. Ihr werdet hier auf Erden sanfte Freuden erhalten, und später … Gott allein weiß es! (Adolphe, Bischof von Algerien. Bordeaux, 1861)
Hat Christus euch nicht alles gesagt, was diese Tugenden der Nächstenliebe und der Liebe anbelangt? Warum vernachlässigt man Seine göttliche Lehre? Warum schließt man die Ohren vor Seinen göttlichen Worten, das Herz vor Seinen sanften Grundsätzen? Ich würde wünschen, dass man der Lektüre des Evangeliums mehr Interesse, mehr Glauben schenkt. Man vernachlässigt dieses Buch, man hält es für leere Worte, einen verschlossenen Brief; man lässt diesen bewundernswerten Kodex ins Vergessen geraten: Eure Leiden kommen aus der freiwilligen Vernachlässigung, die ihr von dieser Zusammenfassung der göttlichen Gesetze macht. Lest also diese von der Opferwilligkeit Jesu glühenden Blätter und meditiert darüber.
Starke Menschen, wappnet euch; schwache Menschen, macht aus eurer Sanftmut, aus eurem Glauben eure Waffen; habt mehr Überzeugung und mehr Beständigkeit bei der Verbreitung eurer neuen Lehre. Wir kommen, um euch eine Ermutigung zu geben, und es ist nur um euren Eifer und eure Tugenden anzuregen, dass Gott uns erlaubt, uns euch zu offenbaren. Wenn ihr aber wolltet, würde die Hilfe Gottes und euer eigener Wille genügen: Die spiritistischen Kundgebungen geschehen nur für diejenigen, die geschlossene Augen und ungelehrige Herzen haben.
Die Nächstenliebe ist die grundlegende Tugend, die das ganze Gebäude der irdischen Tugenden stützen muss; ohne sie existieren die anderen nicht. Ohne Nächstenliebe gibt es gar keine Hoffnung auf ein besseres Schicksal, kein moralisches Interesse, das uns führt. Ohne die Nächstenliebe gibt es keinen Glauben, denn der Glaube ist nichts anderes als ein reiner Strahl, der die barmherzige Seele leuchten lässt.
Die Nächstenliebe ist der ewige Anker in allen Welten: sie ist das reinste Ausströmen des Schöpfers; sie ist SEINE eigene Tugend, die ER dem Geschöpf gibt. Wie kann man diese höchste Güte verkennen? Welches Herz wäre – mit dieser Kenntnis – so pervers, um dieses vollständig göttliche Gefühl zurückzudrängen und zu vertreiben? Welches Kind wäre so böse, um sich dieser sanften Liebe – der Nächstenliebe – zu widersetzen?
Ich wage nicht über das, was ich getan habe, zu sprechen, weil auch die Geister bei ihren Werken Zurückhaltung üben; aber ich halte dieses Werk, das ich angefangen habe, für eines, das mit am meisten bei der Linderung der Not eurer Mitmenschen helfen soll. Ich sehe oft Geistwesen, die um den Auftrag bitten, meine Arbeit fortsetzen zu dürfen. Ich sehe sie, meine gütigen und geliebten Brüder und Schwestern, bei ihrem frommen und göttlichen Dienst. Ich sehe sie bei der Ausübung der Tugend, die ich euch empfehle, mit der ganzen Freude, die dieses Leben der Selbstaufopferung verschafft. Es ist eine große Freude für mich zu sehen, wie sehr ihr Charakter verehrt wird, wie sehr ihre Mission geliebt und behutsam beschützt ist. Barmherzige Menschen, die ihr guten und starken Willens seid, vereinigt euch, um das Werk der Verbreitung der Nächstenliebe umfangreich fortzusetzen. Ihr werdet die Belohnung dieser Tugend bei ihrer Ausübung selbst finden. Es gibt keine spirituelle Freude, die die Nächstenliebe nicht schon in diesem gegenwärtigen Leben gibt. Seid vereinigt. Liebt einander, gemäß den Lehren Christi. So sei es. (Sankt Vincent de Paul, Paris, 1858)
Ich habe an diesem Morgen meine gewöhnliche Tour gemacht, und im Herzen betrübt, komme ich, um euch zu sagen: Oh! meine Freunde, wie viel Elend, wie viele Tränen, und wie viel habt ihr zu tun, um sie alle zu trocknen! Vergeblich habe ich versucht, die armen Mütter zu trösten, indem ich ihnen ins Ohr sagte: Habt Mut! Es gibt gütige Herzen, die auf euch aufpassen; man wird euch nicht verlassen. Habt Geduld! Gott ist hier; und ihr seid SEINE Geliebten, ihr seid SEINE Auserwählten. Sie schienen mich zu hören und blickten mit ihren großen verwirrten Augen in meine Richtung. Ich sah in ihren armen Gesichtern, dass der Körper – dieser Tyrann des Geistes – Hunger hatte, und dass, wenn auch meine Worte ihnen das Herz ein bisschen beruhigte, sie ihnen den Magen aber nicht füllen konnten. Ich wiederholte immer noch: Habt Mut! Habt Mut! Eine sehr junge arme Mutter, die ein kleines Kind stillte, nahm es darauf in die Arme und hob es in den leeren Raum, als ob sie mich darum bitten würde, dass ich dieses arme und kleine Wesen beschützen möge, das aus einer schlaffen Brust nicht genügend Nahrung bekam.
Anderen Orts, meine Freunde, habe ich arme alte Menschen ohne Arbeit gesehen, und infolge dessen ohne Unterkunft und allen Leiden der Armut ausgeliefert, und beschämt wegen ihrer Misere, die es nicht wagten, sie, die nie gebettelt haben, die Erbarmung der Passanten zu erbetteln. Mit dem Herzen voller Mitgefühl, ich, die nichts besitzt, habe aus mir eine Bettlerin für sie gemacht, und ich gehe überall hin, um die Wohltätigkeit zu stimulieren, den großzügigen und mitfühlenden Herzen gute Gedanken einzuflößen. Deswegen komme ich zu euch, meine Freunde, und sage euch: Dort unten gibt es Unglückliche, auf deren Tisch das Brot fehlt, die Kamine ohne Feuer und das Bett ohne Decken sind. Ich sage euch nicht, was ihr machen sollt; ich überlasse euren gütigen Herzen diese Initiative. Wenn ich euch Verhaltensregeln vorschreiben würde, würdet ihr kein Verdienst für eure gute Tat haben. Ich sage euch nur: Ich bin die Nächstenliebe und ich reiche euch die Hand, für eure leidenden Brüder und Schwestern. Wenn ich aber um etwas bitte, gebe ich auch, und ich gebe viel. Ich lade euch zu einem großen Bankett ein und ich liefere euch den Baum, von dem ihr euch alle sättigen sollt. Seht wie schön er ist, wie er voller Blüten und Früchten ist! Geht, pflückt, nehmt alle Früchte von diesem schönen Baum, der Wohltätigkeit heißt. An die Stelle der Äste, die ihr von ihm genommen habt, werde ich alle guten Taten anbringen, die ihr vollbracht habt, und werde diesen Baum zu Gott bringen, damit ER ihn von neuem befruchten kann, denn die Wohltätigkeit ist unerschöpflich. Folgt mir, meine Freunde, damit ich euch zu denen zählen kann, die sich unter meinem Banner aufstellen. Seid ohne Angst; ich werde euch auf den Weg der Erlösung führen, denn ich bin die Nächstenliebe. (Carita, Märtyrerin in Rom. Lyon, 1861)
Hört jetzt, was Nächstenliebe gegenüber den Armen ist, diese Enterbten hier auf Erden, die von Gott aber belohnt werden, wenn sie ihr Elend ohne zu klagen annehmen, und dies hängt von euch ab. Ich werde mich durch ein Beispiel verständlich machen.
Ich sehe mehrmals in der Woche eine Frauenversammlung: Es sind alle Altersgruppen vertreten. Für uns, wie ihr wisst, sind sie alle Schwestern. Was machen sie? Sie arbeiten schnell, sehr schnell; die Finger sind flink. Seht auch wie ihre Gesichter freudestrahlend sind, und wie ihre Herzen einstimmig schlagen! Aber was ist ihr Ziel? Sie sehen den Winter nahen und dass er für die armen Familien sehr hart sein wird; die Ameisen konnten während des Sommers nicht die notwendigen Körner für den Vorrat anhäufen und die meisten persönlichen Sachen sind verpfändet. Die armen Mütter machen sich Sorgen und weinen um ihre kleinen Kinder, die in diesem Winter Kälte und Hunger erleiden werden. Aber Geduld, arme Frauen! Gott hat Frauen inspiriert, die reicher sind als ihr; sie haben sich versammelt und fertigen kleine Kleidungsstücke an. Dann, eines Tages, wenn der Schnee die Erde bedeckt hat und ihr euch beklagend sagt: „Gott ist nicht gerecht“, denn das ist immer aus eurem Mund zu hören, wenn ihr leidet; ihr werdet dann ein Kind einer dieser fleißigen Damen kommen sehen, die sich als Arbeiterinnen der Armen engagiert haben; ja, für euch arbeiten sie so, und eure Klagen werden sich in Segenswünsche umwandeln, denn im Herzen der Notleidenden folgt die Liebe ganz dicht dem Hass.
Da diese fleißigen Damen eine Ermutigung brauchen, erhalten sie von allen Seiten Mitteilungen der guten Geistwesen. Die Männer, die dieser Gesellschaft angehören, beteiligen sich ebenfalls, indem sie ihnen etwas vorlesen, was allen viel Freude bereitet. Und wir, um den Eifer von allen zu belohnen und insbesondere von jedem Einzelnen, versprechen diesen fleißigen Damen eine gute Kundschaft, die sie bezahlen wird, bar, in Form von Segnungen, der einzigen Währung, mit der im Himmel gehandelt wird; außerdem versichern wir ihnen, ohne Angst, uns zu weit vorzuwagen, dass es ihnen nicht an diesen Segnungen fehlen wird. (Carita, Lyon, 1861)
Zwei Männer waren gerade gestorben. Gott hatte gesagt: „Solange diese beiden Männer leben, werden die guten Taten von jedem in getrennte Beutel getan und bei ihrem Tod werden diese Beutel gewogen.“ Als die letzte Stunde dieser beiden Männer schlug, ließ sich Gott diese beiden Beutel bringen. Ein Beutel war voll, umfangreich, gut gefüllt und das darin enthaltene Metall klimperte. Der andere Beutel war so klein und dünn, dass man die wenigen darin enthaltenen Münzen hindurch schimmern sah. Jeder von ihnen erkannte seinen Beutel: „Dieser hier ist meiner“, sagte der erste, „ich erkenne ihn wieder; ich war reich und habe viel verteilt.“ „Und dieser ist meiner“, sagte der andere, „ich war immer arm, leider! Ich hatte fast nichts zu verteilen.“ Aber welche Überraschung! Als die beiden Beutel auf die Waagschale gelegt wurden, wurde der dicke, schwere Beutel leicht, und der kleine Beutel wurde derart schwer, dass die Waagschale zur anderen Seite ausschlug. Da sagte Gott zum Reichen: „Du hast viel gegeben, das ist wahr, aber du hast es aus Prahlerei getan, mit dem Ziel, dass dein Name an allen Tempeln des Hochmuts zu lesen sein wird, und außerdem brauchtest du dich nicht einzuschränken, wenn du gabst; geh nach links und sei zufrieden, dass dein Almosen dir als kleine Tat angerechnet wird.“ Dann sprache ER zu dem Armen: „Du hast sehr wenig gegeben, mein Freund; aber jede dieser Münzen, die auf der Waagschale liegen, stellt eine Entbehrung für dich dar; und wenn du keine Almosen verteilt hast, hast du aber die Nächstenliebe ausgeübt; das Beste daran ist aber, dass du sie ganz selbstverständlich getan hast, ohne darüber nachzudenken, ob sie dir angerechnet würde. Du warst nachsichtig; du hast deinesgleichen nicht gerichtet; du hast sie im Gegenteil für alle ihre Taten entschuldigt. Geh auf die rechte Seite und empfange deine Belohnung.“ (Ein Schutzgeist, Lyon, 1861)
Und du, arme Arbeiterin, du hast keinen Überfluss, möchtest aber aus Liebe zu deinen Brüdern und Schwestern etwas von dem, was du besitzt, geben, gib einige Stunden von deinem Tag, von deiner Zeit, deinem einzigen Schatz. Stelle einige von diesen eleganten Arbeiten her, die die Glücklichen anreizen. Verkaufe die Arbeit deines Vorabends, und du wirst deinen Brüdern und Schwestern auch deinen Anteil zur Linderung verschaffen. Du wirst vielleicht weniger Schleifen besitzen, aber demjenigen, der barfuß läuft, Schuhe geben.
Und ihr, Frauen, die ihr euch Gott hingegeben habt, arbeitet auch an SEINEM Werk, aber eure feinen und kostbaren Arbeiten sollten nicht nur dazu da sein, um eure Kapellen zu schmücken und um die Aufmerksamkeit auf eure Geschicklichkeit und Geduld zu lenken. Arbeitet, meine Töchter, auf dass der Preis eurer Arbeit zur Linderung für eure Brüder und Schwestern Gott gewidmet sei. Die Armen sind SEINE geliebten Kinder, für sie zu arbeiten, bedeutet IHN zu verherrlichen. Seid für sie die Vorsehung, die sagt: „Den Vögeln des Himmels gibt Gott das Futter.“ Möge das Gold und das Silber, das mit euren Fingern eingewebt wird, sich in Kleidung und Nahrung für diejenigen verwandeln, denen es daran mangelt. Tut dies, und eure Arbeit wird gesegnet sein.
Und ihr alle, die ihr etwas produzieren könnt, gebt: Gebt eure Begabung, eure Inspirationen, eure Herzen, die Gott segnen wird. Dichter, Schriftsteller, die ihr nur von bestimmten Leuten der Gesellschaft gelesen werdet, füllt deren freie Zeit aus, aber der Erlös aus einigen eurer Werke möge zur Linderung der Leiden der Unglücklichen bestimmt sein. Maler, Bildhauer, Künstler aller Art, möge eure Intelligenz auch euren Brüdern und Schwestern zu Hilfe kommen, euer Ruhm wird dadurch nicht kleiner, und es wird weniger Leidende geben.
Ihr alle könnt geben; egal welcher Gesellschaftsschicht ihr angehört, ihr werdet immer etwas haben, das ihr verteilen könnt. Was auch immer es sei, was Gott euch gegeben hat, ihr schuldet einen Teil davon denjenigen, die nicht einmal das Notwendigste haben, weil ihr an deren Stelle ebenso sehr glücklich sein würdet, wenn andere mit euch teilten. Eure Schätze auf der Erde werden ein wenig geringer, aber eure Schätze im Himmel werden reichlicher sein; dort werdet ihr hundertfach ernten, was ihr hier auf Erden an Wohltaten gesät habt. (Jean, Bordeaux, 1861)
Das Mitgefühl
Das Mitgefühl, ein tief empfundenes Mitgefühl, das ist die Liebe; Liebe ist Aufopferung; Aufopferung ist Selbstverleugnung; und diese Selbstverleugnung, diese Opferbereitschaft für die Notleidenden ist die ganz besondere Tugend, die der göttliche Messias Sein ganzes Leben lang praktiziert hat und die Er in Seiner heiligen und so erhabenen Lehre gelehrt hat. Wenn dieser Lehre ihre ursprüngliche Reinheit zurückgegeben wird; wenn sie von allen Völkern angenommen wird, wird sie der Erde Glück bringen, indem sie endlich die Eintracht, den Frieden und die Liebe herrschen lassen wird.
Das reinste Gefühl, das euch fortschreiten lässt, ist das Mitgefühl, das eure Seele zur Demut, zur Wohltätigkeit und zur Nächstenliebe bewegt und mit dem ihr euren Egoismus und Hochmut überwindet! Dieses Mitgefühl, das euch wegen der Leiden eurer Brüder und Schwestern bis in euer Innerstes erschüttert, und das euch dazu bringt, ihnen eine helfende Hand zu reichen und euch in Tränen der Rührung ausbrechen lässt. Unterdrückt in euren Herzen nie dieses himmlische Gefühl, macht es auch nicht wie diese verstockten Egoisten, die sich von den Leidenden entfernen, weil der Anblick ihres Elends sie für einen Augenblick in ihrer glücklichen Existenz stören würde. Hütet euch davor, gleichgültig zu sein, wenn ihr euch nützlich machen könnt. Die Ruhe, die man auf Kosten einer schuldhaften Gleichgültigkeit erreicht, ist die Ruhe des Toten Meeres, das in der Tiefe seines Wassers den stickigen Schlamm und die Korruption verbirgt.
Das Mitgefühl ist jedoch weit davon entfernt, Störungen und Überdruss zu verursachen, wovor die Egoisten erschrecken! Zweifelsohne empfindet die Seele bei der Berührung des Elends anderer, da sie sich ihrer selbst erinnert, einen natürlichen und tiefen Schock, der euer ganzes Wesen ergreift und euch schmerzlich erschüttert. Aber die Belohnung ist groß, wenn es euch gelingt, einem unglücklichen Bruder den Mut und die Hoffnung zurückzugeben, der von einem freundlichen Händedruck innerlich bewegt wird, und dessen Blick – feucht vor Rührung und Dankbarkeit – sich leise zu euch wendet, bevor er ihn zum Himmel richtet, um sich dafür zu bedanken, dass ihm ein Tröster und Unterstützung geschickt wurde. Das Mitgefühl ist der schwermütige, aber auch himmlische Vorläufer der Nächstenliebe, die erste unter den Tugenden, deren Schwester sie ist und deren Wohltaten sie vorbereitet und adelt. (Michel. Bordeaux, 1862)
Die Waisen
Wohltaten, die mit Undankbarkeit belohnt werden
Diese Menschen haben in sich mehr Egoismus als Nächstenliebe; denn das Gute zu tun, nur um ein Zeichen der Dankbarkeit zu bekommen, bedeutet, dass man es nicht mit Selbstlosigkeit getan hat, und die selbstlose Wohltat ist die einzige, die Gott gefällt. Dies ist ebenso Hochmut, denn sie finden Gefallen an der Demut des Notleidenden, der kommt, um ihnen seine Dankbarkeit zu Füssen zu legen. Derjenige, der Belohnung für das Gute, das er tut, auf der Erde sucht, wird sie im Himmel nicht mehr erhalten; denn Gott wird denjenigen berücksichtigen, der sie nicht auf der Erde gesucht hat.
Es ist notwendig, stets den Schwachen zu helfen, obwohl man im Voraus weiß, dass diese für das Gute, das man getan hat, nicht dankbar sein werden. Seid euch bewusst, dass, falls derjenige, dem ihr einen Dienst erwiesen habt, die Wohltat vergisst, Gott euch dies mehr anerkennen wird, als wenn ihr bereits durch die Dankbarkeit des Empfängers belohnt worden wäret. Gott erlaubt, dass ihr manchmal mit Undankbarkeit bezahlt werdet, um eure Beharrlichkeit, das Gute zu tun, zu prüfen.
Wisst ihr übrigens, ob diese im Augenblick vergessene Wohltat, nicht später gute Früchte tragen wird? Seid im Gegenteil sicher, dass es ein Samen ist, der mit der Zeit keimen wird. Leider seht ihr stets nur die Gegenwart; ihr arbeitet für euch und nicht für die andern. Die Wohltaten schaffen es schließlich, die verhärteten Herzen zu erweichen; sie können auf Erden verkannt sein, aber wenn der Geist von seinem physischen Körper befreit ist, wird er sich erinnern, und diese Erinnerung wird seine Bestrafung sein. Er wird dann seine Undankbarkeit bereuen; seine Fehler wieder gutmachen wollen, seine Schuld in einer anderen Existenz bezahlen, indem er - sehr oft sogar – ein Leben der Aufopferung gegenüber seinem Wohltäter akzeptiert. Ihr habt somit, ohne es zu ahnen, zu seinem moralischen Fortschritt beigetragen, und später werdet ihr die ganze Wahrheit dieses Grundsatzes erkennen: Eine Wohltat ist niemals vergeblich getan. Aber ihr habt auch für euch gearbeitet, weil ihr das Verdienst haben werdet, Gutes mit Selbstlosigkeit getan zu haben, ohne den Mut wegen der Enttäuschungen verloren zu haben.
Ja! Meine Freunde, wenn ihr alle Bindungen kennen würdet, die euch im gegenwärtigen Leben mit euren vorherigen Existenzen verknüpfen! Wenn ihr die Vielzahl der Beziehungen erfassen könntet, die die Menschen untereinander näher bringen, für ihren gegenseitigen Fortschritt, könntet ihr die Weisheit und die Güte des Schöpfers viel besser bewundern, der es euch erlaubt, ein neues Leben zu beginnen, um IHM näher zu kommen. (Ein Schutzgeist. Sens, 1862)
Ausschließliche Wohltätigkeit
Nein, es ist vor allem diese Hinwendung zur Sekte und zur Partei, die man abschaffen muss, weil wir alle Brüder und Schwestern sind. Der wahre Christ sieht alle seine Nächsten als seine Brüder und Schwestern an, und um dem Notleidenden zu helfen, fragt er nicht nach seinem Glauben, nach seiner Meinung, egal wer auch immer sie sein mögen. Würde er die Lehre Jesu Christi befolgen, die sagt, dass wir sogar unsere Feinde lieben sollen, wenn er einen Notleidenden abweist, weil dieser einen anderen Glauben hat, als seinen? Helft ihm also, ohne von ihm Rechenschaft über sein Gewissen zu verlangen, denn, falls er ein Feind der Religion ist, so wird dies das Mittel sein, sie zu achten. Ihn abzuweisen würde dazu führen, dass er diese Religion hasst. (Saint Louis, Paris, 1860)
KAPITEL XIV - Ehrt euren Vater und eure Mutter
Ehrt euren Vater und eure Mutter
Kindesliebe
Den Vater und die Mutter zu ehren, bedeutet nicht nur, sie zu respektieren, sondern ihnen auch in der Not beizustehen; ihnen Ruhe in ihrem Alter zu ermöglichen, sie mit Fürsorge zu umgeben, wie sie es für uns in unserer Kindheit getan haben.
Insbesondere gegenüber mittellosen Eltern zeigt sich die wahre Kindesliebe. Erfüllen diejenigen dieses Gebot, die glauben, sich groß angestrengt zu haben, indem sie ihnen gerade nur so viel geben, damit sie nicht vor Hunger sterben, während sie selbst auf nichts verzichten? Indem sie ihre Eltern in die winzigste Kammer des Hauses verbannen, um sie nicht auf der Straße zu lassen, während sie für sich das Beste und das Bequemste vorbehalten?
Es ist noch ein Glück, wenn sie das nicht mit Widerwillen machen und die Eltern nicht dazu verpflichtet werden, die ihnen zum Leben verbleibende Zeit dadurch zu erkaufen, dass sie sich dafür die anstrengende Hausarbeit aufladen! Ist es denn gerecht, dass alte und schwache Eltern Diener ihrer jungen und starken Kinder sein sollen? Hat die Mutter mit ihnen um ihre Milch gefeilscht, als sie in der Wiege lagen? Als sie krank waren, hat die Mutter da ihre Nachtwachen oder ihre Schritte gezählt, um ihnen zu besorgen, was sie benötigten? Nein, es ist nicht nur das Notwendigste, was die Kinder ihren armen Eltern schulden, sondern, soweit sie es vermögen, die kleinen Freuden des Überflusses, die Liebenswürdigkeiten, die zarte Pflege, die nur die Zinsen für das sind, was sie selbst erhalten haben, die Bezahlung einer heiligen Schuld. Nur das ist die Kindesliebe, die von Gott anerkannt wird.
Wehe aber demjenigen, der vergisst, was er denen schuldet, die ihn in seiner Schwäche unterstützten, die ihm mit dem materiellen Leben auch das seelische Leben schenkten und sehr oft auf vieles verzichteten, um ihm ein gutes Leben zu ermöglichen. Wehe demjenigen, der undankbar ist, denn er wird durch Undankbarkeit und Verlassen bestraft; er wird in allem, was ihm lieb und teuer ist, verletzt werden, manchmal schon im gegenwärtigen Leben, aber mit Sicherheit in einer anderen Existenz, wo er ertragen muss, was er andern angetan hat.
Gewiss gibt es manche Eltern, die ihre Pflicht vernachlässigen und nicht für ihre Kinder das sind, was sie sein sollten. Aber es obliegt Gott, sie zu bestrafen und nicht ihren Kindern. Es obliegt nicht den Kindern sie zu tadeln, denn sie haben es vielleicht verdient, dass es so ist. Wenn die Nächstenliebe ein Gebot vorschreibt, das Böse mit dem Guten zu erwidern, nachsichtig zu sein mit der Unvollkommenheit der andern, seinen Nächsten nicht zu verleumden, dessen Fehler zu vergessen und zu verzeihen, sogar die Feinde zu lieben, um wie viel größer ist dann die Verpflichtung der Kinder ihren Eltern gegenüber! Die Kinder müssen daher als Verhaltensregeln den Eltern gegenüber, die Gebote Jesu annehmen und sich daran erinnern, dass jegliches tadelnswerte Verhalten den Fremden gegenüber noch tadelnswerter den Eltern gegenüber ist; und dass das, was im ersten Fall vielleicht nur ein Fehler gewesen wäre, im zweiten Fall zum Verbrechen werden kann, weil in diesem Fall zu der mangelnden Nächstenliebe noch die Undankbarkeit hinzukommt.
Aber bei der Ankunft Jesu war ihre Denkweise schon entwickelter; die Zeit war gekommen, ihnen feinere Nahrung zu geben; Er weihte sie in das geistige Leben ein, indem Er ihnen sagte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt; dort und nicht auf Erden, werdet ihr eure Belohnung für eure guten Taten bekommen.“ Durch diese Worte verwandelte sich das irdische Gelobte Land in eine himmlische Heimat; daher, als Er sie zur Befolgung dieses Gebotes aufrief: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“, versprach Er ihnen nicht mehr die Erde, sondern den Himmel. (Kapitel II und III)
Wer ist meine Mutter und wer sind meine Schwestern und Brüder?
Inzwischen waren seine Mutter und seine Brüder gekommen, sie blieben aber draußen und ließen ihn rufen. Das Volk saß um Ihn herum und man sagte zu Ihm: Deine Mutter sowie Deine Brüder und Schwestern sind dort draußen und rufen Dich. Er aber antwortete ihnen: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder und Schwestern?“ Und indem Er alle, die um Ihn herum saßen, ansah, sagte Er: Seht, das sind meine Mutter und meine Brüder und Schwestern: – denn jeder, der den Willen Gottes befolgt, der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter. (Markus, Kap. III, 20, 21 und 31-35; Matthäus, Kap. XII, 46-50)
Was seine Geschwister anbelangt, so weiß man, dass sie Ihm keine Sympathie entgegenbrachten; als wenig entwickelte Geistwesen haben sie Seine Mission nicht verstanden; vor ihren Augen war Sein Verhalten seltsam und Seine Lehren haben sie nicht berührt, da keiner von ihnen zu Seinen Jüngern gehörte. Es scheint sogar, dass sie bis zu einem gewissen Grad die Vorurteile Seiner Feinde teilten. Sicher ist außerdem, dass sie Ihn mehr als einen Fremden und nicht wie einen Bruder empfingen, wenn Er sich Seiner Familie vorstellte, und der Heilige Johannes sagte im positiven Sinn, „dass sie nicht an Ihn glaubten“. (Kapitel VII, 5)
Bezüglich Seiner Mutter kann keiner ihre Zärtlichkeit zu ihrem Sohn bestreiten. Aber man muss auch zugeben, dass sie anscheinend keine richtige Vorstellung von Seiner Mission gehabt hat, weil man nie gesehen hat, dass sie Seinen Lehren folgte noch für Ihn Zeugnis ablegte, wie es Johannes der Täufer gemacht hat; bei ihr war die mütterliche Fürsorge vorherrschend. Im Hinblick auf Jesus anzunehmen, dass Er Seine Mutter verleugnet hätte, würde bedeuten, Seinen Charakter zu verkennen; ein solcher Gedanke hätte zu demjenigen keinen Zugang finden können, der gesagt hat: „Ehre deinen Vater und deine Mutter.“ Man muss daher eine andere Bedeutung für Seine Worte finden, die fast immer unter allegorischen Bildern verhüllt waren.
Jesus ließ keine Gelegenheit außer Acht, zu lehren. Er nutzte daher jenen Anlass, der Ihm die Ankunft Seiner Familie bot, um den Unterschied klarzumachen, der zwischen der physischen und geistigen Verwandtschaft besteht.
Die physische und die geistige Verwandtschaft
Die Geister, die sich in einer gleichen Familie inkarnieren, insbesondere als nahe Verwandte, sind meistens sympathisierende Geister, verbunden durch vorherige Beziehungen, die sich während des irdischen Lebens durch Zuneigung ausdrücken; aber es kann auch vorkommen, dass diese Geister sich untereinander vollkommen fremd sind, ebenso durch vorherige Antipathien getrennt, die sich in gleicher Weise durch ihre Gegnerschaft auf Erden ausdrücken, um ihnen als Prüfung zu dienen. Die wahren Familienbande sind also nicht jene der Blutsverwandtschaft, sondern die der Sympathie und der Übereinstimmung der Gedanken, die die Geistwesen vor, während und nach ihrer Inkarnation vereinigen. Daraus folgt, dass zwei Wesen, die von verschiedenen Eltern geboren wurden, innigere Brüder durch den Geist sein können, als wenn sie es durch das Blut wären. Sie können sich anziehen, sich suchen, sich gegenseitig gefallen; während zwei blutsverwandte Brüder sich abstoßen können, wie wir es täglich erleben; ein moralisches Problem, das nur der Spiritismus durch die Pluralität der Existenzen lösen konnte. (Kapitel IV, Nr. 13)
Es gibt also zwei Arten von Familien: Die Familie durch die geistigen Bande und die Familie durch die physischen Bande. Die erste dauerhaft, stärkt sich durch die Läuterung und verewigt sich in der geistigen Welt durch die verschiedenen Wanderungen der Seele. Die zweite, zerbrechlich wie die Materie, stirbt mit der Zeit aus und löst sich sehr oft moralisch auf, sogar schon im jetzigen Leben. Dies wollte Jesus zu verstehen geben, indem Er seinen Jüngern sagte: „Hier sind meine Mutter und meine Geschwister, das heißt, meine Familie durch die geistigen Bande, denn jeder, der den Willen meines Vaters erfüllt, der im Himmel ist, der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter.“
Die Feindseligkeit Seiner Brüder und Schwestern wird in den Berichten des Apostels Markus ganz deutlich aufgezeigt, weil er doch sagt, dass sie die Absicht hatten, sich Seiner zu bemächtigen, unter dem Vorwand, dass Er von Sinnen wäre. Bei der Ankündigung ihrer Ankunft, und da Er ihre Gefühle Ihm gegenüber kannte, war es selbstverständlich, dass Er aus der geistigen Sicht bezüglich Seiner Jünger sagte: „Das sind meine wahren Brüder und Schwestern“. Obwohl Seine Mutter sie begleitete, verallgemeinerte Er die Lehre, was auf keinen Fall bedeutet, dass Er beabsichtigte zu sagen, dass Seine leibliche Mutter ihm als Geist nichts bedeuten würde und dass sie für ihn gleichgültig wäre. Sein Verhalten bei anderen Gelegenheiten hat ausreichend das Gegenteil bewiesen.
Unterweisungen der geistigen Welt
Die Undankbarkeit der Kinder und die Familienbande
Wenn eine Seele die Erde verlässt, nimmt sie die Leidenschaften und Tugenden, die ihrer Natur innewohnen, mit sich in die geistigen Sphären, in denen sie entweder fortschreitet oder solange stehen bleibt, bis sie das Bedürfnis nach dem Licht verspürt. Einige haben großen Hass und unbefriedigte Vergeltungswünsche mit sich genommen; aber einige davon, entwickelter als die anderen, ist es erlaubt, etwas von der Wahrheit zu erahnen. Sie erkennen die verhängnisvollen Auswirkungen ihrer Leidenschaften und fassen daher gute Entschlüsse; sie verstehen, dass es – um zu Gott zu gehen – nur ein Passwort gibt: die Nächstenliebe. Es gibt daher keine Nächstenliebe ohne die Schmähungen und Beleidigungen zu vergessen; keine Nächstenliebe mit Hass im Herzen und ohne Vergebung.
Also beobachten sie mit unglaublichen Anstrengungen jene, die sie auf der Erde gehasst haben; aber bei diesem Anblick erwacht ihre Feindschaft erneut. Sie empören sich bei dem Gedanken zu vergeben, noch mehr als bei dem Gedanken sich selber aufzugeben, jenem Gedanken vor allem, dass sie jene lieben sollen, die vielleicht ihr Vermögen, ihre Würde, ihre Familie zerstört haben. Das Herz dieser Unglücklichen ist allerdings erschüttert; sie zögern, schwanken durch ihre widersprüchlichen Gefühle. Falls die guten Beschlüsse überwiegen, bitten sie Gott, flehen sie die guten Geister an, ihnen in dem entscheidenden Moment der Prüfung Kraft zu geben.
Schließlich, nach einigen Jahren der Meditation und der Gebete, beseelt der Geist einen Körper, der sich in einer Familie entwickelt, die er gehasst hat, und bittet die Geister, die damit beauftragt sind, höhere Anweisungen zu übermitteln, auf dass er auf der Erde das Schicksal dieses im Entstehen befindlichen Körpers erfüllt. Wie wird dann sein Verhalten in dieser Familie sein? Es hängt mehr oder weniger vom Durchhalten seiner guten Entschlüsse ab. Der ständige Kontakt mit Menschen, die er gehasst hat, ist eine grausame Prüfung, der er manchmal unterliegt, wenn sein Wille nicht stark genug ist. Je nachdem also, wie der gute oder schlechte Entschluss überwiegt, wird er Freund oder Feind derjenigen sein, in deren Mitte er zu leben gerufen wurde. Daher erklären sich solcher Hass, solche instinktive Zurückweisung, die man bei manchen Kindern bemerkt und die keine vorherige Handlung zu rechtfertigen scheinen. In dieser Existenz hat tatsächlich nichts diese Antipathie hervorrufen können. Um diese Ursache zu verstehen, muss man seinen Blick auf vergangenes Leben werfen.
Spiritisten! Versteht jetzt die große Rolle der Menschheit; versteht, dass, wenn ihr einen Körper zeugt, die Seele, die in ihm inkarniert, aus der geistigen Sphäre kommt, um fortzuschreiten. Erkennt eure Pflichten und setzt eure ganze Liebe daran, diese Seele näher zu Gott zu bringen: Dies ist der euch anvertraute Auftrag, und ihr werdet eure Belohnung empfangen, wenn ihr ihn treu erfüllt. Eure Fürsorge, die Erziehung, die ihr ihm gebt, wird zu seiner Verbesserung und seinem zukünftigen Wohlergehen beitragen. Denkt daran, dass Gott jeden Vater, jede Mutter fragen wird: „Was habt ihr aus dem Kind gemacht, das ich euch anvertraut habe?“ Wenn es durch eure Schuld zurückgeblieben ist, werdet ihr es zu eurer Bestrafung unter den leidenden Geistern sehen, denn es hing von euch ab, dass es stattdessen glücklich sein könnte.
Ihr selber, dann von Schuldgefühlen geplagt, werdet dann darum bitten, eure Fehler wieder gutmachen zu dürfen; ihr werdet für euch und für es um eine erneute Inkarnation bitten, bei der ihr es mit besserer Fürsorge umgeben werdet, und bei der es euch voller Dankbarkeit dafür mit seiner Liebe umgibt.
Weist daher nicht das Kind in der Wiege ab, das seine Mutter zurückstößt noch jenes, das euch Undankbarkeit erweist; es ist nicht der Zufall, der es so gemacht hat und es euch gegeben hat. Eine unvollkommene Ahnung der Vergangenheit enthüllt sich und daraus könnt ihr folgern, dass der eine oder andere schon viel gehasst hat oder beleidigt wurde; dass der eine oder andere gekommen ist, um zu vergeben oder zu büßen. Mütter! Umarmt daher das Kind, das euch Kummer bereitet und sagt euch selbst: „Einer von uns beiden war schuldig.“ Verdient euch die göttlichen Freuden, die Gott der Mutterschaft beifügt, indem ihr diesem Kind lehrt, dass es auf der Erde ist, um sich zu verbessern, zu lieben und zu segnen. Aber leider, wie viele unter euch, anstatt durch die Erziehung die schlechten, von vorherigen Existenzen stammenden, angeborenen Neigungen zu beseitigen, erhaltet und entwickelt ihr gerade diese Neigungen weiter durch eine schuldhafte Schwäche und Nachlässigkeit, und später wird euer Herz durch die Undankbarkeit eurer Kinder verletzt, was für euch schon in diesem Leben der Beginn eurer Buße sein wird.
Die Arbeit ist nicht so schwer wie sie euch scheint. Sie erfordert nicht das Wissen der Welt. Sowohl der Unwissende wie der Gelehrte kann sie erfüllen, und der Spiritismus erleichtert sie zu tun, indem er die Ursache der Unvollkommenheit des menschlichen Herzens erklärt.
Von der Wiege an zeigt das Kind die guten und schlechten Neigungen, die es von seiner vorherigen Existenz mitbringt. Die Eltern sollen sich befleißigen, sie zu beobachten. Alle Übel entstammen dem Egoismus und dem Hochmut. Beobachtet also die kleinsten Anzeichen, die den Keim dieser Laster erkennen lassen, und bemüht euch sie zu bekämpfen, ohne zu warten, bis sie tiefere Wurzeln geschlagen haben. Macht es wie der gute Gärtner, der die schlechten Knospen entfernt, sobald er sie am Baum entdeckt. Wenn ihr den Egoismus und Hochmut sich entwickeln lasst, wundert euch nicht, wenn ihr später mit Undankbarkeit bezahlt werdet. Wenn die Eltern alles getan haben, was sie für den moralischen Fortschritt ihrer Kinder tun müssen, ohne Erfolg zu haben, müssen sie sich nicht selbst beschuldigen und ihre Gewissen können ruhig bleiben. Was den verständlichen Kummer angeht, den ihr wegen des Misserfolgs eurer Bemühungen empfindet, reserviert euch Gott einen großen, unermesslichen Trost durch die Sicherheit, dass dies nur eine Verzögerung ist, und dass euch in einer anderen Existenz ermöglicht wird, die begonnene Arbeit zu beenden und dass euch eines Tages der undankbare Sohn mit seiner Liebe belohnen wird.
Gott gibt keine Prüfung, die über die Kraft desjenigen hinausgeht, der um sie bittet; ER erlaubt nur die, die erfüllt werden können. Wenn dies nicht gelingt, geschieht es nicht aus Mangel an Möglichkeiten, sondern an Willen. Denn wie viele Menschen gibt es, die anstatt den schlechten Trieben zu widerstehen, Gefallen an ihnen finden: auf diese warten Weinen und Zähneknirschen in ihren nächsten Inkarnationen. Bewundert aber die Güte Gottes, der der Reue nie die Tür verschließt. Der Tag wird kommen, an dem der Schuldige es müde sein wird zu leiden, an dem sein Hochmut endlich besiegt sein wird, und dann wird Gott SEINE väterlichen Arme für den verlorenen Sohn öffnen, der sich zu SEINEN Füßen wirft. Große Prüfungen – versteht mich richtig – sind fast immer Anzeichen vom Ende des Leidens und von einem Fortschritt des Geistes, sofern sie gemäß dem Willen Gottes angenommen werden. Dies ist ein bedeutender Moment, und gerade bei diesem ist es wichtig, dass man sich nicht murrend dagegen auflehnt, wenn man die Früchte der Prüfung nicht verlieren und wieder von vorne anfangen möchte. Anstatt euch zu beklagen, bedankt euch bei Gott, der euch die Gelegenheit zu siegen gibt, um euch den Preis des Sieges zu geben. Wenn ihr dann aus dem Wirbel der irdischen Welt herausgegangen seid und in die geistige Welt eintretet, werdet ihr dort wie ein Soldat bejubelt, der aus der Mitte eines Kampfes siegreich hervorging.
Die schmerzlichsten aller Prüfungen sind die, die das Herz betrüben. Einer, der mit Mut das Elend und die materiellen Entbehrungen erträgt, zerbricht unter dem Gewicht des häuslichen Kummers, verwundet durch die Undankbarkeit der Seinen. Oh! Was ist dies für eine schmerzliche Beklemmung. Was kann aber unter diesen Umständen besser den moralischen Mut wieder aufrichten, als das Wissen über die Ursachen des Bösen und die Sicherheit, dass es bei seelischen Schmerzen – auch wenn sie lange Zeit bestehen – keine ewigen Verzweiflungen gibt, weil es nicht Gottes Wille sein kann, dass SEINE Geschöpfe unaufhörlich leiden? Was gibt es Trostvolleres, Ermutigenderes, als den Gedanken, dass es von einem selber, von seinen eigenen Bemühungen abhängt, das Leid zu verkürzen, und zwar durch die Vernichtung der Ursachen des Bösen in sich selber? Aber dazu darf der Mensch seinen Blick nicht allein auf die Erde fixieren und nicht nur eine Existenz sehen. Es ist nötig sich zu erheben und in der Unendlichkeit der Vergangenheit sowie der Zukunft zu schweben. Die große Gerechtigkeit Gottes wird sich euch dann zeigen, und ihr wartet geduldig, weil euch nun klar wird, was euch auf der Erde noch als Ungeheuerlichkeit erschien. Die Wunden, die ihr dort bekommen habt, werden euch nur noch als Kratzer erscheinen. Durch diesen auf die Gesamtheit geworfenen Blick, zeigen sich die Familienbande in ihrem wahren Sinn: Es sind nicht mehr die vergänglichen Bande der Materie, die ihre Mitglieder binden, sondern die dauerhaften Bande der Geister, die sich verewigen und durch die Läuterungsprozesse festigen, anstatt durch die Reinkarnation zu zerbrechen.
Die Geister, deren Ähnlichkeit in ihrem Geschmack, in der Übereinstimmung des moralischen Fortschritts und in der Zuneigung sie dazu veranlassen, sich zu vereinigen, bilden Familien. Diese gleichen Geister suchen sich auf ihren irdischen Wanderschaften, um sich zu gruppieren, wie sie es in den geistigen Sphären auch tun; von daher entstehen die geeinten und homogenen Familien. Und wenn sie auf ihrer Wanderschaft vorübergehend getrennt sind, treffen sie sich später wieder, glücklich über ihre neuen Fortschritte. Da sie aber nicht nur für sich selbst arbeiten sollen, erlaubt Gott, dass weniger entwickelte Geister unter ihnen reinkarnieren, damit diese, im Interesse ihres eigenen Fortschritts, Ratschläge und gute Beispiele erhalten können. Manchmal verursachen sie Unruhe, aber gerade dort ist die Prüfung und darin besteht die Aufgabe. Empfangt sie also als Brüder und Schwestern. Helft ihnen! Später, in der geistigen Welt, wird sich die Familie darüber freuen, die Schiffbrüchigen gerettet zu haben, die ihrerseits auch andere retten können. (Sankt Augustin, Paris, 1862)
KAPITEL XV - Außerhalb der Nächstenliebe gibt es kein Heil
Was der Geist braucht, um gerettet zu werden. Das Gleichnis vom guten Samariter
Dann wird der König zu denen zu Seiner Rechten sagen: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmt Besitz von dem Reich, das für euch seit Anbeginn der Welt bereitgehalten wurde. – Denn ich war hungrig und ihr habt mich gespeist; ich war durstig und ihr habt mich getränkt; ich benötigte Unterkunft und ihr habt mich beherbergt; ich war nackt und ihr habt mich bekleidet; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“
Dann werden Ihm die Gerechten antworten: „Herr, wann sahen wir Dich hungrig und haben Dich gespeist? oder durstig und haben Dich getränkt? – Wann sahen wir Dich ohne Unterkunft und haben Dich beherbergt? oder nackt und haben Dich bekleidet? – Wann sahen wir Dich krank oder im Gefängnis und haben Dich besucht?“ – Der König wird ihnen antworten: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Danach wird Er zu denen auf Seiner linken Seite sagen: „Geht hinweg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist! – Denn ich war hungrig, und ihr habt mich nicht gespeist; ich war durstig, und ihr habt mich nicht getränkt; ich war ohne Unterkunft, und ihr habt mich nicht beherbergt; ich war nackt, und ihr habt mich nicht bekleidet; ich war krank und im Gefängnis, und ihr habt mich nicht besucht.“
Dann werden auch sie antworten: „Herr, wann sahen wir Dich hungrig oder durstig, ohne Unterkunft oder nackt, krank oder im Gefängnis und haben dir nicht geholfen?“ – Dann wird Er ihnen antworten: „Wahrlich, ich sage euch: was ihr einem dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“
Und diese werden in die ewige Qual gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben. (Matthäus, Kap. XXV, 31-46)
Jener aber stellte sich, als wäre er ein Gerechter und fragte weiter: „Wer ist denn mein Nächster?“ – Jesus ergriff das Wort und sagte zu ihm: „Ein Mensch ging von Jerusalem nach Jericho hinab und fiel Räubern in die Hände. Diese plünderten ihn aus, schlugen ihn blutig und ließen ihn halbtot liegen. – Danach ging ein Priester jene Straße hinab, sah ihn und ging vorüber. – Ebenso kam auch ein Levit an diesen Ort, sah ihn und ging ebenfalls vorüber. – Ein Samariter aber, der reiste, kam gleichfalls an diesen Ort, und als er diesen Mann sah, erbarmte er sich seiner. – Er trat zu ihm, goss Öl und Wein in seine Wunden und verband sie, hob ihn auf sein Pferd, brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. – Am folgenden Tag nahm er zwei Denare heraus, gab sie dem Wirt und sagte: ‚Pflege ihn! und was du mehr aufwenden wirst, will ich dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.‘ Welcher von diesen dreien erscheint dir der Nächste dessen gewesen zu sein, der den Räubern in die Hände gefallen war?“ – Der Schriftgelehrte antwortete: „Der, welcher ihm die Barmherzigkeit erwiesen hat.“ – Jesus sprach zu ihm: „Geh auch du hin und tu desgleichen!“ (Lukas, Kap. X, 25-37)
In der Schilderung, die Jesus vom Jüngsten Gericht gibt, muss man, wie bei vielen anderen Dingen, das Bildliche vom Allegorischen trennen. Den Menschen, zu denen Er sprach und die noch nicht fähig waren, rein spirituelle Zusammenhänge zu verstehen, musste Er materielle Bilder aufzeigen, die ergreifend waren und beeindrucken konnten. Um besser verstanden zu werden, durfte Er sich bezüglich der Form nicht zu weit von den damals bestehenden Anschauungen entfernen; deshalb überlässt Er der Zukunft die wahre Interpretation Seiner Worte und der Themen, die Er noch nicht klar ausdrücken konnte. Aber neben diesem allegorischen und figurativen Teil der Schilderung gibt es einen dominierenden Grundgedanken: – Die Glückseligkeit, die auf den Gerechten wartet, und das Unglück, das für den Bösen reserviert ist.
Aber, was sind die Entscheidungsgründe für das Urteil des Jüngsten Gerichts? Worauf bezieht sich die Untersuchung? Fragt der Richter danach, ob diese oder jene Formalität erfüllt worden ist, ob diese oder jene äußere Handlung mehr oder weniger durchgeführt wurde? Nein, er wird einzig und allein danach fragen: ob man die Nächstenliebe praktiziert hat, und er wird sein Urteil folgendermaßen aussprechen: „Ihr, die ihr euren Geschwistern geholfen habt, geht nach rechts. Ihr, die ihr ihnen gegenüber hart gewesen seid, geht nach links. Wird er sich nach der Orthodoxie des Glaubens erkundigen? Macht Er irgendeinen Unterschied zwischen denen, die auf die eine oder die andere Art und Weise glauben? Nein, denn Jesus setzt den als ketzerisch angesehenen Samariter, der den Nächsten liebt, über den Rechtgläubigen, dem es an Nächstenliebe mangelt. Er sieht daher die Nächstenliebe nicht nur als eine der Voraussetzungen zur Rettung, sondern als die einzige Voraussetzung. Wenn noch andere zu erfüllen wären, hätte Er auf sie hingewiesen. Wenn Er die Nächstenliebe an die erste Stelle unter den Tugenden setzt, bedeutet das, dass sie selbstverständlich alle anderen beinhaltet: die Demut, die Sanftmut, das Wohlwollen, die Nachsicht, die Gerechtigkeit usw., und auch, weil die Nächstenliebe die absolute Verneinung des Stolzes und des Egoismus ist.
Das größte Gebot
Notwendigkeit der Nächstenliebe, gemäß Paulus
Die Nächstenliebe ist nicht neidisch, sie ist weder verwegen noch hastig, sie bläht sich nicht auf, sie ist nicht überheblich und sie sucht nicht ihre eigenen Vorteile, sie lässt sich weder verbittern noch reizen, sie misstraut nicht, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber über die Wahrheit, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.
Nun aber bleiben diese drei Tugenden: Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe, die allergrößte unter diesen aber ist die Nächstenliebe. (Paulus, Erster Brief des Apostels Paulus an die Korinther, Kap. XIII, 1-7 und 13)
Er tut noch mehr: Er definiert die wahre Nächstenliebe, indem er sie nicht nur in der Wohltätigkeit zeigt, sondern auch in der Vereinigung aller Herzenstugenden, in der Güte und in dem Wohlwollen dem Nächsten gegenüber.
Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil. Außerhalb der Wahrheit gibt es kein Heil.
Unterweisungen der geistigen Welt
Außerhalb der Nächstenliebe gibt es kein Heil
Meine Freunde, dankt Gott, der es euch erlaubt hat, euch an dem Licht des Spiritismus erfreuen zu können; nicht dass nur diejenigen, die es besitzen, allein gerettet werden können, sondern dass es aus euch bessere Christen macht, indem es euch die Lehre Christi besser zu verstehen hilft. Macht also, dass man sagen kann, wenn man euch betrachtet, dass der wahre Spiritist und der wahre Christ ein und dasselbe sind, denn all jene, die die Nächstenliebe praktizieren, sind Jünger Jesu, egal welcher Glaubensrichtung sie angehören. (Apostel Paulus, Paris, 1860)
KAPITEL XVI - Man kann nicht Gott und dem Mammon gleichzeitig dienen
Rettung der Reichen
Der junge Mann erwiderte Ihm: „Ich habe alle diese Gebote von meiner Jugend an befolgt; was fehlt mir noch?“ Jesus sprach zu ihm: „Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe was du hast und gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben, und dann komm und folge mir nach.“ Der junge Mann hörte diese Worte und wurde sehr traurig, denn er besaß viele Güter. – Jesus wandte sich zu Seinen Jüngern und sagte: „Wahrlich, ich sage euch, es ist sehr schwer für einen Reichen, in das Reich Gottes zu kommen. Ich sage euch nochmals: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt *.“ (Matthäus, Kap. XIX, 16-24; Lukas, Kap. XVIII, 18-25; Markus, Kap. X, 17-25)
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* Diese verwegene Darstellung kann ein bisschen übertrieben erscheinen, denn man kann nicht erkennen, welchen Zusammenhang es gibt zwischen einem Kamel und einer Nadel. Es kommt daher, dass auf Hebräisch das gleiche Wort gebraucht wird, um eine Kordel und ein Kamel zu bezeichnen. Bei der Übersetzung hat man ihm diese letzte Bedeutung gegeben; aber Jesus hat wahrscheinlich an die erste Bezeichnung gedacht; sie ist zumindest natürlicher.
Sich vor der Habgier hüten
Und Er erzählte ihnen daraufhin folgendes Gleichnis: „Es gab einen reichen Mann, dessen Ländereien hervorragende Ernten hervorgebracht hatten, dieser redete mit sich selbst: ‚Was soll ich tun, da ich nicht genug Platz habe, wo ich alles lagern kann, was ich ernten werde?‘. Ich werde Folgendes tun‘, sagte er, ‚ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen und dort lagere ich meine ganze Ernte und alle meine Güter, und ich werde zu meiner Seele sagen: Meine Seele, du hast viele Güter vorrätig für viele Jahre; ruh dich aus, iss, trink, sei fröhlich.‘ – Aber Gott sprach alsdann zu diesem Mann: ‚Wie unsinnig du bist! Man wird dir noch in dieser Nacht deine Seele wegnehmen, und für wen sind die Sachen, die du angehäuft hast?‘ So geschieht es mit demjenigen, der für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist. (Lukas, Kap. XXI, 13-21)
Jesus bei Zachäus
Zachäus aber trat zu Jesus hin und sagte: „Herr, die Hälfte meines Besitzes gebe ich den Armen, und wenn ich irgendjemandem Unrecht getan habe, wodurch auch immer, gebe ich es ihm vierfach zurück.“ – Da sprach Jesus zu ihm: „Diesem Haus ist heute Heil widerfahren, denn auch du bist ein Sohn Abrahams. Der Menschensohn ist gekommen, um das, was verloren war, zu suchen und zu retten.“(Lukas, Kap.XIX,1-10)
Das Gleichnis vom bösen Reichen
Es begab sich aber, dass der Arme starb und dass er von den Engeln in Abrahams Schoss getragen wurde. Der Reiche starb auch und das Grab wurde ihm zur Hölle. Als er im Totenreich, von Qualen geplagt, seine Augen erhob, sah er Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoss. Er schrie auf und sagte: „Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus zu mir, damit er die Spitze eines Fingers ins Wasser tauche, um meine Zunge zu kühlen, denn ich erleide grauenhafte Qualen in diesen Flammen.“
Aber Abraham antwortete ihm: „Mein Sohn, erinnere dich daran, dass du in deinem Leben dein Gutes empfangen hast und Lazarus nichts anderes, als das Übel hatte; deshalb wird er jetzt getröstet und du erleidest Qualen.
Außerdem gibt es zwischen uns und dir für immer eine große Kluft; so dass diejenigen, die von hier zu dir hinübergehen wollen, das nicht können, so wie auch niemand von dem Ort, wo du dich befindest, nach hier kommen kann. “
Daraufhin sagte der Reiche: „Ich flehe dich an, Vater Abraham, sende ihn in das Haus meines Vaters, wo noch fünf Brüder von mir leben, auf dass er ihnen von diesen Dingen Zeugnis geben kann, damit sie nicht auch an diesen Ort der Qualen kommen.“ – Abraham erwiderte ihm: „Sie haben Moses und die Propheten; auf die sollen sie hören.“ – „Nein, mein Vater Abraham, sagte der Reiche, aber wenn einer von den Toten zu ihnen geht, dann werden sie Buße tun.“ – Abraham antwortete ihm: „Wenn sie weder auf Moses noch auf die Propheten hören, werden sie auch nicht daran glauben, selbst wenn einer von den Toten auferstehen würde. (Lukas, Kap. XVI, 19-31)
Das Gleichnis von den Talenten
Derjenige, der fünf Talente empfangen hatte, ging fort, handelte mit diesem Geld und gewann fünf andere. Ebenso gewann derjenige, der zwei Talente empfangen hatte, zwei andere. Derjenige aber, der nur ein Talent empfangen hatte, ging hin, machte eine Grube in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn.
Nach langer Zeit kam der Herr jener Knechte zurück und rechnete mit ihnen ab. Und derjenige, der fünf Talente empfangen hatte, überreichte ihm noch weitere fünf Talente und sagte: „Herr, fünf Talente hattest du mir gegeben, siehe, ich habe fünf andere Talente dazu gewonnen.“ Sein Herr sprach zu ihm: „Du guter und treuer Knecht, weil du über Weniges treu gewesen bist, werde ich dir Vieles anvertrauen, komm und nimm an der Freude deines Herrn teil.“ Auch derjenige, der zwei Talente empfangen hatte, trat herzu und sagte zu ihm: „Herr, zwei Talente hattest du mir gegeben, siehe, ich habe noch zwei weitere dazu gewonnen.“ Sein Herr sprach zu ihm: „Du guter und treuer Knecht, du bist über Weniges treu gewesen; ich will dir Vieles anvertrauen. Komm und nimm an der Freude deines Herrn teil.“ Danach trat derjenige herzu, der ein Talent empfangen hatte, und sagte ihm: „Herr, ich weiß, dass du ein harter Mensch bist; dass du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast, deshalb, und da ich mich vor dir fürchtete, habe ich dein Talent in der Erde verborgen. Siehe, ich gebe es dir nun zurück.“ –Sein Herr antwortete ihm daraufhin: „Du böser und fauler Knecht, du wusstest, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Du hättest dann mein Geld den Bankiers geben sollen, damit ich bei meiner Rückkehr das Meinige mit Zinsen hätte zurückerhalten können. Nehmt ihm das Talent ab und gebt es dem, der die zehn Talente hat. Denn jedem, der hat, wird gegeben werden, und er wird Überfluss haben. Dem aber, der nichts hat, wird auch das genommen werden, was er scheinbar besitzt, man werfe diesen unnützen Knecht hinaus in die Finsternis; dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.“ (Matthäus, Kap. XXV, 14-30)
Hilfreiche Nutzung des Vermögens. Prüfungen des Reichtums und der Armut
Als Jesus zu dem jungen Mann, der Ihn nach den Mitteln fragte, um das ewige Leben zu erreichen, sagte: „Befreie dich von allen deinen Gütern und folge mir nach“ wollte Er damit nicht den unbedingten Grundsatz festlegen, dass jeder sich von seinen Besitztümern befreien müsste und dass man die Rettung nur auf diese Weise erreichen kann, sondern zeigen, dass das Festhalten an irdischen Gütern ein Hindernis für die Rettung ist. Dieser junge Mann glaubte nämlich frei zu sein, weil er bestimmte Gebote beachtet hatte und dennoch schreckte er vor der Idee zurück, sein Vermögen aufzugeben. Sein Wunsch, das ewige Leben zu erhalten, war nicht so stark, um dieses Opfer bringen zu können.
Der Vorschlag, den Jesus ihm machte, war eine entscheidende Prüfung, um das Wesentliche seiner Gedanken offen zu legen. Er konnte zweifelsohne ein ganz ehrlicher Mann im weltlichen Sinne sein, niemandem Schaden zufügen, nichts Schlechtes über seinen Nachbarn sagen, weder eitel noch stolz sein, seinen Vater und seine Mutter ehren, aber er besaß nicht die wahre Nächstenliebe, da seine Tugend nicht bis hin zur Opferbereitschaft ging. Dieses wollte Jesus damit aufzeigen; es war die Anwendung des Grundsatzes: „Außerhalb der Nächstenliebe gibt es kein Heil“.
Die Folge dieser Worte, in ihrer wörtlichen Auslegung, wäre die Abschaffung des Reichtums, weil schädlich für das zukünftige Glück und Ursache einer Menge von Übeln auf der Erde. Sie wäre außerdem die Verurteilung der Arbeit, die ihn verschafft; eine unsinnige Folgerung, die den Mensch zum primitiven Leben zurückbringen würde und daher im Widerspruch zum Gesetz des Fortschritts wäre, welches ein Gesetz Gottes ist.
Wenn der Reichtum die Ursache vieler Übel ist, wenn er so viele schlechte Leidenschaften erweckt, wenn er sogar so viele Verbrechen verursacht, darf man nicht ihn, als Sache beschuldigen, sondern den Menschen, der ihn missbraucht, wie er auch alle Gaben Gottes missbraucht. Durch den Missbrauch macht er schädlich, was ihm sehr nützlich sein könnte. Dies ist eine Folge des minderwertigen Zustands der irdischen Welt. Wenn der Reichtum nur Übel verursachen würde, hätte Gott ihn nicht auf die Erde gegeben. Es obliegt dem Menschen, aus ihm das Gute hervorzubringen. Wenn er auch nicht ein direktes Element des moralischen Fortschritts ist, so ist er zweifellos ein mächtiges Element des intellektuellen Fortschritts.
Der Mensch hat nämlich die Aufgabe, für die materielle Verbesserung des Planeten zu arbeiten. Er soll ihn urbar machen, sanieren und bewohnbar machen, um eines Tages die ganze Bevölkerung aufnehmen zu können, die seine Fläche zulassen kann. Um diese Bevölkerung zu ernähren, die ununterbrochen zunimmt, ist es notwendig, die Produktion zu erweitern. Wenn die Produktion in einem Land nicht ausreichend ist, muss sie irgendwoanders hergeholt werden. Darum sind die Beziehungen unter den Völkern eine Notwendigkeit. Um sie leichter zu machen, muss man die materiellen Hindernisse, die sie trennen, vernichten und die Verbindungen beschleunigen. Für diese Arbeiten, die das Werk von Jahrhunderten sind, musste der Mensch die Materialien sogar aus dem Erdinneren gewinnen. Er sucht in der Wissenschaft nach Mitteln, um diese Arbeiten sicherer und schneller ausführen zu können. Aber um sie zu verwirklichen, bedarf er bestimmter Hilfsmittel: Die Notwendigkeit brachte ihn dazu, den Reichtum zu erschaffen, wie auch die Wissenschaft zu entdecken. Die Tätigkeit, die diese Arbeiten erforderlich macht, erweitert und entwickelt die Intelligenz des Menschen, und diese Intelligenz, die er zuerst auf die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse konzentriert, wird ihm später helfen, die großen moralischen Wahrheiten zu verstehen. Der Reichtum ist das wichtigste Hilfsmittel zur Ausführung von allem; ohne ihn gäbe es keine großen Arbeiten, keine Tätigkeit, weder Ansporn noch Forschung. Der Reichtum wird also mit Recht als ein Element des Fortschritts angesehen.
Ungleichheit der Reichtümer
Wenn man dies gelten lässt, fragt man sich, warum Gott den Reichtum Leuten gibt, die unfähig sind, ihn zum Wohle aller nützlich zu machen. Jedoch gibt es hier einen Beweis der Weisheit und Güte Gottes. Indem ER dem Menschen den freien Willen gab, wollte ER, dass der Mensch durch seine eigene Erfahrung den Unterschied zwischen Gut und Böse erkennen lernt und dass die Ausübung des Guten das Ergebnis seiner Bemühungen und seines eigenen Willens war. Er soll weder durch Zwang zum Guten noch zum Bösen geführt werden, sonst wäre er nur ein passives und verantwortungsloses Instrument, wie die Tiere. Der Reichtum ist ein Mittel, ihn moralisch zu prüfen. Da aber der Reichtum gleichzeitig ein mächtiges Mittel zur Erlangung des Fortschritts ist, möchte Gott nicht, dass er lange Zeit unproduktiv bleibt, daher verlagert ER ihn ständig. Jeder soll ihn einmal besitzen, um auszuprobieren, sich seiner zu bedienen und zu beweisen, welchen Gebrauch er davon machen kann. Da es aber praktisch unmöglich ist, dass ihn alle gleichzeitig besitzen und außerdem niemand mehr arbeiten würde, falls alle Menschen ihn besäßen, und die Verbesserung der Welt darunter leiden würde. Jeder besitzt ihn zu seiner Zeit. Wer ihn daher heute nicht besitzt, hat ihn schon gehabt oder wird ihn in einer anderen Existenz besitzen; und wer ihn heute besitzt, kann ihn morgen nicht mehr besitzen. Es gibt Reiche und Arme; und da Gott gerecht ist, soll jeder zu seiner Zeit arbeiten. Die Armut ist für einige die Prüfung der Geduld und des Verzichtes; der Reichtum ist für andere die Prüfung der Nächstenliebe und der Opferbereitschaft.
Mit Recht beklagt man den bedauerlichen Gebrauch, den einige Menschen von ihrem Reichtum machen; die abscheulichen Leidenschaften, die die Habgier verursacht, und man fragt sich, ob Gott gerecht ist, indem ER solchen Menschen den Reichtum gibt. Gewiss ist, dass, wenn der Mensch nur eine Existenz hätte, nichts diese Verteilung der irdischen Güter rechtfertigen würde; wenn man aber die Gesamtheit der Existenzen betrachtet – anstatt den Blick auf das gegenwärtige Leben zu begrenzen – sieht man, dass sich alles mit Gerechtigkeit ausgleicht. Der Arme hat dann weder einen Grund die Vorsehung zu beschuldigen noch den Reichen zu beneiden; und die Reichen haben auch keinen Grund mehr, sich mit dem zu rühmen, was sie besitzen. Falls sie ihn missbrauchen, wird man weder mit Verordnungen noch mit übertriebenen Gesetzen den Schaden beheben. Die Gesetze können vorübergehend das Äußere verändern, sie können aber nicht das Herz verändern; deswegen sind sie von einer kurzen und vorübergehenden Dauer und auf sie folgt immer eine zügellose Reaktion. Der Ursprung des Übels liegt im Egoismus und im Hochmut. Die Missbräuche aller Art werden aufhören, wenn die Menschen sich nach dem Gesetz der Nächstenliebe richten.
Unterweisungen der geistigen Welt
Das wahre Eigentum
Dem Reisenden, der in einer Herberge ankommt, gibt man die beste Unterbringung, wenn er sie bezahlen kann. Demjenigen, der wenig Geld hat, gibt man eine weniger angenehme Unterbringung; und derjenige, der nichts hat, schläft auf dem Stroh. So geschieht es mit dem Menschen, wenn er in der geistigen Welt ankommt: Sein Platz hängt von seiner Habe ab, aber diesen bezahlt er nicht mit Gold. Man wird ihn nicht fragen: Wie viel hattest du auf der Erde? Welche Position besaßest du? Warst du ein Prinz oder ein Handwerker? Man wird ihn aber fragen: Was bringst du mit? Weder der Wert seines Vermögens noch seiner Titel werden angerechnet, sondern die Summe seiner Tugenden. Nun, bei dieser Rechnung kann der Handwerker reicher sein als der Prinz. Vergeblich wird er argumentieren, dass er vor seiner Abreise den Eintritt in den Himmel mit Gold bezahlt hat. Man wird ihm antworten: „Die Positionen hier werden nicht gekauft; diese verdient man durch das Gute, das man tut. Mit dem irdischen Geld konntest du dir Ländereien, Häuser, Paläste kaufen, aber hier bezahlt man nur mit den Eigenschaften des Herzens. Bist du reich an diesen Eigenschaften? – Sei willkommen, und gehe zum ersten Platz, wo alle Glückseligkeit auf dich wartet. Bist du arm an diesen Eigenschaft? – Gehe zum letzten Platz, wo du gemäß deiner Habe behandelst wirst.“ (Pascal, Genf 1860)
Ihr werdet vielleicht sagen, dass dies hinsichtlich des geerbten Vermögens verständlich ist, aber nicht hinsichtlich desjenigen, das man durch seine Arbeit erworben hat. Ohne Zweifel, wenn es ein legitimes Vermögen gibt, ist es dieses Letzte, sofern es ehrlich erworben wurde, denn ein Besitz wurde nur dann rechtmäßig erworben, wenn durch seinen Erwerb niemand Schaden erlitten hat. Rechenschaften werden gefordert, auch für einen einzigen Heller, der zum Nachteil von anderen erworben wurde. Aber folgt aus der Tatsache, dass jemand nur sich selbst den Reichtum, den er besitzt, zu verdanken hat, dass er beim Sterben mehr davon mitnehmen kann? Sind es nicht oft zwecklose Maßnahmen, die er trifft, um ihn seinen Nachkommen zu übertragen? Gewiss, denn falls Gott es nicht möchte, dass der Reichtum ihnen zukommen soll, kann nichts gegen SEINEN Willen den Sieg davontragen. Kann es sein, dass der Mensch während seines Lebens von seinem Vermögen Gebrauch und Missbrauch machen kann, ohne Rechenschaft darüber ablegen zu müssen? Nein! Indem Gott es ihm erlaubte, den Reichtum zu erwerben, wollte ER während dieser irdischen Existenz seine Bemühungen, seinen Mut, seine Beharrlichkeit belohnen. Wenn er es aber nur zur Befriedigung seiner Sinne oder seines Stolzes benutzte, wenn der Reichtum ein Grund für seinen Verfall geworden ist, wäre es besser für ihn gewesen, diesen nicht besessen zu haben. Er verliert auf einer Seite, was er auf der anderen gewonnen hat, und so annulliert er das Verdienst seiner Arbeit. Wenn er dann die Erde verlässt, wird Gott ihm sagen, dass er seine Belohnung schon bekommen hat. (M., Schutzgeist, Brüssel, 1861)
Anwendung des Reichtums
Welche ist dann die bessere Verwendung, die man von dem Vermögen machen kann? Sucht bei diesen Worten die Lösung des Problems: „Liebt einander“, denn hier liegt das Geheimnis, sein Vermögen gut zu verwenden. Derjenige, der von der Liebe zum Nächsten erfüllt ist, der hat den Weg gefunden, wie er sich verhalten soll. Die Anwendung, die Gott am meisten gefällt, ist die Nächstenliebe; nicht diese kalte und egoistische Nächstenliebe, die aus der Verteilung von überflüssigen Dingen aus einem goldenen Leben heraus besteht, sondern jene Nächstenliebe, die voller Liebe ist, die das Unglück sucht und es beseitigt, ohne den Nächsten zu demütigen.
Reicher, gib von deinem Überfluss; oder mach es noch besser: Gib von deinem Notwendigsten, weil dein Notwendiges schon Überfluss ist; aber gib mit Weisheit. Weise die Leidenden nicht zurück, aus Angst betrogen zu werden, sondern suche die Quelle des Übels. Hilf zuerst, informiere dich anschließend, und sieh, ob die Arbeit, die Ratschläge und sogar die Zuneigung nicht wirksamer wären als deine Almosen. Verbreite um dich herum ganz ungezwungen die Liebe zu Gott, die Liebe zur Arbeit, die Liebe zum Nächsten. Setz dein Vermögen auf eine solide Basis, die niemals verloren gehen wird und dir einen grossen Gewinn einbringt: Die guten Taten. Der Reichtum an Intelligenz soll dir dienen, wie der Reichtum an Gold. Verbreite um dich herum die Schätze des Wissens; verbreite unter deinen Brüdern und Schwestern die Schätze der Liebe, und sie werden Früchte tragen. (Cheverus, Bordeaux, 1861)
Der Reichtum, der sich in einer Hand befindet, soll wie eine Quelle fließenden Wassers sein, die Fruchtbarkeit und Wohlergehen um sich herum verbreitet. Oh, ihr Reichen, die ihr euern Reichtum entsprechend den Wünschen Gottes verwendet, ihr werdet die ersten sein, die den Durst des Herzens an dieser wohltuenden Quelle stillen werden. Ihr werdet in diesem Leben die unaussprechlichen Genüsse der Seele erleben, statt der materiellen Genüsse des Egoisten, die in seinem Herzen nur eine Leere zurücklassen. Euer Name wird auf der Erde gesegnet werden, und wenn ihr sie verlasst, wird der allmächtige Gott euch – wie im Gleichnis der Talente – sagen: „Guter und treuer Diener, nehme an der Freude eures Herrn teil“. Ist in diesem Gleichnis nicht der Diener, der das ihm anvertraute Geld in der Erde vergräbt, das Sinnbild des Geizigen, in dessen Händen das Geld unproduktiv ist? Da Jesus allerdings prinzipiell von Almosen spricht, liegt dies daran, dass zu jener Zeit und in dem Land, in dem Er lebte, man noch nicht die Arbeiten kannte, die die Künste und die Industrie seitdem geschaffen haben, bei denen das Vermögen nützlich für das Allgemeinwohl eingesetzt werden kann. Allen, die viel oder wenig geben können, sage ich daher: „Gebt Almosen, wenn dies notwendig ist, aber verwandelt sie so weit wie möglich in Lohn um, damit derjenige, der ihn erhält, sich nicht schämt. (Fénelon, Algier, 1860)
Loslösung von den irdischen Gütern
Eure Liebe zu den irdischen Gütern ist eins der stärkeren Hindernisse für euren moralischen und geistigen Fortschritt. Durch dieses Klammern an den Besitz vernichtet ihr eure Fähigkeit zu lieben, weil ihr eure Fähigkeiten nur auf materielle Dinge ausrichtet. Seid ehrlich: Verschafft das Vermögen ein ungetrübtes Glück? Wenn eure Tresore voll sind, gibt es nicht immer eine Leere in eurem Herzen? Ist nicht immer auf dem Boden dieses Blumenkorbes eine Schlange versteckt? Ich verstehe, dass ein Mensch, der ein Vermögen durch seine beharrliche und ehrliche Arbeit errungen hat, eine gerechte Freude darüber empfindet. Aber von dieser sehr natürlichen und von Gott gebilligten Freude bis zum Festklammern am Vermögen, das jegliche anderen Gefühle absorbiert und die Impulse des Herzens lähmt, ist eine weite Spanne; ebenso weit wie vom widerlichen Geiz bis zur übertriebenen Verschwendung. Zwei Laster, zwischen die Gott die Nächstenliebe – diese heilige und heilsame Tugend – gesetzt hat, die den Reichen lehrt, ohne Prahlerei zu geben, damit der Arme, ohne sich gedemütigt zu fühlen, empfangen kann.
Ganz gleich, ob der Reichtum von eurer Familie stammt oder ob ihr ihn durch eure Arbeit erworben habt; es gibt eine Sache, die ihr niemals vergessen solltet, nämlich, dass alles von Gott kommt und zu Gott zurückkehrt. Nichts auf der Erde gehört euch, nicht einmal euer Körper: der Tod beraubt euch dieses Reichtums wie auch aller materieller Güter. Ihr seid Verwalter aber nicht Eigentümer; täuscht euch nicht darüber. Gott hat sie euch geliehen, und ihr müsst sie zurückgeben. ER leiht sie euch unter der Bedingung, dass ihr zumindest den Überschuss denen zukommen lässt, denen das Notwendigste fehlt.
Einer von euren Freunden leiht euch eine Summe; egal wie wenig ehrlich ihr seid, ihr besteht darauf, sie ihm gewissenhaft zurückzugeben und seid ihm dankbar. Dies ist die Haltung eines reichen Menschen. Gott ist der himmlische Freund, der ihm den Reichtum geliehen hat und der für sich nur die Liebe und Anerkennung des Reichen haben möchte. ER verlangt von ihm aber, dass er seinerseits den Armen gibt, weil sie genauso wie er SEINE Kinder sind.
Das Vermögen, das Gott euch anvertraut hat, erweckt eine glühende und wahnsinnige Gier in euren Herzen. Habt ihr schon darüber nachgedacht, dass ihr – wenn ihr euch unmäßig an einen vergänglichen Reichtum klammert, der genauso vorübergehend ist wie ihr selbst seid – eines Tages dem Herrn Rechenschaft ablegen müsst über das, was von IHM kam? Vergesst ihr, dass ihr durch den Reichtum die heiligen Aufgaben des Vertreters der Nächstenliebe auf der Erde übernommen habt, um den Reichtum auf intelligente Art zuteil werden lassen? Was werdet ihr sein, wenn ihr das, was euch anvertraut wurde, nur zu euren Gunsten benutzt, als ein untreuer Verwalter? Was ergibt sich aus diesem freiwilligen Vergessen eurer Pflichten? Der unbeugsame, unerbittliche Tod wird den Schleier zerreißen, unter dem ihr euch versteckt habt, und wird euch zwingen, vor dem Freund, der euch geholfen hat, Rechenschaft abzulegen und der in diesem Moment im Amt des Richters vor euren Augen erscheinen wird.
Vergeblich versucht ihr auf der Erde euch zu täuschen, indem ihr euch mit dem Namen der Tugend färbt, was sehr oft nur Egoismus ist. Vergeblich nennt ihr Sparsamkeit und Vorsorge, was nur Gier und Geiz ist, oder Edelmut, was nichts anderes ist als Verschwendung zu euren Gunsten. Ein Familienvater, zum Beispiel, der keine Nächstenliebe ausübt, wird sparen, Gold über Gold anhäufen, und dies alles, wie er sagt, um das Maximum an möglichen Gütern für seine Kinder zu hinterlassen und ihnen den Fall ins Elend zu ersparen. Das ist gerecht und sehr väterlich, ich erkenne das an, und man kann ihn nicht tadeln. Aber ist dies das einzige Motiv, das ihn leitet? Ist es nicht sehr oft ein Kompromiss mit dem eigenen Gewissen, um vor seinen eigenen Augen und den Augen der Welt seine Verhaftung mit den irdischen Gütern zu rechtfertigen? Ich gestehe allerdings auch zu, dass seine väterliche Liebe sein einziges Motiv sein könnte, aber ist dies ein Grund, um seine Brüder und Schwestern vor Gott zu vergessen? Wenn er selbst im Überfluss lebt, wird er seine Kinder im Elend hinterlassen, nur weil sie ein bisschen weniger von diesem Überfluss bekommen? Gibt er ihnen damit nicht eine Lektion des Egoismus und lässt sie ihr Herz verhärten? Wird dies nicht bei ihnen die Nächstenliebe ersticken? Väter und Mütter, ihr begeht einen großen Fehler, wenn ihr glaubt, dass ihr damit die Liebe eurer Kinder zu euch vergrößert, indem ihr eure Kinder bebringt, anderen gegenüber egoistisch zu sein, lehrt ihr sie, es auch euch gegenüber zu sein.
Wenn ein Mensch viel gearbeitet hat und mit dem Schweiß seines Angesichts Güter gesammelt hat, hört ihr ihn gewöhnlich sagen, dass man besser ihren Wert zu schätzen weiß, wenn das Geld dafür selbst verdient wurde: nichts ist wahrer. Nun gut! Wenn dieser Mann, der zugibt, den ganzen Wert des Geldes zu kennen, die Nächstenliebe gemäß seiner Möglichkeiten ausübt; wird sein Verdienst größer sein als das von demjenigen, der im Überfluss geboren wurde und die großen Anstrengungen der Arbeit nicht kennt. Falls der gleiche Mensch, der sich seiner Mühen, seiner Anstrengungen erinnert, im Gegensatz dazu egoistisch ist, hart den Armen gegenüber, dann ist er noch schuldiger als die anderen; denn je mehr man selber die versteckten Schmerzen der Armut kennt, je mehr sollte man bestrebt sein, diese bei den anderen zu lindern.
Leider gibt es bei dem besitzenden Menschen immer auch ein Gefühl, das ebenso stark ist, wie das sich klammern an den Reichtum: das des Hochmuts. Nicht selten sieht man den Emporkömmling, wie er den um Hilfe bittenden unglücklichen Menschen dadurch verwirrt, dass er ihm von seiner Arbeit und Geschicklichkeit erzählt, anstatt ihm zu helfen, und der am Ende noch zu ihm sagt: „Mach es so, wie ich es gemacht habe.“ Aus seiner Sicht hat die Güte Gottes nichts mit seinem Reichtum zu tun; nur ausschließlich ihm allein kommt das Verdienst zu. Sein Hochmut legt ihm eine Binde über die Augen und verschließt ihm seine Ohren. Trotz seiner ganzen Intelligenz und großen Geschicklichkeit begreift er nicht, dass Gott ihn mit einem einzigen Wort stürzen kann.
Den Reichtum zu verschwenden bedeutet nicht, sich von den irdischen Gütern zu lösen, sondern ist eine Missachtung und Gleichgültigkeit. Der Mensch, Verwalter dieser Güter, hat nicht das Recht, sie zu verschwenden, wie auch nicht, sie zu seiner eigenen Gunst zu vereinnahmen. Die Verschwendung ist keine Großzügigkeit, dies ist häufig eine Art des Egoismus. Jemand, der das Gold mit vollen Händen wegwirft, nur um eine Phantasie zu befriedigen, gibt oft keinen einzigen Cent, um jemandem einen Dienst zu erweisen. Die Loslösung von den irdischen Gütern besteht darin, den eigentlichen Wert des Reichtums schätzen zu wissen, diese zu Gunsten der andern einzusetzen und nicht nur für sich selber; die Interessen des zukünftigen Lebens nicht für sie aufzuopfern und sie auch ohne zu murren verlieren zu können, falls es Gott gefällt sie wegzunehmen. Falls durch unvorhergesehene Rückschläge ihr ein zweiter Hiob werdet, dann sagt wie er: „Herr, DU hast es mir gegeben und hast es mir genommen; dass DEIN Wille geschehe“. Das ist die wahre Loslösung. Seid erstens demütig; habt Vertrauen in denjenigen, der euch gegeben und genommen hat und euch wieder zurückgeben kann. Widersteht mutig der Niedergeschlagenheit, der Hoffnungslosigkeit, die eure Kraft lähmen. Vergesst nie, dass wenn Gott euch vor harten Prüfungen stellt, ER immer einen Trost beilegt. Aber denkt vor allem daran, dass diese Güter unendlich viel kostbarer sind als jene der Erde, und dieser Gedanke wird euch helfen, euch von den irdischen Gütern loszulösen. Je weniger Wert man einer Sache beimisst, je desto weniger empfindlich trifft uns ihr Verlust. Der Mensch, der sich an seine irdischen Güter hängt, ist wie ein Kind, das nur den Augenblick sieht. Derjenige, der sie loslässt, ist, ist wie der Erwachsene, der andere Dinge als wichtiger betrachtet, weil er die prophetischen Worte des Herrn versteht: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“
Der Herr befiehlt nicht, sich dessen zu entledigen, was man besitzt, um sich freiwillig zu einem Bettle zu machen, und damit zu einer Last für die Gesellschaft zu werden. So zu handeln würde bedeuten, dass man die Loslösung von den irdischen Gütern falsch verstanden hat. Dies wäre eine andere Art von Egoismus, denn es bedeutet, sich von der Verantwortung frei zu machen, die Reichtum all denen auferlegt, die ihn besitzt. Gott gibt demjenigen das Vermögen, den er für geeignet hält, es zum Nutzen aller zu verwalten. Der Reiche hat also eine Mission; eine Aufgabe, die er schön und nützlich für sich machen kann. Den Reichtum abzulehnen, wenn Gott ihn euch gibt, bedeutet auf den Nutzen des Guten zu verzichten, den man damit erreichen kann, wenn man ihn weise verwaltet. Darauf verzichten zu können, wenn man ihn nicht hat; ihn nützlich zu verwenden, wenn man ihn besitzt; ihn zu opfern, wenn dies nötig ist; dies bedeutet, gemäß den Absichten des Herrn zu handeln. Derjenige, der das bekommt, was die Welt ein gutes Vermögen nennt, möge sagen: „Mein Gott, DU hast mir eine neue Aufgabe gestellt; gib mir die Kraft sie zu erfüllen, gemäß DEINEM heiligen Willen!“
Dies ist, meine Freunde, was ich euch über die Loslösung von den irdischen Gütern lehren wollte. Kurz gefasst sage ich: Lernt, mit wenig zufrieden zu sein. Wenn ihr arm seid, beneidet nicht die Reichen, denn der Reichtum ist nicht nötig für das Glück. Wenn ihr reich seid, vergesst nicht, dass euer Vermögen euch anvertraut wurde und dass ihr seine Verwendung rechtfertigen müsst, wie bei der Abrechnung einer Vormundschaft. Seid kein untreuer Verwahrer, indem ihr ihn nur zur Befriedigung eures Stolzes und euer Sinnlichkeit benutzt. Glaubt nicht, das Recht zu haben, nur für euch persönlich darüber verfügen zu dürfen, ihr habt es nur als Darlehen bekommen und nicht als Schenkung. Wenn ihr es nicht mehr zurückgeben könnt, habt ihr kein Recht mehr, darum zu bitten, und merkt euch, dass derjenige, der den Armen gibt, die Schulden bezahlt, die er bei Gott gemacht hat. (Lacordaire, Konstantinopel, 1863)
Übertragung des Reichtums
Gewiss kann der Mensch nach seinem Tod das weitergeben, wovon er Zeit seines Lebens Nutznießer war, weil die Wirkung dieses Rechts immer von dem Willen Gottes abhängig ist, der zu verhindern weiß, wenn ER es will, dass jene Nachkommen darauf Anspruch haben. Aus diesem Grund sieht man Reichtümer, die auf solider Grundlage erschienen, zusammenbrechen. Der Wunsch des Menschen, seinen Reichtum seiner Nachkommenschaft zu erhalten, ist daher machtlos, aber es ist ihm nicht das Recht genommen, das erhaltene Darlehen weiterzugeben, Gott wird es aber wegnehmen, wenn ER das für richtig hält. (Sankt Ludwig, Paris, 1860)
KAPITEL XVII - Seid vollkommen
Charaktere der Vollkommenheit
Man soll also aus diesen Worten die relative Vollkommenheit verstehen, für die die Menschheit empfänglich ist und die sie näher an die Göttlichkeit bringt. Woraus besteht diese Vollkommenheit? Jesus sagte es: „Die Feinde lieben; das Gute denjenigen tun, die uns hassen; für die beten, die uns verfolgen.“ Er zeigt damit, dass die Essenz der Vollkommenheit die Nächstenliebe ist, in ihrer höchsten Bedeutung, weil sie das Ausüben aller anderen Tugenden mit einschließt.
Wenn man nämlich die Folgen aller Laster betrachtet und sogar die der einfachsten Fehler, wird man erkennen, dass es keine gibt, die nicht mehr oder weniger das Gefühl der Nächstenliebe verändert, denn alle haben ihren Ursprung im Egoismus und Stolz, die die Verneinung der Nächstenliebe sind. Alles, was die Gefühle der Persönlichkeit überbewertet, zerstört oder schwächt zumindest die Grundlagen der wahren Nächstenliebe, die da sind: Güte, Nachsicht, Entsagung und Hingebung.
Da die Liebe zum Nächsten, bis hin zur Liebe seiner Feinde, sich mit keinerlei Fehler vereinigen kann, der im Gegensatz zur Liebe steht, ist sie deswegen immer das Indiz einer mehr oder weniger moralischen Überlegenheit. Daraus ergibt sich, dass der Grad der Vollkommenheit im direkten Verhältnis zur Größe dieser Liebe steht. Deshalb sagte Jesus Seinen Jüngern, nachdem Er ihnen die Regel der Nächstenliebe in ihrer höchsten Bedeutung erläuterte hatte: „Seid daher vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“.
Der gütige Mensch
Er glaubt an Gott, an SEINE Güte, SEINE Gerechtigkeit und SEINE Weisheit; und er weiß, dass nichts ohne SEINE Erlaubnis geschieht und unterwirft sich in allen Dingen SEINEM Willen.
Er vertraut auf die Zukunft, deshalb stellt er die spirituellen Güter über die vergänglichen weltlichen Güter.
Er weiß, dass alle Schicksalsschläge des Lebens, alle Leiden und Enttäuschungen, Prüfungen oder Sühne sind, und er nimmt sie ohne Klagen an.
Der Mensch, erfüllt von dem Gefühl der Nächstenliebe und der Liebe, tut das Gute, um des Guten Willen, ohne eine Belohnung zu erwarten; erwidert das Böse mit Gutem; verteidigt den Schwachen gegenüber dem Starken und opfert stets sein eigenes Interesse zugunsten der Gerechtigkeit.
Er findet seine Genugtuung in den Wohltaten, die er vollbringt; in dem Dienst, den er leistet; in der Freude, die er bereitet; in den Tränen, die er trocknet; in dem Trost, den er den Betrübten gibt. Sein erster Impuls ist, an seinen Nächsten zu denken, bevor er an sich selbst denkt; die Interessen anderer vor seine eigenen zu setzen. Der Egoist kalkuliert im Gegenteil die Gewinne und Verluste all seiner Wohltaten.
Der gütige Mensch ist gütig, menschlich und wohlwollend zu jedermann, ohne Unterscheidung von Rassen oder Glauben, weil er alle Menschen als seine Geschwister ansieht. Er respektiert jede aufrichtige Überzeugung der andern und verdammt niemanden, der nicht wie er denkt.
In allen Situationen ist die Nächstenliebe sein Wegweiser. Er sagt sich, dass derjenige – auch wenn er es vermeiden könnte – der andern durch böse Worte Schaden zufügt, der die Empfindlichkeit eines andern durch seinen Stolz und seine Verachtung verletzt, der nicht vor dem Gedanken zurückweicht, Leid, Unruhe und Unannehmlichkeiten, selbst geringe, zu verursachen, seine Pflicht zur Nächstenliebe vernachlässigt und die Gnade Gottes nicht verdient.
Er hat weder Hass noch Groll noch hegt er Gedanken der Rache. Gemäß Jesu Beispiel vergibt und vergisst er die Beleidigungen und erinnert sich nur an die Wohltaten, weil er weiß, dass ihm vergeben wird, so wie er selber vergeben hat.
Er ist nachsichtig mit den Schwächen anderer, denn er weiß, dass er auch die Nachsicht benötigt, und er erinnert sich an diese Worte Jesu: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“.
Er findet keinen Gefallen daran, Fehler anderer zu suchen noch diese öffentlich hervorzuheben. Aber wenn die Notwendigkeit ihn dazu verpflichtet, sucht er immer das Gute, welches das Schlechte abmildern kann.
Er beobachtet seine eigene Unvollkommenheit und arbeitet unaufhörlich daran, sie zu bekämpfen. Alle seine Bemühungen zielen darauf hin, sich selbst am nächsten Tag sagen zu können, dass in ihm irgendetwas besser ist, als am Tag vorher.
Er versucht weder seinen Geist noch seine Begabungen auf Kosten anderer aufzuwerten; er nutzt im Gegenteil jede Gelegenheit, um die Vorteile anderer hervorzuheben. Er ist weder auf sein Vermögen noch auf seine persönlichen Vorteile stolz, weil er weiß, dass alles, was ihm gegeben worden ist, ihm wieder genommen werden kann.
Er gebraucht die Dinge, die ihm gewährt wurden, missbraucht sie aber nicht, weil er weiß, dass sie eine Hinterlegung sind, worüber er Rechenschaft ablegen muss, und dass es die schädlichste Anwendung für ihn selber ist, wenn er sie zur Befriedigung seiner Leidenschaften verwendet.
Falls durch seine gesellschaftliche Position Menschen in seine Abhängigkeit gestellt wurden, behandelt er sie mit Güte und Wohlwollen, weil sie vor Gott seinesgleichen sind. Er benutzt seine Autorität, um sie moralisch zu erheben, anstatt sie mit seinem Stolz zu erdrücken; er vermeidet alles, was ihre untergeordnete Stellung beschwerlicher machen könnte.
Der Untergeordnete versteht seinerseits die Pflichten seiner Stellung und verpflichtet sich, sie gewissenhaft zu erfüllen. (Kap. XVII, Nr. 9)
Der gütige Mensch achtet alle Rechte, die seinesgleichen durch die Naturgesetze gegeben wurden, so wie auch er möchte, dass man sie bei ihm achtet.
Dies ist noch keine Aufzählung aller Eigenschaften, die den gütigen Menschen auszeichnen, aber derjenige, der sich bemüht diese zu besitzen, ist auf dem Weg, der zu all den weitern führt.
Die guten Spiritisten
Aber viele von denen, die an die Tatsachen der Kundgebungen glauben, verstehen weder ihre Konsequenzen noch die moralische Tragweite, oder wenn sie sie auch verstehen, wenden sie diese nicht bei sich selbst an. Woran liegt das? Mangelt es an der Klarheit der Lehre? Nein, denn sie beinhaltet weder Allegorien noch Figuren, die Anlass zu falschen Interpretationen geben könnten. Ihr Wesen selbst ist die Klarheit, und darin liegt ihre ganze Kraft, weil sie direkt zur Intelligenz führt. Sie hat nichts Mysteriöses an sich und ihre Eingeweihten sind nicht im Besitz von irgendeinem, dem Volk verborgenen Geheimnis.
Benötigt man also, um sie zu verstehen, eine außergewöhnliche Intelligenz? Nein, denn man sieht Menschen mit hervorragender Intelligenz, die sie nicht verstehen, während Menschen mit gewöhnlicher Intelligenz, sogar junge Leute, kaum aus dem Jugendalter heraus, ihre feinsten Nuancen mit einer bewundernswerten Richtigkeit begreifen. Das kommt daher, dass der gewissermaßen materielle Teil der Wissenschaft nichts anderes erfordert als Augen, um zu beobachten, während der wesentliche Teil einen gewissen Grad an Sensibilität braucht, den man Reife des moralischen Verständnis nennen kann; eine Reife unabhängig vom Alter und Bildungsgrad, da sie auf eine besondere Art unzertrennlich verbunden ist mit der Entwicklung des inkarnierten Geistes.
Bei einigen Menschen sind die Fesseln der Materie immer noch zu stark, um es dem Geist zu gewähren, sich von irdischen Dingen zu lösen. Der Nebel, der sie umgibt, raubt ihnen die Sicht ins Unendliche; deshalb können sie sich nicht so leicht von ihren Neigungen und Gewohnheiten trennen. Sie können nicht verstehen, dass es etwas Besseres gibt, als das, was sie haben. Der Glaube an die Geister ist für sie eine einfache Tatsache, die ihre triebhaften Neigungen nur wenig oder überhaupt nicht verändert. Kurzum, sie sehen nur einen Lichtstrahl, der unzureichend ist, um sie zu führen und in ihnen ein starkes Verlangen zu wecken, das ihre Neigungen verändern könnte. Sie halten sich mehr an dem Phänomen, als an der Moral fest, die ihnen banal und monoton vorkommt. Sie bitten die Geister, sie unaufhörlich in die neuen Geheimnisse einzuweihen, ohne sich zu fragen, ob sie sich dessen würdig gezeigt haben, in die Geheimnisse des Schöpfers eingeweiht zu werden. Dies sind die unvollkommenen Spiritisten, von denen einige auf dem Weg zurückbleiben oder sich von ihren Glaubensbrüdern entfernen, weil sie vor der Pflicht, sich selbst zu verbessern, zurückweichen, oder weil sie gerne ihre Zuneigungen denjenigen vorbehalten, die an ihren Schwächen oder ihren Vorurteilen Anteil nehmen. Die Anerkennung des Grundsatzes der Lehre ist jedoch der erste Schritt, der ihnen den zweiten in einer anderen Existenz leichter machen wird.
Derjenige, den man mit Recht als wahren und ehrlichen Spiritisten qualifizieren kann, befindet sich in einem höheren Grad des moralischen Fortschritts. Der Geist, der die Materie vollständiger beherrscht, gibt ihm eine deutlichere Wahrnehmung der Zukunft. Die Grundsätze der Lehre erwecken bei ihnen Gefühle, die bei den ersteren nicht erregt werden; in einem Wort, er ist in seinem Herz berührt; daher ist auch sein Glaube unerschütterlich. Der eine ist wie ein Musiker, der bei bestimmten Akkorden ergriffen ist, während ein anderer nichts als Töne hört. Man erkennt den wahren Spiritisten an seiner moralischen Veränderung und an den Bemühungen, die er macht, um seine schlechten Neigungen zu beherrschen. Während der eine Gefallen an seinem begrenzten Horizont findet, bemüht sich der andere, der alles etwas besser versteht, sich davon zu lösen, und es gelingt ihm fast immer, wenn er einen starken Willen dazu hat.
Das Gleichnis vom Sämann
„Ein Sämann ging aus, um zu säen. Während er säte, fiel ein Teil der Samenkörner auf den Weg, und die Vögel des Himmels kamen und fraßen sie.
Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde gab, der Samen ging sogleich auf, weil die Erde, wohin er fiel, keine große Tiefe hatte. Als aber die Sonne aufging, trocknete sie ihn aus, und weil er keine Wurzeln hatte, verdorrte er.
Ein anderer Teil fiel in die Dornen, und die Dornen wuchsen hoch und erstickten ihn.
Ein anderer Teil fiel schließlich auf guten Boden und brachte Früchte hervor, aus manchen Körnern gingen hundert hervor, aus anderen sechzig und wieder anderen dreißig.
Derjenige, der Ohren zum Hören hat, höre.“ (Matthäus, Kap. XIII, 1-9)
So hört nun ihr das Gleichnis vom Sämann:
„Zu allen, die das Wort vom Himmelreich hören und nicht darauf achten, kommt das Böse und raubt das, was in sein Herz gesät wurde. Das ist derjenige, der den Samen auf dem Weg erhalten hat.
Derjenige aber, der den Samen inmitten von Steinen erhalten hat, ist derjenige, der das Wort hört und es im gleichen Augenblick mit Freude aufnimmt. Er hat aber keine Wurzeln in sich, daher überlebt es nur für kurze Zeit, und wenn um des Wortes Willen Schwierigkeiten oder Verfolgungen entstehen, nimmt er es als Anlass für Skandal und Untergang.
Der aber, der seinen Samen in den Dornen erhalten hat, ist derjenige, der das Wort hört, aber bei dem sofort die Sorgen dieser Welt und der Trug des Reichtums dieses Wort ersticken und es unfruchtbar machen.
Derjenige aber, der den Samen auf gutem Boden erhalten hat, ist der, der das Wort hört, ihm Aufmerksamkeit schenkt und bei dem es Früchte hervorbringt, hundertfach, sechzigfach oder dreißigfach aus einem einzigen. (Matthäus, Kap. XIII, 18-23)
Wie viele Menschen gibt es tatsächlich, für die diese Lehre nichts anders ist als tote Worte, die ähnlich dem Samen, der auf den felsigen Boden gefallen ist, keine Frucht hervorbringen!
Das Gleichnis findet eine nicht weniger zutreffende Anwendung bei den verschiedenen Kategorien von Spiritisten. Ist es nicht das Sinnbild von denjenigen, die sich nur an materiellen Phänomenen festhalten und daraus keine Konsequenzen ziehen, weil sie darin nur eine merkwürdige Angelegenheit sehen? Und von denjenigen, die nur den Glanz der Mitteilungen der Geister suchen und die sich nur solange für sie interessieren, bis sie ihre Phantasien befriedigt haben, die aber, nachdem sie sie gehört haben, genauso kalt und gleichgültig wie vorher bleiben? Und ebenso von denjenigen, die die Ratschläge sehr gut finden und sie bewundern, sie aber nur bei den andern anwenden und nicht bei sich selbst? Und schließlich von denjenigen, bei denen die Lehre wie der Samen auf den guten Boden gefallen ist und Früchte hervorbringt?
Unterweisungen der geistigen Welt
Die Pflicht
In der Reihenfolge der Gefühle ist die Pflicht sehr schwer zu erfüllen, weil sie im Gegensatz zu den Verlockungen der Interessen und des Herzens steht. Ihre Siege haben keine Zeugen und ihre Niederlagen erhalten keine Bestrafung. Die innere Pflicht des Menschen ist seinem freien Willen überlassen; der Stachel des Gewissens, dieser Hüter über die innerste Rechtschaffenheit, warnt ihn und unterstützt ihn, aber er zeigt sich sehr oft dem Trugschluss der Leidenschaften gegenüber unfähig. Die Pflicht des Herzens, treu befolgt, erhöht den Menschen. Wie kann man sie aber genau beschreiben? Wo beginnt sie? Wo endet sie? Die Pflicht beginnt genau an dem Punkt, wo ihr das Glück oder die Ruhe eures Nächsten bedroht; sie endet an der Grenze, da, wo ihr nicht wünscht, dass jemand sie - im Hinblick auf euch - überschreitet.
Gott hat, hinsichtlich der Leiden, alle Menschen gleich erschaffen; Kleine oder Große, Unwissende oder Gebildete, alle leiden unter den gleichen Ursachen, damit jeder das Böse, das er anrichten kann, vernünftig beurteilt. Dieses Kriterium besteht nicht für das Gute, das unbegrenzt vielfältiger in seiner Art und Weise ist. Die Gleichheit hinsichtlich des Schmerzes ist eine erhabene Vorsehung Gottes, der möchte, dass SEINE Kinder, durch die allgemeine Erfahrung gebildet, nicht etwas Böses tun, und dann zu behaupten, dessen Auswirkungen nicht zu kennen.
Die Pflicht ist die praktische Zusammenfassung aller moralischen Aktionen; sie ist eine Tapferkeit der Seele, die den Ängsten des Kampfes entgegentritt. Die Pflicht ist streng und sanft; bereit sich vor den verschiedenen Schwierigkeiten zu beugen, bleibt aber unbeugsam vor ihren Versuchungen. Der Mensch, der seine Pflicht erfüllt, liebt Gott mehr als die Menschheit, und die Menschheit mehr als sich selbst. Er ist zugleich Richter und Sklave in seiner eigenen Sache.
Die Pflicht ist das schönste Kleinod der Vernunft; sie geht aus dieser hervor, wie das Kind aus seiner Mutter. Der Mensch muss die Pflicht lieben, nicht, weil sie ihn vor den Leiden des Lebens schützt, denn denen kann sich die Menschheit nicht entziehen, sondern weil sie der Seele die nötige Kraft für ihre Entwicklung gibt.
Die Pflicht wächst und glänzt in erhabener Art und Weise in jeder höheren Entwicklungsstufe der Menschheit. Die moralische Verpflichtung des Menschen gegenüber Gott hört nie auf. Sie muss die Tugenden des Ewigen widerspiegeln, der keinen unvollkommenen Versuch zulässt, weil ER möchte, dass die Schönheit SEINES vor IHM glänzt. (Lazarus, Paris, 1863)
Die Tugend
Zu einer so verstandenen und angewandten Tugend fordere ich euch auf, meine Kinder; zu dieser wahrhaft christlichen und spiritistischen Tugend ermuntere ich euch. Entfernt aber von euren Herzen den Gedanken des Hochmuts, der Eitelkeit, der Eigenliebe, die den schönsten Eigenschaften schaden. Imitiert nicht jenen Menschen, der sich wie ein Modell darstellt und seine eigenen Qualitäten allen ihm gegenüber gefälligen Ohren rühmt. Diese großtuerische Tugend verbirgt oft eine Menge kleiner Schandtaten und hässliche Feigheiten.
Der Mensch, der sich selbst preist, der seiner eigenen Tugend eine Statue errichtet, annulliert durch diese einfache Handlung das tatsächliche Verdienst, das er haben könnte. Was würde ich dann über denjenigen sagen, dessen ganzes Ziel es ist, sich als jemand auszugeben, der er nicht ist? Ich möchte wohl zugeben, dass der Mensch, der das Gute tut, eine innerliche Genugtuung ganz tief in seinem Herz empfindet; aber sobald diese Genugtuung sich äußert, um Lob zu empfangen, artet sie in Eigenliebe aus.
Oh, ihr alle, die der spiritistische Glaube mit seinen Strahlen erwärmt hat, und die ihr wisst, wie weit der Mensch von der Vollkommenheit entfernt ist, gebt euch nie zu solcher Unvernunft hin. Die Tugend ist eine Gnade, die ich allen ehrsamen Spiritisten wünsche, aber ich werde euch sagen: Besser weniger Tugenden mit Bescheidenheit, als viele mit Hochmut. Durch den Hochmut konnte es geschehen, dass die Menschheit sich nach und nach ins Verderben gestürzt hat; und nur durch Demut werden sie eines Tages erlöst werden. (François Nicolas Madeleine, Paris, 1863).
Vorgesetzte und Untergebene
Wer auch immer Autorität besitzt, egal von welcher Reichweite sie auch sei – vom Herrn über seinen Diener bis zum Herrscher über sein Volk – soll sich im Klaren darüber sein, dass er Seelen in seiner Obhut hat. Er wird für die gute oder schlechte Führung, die er seinen Untergeordneten gegeben hat, verantwortlich sein; und die Fehler, die sie begehen könnten, wie auch die Laster, zu denen sie infolge dieser Führung oder den schlechten Beispielen hingerissen wurden, werden auf ihn zurückfallen; während er die Früchte der Hilfsbereitschaft ernten wird, wenn er sie zum Guten geführt hat. Jeder Mensch hat auf der Welt eine kleine oder große Aufgabe. Was für eine sie auch sei, sie wird immer für das Gute gegeben. Man begeht einen Fehler, wenn man sie im Grundsatz verfälscht.
Wenn Gott den Reichen fragt: Was hast du aus dem Vermögen gemacht, das in deinen Händen eine Quelle der Fruchtbarkeit war, die du um dich herum hättest ausstreuen sollen? ER wird denjenigen, der irgendeine Autorität besitzt, fragen: Welchen Gebrauch hast du von dieser Autorität gemacht? Welches Übel hast du verhindert? Welchen Fortschritt hast du gefördert? Wenn ich dir Untergebene gegeben habe, war es nicht, um aus ihnen Sklaven deines Willens zu machen, auch nicht fügsame Instrumente deiner Launen und deiner Habgier. Ich habe dich stark gemacht und ich habe dir die Schwachen anvertraut, damit du sie unterstützt und ihnen hilfst, zu mir heraufzusteigen.
Der Vorgesetzte, der von dem Wort Christi überzeugt ist, verachtet keinen von denjenigen, die unter ihm sind, weil er weiß, dass die gesellschaftlichen Unterschiede vor Gott nicht bestehen. Der Spiritismus lehrt sie, dass wenn sie ihm heute gehorchen, sie ihm schon vorher befohlen haben können oder sie ihm später befehlen können, und dass er dann so behandelt wird, wie er selbst sie behandelt hat.
Wenn aber der Vorgesetzte Pflichten zu erfüllen hat, hat der Untergebene seinerseits auch solche zu erfüllen, die nicht weniger ehrwürdig sind. Wenn dieser letztere Spiritist ist, wird ihm sein Gewissen noch deutlicher sagen, dass er nicht von seinen Pflichten befreit ist, auch wenn sein Chef seine eigenen selbst nicht erfüllt, weil er weiß, dass man Böses nicht mit Bösem vergelten soll, und dass die Fehler der einen nicht zu den Fehlern der andern berechtigt. Wenn er unter seiner Position leidet, sagt er sich, dass er sie ohne Zweifel verdient hat, weil er selbst vielleicht früher seine Autorität missbraucht hat, und dass er jetzt seinerseits alle Unannehmlichkeiten spüren soll, mit denen er anderen Leid zugefügt hat. Wenn er gezwungen ist, diese Position zu ertragen, aus Mangel eine bessere zu finden, lehrt der Spiritismus ihn, sich damit abzufinden als eine Prüfung für seine Demut, die notwendig für seinen Fortschritt ist. Sein Glaube leitet ihn in seinem Verhalten; er handelt so, wie er möchte, dass seine Untergebenen ihm gegenüber handeln sollten, falls er Chef wäre. Deshalb ist er gewissenhafter bei der Erfüllung seiner Pflichten, weil er versteht, dass alle Nachlässigkeit bei der ihm anvertrauten Arbeit ein Schaden für denjenigen sein wird, der ihn bezahlt, und dem er seinerseits seine Arbeitszeit und Sorgfalt schuldet. Kurzum, er wird von dem Pflichtbewusstsein gefordert, das ihm sein Glauben gibt, und die Gewissheit, dass jegliche Abweichung vom rechten Weg eine Schuld ist, die er früher oder später bezahlen muss. (François Nicolas Madeleine, Kardinal Morlot, Paris, 1863)
Der Mensch auf der Welt
Aber glaubt nur nicht, dass wir – indem wir euch unaufhörlich zum Gebet und zur mentalen Anrufung auffordern, euch dazu verpflichten, ein mystisches Leben zu führen, das euch außerhalb der Gesetze der Gesellschaft hält, in der ihr zu leben gezwungen seid. Nein, lebt mit den Menschen eurer Epoche, wie alle Menschen leben sollen; opfert euch den Bedürfnissen, sogar den Oberflächlichkeiten des Tages, aber opfert euch mit einem Gefühl der Reinheit, das sie heiligen kann.
Ihr seid aufgerufen, in Kontakt mit Geistern verschiedener Art zu treten, von gegensätzlichen Charakteren: Verletzt keinen von denjenigen, denen ihr begegnet. Seid fröhlich, seid glücklich, aber mit einer Fröhlichkeit, die ein gutes Gewissen verleiht, mit dem Glück eines Erben des Himmels, der die Tage zählt, die ihn seiner Erbschaft näher bringen.
Die Tugend besteht nicht darin, einen ernsten und traurigen Anblick zu bieten, alle Vergnügen zurückzuweisen, die euer Menschsein euch erlauben; es genügt, alle Handlungen eures Lebens in Beziehung zu dem Schöpfer zu bringen, der dieses Leben gegeben hat; es genügt, wenn man ein Werk beginnt oder beendet, seine Gedanken an Gott zu richten und ihn mit der Kraft der Seele zu bitten, entweder um SEINE Protektion für eine erfolg reiche Tätigkeit, oder um SEINEN Segen für das beendete Werk. Was immer ihr tut, kommt immer auf den Ursprung aller Dinge zurück; tut niemals etwas, ohne dass der Geist Gottes eure Handlungen reinigt und heiligt.
Die Vollkommenheit liegt ganz und gar in der Ausübung der absoluten Nächstenliebe, wie Christus gesagt hat; aber die Pflichten der Nächstenliebe erstrecken sich über alle sozialen Positionen, von den allerniedrigsten bis zu den allerhöchsten. Der Mensch, der allein leben würde, hätte keine Nächstenliebe auszuüben; er findet nur im Kontakt mit seinen Mitmenschen, in schmerzlichsten Kämpfen, die Gelegenheit dazu. Jener also, der sich isoliert, entzieht sich willentlich dem stärksten Mittel der Perfektion; da er nur an sich selber zu denken hat, ist sein Leben das eines Egoisten. (Kap. V, Nr. 26)
Bildet euch daher nicht ein, dass man sich mit dem Büßerhemd bekleiden und sich mit Asche bedecken müsste, um in ständiger Verbindung mit uns leben zu können; nein, nein und noch einmal nein. Seid glücklich gemäß den menschlichen Notwendigkeiten, aber macht, dass in euer Glück weder ein Gedanke noch eine Handlung eindringt, die das Angesicht jener beleidigen oder trüben würden, die euch lieben und leiten. Gott bedeutet Liebe und segnet jene, die IHN auf fromme Weise lieben. (Ein Schutzgeist, Bordeaux, 1863)
Körper und Geist pflegen
Hier gibt es zwei Systeme, die sich gegenüber stehen: Jenes der Asketen, die ihren Körper bezwingen wollen, und jenes der Materialisten, die die Seele erniedrigen wollen. Zwei Gewaltanwendungen, die beide fast ebenso unsinnig sind, die eine wie die andere. An der Seite dieser großen Parteien wimmelt es von einer großen Anzahl Gleichgültiger, die weder mit Überzeugung noch mit Leidenschaft, sondern halbherzig lieben und sparsam genießen. Wo ist da die Weisheit? Wo ist da die Lebenskunst? Nirgendwo; und dieses große Problem bliebe ganz und gar ungelöst, wenn der Spiritismus hier den Suchenden nicht zu Hilfe käme, indem er ihnen die zwischen Körper und Seele bestehenden Beziehungen aufzeigt und indem er sagt, dass man sie beide pflegen muss, weil sie sich gegenseitig benötigen. Liebt daher eure Seele, aber pflegt auch euren Körper, das Instrument der Seele; die Bedürfnisse zu verkennen, die von der Natur selber aufgezeigt werden, würde bedeuten, das Gesetz Gottes zu verkennen. Bestraft ihn nicht für Fehler, die euer freier Wille ihn hat begehen lassen und für die er ebenso unverantwortlich ist, wie das schlecht geführte Pferd für die von ihm verursachten Unfälle. Seid ihr dann vollkommener, wenn ihr – euren Körper quälend – aber nicht weniger egoistisch, hochmütig und unbarmherzig zu eurem Nächsten seid? Nein, da liegt nicht die Vollkommenheit. Sie liegt allein in der Verbesserung, die ihr eurem Geist zukommen lasst. Beugt ihn, unterwerft ihn, demütigt ihn und kasteit ihn; das ist das Mittel, um ihn dem Willen Gottes fügsam zu machen, und das einzige, das zur Vollkommenheit führt. (Georges, Schutzgeist, Paris, 1863)
KAPITEL XVIII - Viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt
Gleichnis des Hochzeitsfestes
Dann sagte er zu seinen Knechten: Das Hochzeitsfest ist zwar bereit, aber diejenigen, die geladen wurden, waren dessen nicht würdig. – Geht daher an die Kreuzungen der Straßen und ladet alle zur Hochzeit ein, alle die ihr findet! Seine Knechte gingen hinaus auf die Straßen und brachten alle mit, die sie fanden, Gute und Böse, und der Hochzeitssaal füllte sich mit Menschen, die sich zu Tisch setzten.
Der König ging hinein, um die Gäste, die am Tisch saßen, zu sehen, und als er dort einen Mann sah, der kein Hochzeitskleid trug, sagte er zu ihm: Mein Freund, wie bist du hier hereingekommen ohne ein Hochzeitskleid? Dieser Mann antwortete ihm aber nicht. – Da sprach der König zu seinen Dienern: „Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die Finsternis, dort wird Heulen und Zähneknirschen sein; denn viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt.“ (Matthäus, Kap. XXII, 1-14)
Man kann das Gleiche sagen von allen Allegorien und von findigen Fabeln, wenn man sie nicht von ihren Hüllen befreit, um den verborgenen Sinn zu finden. Jesus schöpfte seine Gleichnisse aus den Bräuchen des alltäglichen Lebens und passte sie an die Lebensgewohnheiten und den Charakter des Volkes an, zu dem Er sprach. Die meisten von ihnen hatten das Ziel, der Volksmenge die Vorstellung des geistigen Lebens nahe zu bringen. Der Sinn scheint oft unverständlich, weil man nicht von diesem Gesichtspunkt ausgeht.
In diesem Gleichnis vergleicht Jesus das Himmelreich, in dem überall Glück und Frieden herrscht, mit einem Hochzeitsmahl. Wenn Er von den ersten Geladenen spricht, bezieht Er sich auf die Hebräer, die Gott als erste zur Kenntnis seines Gesetzes gerufen hat. Die vom König gesandten Boten sind die Propheten, die die Hebräer ermahnten, dem Weg des wahren Glücks zu folgen. Ihre Worte wurden jedoch wenig gehört; ihre Warnungen wurden verachtet; viele wurden wirklich niedergemetzelt wie die Diener im Gleichnis. Die Geladenen, die sich unter dem Vorwand entschuldigten, dass sie ihre Felder bearbeiten und auf ihre Geschäfte achten müssten, symbolisieren die Menschen der Erde, denen, absorbiert von den irdischen Dingen, die himmlischen Dinge gleichgültig sind.
Die Juden der damaligen Zeit glaubten, dass ihre Nation die Oberherrschaft über alle anderen Nationen bekommen sollte. Denn hatte Gott nicht dem Abraham versprochen, dass seine Nachkommenschaft die ganze Erde bedecken wird? Aber, indem sie die Form für den Inhalt hielten, glaubten sie an eine wirkliche und materielle Herrschaft.
Bevor Christus kam, waren alle Völker, mit Ausnahme der Hebräer, Götzendiener und Polytheisten (Vielgötterei). Wenn einige, dem gemeinen Volk überlegenen Menschen, erkannt hatten, dass es nur einen einzigen Gott gab, blieb dies deren persönliche Lehre, die aber nirgends als eine grundlegende Wahrheit akzeptiert wurde; außer von einigen Eingeweihten, die ihre Kenntnisse unter einem geheimnisvollen Schleier versteckten, undurchschaubar für die Masse. Die Hebräer waren die ersten, die den Monotheismus öffentlich ausübten; ihnen hat Gott SEIN Gesetz übermittelt; zuerst durch Moses, danach durch Jesus. Aus dieser winzigen Quelle kam das Licht hervor, das sich über die ganze Welt ausbreiten, über das Heidentum triumphieren, und Abraham eine geistige Nachkommenschaft so zahlreich wie die Sterne am Himmel geben sollte. Aber die Juden, die den Götzendienst ablehnten, hatten das moralische Gesetz vernachlässigt und sich der weniger anspruchsvollen Ausübung des äußerlichen Kults zugewandt. Das Böse hatte den Gipfel erreicht. Die unterdrückte Nation wurde in verschiedene Gruppen zerrissen, durch Sekten aufgeteilt. Selbst die Ungläubigkeit war bereits in das Sanktuarium eingedrungen. Zu diesem Zeitpunkt erschien Jesus, gesandt, um sie zur Befolgung des Gesetzes zurückzurufen und ihnen neue Horizonte des zukünftigen Lebens zu eröffnen. Als erste zum Festmahl des universellen Glaubens eingeladen, wiesen sie die Worte des himmlischen Messias ab und töteten Ihn. Damit verloren sie die Frucht, die sie mit ihrer Initiative ernten sollten.
Es wäre jedoch ungerecht, das ganze Volk für dieses Ereignis zu verurteilen. Die Verantwortung lag hauptsächlich bei den Pharisäern und bei den Sadduzäern, die die Nation zugrunde gerichtet hatten, aufgrund des Stolzes und Fanatismus der einen und aufgrund der Ungläubigkeit der andern. Sie sind es vor allem, die Jesus mit den Geladenen vergleicht, die es ablehnten, dem Hochzeitsmahl beizuwohnen. Danach fügte Er hinzu: „Als der Herr das sah, befahl er, dass sie alle, die sie an den Straßenkreuzungen antreffen, Gute und Böse, einladen sollten“. Er wollte damit zu verstehen geben, dass das Wort allen Völkern gepredigt würde: Heiden und Götzendienern, und dass jene, die die Einladung annähmen, beim Hochzeitsmahl zugelassen würden, anstelle der Erstgeladenen.
Aber es genügt nicht, eingeladen zu sein; es genügt nicht, sich Christ zu nennen, auch nicht, sich an den Tisch des himmlischen Festmahls zu setzen. Vor allem ist es eine notwendige und unerlässliche Voraussetzung, das Hochzeitskleid anzulegen, das heißt, ein reines Herz zu haben und das Gesetz im Sinne des Geistes zu praktizieren. Dieses Gesetz ist also in diesen Worten enthalten: Außerhalb der Nächstenliebe gibt es kein Heil. Aber unter all denen, die das göttliche Wort hören, wie wenige sind es, die es bewahren und in die Tat umsetzen! Wie wenige sind würdig, in das Himmelsreich einzutreten! Deshalb sagte Jesus: „Viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt“.
Das enge Tor
Und ihr werdet dann heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr Abraham, Isaak, Jakob und alle Propheten im Reiche Gottes seht, während ihr hinausgestoßen werdet. – Aus Ost und West, Nord und Süd werden diejenigen kommen, die im Reiche Gottes einen Platz beim Festmahl erhalten haben. – Und es werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten.“ (Lukas, Kap. XIII, 23-30)
Das ist der aktuelle Zustand der irdischen Menschheit, dadurch, dass die Erde eine Welt der Sühne ist, herrscht hier das Böse vor. Wenn sie umgewandelt sein wird, dann wird vorwiegend der Weg des Guten benutzt werden. Diese Worte müssen sinngemäß verstanden werden und nicht wörtlich. Würde derart der Normalzustand der Menschheit sein, hätte Gott willentlich die Mehrheit seiner Geschöpfe zum Verderben verurteilt. Eine unzulässige Annahme, wenn man erkennt, dass Gott die vollkommene Gerechtigkeit und Güte ist.
Aber welcher Missetaten müsste sich die Menschheit schuldig gemacht haben, um in der Gegenwart, wie auch in der Zukunft so ein trauriges Schicksal zu verdienen, indem die gesamte Menschheit auf die Erde verbannt wäre und wenn die Seele keine anderen Existenzen gehabt hätte? Warum werden so viele Hindernisse auf ihren Weg gestreut? Warum ist dieses Tor so schmal, dass es nur den wenigstwen gegeben ist, durchzuschreiten, wenn das Schicksal der Seele nach dem Tod schon für alle Zeiten festgelegt ist? Daher ist man mit einer einmaligen Existenz immer im Widerspruch mit sich selbst und mit der Gerechtigkeit Gottes. Mit der vorherigen Existenz der Seele und der Pluralität der Welten erweitert sich der Horizont; es erhellen sich die dunkelsten Punkte des Glaubens; Gegenwart und Zukunft werden mit der Vergangenheit solidarisch; und nur so kann man vollständig den tieferen Sinn, die ganze Wahrheit und Weisheit der Maxime von Christus verstehen.
Nicht alle, die sagen: „Herr! Herr!“, kommen ins Himmelreich
Die Worte Jesu gelten ewig, weil sie die Wahrheit sind. Sie sind nicht nur der Schutz des himmlischen Lebens, sondern auch die Garantie des Friedens, der Ruhe und der Beständigkeit in den Dingen des irdischen Lebens. Deshalb werden alle menschlichen, politischen, sozialen und religiösen Institutionen, die sich auf diese Worte stützen, standfest sein, wie ein auf Felsen erbautes Haus. Die Menschen werden sich diese Institutionen bewahren, weil sie dort ihr Glück finden werden. Aber jene Institutionen, die diese Worte verletzt haben, werden wie ein auf Sand erbautes Haus sein; der Wind der Umwälzung und der Fluss des Fortschritts werden sie hinweg tragen.
Man wird viel verlangen von dem, dem viel gegeben wurde
Die Lehre der Geister, die diese Maximen unter verschiedenen Aspekten wiedergibt, sie weiter entwickelt und erläutert, um sie für alle verständlich zu machen, hat die Besonderheit: nicht begrenzt zu sein. Alle, gebildet oder ungebildet, gläubig oder ungläubig, christlich oder nicht, können sie empfangen, denn die Geister teilen sich überall mit. Keiner von denen, die sie empfangen, sei es direkt oder durch Vermittlung anderer, kann Unwissenheit vorgeben; er kann sich weder aus mangelnder Kenntnis noch wegen Unklarheit des allegorischen Sinnes entschuldigen. Derjenige also, der sie für seine Verbesserung nicht anwendet, der sie wie eine interessante und sonderbare Sache bewundert, ohne dass sein Herz berührt wird, der durch sie weder: weniger oberflächlich, weniger hochmütig, weniger egoistisch, weniger an materielles Hab und Gut gefesselt und nicht besser zu seinem Nächsten wird, ist umso schuldiger, weil er mehrere Möglichkeiten hat, die Wahrheit zu erkennen.
Die Medien, die gute Mitteilungen erhalten, sind noch mehr zu tadeln, wenn sie im Bösen verharren, weil sie oft ihre eigene Verurteilung schreiben, und wenn sie nicht durch ihren Hochmut verblendet wären, würden sie erkennen, dass die Geister sich an sie selbst wenden. Aber, anstatt die Belehrung für sich anzunehmen, die sie schreiben oder die sie geschrieben sehen, haben sie nur den einzigen Gedanken, sie auf andere anzuwenden. So verwirklichen sie die Worte Jesus: „Ihr seht den Splitter im Auge eures Bruders, aber nicht den Balken in euren eigenen Augen“.
Mit diesen anderen Worten: „Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde“, gibt Jesus zu verstehen, dass die Schuld im Verhältnis zum Wissen steht, das man besitzt. Daher waren die Pharisäer, die für sich beanspruchten, die Aufgeklärtesten in der Nation zu sein – und die es tatsächlich auch waren – vor den Augen Gottes tadelnswerter als die unwissenden Leute. Und so ist es auch heute.
Von den Spiritisten wird daher viel verlangt, weil sie viel bekommen haben; aber jenen, die sich diese Lehre zunutze gemacht haben, wird auch viel gegeben.
Der erste Gedanke eines jeden ehrlichen Spiritisten sollte sein, in den von den Geistern gegebenen Ratschlägen zu suchen, ob es irgendetwas darunter gibt, was ihn betrifft.
Der Spiritismus kommt, um die Zahl der Gerufenen zu vervielfältigen; durch den Glauben, den er vermittelt, wird er auch die Zahl der Auserwählten vervielfältigen.
Unterweisungen der geistigen Welt
Wer hat, dem wird gegeben werden
„Dem der nichts oder wenig hat, wird genommen werden“. Betrachtet dies als einen bildlichen Gegensatz. Gott nimmt von SEINEN Geschöpfen nicht das Gute, das ER ihnen gütig gewährt hat. Blinde und taube Menschen! Öffnet euren Verstand und euer Herz; seht mit eurem Geist; versteht mit eurer Seele und interpretiert nicht auf eine so ungerechte grobe Art und Weise die Worte von demjenigen, der die Gerechtigkeit des Herrn vor euren Augen erglänzen ließ. Es ist nicht Gott, der dem wegnimmt, der wenig bekommen hat. Es ist der Geist selber, der verschwenderisch und unbedacht nicht bewahren kann, was er hat, und der auch nicht den in sein Herz gelegten Obolus vermehrt, indem er ihm einen fruchtbaren Boden bereitet.
Derjenige, der das Feld, das durch die Arbeit seines Vaters bearbeitet wurde und das er geerbt hat, nicht kultiviert, sieht wie es vom Unkraut überwuchert wird. Ist es dann sein Vater, welcher ihm die Ernte wegnimmt, die er nicht vorbereiten wollte? Wenn er zulässt, dass die für die Saat bestimmten Sämlinge verdorren aus Mangel an Pflege des Feldes, kann er dann den Vater dafür beschuldigen, weil sie nichts hervorgebracht haben? Nein, nein! Statt denjenigen, der für ihn alles vorbereitet hat, zu beschuldigen, ihm die gegebene Gabe wieder weggenommen zu haben, sollte er sich bei dem wirklichen Urheber seines Elends beklagen, und sich dann, reumütig und aktiv, mutig an die Arbeit machen;
– auf dass er mit seiner ganzen Willenskraft den unfruchtbaren Boden urbar mache;
– auf dass er den Boden mit Hilfe der Reue und der Hoffnung umpflüge;
– auf dass er vertrauensvoll den guten Samen auf ihn aussäe, den er vorher zwischen dem schlechten herausgelesen hat;
– auf dass er ihn bewässere mit seiner Liebe und Wohltat, und Gott, der Gott der Liebe und der Barmherzigkeit, wird dem geben, der schon bekommen hat. Dann wird er seine Bemühungen mit Erfolg gekrönt sehen, und ein Korn wird hunderte hervorbringen und ein anderes tausende. Nur Mut, ihr Arbeiter! Nehmt eure Pflüge und Eggen; bearbeitet eure Herzen; reißt aus ihnen das Unkraut heraus. Sät den guten Samen, den Gott euch anvertraut hat und der Tau der Liebe wird Früchte der Nächstenliebe hervorbringen. (Ein befreundetes Geistwesen, Bordeaux, 1862)
Man erkennt den Christen an seinen Werken
Hört diese Worte des Meisters, ihr alle, die ihr die Spiritistische Lehre wie ein Werk des Teufels ablehnt. Öffnet eure Ohren, denn der Moment des Zuhörens ist gekommen. Genügt es, nur die Livree des Herrn zu tragen, um ein treuer Diener zu sein?
Genügt es, nur zu sagen: „Ich bin Christ“, um Jesus zu folgen? Sucht die wahren Christen und ihr werdet sie an ihren Werken erkennen. „Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen, und ein schlechter Baum bringt keine guten Früchte hervor“. – „Jeder Baum, der keine guten Früchte trägt, wird gefällt und ins Feuer geworfen“. Dies sind die Worte des Meisters; Jünger Jesu, versteht sie richtig! Welche Früchte soll der Baum des Christentums tragen, ein mächtiger Baum, dessen buschige Äste mit ihrem Schatten einen Teil der Welt bedecken, aber noch nicht alle beschützt, die sich um ihn herum gruppieren müssen? Die Früchte des Lebensbaumes sind Früchte des Lebens, der Hoffnung und des Glaubens. Das Christentum predigt schon seit Jahrhunderten, unentwegt diese göttlichen Tugenden und strebt danach, seine Früchte zu verbreiten, aber wie wenige pflücken sie! Der Baum ist immer gut, aber die Gärtner sind schlecht. Sie haben immer versucht, ihn entsprechend ihrer Ideen zu gestalten. Sie versuchten, ihn gemäß ihrer Bedürfnisse zu modellieren; sie haben ihn beschnitten, verkleinert und verstümmelt. Seine unfruchtbaren Äste tragen keine schlechten Früchte, denn sie tragen gar keine mehr. Der durstige Reisende, der unter seinem Schatten einhält, um die Frucht der Hoffnung zu suchen, die ihm wieder Kraft und Mut geben soll, findet nur trockene Äste, welche den Sturm ankündigen. Vergeblich bittet er den Lebensbaum um die Frucht des Lebens. Die trockenen Blätter fallen herab; denn die Hand des Menschen hat die Äste so verschandelt, dass sie verbrannt sind.
Öffnet also eure Ohren und Herzen, meine Geliebten! Pflegt diesen Lebensbaum, dessen Früchte das ewige Leben geben. Derjenige, der ihn gepflanzt hat, lädt euch dazu ein, ihn mit Liebe zu pflegen, und ihr werdet dann sehen, wie er in Hülle und Fülle seine göttlichen Früchte hervorbringt. Erhaltet ihn so, wie Christus ihn euch gegeben hat; verstümmelt ihn nicht. Er will seinen unermesslichen Schatten über das Universum ausbreiten; beschneidet seine Zweige nicht. Seine erquickenden Früchte fallen in Hülle und Fülle, um den Durst der Reisenden zu stillen, der sein Ziel erreichen möchte. Sammelt diese Früchte nicht auf, um sie zu lagern und verfaulen zu lassen, damit sie für niemanden mehr nützlich sind. „Viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt“; denn es gibt die Hamsterer des Lebensbrotes, wie es sie auch für das materielle Brot gibt. Sei nicht einer von diesen; der Baum, der gute Früchte gibt, muss sie an alle verteilen. Geh und suche alle, die Durst haben. Bring sie alle unter die Krone des Baumes und teile mit ihnen den Schutz, den er gibt. – „Man pflückt keine Trauben vom Dornbusch“. Meine Geschwister, entfernt euch von jenen, die euch rufen, um euch die Disteln auf dem Weg zu zeigen; und folgt denen, die euch zum Schatten des Lebensbaumes führen.
Der göttliche Erlöser, der Gerechte im wahrsten Sinne des Wortes, sagte und Seine Worte werden nicht vergehen: „Nicht alle die sagen: Herr! Herr! werden ins Reich Gottes eintreten, sondern nur derjenige, der den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist“. Möge der Herr des Segens euch segnen; der Gott des Lichtes euch erleuchten; und der Lebensbaum in Hülle und Fülle seine Früchte über euch ausschütten! Glaubt und betet. (Siméon, Bordeaux, 1863)
KAPITEL XIX - Der Glaube versetzt Berge
Die Kraft des Glaubens
Daraufhin traten die Jünger etwas abseits zu Jesus und fragten Ihn: „Warum konnten wir diesen Dämon nicht austreiben?“ – Jesus antwortete ihnen: „Wegen eurer Ungläubigkeit. Denn wahrlich ich sage euch, wenn ihr einen Glauben hättet, nur so groß wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Berg sagen: ‚Heb dich hinweg, dorthin, und er würde sich hinweg heben, und nichts wäre euch unmöglich‘.“ (Matthäus, Kap. XVII, 14-20)
Der aufrichtige und wahre Glaube ist immer ruhig. Er verschafft die Geduld, die warten kann, weil er sich auf die Intelligenz und das Verständnis der Dinge stützt, und weil er die Sicherheit hat, sein Ziel zu erreichen. Der zweifelnde Glaube spürt seine eigene Schwäche; und wenn er durch Eigeninteresse stimuliert wird, so wird er wütend und glaubt, die Stärke durch Gewalt ersetzen zu können. Bei einem Streit die Ruhe zu bewahren, ist immer ein Zeichen der Stärke und des Vertrauens; während die Gewalttätigkeit im Gegenteil ein Beweis für Schwäche und Zweifel an sich selbst ist.
Der religiöse Glaube. Bedingungen des unerschütterlichen Glaubens
Bei einigen Menschen scheint der Glaube irgendwie angeboren zu sein; ein Funke reicht, um ihn zu entwickeln. Diese Leichtigkeit, die geistige Wahrheit in sich aufzunehmen, ist ein deutliches Zeichen des früheren Fortschritts. Andere nehmen sie im Gegensatz dazu nur mit großen Schwierigkeiten in sich auf, kein weniger deutliches Zeichen einer rückständigen Natur. Die erstgenannten haben schon geglaubt und verstanden. Sie bringen bei der Wiedergeburt die Intuition von dem mit sich, was sie schon wissen; ihre Erziehung ist bereits abgeschlossen. Die zweitgenannten müssen noch alles lernen; ihre Erziehung liegt noch vor ihnen; sie wird stattfinden, und wenn sie nicht in dieser Existenz vollendet wird, so wird es in einer andern sein.
Der Widerstand des Ungläubigen liegt zugegebenermaßen oft weniger an ihm selbst, sondern an der Art und Weise, wie man ihm die Dinge aufgezeigt hat. Der Glaube braucht eine Basis, und diese Basis ist das vollkommene Verstehen dessen, was man glauben soll. Um zu glauben genügt es nicht zu sehen, es ist vor allem notwendig zu verstehen. Der blinde Glaube gehört nicht mehr diesem Jahrhundert an; also, genau das Dogma des blinden Glaubens ist es, das heute die Mehrheit zu Ungläubigen macht, weil es sich aufdrängen möchte und den Verzicht auf eins der wertvollsten Vorrechte des Menschen verlangt: das logische Denken und den freien Willen. Es ist insbesondere dieser blinde Glauben, gegen den sich der Ungläubige auflehnt und man kann mit Recht sagen kann, dass man den Glauben nicht erzwingen kann. Da dieser Glaube keinen Beweis akzeptiert, hinterlässt er im Geist eine Leere, aus der Zweifel entstehen. Der wohlbegründete Glaube, der sich auf Fakten und Logik stützt, hinterlässt keine Unklarheit. Man glaubt, weil man sich sicher ist, und man ist sich nur sicher, wenn man verstanden hat. Deshalb wankt er nicht; denn nur jener Glaube ist unerschütterlich, der zu allen Zeiten der Menschheit der Vernunft von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten kann.
Der Spiritismus führt uns zu diesem Ergebnis und besiegt daher die Ungläubigkeit immer dann, wenn er auf keinen systematischen und hartnäckigen Widerstand trifft.
Das Gleichnis vom verdorrten Feigenbaum
Er symbolisiert zudem alle Menschen, die die Mittel haben, um nützlich zu sein, aber es nicht sind; ebenso alle Utopien, alle leeren Systeme, alle Lehren ohne eine solide Basis. Was meistens fehlt, ist der wahre Glaube, der fruchtbare Glaube; der Glaube, der alle Fasern des Herzens bewegt; kurz gesagt, der Glaube, der Berge versetzt. Es sind dicht belaubte Bäume, die jedoch keine Früchte tragen. Daher verdammt Jesus sie zur Unfruchtbarkeit, denn der Tag wird kommen, an dem sie bis hin zu den Wurzeln verdorrt sein werden. Das bedeutet, dass alle Systeme, alle Lehren, die nichts zur Verbesserung der Menschheit beigetragen haben, in ein Nichts zerfallen werden; und dass alle Menschen, die absichtlich nicht nützlich sind, weil sie alle Möglichkeiten, die sich ihnen darboten, nicht in die Tat umgesetzt haben, wie der verdorrte Feigenbaum behandelt werden.
Unterweisungen der geistigen Welt
Der Glaube: Vater der Hoffnung und Nächstenliebe
Die Hoffnung und die Nächstenliebe sind Folgen des Glaubens und diese drei Tugenden bilden eine untrennbare Dreiheit. Ist es nicht der Glaube, der uns die Hoffnung gibt, dass die Verheißungen des Herrn in Erfüllung gehen? Wenn ihr keinen Glauben habt, was erwartet ihr? Ist es nicht der Glaube, der die Liebe hervorbringt? Wenn ihr keinen Glauben habt, welche Dankbarkeit und folglich welche Liebe werdet ihr erhalten?
Der Glaube, göttliche Inspiration, erweckt alle edlen Instinkte, die den Menschen zum Guten führen. Der Glaube ist die Basis der Erneuerung. Deswegen ist es notwendig, dass diese Basis stark und dauerhaft ist, denn, was wird aus dem Gebäude, das ihr auf dieser Basis gebaut habt, wenn der leichteste Zweifel sie ins Wanken bringt? Errichtet folglich dieses Gebäude auf soliden Fundamenten; damit euer Glaube stärker ist als Scheinbeweise und das Gespött der Ungläubigen, denn der Glaube, der die Lächerlichkeit der Menschen nicht widersteht, ist kein wahrer Glaube.
Der ehrliche Glaube ist mitreißend und ansteckend; überträgt sich auf die, die ihn nicht hatten oder ihn sogar nicht einmal haben wollten. Der wahre Glaube findet überzeugende Worte, die die Seele berühren, während der Schein-Glaube nur klangvolle Worte benutzt, die die Menschen kalt und gleichgültig lassen. Predigt durch das Beispiel eures Glaubens, um ihn damit den Menschen zu vermitteln; predigt durch das Beispiel eurer Taten, um ihnen den Wert des Glaubens aufzuzeigen; predigt durch eure unerschütterliche Hoffnung, um ihnen das Vertrauen zu zeigen, das stärkt und die Menschen in die Lage versetzt, allen Missgeschicken des Lebens zu trotzen.
Habt also den Glauben an all das, was er in seiner Reinheit und Vernunft an Schönem und Guten beinhaltet. Lasst ihn nicht zu, den unkontrollierten Glauben, das blinde Kind der Verblendung. Liebt Gott, aber wisst, warum ihr IHN liebt. Glaubt an SEINE Verheißung, aber wisst, warum ihr an sie glaubt. Folgt unseren Ratschlägen, aber überzeugt von dem Ziel, das wir euch zeigen, und von den Mitteln, die wir euch geben, um es zu erreichen. Glaubt und hofft, ohne jemals nachzulassen: Wunder sind Werke des Glaubens. (Joseph, Schutzgeist. Bordeaux, 1862)
Der göttliche und der menschliche Glaube
Bis heute wurde der Glaube nur unter einem religiösen Aspekt verstanden, weil Christus ihn als einen mächtigen Hebel gepriesen hat, und weil man Christus nur als Führer einer Religion angesehen hat. Aber Christus, der wahre Wunder bewirkte, zeigte eben durch diese Wunder, was der Mensch kann, wenn er glaubt, d.h. den Wunsch des Wollens und die Gewissheit zu haben, dass dieser Willen sich erfüllen kann. Die Apostel zum Beispiel, haben sie nicht auch Wunder vollbracht? Waren diese Wunder denn etwas anderes als eine natürliche Auswirkung, deren Ursache bei den Menschen der damaligen Zeit unbekannt war, die man heute aber zum größten Teil erklären und durch das Studium des Spiritismus und des Magnetismus vollständig verstehen kann?
Der Glaube ist menschlich oder göttlich, je nachdem wie der Mensch seine Fähigkeiten für irdische Bedürfnisse oder für sein himmlisches und zukünftiges Streben anwendet. Der begabte Mensch, der nach der Verwirklichung irgendeiner großen Aufgabe strebt, ist erfolgreich, wenn er den Glauben hat, weil er in sich selbst spürt, dass er es kann und es schaffen wird, und diese Sicherheit gibt ihm eine unermessliche Kraft. Der gute Mensch, der an seine himmlische Zukunft glaubt, möchte sein Leben mit edlen und schönen Taten füllen, er schöpft aus seinem Glauben, aus der Gewissheit des Glücks, das ihn erwarten wird, die notwendige Kraft und daraus ergeben sich auch die Wunder der Nächstenliebe, der Hingabe und der Selbstlosigkeit. Und schließlich gibt es keine negativen Neigungen, die man nicht mit dem Glauben besiegen könnte.
Der Magnetismus ist einer der größten Beweise der Verwirklichung der Macht des Glaubens. Durch den Glauben heilt er und bewirkt eigenartige Phänomene, die damals als Wunder bezeichnet wurden.
Ich wiederhole: Der Glaube ist menschlich und göttlich; wenn alle Inkarnierten von der Kraft, die sie in sich haben, überzeugt wären, und wenn sie ihren Willen in den Dienst dieser Kraft stellen würden, dann wären sie in der Lage, das zu realisieren, was man bis heute noch als Wunder bezeichnet, was aber nichts anderes ist, als die Entwicklung der menschlichen Fähigkeiten. (Ein Schutzgeist, Paris, 1863)
KAPITEL XX - Die Arbeiter der letzten Stunde
Als es Abend geworden war, sagte der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: „Rufe die Arbeiter und bezahle sie, indem du bei den letzten anfängst bis zu den ersten.“ – Diejenigen, die vor der elften Stunde in den Weinberg kamen, rückten heran und empfingen jeder einen Denar. – Diejenigen, die in der ersten Stunde des Tages angeworben worden waren, meinten, dass sie mehr erhalten würden, aber auch sie erhielten nur einen Denar. Und als sie den Lohn erhalten hatten, murrten sie gegen den Hausherrn und sagten: „Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet und du hast sie uns gleichgestellt, die wir die Last und Hitze des Tages ertragen haben.“
Aber als Antwort sagte er zu einem von ihnen: „Mein Freund, ich tue dir kein Unrecht. Bist du nicht um einen Denar für den Tag mit mir übereingekommen? Nimm was dir gehört und geh; ich aber will diesen letzten genauso viel geben wie dir. Ist es mir nicht erlaubt zu machen, was ich möchte? Oder ist das in deinen Augen böse, weil ich gütig bin?“
So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein, denn viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt. (Matthäus, Kap. XX, 1-16 Siehe auch: “Gleichnis des Hochzeitsfestes“, Kap. XVIII, Nr. 1)
Unterweisungen der geistigen Welt
Die Letzten werden die Ersten sein
Wenn er allerdings die Arbeit zu jeder Tageszeit abgelehnt hätte, wenn er gesagt hätte: „Haben wir Geduld, die Ruhe ist mir lieber. Wenn die letzte Stunde schlägt, dann wird es an der Zeit sein, an den Tageslohn zu denken. Wozu brauche ich mich von einem Herrn stören zu lassen, den ich weder kenne noch schätze! Je später desto besser!“ Dieser, meine Freunde, hätte den Lohn der Arbeit nicht bekommen, sondern den der Faulheit.
Was wird aber aus demjenigen werden, der statt einfach untätig zu bleiben, die Stunden, die für die Arbeit des Tages bestimmt waren, zu strafbarer Tätigkeit genutzt hat, der gegen Gott gelästert hat, das Blut seiner Brüder und Schwestern vergossen hat, Unfrieden innerhalb der Familien gestiftet hat, ehrliche Menschen ruiniert und Unschuldige missbraucht hat, der sich schließlich in alle Schändlichkeiten der Menschheit gestürzt hat? Was wird aus ihm werden? Wird es ihm genügen, in der letzten Stunde zu sagen: „Herr, ich habe meine Zeit schlecht genutzt; nimm mich bis zum Ende des Tages, damit ich ein wenig, wenn auch nur wenig von meiner Aufgabe erledige und gib mir den Lohn des gutwilligen Arbeiters!“ – „Nein, nein!“ wird der Herr zu ihm sagen, „ich habe im Moment keine Arbeit für dich, du hast deine Zeit verschwendet; du hast vergessen, was du gelernt hast; du kannst nicht mehr in meinem Weinberg arbeiten. Fange erneut an zu lernen, und wenn du in besserer Verfassung bist, komme zu mir, und ich werde dir mein weites Feld öffnen, wo du zu jeder Tageszeit arbeiten kannst.“
Gute Spiritisten, meine Geliebten, ihr alle seid Arbeiter der letzten Stunde. Hochmütig wäre derjenige, der behaupten würde: „Ich habe die Arbeit am frühen Morgen angefangen und erst bei Sonnenuntergang werde ich sie beenden“. Ihr seid alle gekommen, als ihr gerufen wurdet, einige etwas früher, andere ein bisschen später, zur Inkarnation, deren Kette ihr tragt. Aber wie viele Jahrhunderte rief euch der Herr bereits zu SEINEM Weinberg, ohne dass ihr ihn betreten wolltet? Nun ist der Augenblick da, den Lohn in Empfang zu nehmen. Nutzt die Stunde, die euch noch bleibt, so gut ihr könnt und vergesst niemals, dass euer Leben, so lang es euch auch erscheint, nicht mehr ist, als ein flüchtiger Augenblick in den unermesslichen Zeiten, die für euch die Ewigkeit darstellen. (Konstantin, Schutzgeist, Bordeaux, 1863)
Die Reinkarnation, diese schöne Glaubenslehre, verewigt und erklärt deutlich die geistige Verknüpfung. Der Geist, der dazu berufen wird, Rechenschaft über seinen irdischen Auftrag abzulegen, versteht die Kontinuität der unterbrochenen Aufgabe, die aber immer wieder aufgenommen wird. Er sieht und fühlt, dass er die Gedanken seiner Vorfahren aufgefangen hat. Er kommt in den Lebenskampf zurück, reifer durch die Erfahrungen, um noch weiter fortzuschreiten; und alle, die Arbeiter der ersten und die der letzten Stunde, mit weit geöffneten Augen auf die große Gerechtigkeit Gottes schauend, murren nicht mehr, sondern beten IHN an.
So ist eine der wahren Bedeutungen dieses Gleichnisses, das wie alle anderen, die Jesus dem Volk erzählte, den Keim der Zukunft enthält, und auch, in allen Formen und Sinnbildern, die Enthüllung dieser herrlichen Einheit, die alle Dinge des Universums in Einklang bringt, diese Solidarität, die alle Wesen der Gegenwart mit der Vergangenheit und der Zukunft verbindet. (Heinrich Heine, Paris, 1863)
Die Mission der Spiritisten
Zittert nicht mehr! Die Feuerzungen sind über euren Köpfen. Oh, wahre Jünger des Spiritismus, ihr seid die von Gott Auserwählten. Geht und verkündet das Göttliche Wort. Die Stunde ist gekommen, wo ihr für seine Verbreitung eure Gewohnheiten, eure Arbeiten und eure belanglosen Beschäftigungen aufopfern müsst. Geht und verkündet. Die hohen Geister sind bei euch. Gewiss werdet ihr mit Menschen sprechen, die die Stimme Gottes nicht hören möchten, weil diese Stimme sie unaufhörlich zur Selbstlosigkeit aufruft. Ihr werdet den Geizigen die Uneigennützigkeit predigen, den Liederlichen die Abstinenz, den häuslichen Tyrannen und den Despoten die Sanftmut verkünden. Verlorene Worte, das weiß ich; aber was macht das? Ihr müsst mit eurem Schweiß den Boden benetzen, auf dem ihr säen werdet, denn er wird keine Früchte tragen und nichts hervorbringen ohne die wiederholten Anstrengungen des Spatens und des Pfluges des Evangeliums. Geht und verkündet!
Ja, ihr alle, gutgläubige Menschen, die ihr an eure Minderwertigkeit glaubt, wenn ihr die Welten in der Unendlichkeit des Kosmos anschaut, startet einen Kreuzzug gegen die Ungerechtigkeit und das Unrecht. Geht und zerstört diese Verehrung des goldenen Kalbs, die sich jeden Tag mehr und mehr ausbreitet. Geht, Gott führt euch. Einfache und unwissende Menschen, eure Zungen werden sich lösen, und ihr werdet sprechen wie kein Redner spricht. Geht und verkündet, und die aufmerksame Bevölkerung wird mit Freude euren Worten des Trostes, der Brüderlichkeit, der Hoffnung und des Friedens Gehör schenken.
Was können die Fallstricke schon verursachen, die euch in den Weg gelegt werden! Nur Wölfe fallen in Wolfsfallen, denn der Hirte wird seine Schafe gegen die unerbittlichen Scharfrichter zu verteidigen wissen.
Geht, ihr, die ihr vor Gott große Menschen und glücklicher als der heilige Thomas seid, glaubt, ohne sehen zu wollen und akzeptiert die Tatsache der Medialität, obgleich ihr sie selbst aus euch heraus nie hervorbringen könntet. Geht, der Geist Gottes führt euch.
Geh also voran, gestärkt durch deinen Glauben eindrucksvolle Phalanx! Und das große Heer der Ungläubigen wird vor euch verschwinden, wie der Morgennebel bei den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne.
Der Glaube ist die Tugend, die Berge versetzt, sagte euch Jesus, aber noch schwerer als die schwersten Berge, liegen die Unreinheit und alle Laster der Unreinheit in den Herzen der Menschen. Geht also mutig, um diesen Berg der Ungerechtigkeiten zu versetzen, den die zukünftigen Generationen nur noch als Sage kennenlernen sollen, so wie ihr selbst den Zeitabschnitt bis zur heidnischen Zivilisation nur sehr unvollständig kennt.
Ja, die moralischen und philosophischen Umwälzungen werden sich in allen Teilen des Globus ereignen. Die Stunde nähert sich, wo sich das göttliche Licht über beiden Welten zeigen wird.
Geht und verkündet das göttliche Wort: Den Großen, die es verachten werden, den Gelehrten, die Beweise verlangen werden, den Kleinen und Einfachen, die es annehmen werden, denn ihr werdet vor allem unter den Märtyrern der Arbeit, in dieser irdische Sühne, den Eifer und den Glauben finden. Geht! Diese Menschen werden mit Liedern des Dankes und des Lobes auf Gott den heiligen Trost empfangen, den ihr ihnen bringt, und sie werden sich beugen, indem sie sich für das Schicksal ihres irdischen Elends bedanken.
Auf dass eure Phalanx sich mit Entschlossenheit und Mut bewaffne! An die Arbeit! Der Pflug ist fertig; das Feld wartet; ihr müsst pflügen.
Geht und bedankt euch bei Gott für die ruhmreiche Aufgabe, die ER euch anvertraut hat; aber denkt daran, dass unter denjenigen, die zum Spiritismus berufen wurden, sich viele verirrt haben. Schaut eure Route an und folgt dem Weg der Wahrheit.
Frage: Wenn viele von denjenigen, die zum Spiritismus berufen wurden, sich verirrt haben, durch welche Zeichen wird man diejenigen erkennen, die auf dem richtigen Weg sind?
Antwort: Ihr werdet sie erkennen an den Grundsätzen der wahren Nächstenliebe, die sie lehren und praktizieren. Ihr werdet sie erkennen an der Anzahl der Leidenden, denen sie Trost gebracht haben. Ihr werdet sie erkennen an der Liebe zum Nächsten, an ihrer Selbstlosigkeit, an ihrer Uneigennützigkeit. Ihr werdet sie schließlich erkennen an dem Sieg ihrer Prinzipien, weil Gott den Sieg SEINES Gesetzes möchte. Diejenigen, die SEINEN Gesetzen folgen, sind SEINE Auserwählten, und ER wird ihnen den Sieg geben, wird aber diejenigen niederschlagen, die den Sinn dieser Gesetze verdrehen und aus ihnen ein Mittel machen, um ihre Eitelkeit und ihren Ehrgeiz zu befriedigen. (Erastus, Schutzengel des Mediums, Paris, 1863)
Die Arbeiter des Herrn
Gott zählt in diesem Moment SEINE treuen Diener, und ER hat mit SEINEM Finger diejenigen gekennzeichnet, die nur den Schein der Hingabe haben, damit sie sich nicht den Lohn der mutigen Diener widerrechtlich aneignen, denn es sind diejenigen, die nicht vor ihren Aufgaben zurückschrecken, denen ER die schwierigeren Posten bei der großen Arbeit der Erneuerung durch den Spiritismus anvertrauen wird, und diese Worte werden in Erfüllung gehen: „Die Ersten werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten im Himmelreich sein.“ (Geist der Wahrheit, Paris, 1862)
KAPITEL XXI - Es werden falsche Christusse und falsche Propheten kommen
Man erkennt den Baum an seinen Früchten
Viele falsche Propheten werden auftreten und sie werden viele irreführen. Und weil die Gesetzesverachtung überhandnimmt, wird die Liebe in vielen erkalten. Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden.
Deshalb, wenn jemand zu euch sagt: “Hier ist der Christus“, oder: „dort ist er“, so glaubt es nicht! Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten auftreten, die große Wunder und erstaunliche Dinge vollbringen werden, sodass – wenn es möglich wäre – auch die Auserwählten verführt werden könnten. (Matthäus, Kap. XXIV, 4, 5, 11-13, 23, 24; Markus, Kap. XIII, 5, 6, 21, 22)
Mission der Propheten
Wunder der falschen Propheten
Wenn also, gemäß der Bedeutung, die man diesen Worten beimisst, der Geist des Bösen die Macht besäße, solche Wunderdinge zu vollbringen, die sogar die Auserwählten täuschen könnten, wäre zu folgern, dass – indem sie das Gleiche tun können, was Gott tut – die Wunderdinge und das Außergewöhnliche keine Privilegien der Gesandten Gottes sind und gar nichts beweisen, da ja nichts die Wundertaten der Heiligen von den Wundertaten der Dämonen unterscheidet. Es ist deshalb notwendig, eine rationalere Bedeutung für diese Worte zu suchen.
Vor den Augen des gewöhnlichen Unwissenden gelten alle Phänomene, deren Ursachen unbekannt sind, als übernatürlich, außergewöhnlich und wundersam. Ist die Ursache einmal bekannt, erkennt man, dass das Phänomen, so außergewöhnlich es auch erscheinen mag, nichts anderes ist, als die natürliche Folge eines Naturgesetzes. So verkleinert sich der Kreis der übernatürlichen Ereignisse in dem Maße, wie sich der Kreis der Wissenschaft vergrößert. Zu allen Zeiten haben die Menschen zugunsten ihres Ehrgeizes, ihrer Interessen und ihrer Herrschaft bestimmte Kenntnisse, die sie besaßen, ausgenutzt, um sich das Prestige einer angeblich übermenschlichen Kraft oder einer vorgeblich göttlichen Mission zu geben. Diese sind die falschen Christusse und die falschen Propheten. Die Verbreitung der Kenntnisse macht sie unglaubwürdig, deshalb vermindert sich ihre Zahl in dem Maß, wie die Menschen aufgeklärt werden. Die Ausführung dessen, was in den Augen von einigen als Wunder gilt, ist daher kein Anzeichen einer göttlichen Mission, da sie aus Kenntnissen hervorgehen, die sich ein jeder aneignen kann, oder aus besonderen organischen Fähigkeiten, die sowohl der Unwürdigste als auch der Würdigste besitzen kann.
Die wahren Propheten erkennt man an den seriöseren und ausschließlich moralischen Charakteren.
Glaubt nicht allen Geistern
Bittet also den Spiritismus nicht um Wunder und Außergewöhnliches, denn er erklärt ausdrücklich, dass er sie nicht hervorbringt. Wie die Physik, Chemie, Astronomie, Geologie gekommen sind, um die Gesetze der materiellen Welt zu enthüllen, kommt der Spiritismus, um die anderen unbekannten Gesetze zu enthüllen, die die Verbindung zwischen der physischen und geistigen Welt regeln, Gesetze, die, ebenso wie die der ältesten Wissenschaften, nichts anderes als natürliche Gesetze sind; indem der Spiritismus die Erklärung einer gewissen Art von Phänomenen gibt, die bis jetzt nicht erklärt werden konnten, vernichtet er, was noch im Bereich der Wunder verblieben war. Diejenigen also, die in Versuchung kommen würden, diese Phänomene zum eigenen Nutzen zu erforschen, und sich als Gesandte Gottes auszugeben, könnten nicht für lange Zeit die Leichtgläubigen täuschen, sie wären bald entlarvt. Wie bereits gesagt, beweisen diese Phänomene allein nichts: Eine Mission wird durch ihre moralische Wirkungen bewiesen, die nicht ein jeder hervorbringen kann. Dies ist eins der Ergebnisse der spiritistischen Wissenschaft; indem sie die Ursache gewisser Phänomene gründlich untersucht, hebt sie den Schleier vieler Geheimnisse. Jene, die die Dunkelheit dem Licht vorziehen, haben als einziges Interesse daran, sie zu bekämpfen. Aber die Wahrheit ist wie die Sonne: Sie löst den dichtesten Nebel auf.
Der Spiritismus kommt, um eine andere Kategorie von gefährlicheren falschen Christussen und falschen Propheten zu enthüllen, die sich nicht unter den Menschen befinden, sondern unter den Nichtnkarnierten (den Verstorbenen): das sind die betrügerischen, heuchlerischen, hochmütigen und pseudogelehrten Geister, die von der Erde in die Erratizität (Jenseits) gegangen sind und sich mit Namen verehrter Personen schmücken, um zu versuchen – hinter der Maske, mit der sie sich bedecken – ihre Ideen glaubhaft zu machen, die oft die seltsamsten und absurdesten sind. Bevor medialen Kundegungen bekannt wurden, wirkten sie auf eine weniger deutliche Art, durch die Eingebung, durch die unbewusste, hörende und sprechende Medialität. Die Zahl derer, die in diversen Epochen, insbesondere in der letzten Zeit, sich als einige der ehemaligen Propheten, wie auch als Christus oder als Maria, seine Mutter, und sogar auch als Gott ausgegeben haben, ist beachtlich.
Der heilige Johannes warnte die Menschen vor diesen Geistern, als er sagte: „Meine geliebten Freunde, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft, ob die Geister von Gott sind, denn viele falsche Propheten sind in die Welt hinausgegangen“. Der Spiritismus gibt uns die Mittel dazu, um die Geister zu prüfen, indem er uns auf die Merkmale hinweist, an denen man die guten Geister erkennen kann: Merkmale, die immer moralischer und nie materieller Natur sind *.
Folgende Worte Jesu gelten vor allem für das Unterscheidungsvermögen der guten und der bösen Geister: „Man erkennt die Qualität des Baumes an seinen Früchten; ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum kann keine guten Früchte hervorbringen.“ Man beurteilt die Geister an der Qualität ihrer Werke wie einen Baum an der Qualität seiner Früchte.
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* Siehe, für das Erkennen der Geister, „Das Buch der Medien“, zweiter Teil, Kap. 24 und folgende
Unterweisungen der geistigen Welt
Die falschen Propheten
Auf diese Art und Weise, meine Freunde, sollt ihr urteilen; es sind die Werke, die ihr zu prüfen habt. Wenn diejenigen, die von sich selbst sagen, dass sie über eine göttliche Macht verfügen, alle Anzeichen einer solchen Mission zeigen, d.h. wenn sie die christlichen und ewigen Tugenden in ihrem höchsten Grad besitzen: Nächstenliebe, Liebe, Nachsicht und Güte, die alle Herzen in Einklang bringen; und wenn sie mit entsprechenden Taten ihre Worte untermauern, dann könnt ihr sagen: „Dies sind wirklich Gesandte Gottes“.
Misstraut aber den heuchlerischen Worten, den Schriftgelehrten und Pharisäern, die in langen Gewändern auf öffentlichen Plätzen beten. Misstraut jenen, die vorgeben, das Monopol der alleinigen und einzigen Wahrheit zu besitzen!
Nein, nein, Christus befindet sich nicht unter diesen, denn diejenigen, die Er sendet, um Seine heilige Lehre zu verbreiten und Sein Volk zu regenerieren, werden, nach dem Beispiel des Meisters, vor allem sanft und demütig im Herzen sein; diejenigen, die mit ihren Beispielen und Ratschlägen die Menschheit retten sollen, die in ihr Verderben läuft und auf krummen Wegen wandert; diese werden vor allem bescheiden und demütig sein. Flieht vor jedem, der das kleinste Anzeichen von Hochmut zeigt, wie vor einer ansteckenden Lepra, die alles ansteckt, was sie berührt. Erinnert euch daran, dass jedes Geschöpf auf seiner Stirn, aber vor allem in seinen Taten, den Stempel seiner Größe oder seines Verfalls trägt.
Meine geliebten Kinder, geht also weiter ohne Umwege, ohne Hintergedanken, auf dem gesegneten, eingeschlagenen Weg. Geht weiter, geht ohne Furcht immer weiter. Entfernt mutig alles, was euch auf dem Weg zum ewigen Ziel behindern kann. Reisende, ihr werdet nicht mehr lange in der Finsternis und in den Schmerzen eurer Prüfung sein, wenn ihr eure Herzen dieser sanften Lehre öffnet, die euch die ewigen Gesetze enthüllt und alles Sehnen eurer Seele nach dem Unbekannten befriedigt. Schon ab sofort könnt ihr diesen leichten Luftgeistern Gestalt geben, die ihr in euren Träumen vorbeischweben seht und die nur euren Geist für kurze Zeit verzaubern konnten, aber eure Herzen nicht anzusprechen vermochten. Jetzt, meine Freunde, ist der Tod verschwunden, um Platz für den strahlenden Engel zu machen, den ihr kennt; der Engel des Wiedersehens und der Vereinigung. Ihr, die ihr jetzt die Aufgabe gut vollendet habt, die der Schöpfer euch auferlegte, braucht euch nicht mehr vor SEINER Gerechtigkeit zu fürchten, denn ER ist ein Vater und verzeiht SEINEN verirrten Kindern, die um Erbarmen bitten, stets. Macht weiter so, geht unaufhörlich vorwärts; auf dass eure Devise jene des Fortschritts sei, des ununterbrochenen Fortschritts in allen Dingen, bis ihr endlich zu diesem glücklichen Ziel gelangt, wo euch all jene, die euch vorausgegangen sind, erwarten. (Ludwig, Bordeaux, 1861)
Eigenschaften des wahren Propheten
Vertraut man nicht das Kommando einer Armee nur einem General an, der fähig ist, sie zu kommandieren? Glaubt ihr, dass Gott weniger klug ist als die Menschen? Seid gewiss, dass ER die wichtigen Missionen nur denjenigen anvertraut, die, wie ER weiß, fähig sind, sie zu erfüllen, denn die großen Missionen sind schwere Lasten, die den Menschen erdrücken würden, der zu schwach ist, sie zu tragen. Wie in allen Dingen muss der Meister mehr wissen als sein Schüler. Um die Menschheit moralisch und intellektuell vorwärtszubringen, braucht man Menschen, die sowohl an Intelligenz als auch an Moral überlegen sind! Deshalb sind es immer bereits hoch entwickelte Geister, die ihre Prüfungen bereits in anderen Existenzen bestanden haben und zu diesem Zweck inkarnieren, denn wenn sie nicht überlegener wären als das Umfeld, in dem sie tätig sein sollen, wäre ihr Erfolg gleich Null. Unter dieser Voraussetzung könnt ihr davon ausgehen, dass der wahre Missionar Gottes seine Mission durch die Überlegenheit, durch seine Tugenden, durch die Würde, durch das Resultat und durch den moralischen Einfluss seiner Taten rechtfertigen muss. Zieht daraus weiter die Folgerung: Wenn er durch seine Eigenschaften, seine Tugenden und seine Intelligenz unterhalb der Rolle ist, die er vorgibt zu haben, oder der Person, hinter dessen Namen er sich verbirgt, dann ist er nichts anderes als ein schlechter Schauspieler niedrigen Ranges, der nicht einmal sein Vorbild nachahmen kann.
Eine andere Erwägung ist, dass die Mehrheit der echten Missionare Gottes sich selbst ignorieren. Sie erfüllen das, wofür sie berufen wurden, durch die Kraft ihres Geistes, unterstützt von einer verborgenen Macht, die sie ohne ihr Wissen inspiriert und führt, aber ohne vorauszuplanen. Kurzum, die wahren Propheten offenbaren sich durch ihre Taten: Man entdeckt sie; während die falschen Propheten sich selbst als Gesandte Gottes ausgeben; erstere sind demütig und bescheiden; letztere sind hochmütig und überzeugt von sich selbst, sprechen mit Stolz und wie alle Schwindler scheinen sie immer zu befürchten, dass man ihnen nicht glaubt.
Man hat schon solche Schwindler gesehen, die sich als Apostel Christi ausgegeben haben, andere als Christus selbst und es ist eine Schande für die Menschheit, dass sie immer gutgläubige Menschen finden, die ihren Betrügereien Glauben schenken. Eine ganz einfache Überlegung, die jedoch die Augen der Blindesten öffnen sollte, ist, dass falls Christus noch einmal auf dieser Erde inkarnieren würde, Er mit all Seiner Kraft und all Seinen Tugenden kommen würde, außer man nähme an – was absurd wäre, dass Er sich zurückentwickelt hätte. Also, genauso, wenn wir von Gott eines SEINER Attribute wegnehmen würden, hätten wir Gott nicht mehr, und nähmen wir eine der Tugenden von Christus weg, hätten wir auch Ihn nicht mehr. Haben diejenigen, die sich als Christus ausgeben, alle Seine Tugenden? Das ist die Frage. Beobachtet und erforscht ihre Art zu denken und ihre Taten und ihr werdet erkennen, dass ihnen vor allem die deutlichen Eigenschaften fehlen, die sie von Christus unterscheiden: Demut und Nächstenliebe, während sie das haben, was Christus nicht hatte: die Habgier und Hochmut. Bemerkt weiterhin, dass es zurzeit in verschiedenen Ländern viele angebliche Christusse gibt, ebenso auch zahlreiche, angebliche Elias, Johannes oder Petrus, und diese können schon zwangsläufig nicht alle echt sein. Seid gewiss, dass sie Menschen sind, die die Leichtgläubigkeit ausnutzen und es bequem finden, auf Kosten derjenigen zu leben, die ihnen Gehör schenken.
Misstraut also den falschen Propheten, insbesondere in dieser Zeit der Erneuerung, weil viele Betrüger behaupten werden, dass sie Gesandte Gottes seien. Sie beschaffen sich eine eitle Genugtuung auf der Erde, aber eine furchtbare Gerechtigkeit erwartet sie, dessen könnt ihr sicher sein. (Erastus, Paris, 1862)
Die falschen Propheten in der Erratizität
Sie sind es, die den Keim der Zwietracht unter den Gruppen säen, die sie drängen, sich von den andern zu isolieren und sich gegenseitig misstrauisch anzusehen. Das allein würde schon genügen, um sie zu entlarven, denn, durch eine solche Handlungsweise widerlegen sie selber aufs Deutlichste, was sie vorgeben zu sein. Blind sind die Menschen, die in eine so plumpe Falle geraten.
Aber es gibt viele andere Mittel, um sie zu erkennen. Die Geister der Kategorie, der anzugehören sie vorgeben, müssen nicht nur sehr gut sein, sondern auch außerordentlich rational. Nun, deshalb sollt ihr ihre Systeme mit Vernunft und dem gesunden Menschenverstand prüfen und ihr werdet sehen, was übrig bleibt. Ihr werdet mit mir übereinstimmen, dass jedes Mal, wenn ein Geist als Heilmittel gegen die Leiden der Menschheit – oder als Mittel, um ihre Veränderung zu erlangen – utopische, nicht ausführbare, kindische und lächerliche Maßnahmen angibt; oder wenn er ein System formuliert, das den grundlegendsten Begriffen der Wissenschaft widerspricht, so kann er nichts anderes sein, als ein unwissender und trügerischer Geist.
Andererseits seid überzeugt, wenn auch die Wahrheit nicht immer von den einzelnen Individuen geschätzt wird, der gesunde Menschenverstand der Masse wird es immer tun, und ist dies ein weiteres Kriterium. Wenn zwei Grundsätze sich widersprechen, so könnt ihr das Maß ihres eigentlichen Wertes herausfinden, indem ihr beobachtet, welcher der beiden ein größeres Echo und Sympathie findet. In der Tat, es wäre unlogisch anzunehmen, dass eine Lehre, deren Anhängerschaft stetig geringer wird, wahrhaftiger wäre als die, deren Anhänger zahlenmäßig kontinuierlich mehr werden. Da Gott möchte, dass die Wahrheit zu allen kommt, vertraut er sie nicht nur einem beschränkten Kreis an, sondern bringt sie an verschiedenen Orten hervor, damit überall neben der Finsternis auch das Licht sein wird.
Weist erbarmungslos alle Geister ab, die sich als außergewöhnliche Ratgeber präsentieren und Spaltung und Isolierung predigen. Diese sind meistens eingebildete und mittelmäßige Geister, die dazu neigen, sich den schwachen und leichtgläubigen Menschen aufzudrängen und denen sie übertriebene Lobpreisungen spenden, um sie zu faszinieren und unter ihrer Herrschaft zu halten. Sie sind im Allgemeinen Geister, die gierig nach Macht sind und zu ihren Lebzeiten im öffentlichen oder privaten Bereich Tyrannen waren und die nach ihrem Tod immer noch Opfer suchen, um sie zu tyrannisieren. Misstraut im Allgemeinen solchen Mitteilungen, die den Charakter des Mystizismus und der Fremdartigkeit tragen oder die seltsame Zeremonien und Handlungen vorschreiben; hier liegt immer ein berechtigter Grund vor, Verdacht zu schöpfen.
Andererseits seid überzeugt davon, dass, wenn eine Wahrheit der Menschheit offenbart werden muss, sie sozusagen unverzüglich allen ernsthaft arbeitenden Gruppen, die gute Medien haben, mitgeteilt wird, und nicht nur der einen oder anderen Gruppe, unter Ausschluss der Übrigen. Keiner ist ein vollkommenes Medium, wenn er besessen ist, und es gibt eine offenbare Besessenheit, wenn das Medium nur von einem bestimmten Geist Mitteilungen bekommt, so hoch er sich selbst auch einschätzen möge. Alle Medien und alle Gruppen, die glauben, privilegiert zu sein, aufgrund von Mitteilungen, die nur sie bekommen und welche sich zudem Praktiken unterwerfen, die zum Aberglauben tendieren, sind unzweifelhaft von einer gut erkennbaren Besessenheit ergriffen, vor allem, wenn der beherrschende Geist sich mit einem Namen brüstet, welchen wir alle, Geister und Inkarnierte, ehren und respektieren sollen, und nicht erlauben sollten, dass er bei jedem Anlass kompromittiert wird.
Es ist unbestreitbar, dass, dann wenn man alle von den Geistern erhaltenen Angaben und Kundgebungen einer strengen Prüfung durch die Vernunft und der gesunden Menschenverstand unterzieht, es leichter sein wird, Absurddität und Irrtümer zurückzuweisen. Ein Medium kann fasziniert und eine Gruppe getäuscht werden, aber die strenge Kontrolle anderer Gruppen, die erworbenen Kenntnisse und die hohe moralische Autorität der Gruppenleiter sowie die Kundgebungen der jeweiligen Hauptmedien, die ein Siegel der Vernunft und der Authentizität der höheren Geister tragen, werden diese lügenhaften und arglistigen Diktate, hervorgebracht von einer Meute betrügerischer und übler Geistwesen, schnell verurteilen.(Erastus, Schüler vom heiligen Paulus, 1862)
(Siehe Einleitung, Paragraph II, „Universelle Kontrolle der Lehre der Geister“ – Im „Das Buch der Medien“, zweiter Teil, Kap. XXIII, Von der Besessenheit)
Jeremias und die falschen Propheten
Wenn also dieses Volk oder ein Prophet oder ein Priester euch befragt und sagt: ‚Welche ist die Last des Herrn?‘, so sagt zu ihnen: ‚Ihr selbst seid meine Last, und ich werde sie weit weg von mir abwerfen‘, so spricht der Herr.“ (Jeremia, Kap. XXIII, 16-18, 21, 25, 26, 33)
12. Über diesen Abschnitt des Propheten Jeremias möchte ich mit euch sprechen, meine Freunde. Gott, der durch seinen Mund sprach, sagte: „Es sind die Visionen aus ihrem Herzen, die sie zum Sprechen bringen“. Diese Worte weisen deutlich darauf hin, dass schon zur damaligen Zeit die Scharlatane und die Fanatiker die Gabe der Prophezeiung missbrauchten und Eigennutz daraus zogen. Sie beuteten somit den einfachen und nahezu blinden Glauben des Volkes aus, indem sie für Geld gute und angenehme Sachen weissagten. Diese Art von Betrug war ziemlich verbreitet bei dem jüdischen Volk, und es ist leicht zu verstehen, dass das arme Volk in seiner Unwissenheit keine Möglichkeiten hatte, die Guten von den Bösen zu unterscheiden, und sie wurden stets – mehr oder weniger – von den Pseudo-Propheten betrogen, die nichts anders waren als Betrüger oder Fanatiker. Nichts ist bedeutsamer als diese Worte: „Ich habe diese Propheten nicht gesandt, sie sind von selbst losgelaufen; ich habe nichts zu ihnen gesagt, dennoch weissagen sie.“ Er sagte noch weiter: „Ich habe wohl gehört, welche Lügen die Propheten in meinem Namen aussprechen und weissagen: ‚Ich habe geträumt, ich habe geträumt‘. So wies ER auf eines der Mittel hin, die sie anwendeten, um das Vertrauen des Volks auszunutzen, das sie ihnen schenkten. Die Volksmenge, immer gläubig, dachte nicht daran, die Wahrhaftigkeit ihrer Träume oder ihrer Visionen in Frage zu stellen, sie fanden das ganz natürlich und ermunterten die Propheten immer zum Sprechen.
Hört, nach den Worten des Propheten, den weisen Rat des Apostels Johannes, wenn er sagt: „Glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft, ob die Geister von Gott sind“, denn unter den Unsichtbaren gibt es auch solche, die Vergnügen am Betrug finden, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Die meist Betrogenen sind selbstverständlich die Medien, wenn sie keine ausreichenden Vorsichtsmaßnahmen anwenden. Dies ist ohne Zweifel eine der größten Klippen, an der viele zerschellen, besonders wenn sie Neulinge des Spiritismus sind. Dies ist für sie eine Prüfung, die sie nur mit großer Vorsicht bestehen können. Lernt also vor allem, die guten von den bösen Geistern zu unterscheiden, damit ihr nicht selbst zu falschen Propheten werdet. (Luoz, Schutzgeist, Karlsruhe, 1861)
KAPITEL XXII - Trennt nicht, was Gott zusammengefügt hat
Die Unlösbarkeit der Ehe
Sie entgegneten Ihm: „Warum hat dann Moses geboten, dass der Mann seiner Frau einen Scheidebrief geben soll und sich von ihr scheiden?“ – Jesus antwortete: „Wegen der Härte eures Herzens hat Moses euch erlaubt, euch von euren Frauen zu scheiden, aber das ist nicht von Anfang an so gewesen.“ – Ich sage euch daher: „Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Ehebruch, und heiratet eine andere, begeht Ehebruch; und wer eine Frau heiratet, die von einem andern geschieden wurde, begeht ebenfalls Ehebruch.“ (Matthäus, Kap. XIX, 3-9)
Jedoch, weder das Zivilgesetz noch die eingegangenen Verpflichtungen können das Gesetz der Liebe ersetzen, wenn dieses bei der Eheschließung nicht vorherrschend ist. Daraus resultiert sehr oft, was unter Zwang verbunden wurde, von selbst auseinander gehen wird; dass man einen Meineid leistet, wenn der vor dem Altar abgelegte Eid wie eine banale Formel ausgesprochen wird. Diese unglücklichen Verbindungen enden oft kriminell; doppeltes Unglück, das vermieden werden könnte, wenn unter den vereinbarten Ehebedingungen nicht die eine fehlen würde, die allein vor Gottes Augen Anerkennung findet: das Gesetz der Liebe. Als Gott sagte: „Ihr werdet ein einziges Fleisch sein“, und als Jesus ermahnte: „Trennt nicht, was Gott zusammen-gefügt hat“, so muss man die Ehe gemäß dem unveränderlichen Gesetz Gottes verstehen und nicht nach dem veränderlichen Gesetz der Menschen.
Die Scheidung
Auch Jesus segnete nicht die absolute Unlösbarkeit der Ehe. Sagte Er nicht: „Wegen der Härte eurer Herzen, hat es euch Moses erlaubt, euch von euren Frauen zu scheiden“? Dies bedeutet, dass seit der Zeit Moses Scheidungen notwendig werden konnten, da die gegenseitige Zuwendung nicht der einzig entscheidende Zweck der Ehe war. Er fügte jedoch hinzu: „Am Anfang war das nicht so“, d.h. in frühesten Zeiten der Menschheit, als die Menschen noch nicht durch Egoismus und Hochmut verdorben waren und nach dem Gesetz Gottes lebten, die Ehen aus Sympathie und nicht aus Eitelkeit oder Ehrgeiz geschlossen wurden, gab es keinen Anlass zu einer Verstoßung.
Er geht noch weiter: Er nennt ein Beispiel, wo eine Verstoßung stattfinden kann, nämlich bei Ehebruch. Nun, es wird keinen Ehebruch geben, wo eine gegenseitige und aufrichtige Zuneigung herrscht. In der Tat verbietet Er dem Mann, eine Frau zu nehmen, die verstoßen wurde; hierbei muss man jedoch die Gebräuche und Sitten der Menschen der damaligen Zeit berücksichtigen. Die mosaischen Gesetze schrieben in einem solchen Fall die Steinigung vor. Da Er diesen barbarischen Brauch abschaffen wollte, brauchte Er eine andere Strafe; Er findet sie im Verbot, eine zweite Ehe einzugehen. In gewisser Weise wurde dadurch ein bürgerliches Gesetz durch ein anderes ersetzt, welches sich aber, wie alle Gesetze dieser Art, im Laufe der Zeit noch bewähren musste.
KAPITEL XXIII - Seltsame Moral
Wer nicht seinen Vater und seine Mutter hasst
Das Wort hassen, in diesem Satz vom Evangelist Lukas: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater und seine Mutter hasst“, ist so ein Fall. Kein Mensch würde auf den Gedanken kommen, Jesus dieses Wort zuzuschreiben. Es wäre deshalb überflüssig, darüber zu diskutieren und noch weniger zu versuchen, es zu rechtfertigen. Es wäre notwendig zu wissen, ob Er es ausgesprochen hat, und falls dies bejaht werden kann, ob in der Sprache, in der Er sich äußerte, dieses Wort die gleiche Bedeutung wie in unserer Sprache hatte. Der Abschnitt vom Evangelist Johannes: „Wer sein Leben in dieser Welt hasst, bewahrt es für das ewige Leben“, drückt gewiss nicht die Meinung aus, die wir ihm beimessen.
Die hebräische Sprache war nicht reich und viele Worte hatten mehrere Bedeutungen. So ist es zum Beispiel mit dem Wort, dass in der Genesis die Phasen der Schöpfung bezeichnet und zugleich benutzt wurde, um irgendeinen Zeitabschnitt und die Zeit für eine vollständige Umdrehung der Erde zu bezeichnen. Daher wurde es später mit dem Wort Tag übersetzt, hieraus entstand dann der Glaube, dass die Welt ein Werk von sechs Mal vierundzwanzig Stunden war. Ebenso geschah es mit dem Wort, das zugleich ein Kamel und ein Seil bezeichnete, weil die Seile aus Kamelhaaren hergestellt wurden, und deswegen wurde es in der Allegorie des Nadelöhrs, mit dem Wort Kamel übersetzt (siehe Kap. XVI, Nr. 2). *
Man muss daher die Sitten und den Charakter der Völker berücksichtigen, die das besondere Wesen ihrer Sprache beeinflussen. Ohne diese Kenntnis entgeht einigen Worten ihr wahrer Sinn. Das gleiche Wort kann von einer Sprache in die andere übersetzt eine mehr oder weniger energische Bedeutung haben. Ein Wort kann in einer Sprache eine Beleidigung oder eine Gotteslästerung sein, und unbedeutend in einer anderen, gemäß der Bedeutung, die man ihm beimisst. In einer gleichen Sprache verlieren einige Wort ihren Wert durch die Jahrhunderte. Daher kommt es, dass eine streng genommene buchstäbliche Übersetzung nicht immer den Gedanken richtig wiedergibt, und um genau zu sein, ist es manchmal notwendig, nicht die entsprechenden Worte zu benutzen, sondern andere, gleichbedeutende oder Umschreibungen.
Diese Bemerkungen sind sehr wesentlich für die Auslegung der Heiligen Schrift, insbesondere der Evangelien. Wenn man das Umfeld nicht berücksichtigt, in dem Jesus lebte, läuft man Gefahr, sich in der Bedeutung einiger Ausdrücke und Tatsachen zu irren, infolge der Gewohnheit, die andern mit sich selbst gleichzusetzen. Aus diesem Grund ist es also nötig, von dem Wort Hass die moderne Bedeutung zu verwerfen, als gegensätzlich zum Wesen der Lehre Jesus (siehe auch Kapitel XIV, Nr. 5 und folgende).
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* Non odit auf Latein, Kai oder misei auf Griechisch bedeutet nicht hassen, sondern weniger lieben. Was das griechische Verb misein ausdrückt, sagt noch besser das hebräische Verb, dass Jesus gebraucht haben soll. Es bedeutet nicht nur hassen, sondern weniger lieben, nicht so stark lieben, ebenso stark wie einen anderen. In dem syrischen Dialekt, von dem man sagt, dass Jesus ihn am häufigsten gebrauchte, ist diese Bedeutung noch stärker. Es ist in diesem Sinn, dass es in der Genesis benutzt wird (Kap. XXIX, 30-31): „Und Jakob liebte auch Rachel mehr als Lia, und Jehova, als er sah, dass Lia gehasst wurde …“. Es ist offenkundig, dass der wahre Sinn weniger geliebt bedeutete; so muss dies übersetzt werden. In vielen anderen hebräischen Stellen, insbesondere den syrischen, wird das gleiche Verb im Sinne von: nicht so stark lieben wie einen anderen, und man würde einen widersprüchlichen Sinn mit „hassen“ übersetzen, was eine andere ganz deutliche Bedeutung hat. Der Text des heiligen Matthäus beseitigt im Übrigen jegliche Schwierigkeit. (Anmerkung von M. Pezzani).
Vater, Mutter und Kinder verlassen
Ohne über die Worte zu diskutieren, soll man hier den Gedanken suchen, der offensichtlich folgender war: „Die Interessen des zukünftigen Lebens überwiegen alle Interessen und alle menschlichen Betrachtungen, weil dieser Gedanke mit dem Wesen der Lehre Jesu übereinstimmt, während der Gedanke einer Ablehnung der Familie die Verneinung seiner Lehre wäre.
Übrigens, haben wir nicht die Anwendung dieser Grundsätze vor Augen, indem wir die Interessen und die familiären Zuneigungen für das Vaterland opfern? Tadelt man einen Sohn, der seinen Vater, seine Mutter, seine Geschwister, seine Frau und seine eigenen Kinder verlässt, um sein Land zu verteidigen? Erkennt man ihm im Gegenteil nicht ein großes Verdienst an, sich den Annehmlichkeiten seines Heimes, der Wärme der Freundschaften zu entreißen, um eine Pflicht zu erfüllen? Es gibt also Pflichten, die wichtiger sind als andere. Verpflichtet nicht das Gesetz die Tochter dazu, ihre Eltern zu verlassen, um ihrem Ehemann zu folgen? In der Welt wimmelt es von Fällen, wo die schmerzhaftesten Trennungen notwendig sind; aber die Zuneigungen zerbrechen deshalb nicht daran. Die Entfernung vermindert weder den Respekt noch die Fürsorge, die man den Eltern schuldet, auch nicht die Liebe zu seinen Kindern. Man sieht, dass diese Worte, auch wenn sie wortwörtlich interpretiert werden – abgesehen von dem Wort hassen – keine Verneinung des Gebotes sind, das vorschreibt, dass man seinen Vater und seine Mutter ehren soll, auch nicht das Gefühl der väterlichen Liebe, und um so weniger noch, wenn man sie ihrem Sinn nach versteht. Die übertriebene Formulierung zielte darauf ab, aufzuzeigen, wie zwingend die Pflicht war, sich um das zukünftige Leben zu kümmern. Sie müssen aber weniger schockierend gewesen sein für ein Volk und in einer Epoche, wo – infolge der herrschenden Sitten – die Familienbande schwächer waren als in einer moralisch fortschrittlicheren Zivilisation. Diese Bande, die bei primitiven Völkern schwächer waren, verstärkten sich mit der Entwicklung der Sensibilität und des moralischen Verhaltens. Die Trennung als solche ist notwendig für den Fortschritt, sowohl für die Familien als auch für die Rassen, sie degenerieren, wenn es keine Vermischungen gibt; wenn sich die einen nicht mit den andern vermischen. Das ist ein Naturgesetz, das ebenso im Interesse des moralischen als auch des physischen Fortschritts ist.
Diese Dinge sind hier nur vom irdischen Gesichtspunkt her betrachtet worden. Der Spiritismus lässt sie uns von einem höheren Standpunkt aus betrachten, er zeigt uns auf, dass die wahren Bande der Zuneigung jene des Geistes und nicht die des Körpers sind und dass diese Bande weder durch Trennung noch durch den Tod des Körpers zerstört werden und dass sie sich im geistigen Leben durch die Reinigung des Geistes noch verstärken. Eine tröstende Wahrheit, die uns große Kraft gibt, um die Schicksalsschläge des Lebens zu ertragen. (Siehe Kap. IV, Nr. 18 und Kap. XIV, Nr. 8)
Überlasst es den Toten, ihre Toten zu begraben
Das geistige Leben ist nämlich das wahre Leben; es ist das normale Leben des Geistes. Seine irdische Existenz ist nur vorübergehend und vergänglich, sie ist eine Art Tod, wenn man sie mit der Pracht und den Aktivitäten des geistigen Lebens vergleicht. Der Körper ist nichts anderes als eine grobe Bekleidung, das den Geist vorübergehend umhüllt; eine wahrhafte Kette, die ihn an die Scholle der Erde fesselt, und der Geist fühlt sich glücklich, wenn er wieder davon befreit ist. Die Ehrfurcht, die man den Toten gegenüber hat, wendet sich nicht an die Materie, sondern durch die Erinnerung an den abwesenden Geist. Sie ist derjenigen ähnlich, die man für Dinge hat, die ihm gehörten, die er berührte und die diejenigen, die ihn lieben, als Reliquie behalten. Dies ist es, was jener Mann nicht von sich aus verstehen konnte. Jesus lehrte ihn dies, indem Er sagte: „Sorgt euch nicht um den Körper, sondern denkt vielmehr an den Geist. Geht und verkündet das Reich Gottes; geht hin und sagt den Menschen, dass ihre Heimat nicht die Erde ist, sondern der Himmel, denn nur dort ist das wahre Leben.“
Ich bin nicht gekommen, um den Frieden zu bringen, sondern die Trennung
Glaubt ihr, dass ich gekommen sei, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, ich versichere euch, dass es im Gegenteil die Trennung ist; denn wenn von heute an fünf Personen in einem Haus sein werden, werden sich die einen mit den anderen entzweien: drei gegen zwei und zwei gegen drei. Der Vater wird mit dem Sohn in Zwietracht leben und der Sohn mit dem Vater, die Mutter mit der Tochter und die Tochter mit der Mutter, die Schwiegermutter mit der Schwiegertochter und die Schwiegertochter mit der Schwiegermutter. (Lukas, Kap. XII, 49-53)
Das Ausmaß der Wichtigkeit und der Ergebnisse einer neuen Idee zeigt sich daher in den Gefühlen, die ihr Erscheinen verursacht, in der Stärke der Opposition, die sie hervorruft, und im Grad und der Beharrlichkeit des Zorns ihrer Gegner.
Hatte nicht auch Sokrates eine Lehre herausgegeben, die bis zu einem gewissen Grad der Lehre Christi entspricht? Warum hat sie sich zu jener Zeit, bei einem der intelligentesten Völker der Erde, nicht durchgesetzt? Weil die Zeit dafür noch nicht gekommen war. Er hat auf einen unvorbereiteten Boden gesät, denn das Heidentum war noch nicht genug niedergegangen. Christus bekam die Ihm von Gott übertragene Mission zu einem günstigen Zeitpunkt. Nicht alle Menschen Seiner Zeit waren den christlichen Ideen gewachsen, wie es notwendig gewesen wäre, aber es gab eine allgemeine Eignung, sie aufzunehmen, da man begann, die Leere zu spüren, die die gewöhnlichen Glauben in der Seele hinterlassen. Sokrates und Platon hatten den Zugang zu diesem Weg geöffnet und für die Geister vorbereitet. (Siehe Anleitung, Absatz IV, Sokrates und Platon – Vorläufer der christlichen Idee und des Spiritismus.)
Liegt die Schuld daran in der Lehre Jesu? Gewiss nicht, denn sie verurteilt deutlich alle Gewalt. Hat Jesus irgendwann zu Seinen Jüngern gesagt: „Geht, tötet, massakriert, verbrennt diejenigen, die nicht das glauben, was ihr glaubt“? Nein, im Gegenteil, denn Er sagte zu ihnen: „Alle Menschen sind Geschwister und Gott ist überaus barmherzig; liebt euren Nächsten, liebt eure Feinde, tut Gutes denjenigen, die euch verfolgen“. Er sagte ihnen weiterhin: „Wer mit dem Schwert tötet, wird durch das Schwert umkommen“. Die Verantwortung dafür liegt keinesfalls in der Lehre Jesus, sondern bei denjenigen, die sie falsch interpretiert haben und aus ihr ein Instrument zur Befriedigung ihrer Leidenschaft gemacht haben; bei denjenigen, die diese Worte Jesu verkannt haben: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“.
Jesus, in Seiner tiefen Weisheit, sah im Voraus was geschehen würde; aber diese Dinge waren unvermeidbar, weil sie der Niedrigkeit der menschlichen Natur angehörten, die sich nicht so plötzlich verändern konnte. Es war nötig, dass das Christentum diese lange und grausame Prüfung von achtzehn Jahrhunderten * durchlief, um seine Stärke zu zeigen; denn trotz allem Bösen, das in seinem Namen begangen wurde, ist das Christentum daraus rein hervorgegangen. Das Christentum wurde nie in Frage gestellt.
Der Tadel fiel immer auf diejenigen zurück, die es missbraucht haben. Bei jeder Handlung der Intoleranz sagte man immer: „Wenn das Christentum besser verstanden und praktiziert würde, so würde dies nicht geschehen“.
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* Anmerkung der Übersetzerin: Aus heutiger Sicht sind es 21 Jahrhunderte.
KAPITEL XXIV - Stellt das Licht nicht unter den Scheffel
Das Licht unter den Scheffel stellen. Warum Jesus in Gleichnissen spricht
Es geschieht bei den Menschen im Allgemeinen wie auch bei den einzelnen; die Generationen haben ihre Kindheit, ihre Jugend und ihr reifes Alter. Alles muss zu seiner Zeit kommen und der außerhalb der Saatzeit gesäte Samen bringt keine Früchte. Was aber die Vorsicht im Augenblick befiehlt zu verschweigen, wird früher oder später enthüllt, weil die Menschen, die an einem bestimmten Entwicklungsgrad angelangt sind, von sich selbst aus das lebendige Licht suchen; denn die Dunkelheit bedrückt sie. Da Gott ihnen die Intelligenz gegeben hat, um zu verstehen und den Dingen der Erde und des Himmels zu folgen, haben sie das Bedürfnis, über ihren Glauben nachdenken. Daher soll man das Licht nicht unter den Scheffel stellen, denn ohne das Licht der Vernunft wird der Glaube schwächer. (Kap. XIX, Nr. 7)
Es darf keine absoluten Geheimnisse im Glauben geben und Jesus hat Recht, wenn Er sagt, dass es kein Geheimnis gibt, das nicht gelüftet werden muss. Alles was verborgen ist, wird eines Tages enthüllt werden, und was der Mensch auf der Erde noch nicht verstehen kann, wird ihm nach und nach verständlich werden in den weiter entwickelten Welten, wenn er geläutert sein wird. Auf der Erde befindet sich der Mensch noch in einem Nebel.
Trotzdem blieb Er auch bei seinen Aposteln in einigen Punkten etwas undeutlich, weil das vollständige Verständnis dafür späteren Zeiten vorbehalten war. Es waren jene Punkte, die Anlass zu sehr unterschiedlichen Interpretationen gaben, solange, bis die Wissenschaft auf der einen Seite und der Spiritismus auf der andern dazu kamen, um weitere Naturgesetze zu enthüllen, die ihren wahren Sinn dann verständlich machten.
Geht nicht zu den Heiden
Zu Jesus Zeiten und als Folge der begrenzten und materiellen Ideen in dieser Epoche war alles örtlich eingegrenzt; das Haus Israels war ein kleines Volk; die Heiden waren kleine Nachbarvölker. Heute verbreiten sich die Ideen weltweit und vergeistigen sich. Das neue Licht ist kein Privileg einer einzigen Nation. Für das Licht gibt es keine Grenzen; es hat seinen Fokus überall und alle Menschen sind Brüder. Auch die Heiden sind kein Volk mehr, sie sind eine Idee, die man überall antrifft, aber die Wahrheit wird nach und nach siegen wie das Christentum über das Heidentum gesiegt hat. Man bekämpft sie nicht mehr mit den Waffen des Krieges, sondern mit der Macht der Idee.
Es sind nicht die Gesunden, die den Arzt benötigen
Diese Worte, wie viele andere, finden im Spiritismus ihre Anwendung. Man wundert sich oft darüber, dass die Medialität nichtwürdigen Menschen gewährt wird, die damit Missbrauch treiben können. Man ist geneigt zu sagen, dass eine solch kostbare Fähigkeit ausschließlich eine Eigenschaft von verdienstvollen Menschen sein sollte.
Zuerst ist zu sagen, dass die Medialität eine organisch angeborene Veranlagung ist, mit der jeder Mensch ausgestattet sein kann, wie die des Sehens, Hörens und Sprechens. Es gibt keine, die der Mensch kraft seines freien Willens nicht missbrauchen kann; und wenn Gott zum Beispiel die Sprache nur jenen gewährt hätte, die nichts Schlechtes sagen können, so gäbe es mehr Stumme als Sprechende. Gott hat dem Menschen Fähigkeiten gegeben; und ER gibt ihm die Freiheit, sie zu nutzen, aber ER bestraft denjenigen immer, der sie missbraucht.
Falls die Fähigkeit, mit den Geistern zu kommunizieren, nur den Würdigsten gegeben wäre, wer wäre jener, der es wagte, sie zu beanspruchen? Wo wäre im Übrigen die Grenze zwischen würdig und unwürdig? Die Medialität wird ohne Unterscheidung gegeben, damit die Geister das Licht allen Schichten, allen gesellschaftlichen Klassen, dem Armen wie dem Reichen bringen können; den Tugendhaften, um sie in den guten Absichten zu stärken; den Lasterhaften, um sie zu korrigieren. Sind diese letzteren nicht die Kranken, die den Arzt benötigen? Warum sollte Gott, der nicht den Tod des Sünders will, ihm die Hilfe vorenthalten, die ihn aus dem Sumpf herausziehen könnte? Die guten Geister kommen ihm zu Hilfe und ihre Ratschläge, die er direkt erhält, sind von einer Art und Weise, die ihn stärker beeindrucken als wenn er sie nur indirekt erhielte. Gott, in Seiner Güte, legt ihm das Licht in die Hand, um ihm die Mühe zu ersparen, es in der Ferne zu holen. Macht er sich denn nicht mehr schuldig, wenn er es trotzdem nicht beachten würde? Kann er sich mit seiner Unwissenheit entschuldigen, wenn er es mit seiner eigenen Hand geschrieben hat, mit seinen eigenen Augen gesehen hat, mit seinen eigenen Ohren gehört hat und mit seinem eigenen Mund die eigene Verurteilung ausgesprochen hat? Wenn er sie nicht benutzt, dann wird er mit dem Verlust oder mit dem moralischen Verfall der Fähigkeit bestraft, den sich in diesem Fall die bösen Geister zu Nutzen machen, um ihn zu quälen und zu täuschen, unabhängig von den wahren Bekümmernissen, mit denen Gott die unwürdigen Diener und die Herzen, die durch den Hochmut und den Egoismus verstockt sind, bestraft.
Die Medialität bedeutet nicht notwendigerweise eine auf Gewohnheit beruhende Beziehung mit den hohen Geistern. Sie ist nur eine Fähigkeit, mit der man mehr oder weniger als anpassungsfähiges Instrument den Geistern im Allgemeinen dienen kann. Das gute Medium ist also nicht dasjenige, das leicht mitteilt, sondern dasjenige, das den guten Geistern sympathisch ist und nur von ihnen Beistand erhält. Es ist nur in diesem Sinn zu verstehen, dass die Erhabenheit der moralischen Eigenschaften eine so große Macht über die Medialität besitzt.
Der Mut des Glaubens
Jesus lehnt diese Feigheit ab – insbesondere hinsichtlich Seiner Lehre – indem Er sagt, dass Er sich auch dessen schämen würde, der sich Seiner Worte schämt, dass Er denjenigen verleugnen würde, der Ihn verleugnet hätte, dass Er denjenigen, der sich zu Ihm vor den Menschen bekennen würde, auch vor Seinem Vater in den Himmeln wieder erkennen würde; mit anderen Worten: jene die fürchten, sich dazu zu bekennen, Jünger der Wahrheit zu sein, sind auch nicht würdig, ins Reich der Wahrheit eingelassen zu werden. Sie werden die Vorteile ihres Glaubens verlieren, weil dies ein egoistischer Glaube ist, den sie für sich selbst behalten und den sie verbergen, aus Angst, dass er ihnen in dieser Welt Schaden zufügen könnte, während jene, die die Wahrheit über ihre materiellen Interessen stellen, sie offen verkünden und gleichzeitig für ihre Zukunft und der der anderen arbeiten.
Sein Kreuz tragen. Wer sein Leben retten will, wird es verlieren
Dann fügt Er hinzu: „Derjenige nehme sein Kreuz, der mir folgen möchte“, d.h. ertragt mutig die Schicksalsschläge, die euer Glaube mit sich bringen wird; denn derjenige, der sein Leben und sein Vermögen retten möchte, indem er mich verleugnet, wird die Vorteile des Himmelreiches verlieren, während diejenigen, die alles in diesem Leben verloren haben, sogar das Leben, damit die Wahrheit siegt, werden im zukünftigen Leben die Belohnung für ihren Mut, ihre Beharrlichkeit und ihre Opferbereitschaft erhalten. Aber zu denjenigen, die die himmlischen Güter den irdischen Genüssen geopfert haben, wird Gott sagen: „Du hast deine Belohnung schon bekommen“.
KAPITEL XXV - Suchet und ihr werdet finden
Hilf dir selbst, dann wird der Himmel dir helfen
Was wäre ein Mensch unter euch, der dem Sohn einen Stein gäbe, wenn dieser ihn um Brot bittet? Oder ihm eine Schlange gäbe, wenn dieser um einen Fisch bittet? Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, euren Kindern gute Sachen zu geben wisst, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die IHN darum bitten? (Matthäus, Kap. VII, 7-11)
In den Anfängen der Menschheit setzte der Mensch seine Intelligenz einzig und allein zur Nahrungssuche, für Mittel zum Schutz vor ungünstigen Witterungseinflüssen und zur Verteidigung gegen seine Feinde ein. Aber Gott hat ihm mehr gegeben als dem Tier: nämlich den unablässigen Wunsch nach Besserem; und es ist dieser Wunsch, der ihn dazu treibt, Mittel zur Verbesserung seiner Position zu suchen, was zu Entdeckungen, zu Erfindungen und zur Weiterentwicklung der Wissenschaft führt, denn diese verschafft ihm, was ihm fehlt. Durch seine Forschungen steigert sich seine Intelligenz und seine Moral läutert sich. Auf die Bedürfnisse des Körpers folgen die Bedürfnisse des Geistes; nach der materiellen Nahrung braucht er die geistige Nahrung. Auf diese Weise verändert er sich vom primitiven zum zivilisierten Menschen.
Aber der Fortschritt, den jeder Mensch während eines Lebens individuell erreicht, ist sehr gering, bei vielen sogar kaum feststellbar. Wie könnte dann die Menschheit ohne die Vorexistenz und die Weiterexistenz der Seele fortschreiten? Wenn die Seelen, die jeden Tag die Erde verlassen, nie wieder zurückzukehren würden, so müsste die Menschheit sich unaufhörlich mit primitiven Elementen erneuern, die alles neu schaffen und erlernen müssten. Es gäbe also keinen Grund dafür, dass der Mensch heute weiter entwickelt sein sollte, als in den Anfängen der Welt, da ja bei jeder Geburt die ganze intellektuelle Arbeit wieder von vorne beginnen müsste. Die Seele jedoch, die im Gegensatz dazu mit ihrem erreichten Fortschritt zurückkommt und jedes Mal irgendetwas mehr erlangt, geht allmählich von der Barbarei in die materielle Zivilisation, und von dieser in die moralische Zivilisation über. (Siehe Kap. IV, Nr. 17).
Das ist die Bedeutung der Worte: „Sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und man wird euch öffnen“.
Betrachtet die Vögel des Himmels
Betrachtet die Vögel des Himmels: Sie säen nicht und ernten nicht und häufen nichts in Scheunen an, und euer Vater im Himmel ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr als sie? – Und wer von euch ist imstande, mit all seinen Bemühungen, seine Größe um eine Elle zu verlängern?
Weshalb sorgt ihr euch daher um die Kleidung? Seht, wie die Lilien des Feldes wachsen, sie arbeiten nicht und sie spinnen nicht; und ich sage euch, dass selbst Salomo in seiner vollen Pracht nicht gekleidet war, wie eine von diesen. Wenn aber Gott das Gras des Feldes so gestaltet, das es heute steht und morgen verbrannt wird, wird er dann nicht ebenso viel tun, um euch zu kleiden, ihr Kleingläubigen!
Darum sollt ihr euch nicht sorgen und sagen: ‚Was werden wir essen?‘ Oder: ‚was werden wir trinken?‘ Oder: ‚womit werden wir uns kleiden?‘ So wie die Heiden, die nach allen diesen Dingen trachten. Euer himmlischer Vater weiß ja, dass ihr all dieser Dinge bedürft.
Sucht vielmehr zuerst das Reich Gottes und SEINE Gerechtigkeit, dann werden euch alle diese Dinge dazugegeben werden. Sorgt euch daher nicht um den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird seine eigenen Sorgen haben. Jeder Tag hat genug mit seinen eigenen Sorgen.“ (Matthäus, Kap. VI, 19-21 und 25-34)
Man muss daher in diesen Worten nichts anderes als eine symbolische poetische Allegorie der Vorsehung sehen, die niemals diejenigen im Stich lässt, die ihr vertrauen, die aber möchte, dass sich die Menschen ihrerseits etwas erarbeiten. Wenn sie auch nicht immer mit materieller Unterstützung zu Hilfe kommt, inspiriert sie die Ideen, mit denen man die Wege findet, von alleine aus diesen Schwierigkeiten herauszukommen. (Siehe Kap. XXVII, Abs. 8).
Gott kennt unsere Bedürfnisse, und ER sorgt für sie vor, je nachdem wie nötig sie sind. Der Mensch aber, der unersättlich in seinen Wünschen ist, gibt sich nie zufrieden mit dem, was er hat. Das Notwendige genügt ihm nicht, er braucht auch das Überflüssige. Die Vorsehung überlässt ihn dann sich selber. Oft wird er durch seine eigene Schuld unglücklich, und weil er die warnende Stimme seines Gewissens missachtet hat, lässt Gott ihn unter den Konsequenzen leiden, damit ihm dies eine Lehre für die Zukunft sei.
Man kann nicht Nächstenliebe und Brüderlichkeit durch Gesetze verordnen. Wenn sie nicht im Herzen sind, wird der Egoismus sie stets ersticken. Die Nächstenliebe und die Brüderlichkeit in das Herz des Menschen einzupflanzen, ist die Aufgabe des Spiritismus.
Überfordert euch nicht, um Gold zu besitzen
Und wenn man euch weder aufnimmt noch eure Worte anhört, so geht fort von jenem Haus oder aus jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füssen. Wahrlich, ich sage euch: am Tage des Gerichts wird es Sodom und Gomorra erträglicher ergehen als dieser Stadt.“ (Matthäus, Kap. X, 9-15)
Neben dem eigentlichen Sinn, haben diese Worte noch eine tiefere moralische Bedeutung. Indem Jesus diese Worte aussprach, lehrte Er Seine Jünger der Vorsehung zu vertrauen. Außerdem konnten sie nicht den Neid der anderen, die sie empfingen, erwecken, da sie nichts besaßen. Es diente ebenfalls dazu, die Selbstsüchtigen von den Mildtätigen zu unterscheiden. Daher sagte Er ihnen auch: „Versucht zu erfahren, wer würdig ist, euch zu beherbergen“. Das heißt: wer menschlich genug ist, einen Reisenden, der nichts zahlen kann, bei sich aufzunehmen, der ist auch würdig, eure Worte zu hören; ihr werdet sie an ihrer Nächstenliebe erkennen.
Hinsichtlich jener, die sie weder aufnehmen noch anhören wollten, empfahl da Jesus Seinen Jüngern, diese Menschen zu verfluchen, sich ihnen aufzudrängen oder die Anwendung von Gewalt und Zwang, um sie zu bekehren? Nein! Er bat sie, einfach wegzugehen und Menschen guten Willens zu suchen.
So sagt heute der Spiritismus zu seinen Anhängern: Verletzt kein Gewissen, zwingt niemanden, seinen Glauben zu verlassen, um zu eurem überzutreten, verflucht keinen, der eure Meinung nicht teilt, nehmt jene bei euch auf, die zu euch kommen und lasst jene in Ruhe, die euch ablehnen. Erinnert euch der Worte Christi; damals eroberte man den Himmel durch Gewalt, heute wird er durch Güte gewonnen. (Kap. IV, Nr. 10 und 11)
KAPITEL XXVI - Gebt umsonst, was ihr umsonst empfangen habt
Gabe der Heilung
Bezahlte Gebete
Gott verkauft nicht die von IHM gewährten Wohltaten. Warum verlangt dann derjenige, der nicht einmal sein Verteiler ist und der für das Gelingen nicht garantieren kann, Bezahlung für eine Bitte, die möglicherweise nicht erfüllt wird? Gott kann nicht eine Tat der Gnade, der Güte oder der Gerechtigkeit, um die man IHN in SEINER Barmherzigkeit ersucht, von einem Geldbetrag abhängig machen; andererseits folgt daraus, dass, wenn der Geldbetrag nicht bezahlt würde oder nicht ausreichend wäre, die Gerechtigkeit, die Güte und das Erbarmen Gottes nicht erlangt werden könnte. Die Vernunft, der gesunde Menschenverstand und die Logik sagen uns: es ist unmöglich, dass Gott – die absolute Vollkommenheit – unvollkommenen Menschen das Recht gibt, einen Preis für SEINE Gerechtigkeit festzusetzen. Die Gerechtigkeit Gottes ist wie die Sonne: Sie ist für alle da, für die Armen wie für die Reichen. Wenn wir es für unmoralisch halten, mit den Gnaden eines Herrschers auf der Erde Geschäfte zu machen, ist es dann erlaubt, die Gnade des Herrschers des Universums zu verkaufen?
Die bezahlten Gebete haben noch einen anderen Nachteil; derjenige, der sie kauft, glaubt meistens, dass er selber nicht zu beten braucht, denn er fühlt sich von dieser Pflicht befreit, weil er sein Geld gegeben hat. Man weiß, dass die Geister sich von der Inbrunst des Gedankens derer, die sich für sie interessieren, gerührt fühlen. Wie hoch kann die Inbrunst dessen sein, der einen Dritten bittet, für ihn zu beten, indem er ihn dafür bezahlt? Wie groß ist die Inbrunst dieses Dritten, der einen andern und dieser noch einen andern damit beauftragt und so weiter? Bedeutet es nicht, die Wirksamkeit eines Gebetes auf den Wert einer gültigen Währung herabzusetzen?
Aus dem Tempel vertriebene Händler
Unentgeltliche Medialität
Derjenige also, der nicht das hat, wovon er leben kann, soll sich seine Einnahmequellen anderswo suchen, nicht aber mittels seiner Medialität. Deshalb soll er ihr, falls nötig, nur so viel Zeit widmen, wie er es sich materiell leisten kann. Die Geister werden seine Hingabe und seine Opfer berücksichtigen, während sie sich von denjenigen entfernen, die sich ihrer als Sprungbrett bedienen möchten.
KAPITEL XXVII - Bittet und ihr werdet erhalten
Eigenschaften des Gebets
Verwendet nicht so viele Bitten bei euren Gebeten, wie es die Heiden machen, denn sie meinen, dass sie erhört werden, wenn sie viele Worte machen. Seid ihnen darin nicht gleich; denn euer Vater kennt eure Bedürfnisse, schon ehe ihr ihn darum bittet.“ (Matthäus, Kap. VI, 5-8)
„Zwei Menschen gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine war ein Pharisäer und der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand vorne und betete so: , Mein Gott, ich danke DIR, dass ich nicht so bin wie die anderen Menschen, die Räuber, die Ungerechten, die Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner hier. Ich faste zweimal in der Woche, ich gebe den Zehnten von meinem ganzen Einkommen.‘
Der Zöllner stand abseits und wagte nicht einmal seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an seine Brust und sprach: ‚Mein Gott, sei gnädig mit mir, denn ich bin ein Sünder.‘
Ich sage euch, dass dieser gerechtfertigt in sein Haus zurückging, und nicht der andere; denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden und wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lukas, Kap, XVIII, V. 9-14)
Wirksamkeit des Gebets
Ohne Zweifel gibt es natürliche und unveränderliche Gesetze, die Gott nicht nach dem Willen eines jeden aufheben kann. Aber daraus zu schließen, dass alle Umstände des Lebens dem Schicksal unterworfen sind, ist weit gefehlt. Wenn es so wäre, wäre der Mensch nichts anderes als ein passives Instrument, ohne freien Willen und ohne Initiative. Nach dieser Hypothese würde ihm nur obliegen, seinen Kopf vor dem Joch der Ereignisse zu beugen, ohne zu versuchen sie zu vermeiden; er würde nicht versuchen, den Gefahren auszuweichen. Gott hat ihm nicht Vernunft und Intelligenz verliehen, um sie ungenutzt zu lassen; die Kraft des Willens, um nicht zu wollen; die Möglichkeit der Eigeninitiative, um untätig zu bleiben. Indem der Mensch frei ist zu handeln, sowohl in der einen als auch in der anderen Richtung, haben seine Handlungen für ihn selber und auch für die anderen Konsequenzen, die von dem, was er macht oder nicht macht, abhängig sind. Es gibt also aufgrund seiner Initiative Ereignisse, die zwangsläufig dem Schicksal entgehen und die Harmonie der universellen Gesetze nicht zerstören, ebenso wie das Vor- und Nachgehen des Zeigers einer Uhr das Gesetz der Bewegung nicht zerstört, auf das sich der Mechanismus stützt. Gott kann daher bestimmte Bitten erfüllen, ohne die Unveränderlichkeit der Gesetze aufzuheben, die die Gesamtheit regulieren; ihre Erfüllung bleibt immer seinem Willen unterworfen.
Was Gott ihm immer gewähren wird, wenn er voller Vertrauen darum bittet, ist Mut, Geduld und Ergebenheit. ER wird ihm auch die Mittel geben, aus sich selbst heraus seine Schwierigkeiten zu überwinden, durch die Gedanken, die die guten Geister ihm eingeben und ER überlässt auf diese Art und Weise ihm das Verdienst seiner Handlung. ER hilft denjenigen, die sich selbst helfen, gemäß dem Grundsatz: „Hilf dir selbst, und dir wird geholfen werden“, und nicht jenen, die alles von fremder Hilfe erwarten, ohne von den eigenen Fähigkeiten Gebrauch zu machen; aber meistens zieht man es vor, durch ein Wunder Hilfe zu erlangen, ohne selbst etwas dafür tun zu müssen. (Kap. XXV, Nr. 1 ff.)
Man wird nun fragen, warum der gute Geist ihm nicht deutlich gesagt hat: „Nimm diesen Weg und an dessen Ende wirst du finden, was du benötigst“. Warum hat er sich nicht gezeigt, um ihn zu führen und ihn bei seinem Schwächeanfall zu unterstützen? Er hätte ihn auf diese Art von der Intervention der Vorsehung überzeugt. Das geschieht erstens so, um ihn zu lehren, dass jeder sich selbst helfen und seine Kräfte gebrauchen soll. Dann stellt Gott durch die Ungewissheit das Vertrauen auf die Probe, das der Mensch IHM schenkt, und die Unterwerfung unter SEINEN Willen. Dieser Mann befand sich in der Situation eines Kindes, das fällt und das schreit, sobald es jemanden sieht und erwartet, dass man ihm hilft aufzustehen. Aber wenn es niemanden sieht, strengt es sich an und steht von selber auf.
Wenn der Engel, der Tobias begleitet hat, ihm gesagt hätte: „Ich bin von Gott gesandt, um dich auf deiner Reise zu führen und dich vor allen Gefahren zu schützen“, hätte Tobias kein Verdienst gehabt; indem er sich auf seinen Begleiter verlassen hätte, brauchte er sogar nicht einmal selber zu denken; deshalb hat sich der Engel erst auf dem Rückweg zu erkennen gegeben.
Wirkung des Gebets / Gedankenübertragung
Die Energie der Strömung steht im Verhältnis zu jener des Gedankens und des Willens. Auf diese Weise wird das Gebet von den Geistern überall gehört, wo immer sie sich befinden; so kommunizieren die Geister unter sich, übermitteln uns ihre Eingebungen und so entstehen auch Beziehungen unter voneinander entfernten Inkarnierten.
Diese Erklärung ist vor allem an diejenigen gerichtet, die die Zweckmäßigkeiten des rein mystischen Gebets nicht verstehen können. Sie beabsichtigt nicht das Gebet gegenständlich darzustellen, sondern die Wirkung verständlich machen und zeigen, dass es eine direkte und positive Wirkung haben kann. Es bleibt jedoch dem Willen Gottes untergeordnet, dem höchsten Richter aller Dinge, der allein daraus eine effektive Wirkung entstehen lassen kann.
Nicht weniger sicher ist auch, dass diese Leiden das Ergebnis unserer Verstöße gegen die Gesetze Gottes sind und dass wir vollkommen glücklich sein könnten, wenn wir diese Gesetze genau beachten würden. Falls wir die Grenzen des Notwendigen für die Befriedigung unserer Bedürfnisse nicht überschreiten würden, hätten wir nicht die Krankheiten, die die Folge der Exzesse sind und würden auch nicht die Schicksalsschläge des Lebens erleiden, die diese Krankheiten nach sich ziehen. Falls wir unseren Ambitionen Grenzen setzen würden, brauchten wir den Ruin nicht zu fürchten. Falls wir nicht höher steigen wollten als wir können, brauchten wir den Fall nicht zu befürchten. Falls wir demütig wären, müssten wir die Enttäuschungen des erniedrigten Hochmuts nicht erleiden. Falls wir das Gesetz der Nächstenliebe anwenden würden, wären wir weder verleumderisch noch neidisch noch eifersüchtig, und wir würden Streit und Zwistigkeiten vermeiden. Falls wir niemandem etwas zuleide tun würden, brauchen wir auch keine Rache zu fürchten, etc.
Nehmen wir an, dass der Mensch gar nichts gegen die anderen Leiden tun könnte, dass jegliche Gebete überflüssig wären, um sich davor zu hüten; wäre es nicht schon sehr viel, von jenen befreit zu werden, die aus dem eigenen Verhalten entstanden sind? In diesem Fall ist eine Wirkung des Gebets leicht vorstellbar, weil es bezweckt, die heilsame Inspiration der guten Geister zu erbitten, sie um die notwendige Kraft zu bitten, um den schlechten Gedanken Widerstand leisten zu können, die sehr verhängnisvoll für uns sein können, wenn wir sie ausführen. In diesem Fall ist es nicht das Böse, das sie abwenden, sondern sie lenken uns selbst von bösen Gedanken ab, die Schaden zufügen können. Sie beeinträchtigen keinesfalls die Pläne Gottes, sie heben auch nicht den Lauf der Naturgesetze auf, sondern sie hindern uns daran, diese Gesetze zu übertreten, indem sie unseren freien Willen lenken. Sie tun das, ohne dass wir es merken, auf eine verborgene Art, um unseren freien Willen nicht zu unterdrücken. Der Mensch befindet sich dann in der Position desjenigen, der die guten Ratschläge erbittet und sie in die Praxis umsetzt, stets aber die Freiheit behält, sie zu befolgen oder nicht. Gott möchte es so, damit er die Verantwortung für seine Handlungen trägt und somit auch das Verdienst seiner Wahl zwischen Gutem und Bösem. Dies ist es, was der Mensch immer bekommen wird, wenn er mit Inbrunst darum bittet und worauf man diese Worte anwenden kann: „Bittet und ihr werdet erhalten“.
Die Wirksamkeit des Gebets, selbst wenn es auf dieses Maß reduziert wäre, hätte es nicht ein überragendes Ergebnis? Es war dem Spiritismus vorbehalten, uns seine Wirkung durch die Enthüllung der Beziehungen zu beweisen, die zwischen der physischen und geistigen Welt existieren. Aber seine Wirkung beschränkt sich nicht allein darauf.
Das Gebet wird von allen Geistern empfohlen. Auf das Gebet zu verzichten, bedeutet die Güte Gottes zu verkennen; das heißt, für sich selbst auf SEINEN Beistand zu verzichten und für die andern auf das Gute, das man für sie tun könnte.
Der Mensch, der sich für nicht gut genug hält, um einen heilsamen Einfluss auszuüben, darf deswegen nicht darauf verzichten, für andere zu beten, nur weil er denkt, nicht würdig zu sein, erhört zu werden. Seiner Unwürdigkeit bewusst zu sein ist ein Anzeichen von Demut, und dies ist Gott immer angenehm, der die barmherzige Absicht in Betracht zieht, die den Menschen zum Beten anregt. Sein Eifer und sein Vertrauen sind ein erster Schritt in Richtung Umkehr zum Guten, zu dem die guten Geister ihn gern ermuntern. Das Gebet, das abgelehnt wird, ist jenes des Hochmütigen, der nur an seine Macht und seine Verdienste glaubt, und meint, sich über den Willen des Ewigen hinwegsetzen zu können.
Verständliche Gebete
Das Gebet für die Verstorbenen und für die leidenden Geister
Auch wenn es keine ewig dauernden Leiden gibt, bedeutet dies nicht die Verneinung einer vorübergehenden Strafe, denn Gott in SEINER Gerechtigkeit verwechselt nicht das Gute mit dem Bösen. In diesem Fall die Wirksamkeit des Gebets zu leugnen, würde bedeuten, die Wirksamkeit des Trostes, der Ermutigungen und der guten Ratschläge zu leugnen; das hieße, die Kraft zu verleugnen, die man aus der moralischen Hilfe derer schöpft, die uns Gutes wollen.
Es gibt bei dieser Denkweise eine falsche Anwendung der Unveränderlichkeit des göttlichen Gesetzes oder besser gesagt, eine Unkenntnis des Gesetzes hinsichtlich der zukünftigen Strafen. Dieses Gesetz wurde von den Geistern des Herrn offenbart, heute wo der Mensch reif genug ist, um verstehen zu können, was im Glauben übereinstimmend oder gegensätzlich zu den göttlichen Eigenschaften ist.
Gemäß dem Dogma der absoluten Ewigkeit der Strafen werden weder Reue noch Gewissensbisse bei dem Schuldigen berücksichtigt. Für ihn ist jeglicher Wunsch nach Verbesserung sinnlos; er ist dazu verdammt, auf alle Ewigkeit in dem Übel zu verweilen. Falls er aber nur auf eine bestimmte Dauer verurteilt wurde, wird seine Strafe nach Ablauf der festgelegten Zeit enden. Aber wer kann sagen, dass er dann zu einer besseren Gesinnung gekommen ist? Wer kann am Beispiel von vielen Verurteilten auf dieser Erde zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Gefängnis sagen, dass sie nicht ebenso schlecht sind, wie vorher? Im ersten Fall würde es bedeuten, einen gut gewordenen Menschen im Schmerz der Bestrafung zu belassen, im zweiten Fall, den schuldig gebliebenen zu begnadigen. Das Gesetz Gottes ist weitsichtiger; immer gerecht, angemessen und barmherzig, legt es bei keiner Strafe eine Zeitspanne fest. Es kann wie folgt zusammengefasst werden:
„Die Härte der Strafe ist der Schwere der Verfehlung angemessen.“
„Die Bestrafung für einen Verstoß ist zeitlich nicht begrenzt und hängt von der Reumütigkeit des Schuldigen und seiner Rückkehr zum Guten ab. Die Strafe dauert solange an, wie das hartnäckige Verharren im Bösen; sie wäre unaufhörlich, wenn das hartnäckige Verharren unaufhörlich wäre und sie ist nur von kurzer Dauer, wenn die Reue schnell gezeigt wird.“
„Sobald der Schuldige nach Erbarmen ruft, erhört Gott ihn und erweckt Hoffnung in ihm. Aber das Böse nur zu bereuen, genügt nicht: Die Wiedergutmachung ist notwendig; deshalb wird der Schuldige weiteren Prüfungen unterzogen, bei denen er, immer aufgrund seines eigenen Willens, das Gute tun kann, als Wiedergutmachung für das Böse, das er getan hat.“
„Der Mensch ist somit ständig der Schiedsrichter seines eigenen Schicksals; er kann seine Qual verkürzen oder sie endlos verlängern. Sein Glück oder Unglück hängt von seinem Willen ab, Gutes zu tun.“
Das ist das Gesetz; es ist ein unveränderliches Gesetz und der Güte und der Gerechtigkeit Gottes entsprechend.
Der schuldige und unglückliche Geist kann sich auf diese Weise immer selbst retten: Das Gesetz Gottes sagt ihm, zu welchen Bedingungen er dies tun kann. Was ihm meistens fehlt, ist der Wille, die Kraft, der Mut. Wenn wir durch unsere Gebete seinen Willen stärken, wenn wir ihn stützen und ihn ermutigen, wenn wir ihm mit unseren Ratschlägen die ihm fehlenden Kenntnisse geben, anstatt Gott darum zu bitten, dass ER SEIN Gesetz verändert, werden wir zu Instrumenten der Ausführung SEINES Gesetzes der Liebe und der Wohltätigkeit, ER erlaubt uns auf diese Weise daran teilzunehmen, indem wir selbst einen Beweis der Nächstenliebe geben. (Siehe „Himmel und Hölle“, erster Teil, Kapitel IV, VII und VIII)
Unterweisungen der geistigen Welt
Die Art zu beten
Das Gebet eines Christen, eines Spiritisten, egal, welcher Religion er zugehört, soll von ihm dann gesprochen werden, sobald der Geist das Joch des physischen Körpers wieder aufgenommen hat. Es soll sich demütig zu den Füßen der göttlichen Majestät erheben, mit Gedankentiefe, aus einem Impuls der Dankbarkeit für alle bis jetzt empfangenen Wohltaten. Aus Dankbarkeit für die vergangene Nacht, während der es euch - wenn auch unbewusst - erlaubt wurde, zurückzukehren zu euren Freunden, euren Geistführern, um bei diesem Kontakt neue Kraft und mehr Beharrlichkeit zu schöpfen. Euer Gebet sollte sich demütig zu den Füßen des Herrn erheben, um IHM eure Schwächen aufzuzeigen, IHN um SEINE Hilfe, SEINE Nachsicht und SEIN Erbarmen zu bitten. Das Gebet sollte tiefsinnig sein, denn es ist die Seele, die sich zum Schöpfer erheben soll, die sich verwandeln soll, wie Christus am Berg Tabor, damit sie weiß und strahlend vor Hoffnung und Liebe bei IHM ankommt.
Euer Gebet soll die Bitte um Gnaden beinhalten, die ihr wirklich benötigt. Es ist daher zwecklos, den Herrn zu bitten, eure Prüfungen zu verkürzen oder euch Freude und Reichtum zu geben. Bittet IHN eher um das wertvolle Vermögen der Geduld, des Verzichts und des Glaubens. Vermeidet zu sagen, wie es viele von euch tun: „Es bringt nichts zu beten, weil Gott mich nicht erhört“. Was ist es, worum ihr Gott am meisten bittet? Habt ihr oft daran gedacht, IHN um eure moralische Verbesserung zu bitten? Oh nein! sehr selten habt ihr darum gebeten. Worum ihr IHN am ehesten zu bitten gedenkt, um Erfolg bei euren irdischen Unternehmungen und sehr oft habt ihr ausgerufen: „Gott kümmert sich nicht um uns; denn wenn ER dies täte, dann gäbe es nicht so viele Ungerechtigkeiten!“ Unvernünftige, undankbare Menschen! Wenn ihr in die Tiefe eures Gewissens eintauchen würdet, fändet ihr dort fast immer den Grund eurer Leiden, über die ihr euch beklagt. Betet vor allem darum, dass ihr besser werdet und ihr werdet sehen, was für eine Flut von Gnade und Trost über euch ausgebreitet wird. (Siehe Kap. V, Nr. 4)
Ihr sollt unaufhörlich beten, ohne euch deshalb in eure Hauskapelle zurückzuziehen oder in der Öffentlichkeit auf die Knie zu fallen. Das tägliche Gebet ist die Erfüllung eurer Pflichten, ohne Ausnahme, egal welcher Natur sie sind. Ist es nicht eine Handlung der Liebe, Gott gegenüber, euren Brüdern und Schwestern bei einer moralischen und physischen Not beizustehen? Ist es nicht ein Akt der Anerkennung, eure Gedanken auf IHN zu lenken, wenn euch ein Glück widerfährt, wenn ein Unglück verhindert wird oder wenn eine Unannehmlichkeit eure Seele auch nur berührt, wenn ihr dann in Gedanken sagt: „Sei gepriesen mein Vater“! Ist dies nicht ein Akt der Reue, euch vor dem höchsten Richter zu erniedrigen, wenn ihr merkt, dass ihr einen Fehler begangen habt - wenn auch nur durch einen flüchtigen Gedanken - und IHM zu sagen: „Verzeih mir, mein Gott, denn ich habe gesündigt (aus Hochmut, Egoismus oder aus Mangel an Nächstenliebe); gib mir die Kraft, damit ich nicht wieder sündige, und den Mut, meine Fehler wieder gutzumachen“?
Dies hängt nicht von den regulären Morgen- und Abendgebeten und von den Gebeten an heiligen Festtagen ab. Wie ihr seht, kann das Gebet ständig und ohne Unterbrechung eurer Arbeit gesprochen werden, im Gegenteil, auf diese Weise heiligt es sogar die Arbeit. Seid euch dessen sicher, dass auch nur einer von diesen Gedanken, wenn er aus dem Herzen kommt, eher von eurem himmlischen Vater erhört wird, als die langen Gebete, die nur aus Gewohnheit gesprochen werden und sehr oft ohne einen bestimmten Grund und nur, weil eine dafür festgelegte Stunde euch mechanisch dazu ruft. (V. Monod, Bordeaux, 1862)
Glückseligkeit durch das Gebet
Schreitet fort, schreitet über die Wege des Gebets fort und ihr werdet die Stimmen der Engel hören. Was für eine Harmonie! Es ist nicht mehr dieser verwirrte Lärm und sind nicht mehr die gellenden Töne der Erde. Es sind die Leiern der Erzengel. Es sind die sanften und zarten Stimmen der Seraphim, feiner als die morgendlichen Brisen, wenn sie in den Laubbäumen eurer Wälder spielen. Mit welcher Freude schreitet ihr dann fort. Eure Sprache kann dieses Glück nicht ausdrücken, so stark dringt es durch all euere Poren, so lebendig und erquickend ist die Quelle, aus der ihr durch das Gebet trinkt. Sanfte Stimme, berauschende Düfte, die die Seele hört und genießt, wenn sie sich durch das Gebet zu diesen unbekannten und bewohnten Sphären aufschwingt! Ungetrübt von sinnlichen Begierden ist alles Streben göttlich. Betet alle wie Christus, der Sein Kreuz von Golgatha bis zum Kalvarienberg trug; tragt euer Kreuz und ihr werdet die sanften Erregungen spüren, die Seine Seele durchströmten, obwohl Er mit einem entehrenden Holz beladen war. Er ging zum Sterben, jedoch um das himmlische Leben im Haus Seines Vaters zu leben. (Sankt Augustin, Paris, 1861)
KAPITEL XXVIII - Sammlung spiritistischer Gebete Einleitung
Einleitung
Die Geister schreiben keine einzige absolute Gebetsformel vor. Und wenn sie eine geben, beabsichtigen sie damit, die Gedanken zu leiten und insbesondere die Aufmerksamkeit auf gewisse Prinzipien der spiritistischen Lehre zu lenken. Das Ziel ist auch, denjenigen zu helfen, die Schwierigkeiten haben, ihre Gedanken zu äußern, denn unter diesen könnten sich einige befinden, die denken, nicht richtig gebetet zu haben, wenn ihre Gedanken nicht ausformuliert waren.
Die Sammlung der Gebete in diesem Kapitel ist eine Auswahl von deren, die von den Geistern bei verschiedenen Gelegenheiten diktiert wurden. Sie hätten auch andere Gebete formulieren können, je nach vorgegebenen Ideen oder Sonderfällen. Die Form ist nicht maßgebend, wenn der Grundgedanke der gleiche ist. Die Absicht des Gebetes ist es, unsere Seele Gott näher zu bringen. Die Vielfältigkeit der Formulierungen darf keinerlei Unterschied machen unter denjenigen, die an ihn glauben und noch weniger unter den Bekennern des Spiritismus, da Gott alle Gebete annimmt, wenn sie aufrichtig gesprochen werden.
Man soll deshalb diese Sammlung nicht wie ein absolutes Formelbuch betrachten, sondern wie eine vielfältige Auswahl der Anweisungen, die uns die Geister erteilen. Sie ist eine Anwendung der in diesem Buch aufgeführten Prinzipien der christlichen Moral, eine Ergänzung zu ihren Eingebungen über unsere Pflichten gegenüber Gott und unserem Nächsten, bei denen an alle Prinzipien der Lehre wieder erinnert wird.
Der Spiritismus erkennt alle Gebete sämtlicher Kulte als gut an, wenn sie aus dem Herzen und nicht nur als Lippenbekenntnis gesprochen werden. Er schreibt kein Gebet vor und rügt auch keins. Gott ist für ihn zu groß, um die Stimme, die IHN anfleht oder anpreist, zurückzustoßen, nur weil sie es auf diese oder jene Art macht. Wer auch immer die Gebete verurteilt, die nicht in seinem Gebetsbuch sind, würde beweisen, dass er die Größe Gottes verkennt. Daran zu glauben, dass Gott an einer bestimmten Formel festhält, hieße, IHM die Kleinheit und Leidenschaften der Menschheit zuzuschreiben.
Gemäß dem heiligen Paulus (Kap. XXVII, Nr. 16), ist die Verständlichkeit eine wesentliche Bedingung des Gebets, damit es unseren Geist ansprechen kann. Es ist deshalb unzureichend, wenn es in einer Sprache gesprochen wird, die nur derjenige versteht, der betet. Es gibt volkstümliche Gebete, die unserem Verstand ebenso wenig sagen, wie ein in einer Fremdsprache gesprochenes und die deshalb das Herz nicht anrühren. Und die wenigen Gedanken, die darin enthalten sind, werden oft noch durch die Überfülle der Worte und den Mystizismus der Sprache erstickt.
Die wichtigste Eigenschaft des Gebetes ist, klar zu sein, einfach und kurz gefasst, ohne unnötigen Phrasen und ohne überflüssige Beiworte, die nichts anderes als kitschiger Zierrat sind. Jedes Wort muss verständlich sein, einen Gedanken erwecken und das Herz in Bewegung setzen, kurz gesagt: es soll zum Nachdenken anregen. Nur unter dieser Bedingung kann das Gebet sein Ziel erreichen, ansonsten ist es nichts als Lärm. Seht daher, mit welcher Zerstreutheit und Zungenfertigkeit die Gebete gesprochen werden, man sieht die Lippen, die sich bewegen, aber an dem Gesichtsausdruck und selbst an dem Tonfall erkennt man eine mechanische, rein äußerliche Handlung, bei welcher die Seele unbeteiligt bleibt.
Die in dieser Sammlung aufgeführten Gebete sind in 5 Kapitel eingeteilt:
I. Allgemeine Gebete
II. Gebete für sich selbst
III. Gebete für die Lebenden
IV. Gebete für die Verstorbenen
V. Besondere Gebete für die Kranken und die Besessenen
Mit dem Ziel, insbesondere die Aufmerksamkeit auf den Zweck jedes Gebetes zu lenken und dadurch die Bedeutung verständlicher zu machen, sind alle Gebete nach dem Titel mit einem Vorwort versehen, einer Art Erläuterung zum Thema.
I. Allgemeine Gebete
Das Vaterunser
Weil es kurz gefasst ist, entgeht den meisten Menschen indessen der tiefere Sinn, der einigen darin enthaltenen Worten zugrundeliegt. Deswegen beten sie es im Allgemeinen, ohne ihre Gedanken auf die Anwendung der einzelnen darin enthaltenen Aussagen zu lenken. Sie sprechen es wie eine Formel, deren Wirkungskraft sich nach der Anzahl der Wiederholungen richtet. In fast allen Fällen ist es eine der kabbalistischen Zahlen, die 3, die 7 oder die 9, die aus dem altertümlichen Aberglauben an die Kraft der Zahlen stammen und die heute noch in magischen Praktiken verwendet werden.
Um die Lücke auszufüllen, die die Kürze dieses Gebetes in unseren Gedanken hinterlässt, wurde jedem Vorschlag eine Erläuterung hinzugefügt, die dessen Sinn und Anwendung klarstellt, dem guten Rat der Geister folgend und mit deren Unterstützung. Je nach Umständen und vorhandener Zeit kann man das Vater Unser einfach oder ausführlich sprechen.
I. Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name!
Wir glauben an DICH Herr, weil alles DEINE Macht und DEINE Güte offenbart. Die Harmonie des Universums bezeugt eine Weisheit, eine Klugheit und eine Vorsorge, die alle menschlichen Fähigkeiten übersteigen. In der gesamten Schöpfung, vom Grashalm und vom kleinsten Insekt bis zu den Gestirnen, die sich im Universum bewegen, findet sich der Name eines überwältigend großen und weisen Wesens. Überall stoßen wir auf Beweise DEINER väterlichen Hilfsbereitschaft. Blind ist also der, der DICH in DEINEN Werken nicht erkennt; stolz ist der, der DICH nicht verherrlicht und undankbar ist der, der DIR nicht Dank erweist.
II. Dein Reich komme!
Herr, du hast der Menschheit Gesetze voller Weisheit gegeben, die sie glücklich machen würden, wenn sie diese befolgten. Mit diesen Gesetzen könnten sie Frieden und Gerechtigkeit walten lassen und einander behilflich sein, statt sich gegenseitig zu schaden, wie sie es tun. Der Starke würde den Schwachen unterstützen, statt ihn zu erdrücken. Übel, die aus Missbrauch und Ausschweifungen entstehen, könnten vermieden werden. Das ganze Elend dieser Welt resultiert aus der Verletzung DEINER Gesetze, denn es gibt keine einzige Verletzung dieser Gesetze, die keine fatalen Folgen nach sich zieht.
Den Tieren hast du den Instinkt gegeben, der ihnen die Grenzen für das Notwendige zeigt, und mit dem sie sich auf natürliche Art zufriedengeben. Dem Menschen jedoch hast DU außer dem Instinkt die Intelligenz und die Vernunft gegeben. Du hast ihm auch die Freiheit gegeben, jene DEINER Gesetze, die ihn persönlich betreffen, zu befolgen oder zu übertreten, d.h. die Freiheit zwischen Gut und Böse zu wählen, damit ihm das Verdienst und die Verantwortung seiner Handlungen zukommen.
Niemand kann Unkenntnis DEINER Gesetze vorgeben, weil DU in DEINER väterlichen Fürsorge dafür gesorgt hast, dass sie in das Bewusstsein eines jeden eingeprägt wurden, ohne Unterscheidung, welchem Kult sie folgen oder welcher Rasse sie angehören. Jene, die sie verletzen, verleugnen DICH.
Gemäß DEINEM Versprechen wird der Tag kommen, an dem alle DEINE Gesetze befolgt werden. Die Ungläubigkeit wird dann verschwunden sein. Alle werden DICH als den erhabenen Herrn über alles anerkennen und die Herrschaft DEINER Gesetze wird DEIN Reich auf dieser Erde sein.
O Herr, habe die Güte, sein Kommen zu beschleunigen und gewähre den Menschen die nötige Erleuchtung, die sie auf den Weg der Wahrheit führen wird.
III. Dein Wille geschehe, sowohl im Himmel, wie auf Erden!
Wenn die Fügsamkeit des Sohnes zu seinem Vater, von dem Untergebenen gegenüber dem Vorgesetzen eine Pflicht ist, um wie viel größer muss sie dann vom Geschöpf zu seinem Schöpfer sein! Herr, DEINEN Willen zu befolgen heißt: DEINE Gesetze zu beachten und sich DEINEN göttlichen Bestimmungen ohne Klage zu unterziehen. Der Mensch wird sich DEINEN Gesetzen unterwerfen, wenn er verstehen wird, dass DU die Quelle aller Weisheit bist und dass er ohne DICH nichts ausrichten kann. Er wird dann DEINEN Willen auf der Erde befolgen, wie es die Auserwählten im Himmel tun.
IV. Unser tägliches Brot gib uns heute!
Gib uns die Nahrung, die für den Erhalt der Kräfte unseres Körpers notwendig ist; gib uns aber auch die geistige Nahrung für die Entwicklung unseres Geistes.
Das Tier findet sein Futter, aber der Mensch verdankt seinen Erhalt seiner eigenen Arbeit und den Hilfsmitteln seiner Intelligenz, weil DU ihn frei erschaffen hast.
DU hast zu ihm gesagt: „Im Schweiße deines Angesichts wirst du deine Nahrung aus dem Boden herausholen“. Auf diese Weise hast DU ihm die Arbeit zur Pflicht gemacht, damit er, auf der Suche nach Mitteln zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und seines Wohlergehens, seine Intelligenz ausüben kann; einige tun dies durch körperliche, andere durch geistige Arbeit. Ohne Arbeit würde der Mensch nicht vorankommen und könnte nicht die Glückseligkeit eines höheren geistigen Wesens anstreben.
DU hilfst dem gutwilligen Menschen, der sich DIR für das Notwendige anvertraut, nicht aber jenem, der am Müßiggang Gefallen findet und alles ohne Anstrengung zu erhalten wünscht; und auch nicht jenem, der den Überfluss sucht. (Kap. XXV)
Wie viele unterliegen durch ihre eigene Schuld, wegen ihrer Fahrlässigkeit, wegen ihres Leichtsinns, wegen ihres Ehrgeizes und weil sie sich nicht zufrieden geben wollten mit dem, was DU ihnen gegeben hast! Diese sind die Urheber ihres eigenen Unglücks und haben nicht das Recht sich zu beklagen, weil sie damit bestraft werden, wodurch sie gesündigt haben. Aber auch diese verlässt DU nicht, denn DU bist unendlich barmherzig und streckst ihnen immer DEINE hilfreiche Hand entgegen, sobald sie wie der verlorene Sohn ehrlich zu DIR zurückkehren. (Kap. V, Nr.4)
Bevor wir uns über unser Schicksal beklagen, sollten wir uns selbst fragen, ob es nicht unser eigenes Werk ist. Bei jedem Unglück, das uns trifft, sollten wir uns fragen, ob in unseren Händen nicht die Möglichkeit gelegen hätte, dies zu verhindern. Wir sollen uns auch sagen, dass Gott uns die Intelligenz gegeben hat, um uns selber aus diesem Morast herauszuziehen, und dass es von uns abhängt, wie wir sie einsetzen.
Da das Gesetz der Arbeit eine Bedingung des Menschen hier auf Erde ist, gib uns den Mut und die Kraft, dieses Gesetz zu erfüllen; gib uns auch die Klugheit, den Weitblick und die Mäßigung, damit die Früchte unserer Arbeit nicht verloren gehen.
Gib uns also Herr unser tägliches Brot, d.h. die Mittel, mit denen wir durch die Arbeit die lebensnotwendigen Dinge erwerben können, denn niemand hat das Recht, Überfluss zu beanspruchen.
Falls es uns nicht möglich ist zu arbeiten, vertrauen wir auf DEINE göttliche Vorsehung.
Und wenn es in DEINEN Plänen steht, uns trotz unserer Anstrengungen durch die härtesten Entbehrungen zu prüfen, nehmen wir diese als eine gerechte Buße für unsere Fehler an, die wir in diesem oder in einem vorherigen Leben begangen haben, denn DU bist gerecht. Wir wissen, dass es keine unverdienten Leiden gibt und dass DU nie ohne einen Grund bestrafst.
Bewahre uns davor, oh mein Gott! dass wir neidisch werden auf die, die das besitzen, was wir nicht haben, auch nicht auf die, die im Überfluss leben, während uns das Notwendige fehlt. Verzeih ihnen, wenn sie das Gesetz der Wohltätigkeit und der Nächstenliebe vergessen haben, das DU sie gelehrt hast. (Kap. XVI, Nr. 8)
Entferne auch aus unserem Geist den Gedanken, DEINE Gerechtigkeit zu verleugnen, wenn wir den Wohlstand der Bösen bemerken und das Elend, das manchmal über einen guten Menschen hereinbricht. Dank der neuen Erkenntnisse, die DU uns zu Teil werden ließest, wissen wir, dass DEINE Gerechtigkeit immer in Erfüllung geht und niemand ausgeschlossen ist und dass der materielle Wohlstand der Bösen so kurzlebig ist wie ihr körperliches Dasein und dass sie schreckliche Rückschläge erleben werden, während die Freude derer, die mit Ergebenheit leiden, ewig sein wird. (Kap. V, Nr. 7,9,12,18) V. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben.
Vergib uns unsere Sünden, wie auch wir denjenigen vergeben, die gegen uns gesündigt haben!
Herr, alle unsere Übertretungen DEINER Gesetze sind eine Sünde DIR gegenüber, eine Schuld, die wir begangen haben und von der wir uns früher oder später befreien müssen. Im Namen DEINER ewigen Barmherzigkeit bitten wir DICH inständig um DEINE Vergebung unserer Schuld und wir versprechen DIR, dass wir all unsere Kräfte einsetzen werden, um keine neuen Übertretungen mehr zu begehen.
DU hast uns die Nächstenliebe als ausdrückliches Gesetz gegeben, aber dieses Gesetz besteht nicht nur darin, unseren Mitmenschen in ihrer Not beizustehen, es besteht auch im Vergessen und Vergeben der Kränkungen. Mit welchem Recht beanspruchen wir DEINE Milde, wenn wir diese gegenüber den andern, über die wir uns zu beklagen haben, selbst nicht anwenden?
Oh Gott! gib uns die Kraft, alle Rachegefühle in unserer Seele zu ersticken, wie auch allen Hass und Groll. Hilf uns, dass wir nicht vom Tod überrascht werden, solange in unserem Herzen noch Rachsucht herrscht. Falls es DEIN Wille ist, uns heute noch aus dieser Welt zu holen, ermögliche uns bitte, dass wir vor DIR stehen können, frei von aller Feindseligkeit, wie Christus, dessen letzten Gedanken zum Wohl seiner Peiniger waren. (Kap. X)
Die Verfolgungen, die uns die Bösen erdulden lassen, gehören zu unseren irdischen Prüfungen. Wir müssen sie, wie auch alle anderen Prüfungen, ohne Murren akzeptieren, und wir dürfen nicht diejenigen verdammen, die uns mit ihren Bosheiten den Weg zum ewigen Glück bahnen, denn DU hast uns durch den Mund Jesu gesagt: „Selig sind diejenigen, die um der Gerechtigkeit willen leiden“. Segnen wir deshalb die Hand, die uns schlägt und demütigt, denn die Wunden des Körpers stärken unsere Seele und wir werden aus unserer Demut heraus erhöht werden. (Kap. XII, Nr. 4)
Gesegnet sei DEIN Name, Herr, weil DU uns gelehrt hast, dass unser Schicksal nach dem Tod nicht unwiderruflich festgelegt ist, dass wir in anderen Existenzen die Mittel finden werden, um unsere vergangenen Fehler zu sühnen und wiedergutzumachen, in einem neuen Leben in Erfüllung zu bringen, was wir in diesem für unseren Fortschritt nicht machen konnten. (Kap. IV, Nr. 5)
Dadurch werden schließlich alle scheinbaren Regelwidrigkeiten des Lebens erklärt. Es ist das auf unsere Vergangenheit und Zukunft geworfene Licht, das augenfällige Zeichen DEINER souveränen Gerechtigkeit und DEINER unendlichen Güte.
VI. Überlass uns nicht der Verführung, sondern erlöse uns von dem Bösen. *
Gib uns die Kraft, Herr, den Einflüsterungen der bösen Geister zu widerstehen, die uns vom richtigen Weg abzubringen versuchen, indem sie uns böse Gedanken eingeben.
Wir sind aber selbst unvollkommene Geister, die auf dieser Erde inkarniert sind, um zu büßen und uns zu verbessern. Der Ursprung des Bösen ist in uns und die bösen Geister machen nichts anderes, als unsere lasterhaften Neigungen zu nutzen, bei denen sie uns unterstützen, um uns in Versuchung zu bringen.
Jede Unvollkommenheit ist eine offene Tür für ihren Einfluss, während sie gegen die vollkommenen Wesen machtlos sind und deshalb auf jegliche Versuchung verzichten. Alles, was wir unternehmen könnten, um sie zu vertreiben, ist zwecklos, wenn wir ihnen keinen unerschütterlichen Willen für das Gute entgegensetzen und gänzlich auf das Böse verzichten. Wir müssen daher unsere Anstrengungen gegen uns selbst richten, dann werden sich die bösen Geister von selbst entfernen, weil es das Böse ist, das sie anzieht, während das Gute sie zurückweist. (Siehe nachstehend die „Gebete für die Besessenen“)
Herr, stütze uns, wenn wir schwach werden; inspiriere uns durch die Stimme unserer Schutzengel und der guten Geister zu dem Wunsch, unsere Unvollkommenheit zu beseitigen, um den unreinen Geistern den Zugang zu unserer Seele zu versperren. (Siehe nachstehende Nr. 11)
Das Böse ist nicht DEIN Werk, Herr, denn die Quelle des Guten kann nicht das Böse erzeugen. Wir selbst erschaffen es, indem wir DEINE Gesetze übertreten und die Freiheit missbrau chen, die DU uns gegeben hast. Wenn die Menschen DEINE Gesetze befolgen, wird das Böse von der Erde verschwinden, wie es bereits in den fortgeschritteneren Welten verschwunden ist.
Das Böse ist für niemanden eine schicksalhafte Notwendigkeit und es erscheint nur für diejenigen unwiderstehlich, die sich ihm mit Gefallen hingeben. Wenn wir den Wunsch haben, das Böse zu tun, können wir auch den Wunsch haben, das Gute zu tun. Deshalb, oh mein Gott! bitten wir DICH um DEINE Hilfe und ebenfalls die der guten Geister, um der Versuchung widerstehen zu können.
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* Bei einigen Übersetzungen steht: „Und führe uns nicht in Versuchung“. Dieser Ausspruch würde andeuten, dass die Versuchung von Gott kommt; dass ER die Menschen absichtlich zum Bösen führt. Dies ist ein Gedanke, der einer Gotteslästerung gleichkommt, der Gott dem Satan gleichsetzt, dieser Ausspruch kann keinesfalls von Jesus stammen. Er entspricht überdies der allgemeinen Lehre über die Rolle der Dämonen. (Siehe „Der Himmel und die Hölle“, l. Teil, Kap. X, „Die Dämonen“)
VII. So sei es!
Möge es DIR gefallen, Herr, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen. Wir beugen uns aber vor DEINER unendlichen Weisheit. Alle Dinge, die wir nicht verstehen können, mögen nach DEINEM heiligen Willen geschehen und nicht nach unserem, denn DU willst nur unser Bestes, und DU weißt besser als wir, was für uns gut ist.
Wir richten dieses Gebet an DICH, oh Gott! für uns selbst, ebenfalls auch für alle leidenden Seelen, inkarnierte oder nicht inkarnierte, für unsere Freunde und unsere Feinde und für alle, die unseren Beistand benötigen, insbesondere für (Name der Person)
Wir bitten DICH um DEINE Barmherzigkeit und um DEINEN Segen.
Anmerkung:
Man kann hier formulieren, wofür man Gott dankt, und was man für sich selbst oder für andere erbitten möchte. (Siehe nachstehende Gebete Nr. 26 und 27)
Spiritistische Versammlungen
Versammelt sein im Namen Jesu bedeutet nicht, dass es genügt, physisch zusammen zu sein, sondern auch im geistiger Hinsicht, durch die gemeinsame Absichten und Gedanken zum Guten; dann befindet sich Jesus mitten unter den Versammelten, Er selbst oder Seine reinen Geister, die Ihn vertreten. Der Spiritismus lässt uns verstehen, wie die Geister unter uns sein können. Sie sind es mit ihren fluidalen oder spirituellen Körpern, mit einem Äußeren, an dem wir sie sofort erkennen könnten, wenn sie sich sichtbar machen würden. Je höher sie in der Hierarchie stehen, desto größer ist ihre Macht und Ausstrahlung; daher haben sie die Gabe der Allgegenwart und können an verschiedenen Orten gleichzeitig sein: sie brauchen dazu nur einen Gedankenstrahl auszusenden.
Mit diesen Worten wollte Jesus die Wirkung der Vereinigung und Brüderlichkeit zeigen. Es ist nicht die größere oder kleinere Anzahl von Menschen, die Ihn anzieht - denn anstatt zwei oder drei Personen, hätte Er zehn oder zwanzig sagen können - sondern das Gefühl der Nächstenliebe, das sie gegenseitig bewegt. Daher genügt es, wenn zwei zusammen sind. Aber wenn von diesen zwei Personen jeder für sich allein betet, dann gibt es - obwohl beide sich an Jesus richten - keine Gemeinsamkeit der Gedanken zwischen ihnen, vor allem wenn sie nicht unter dem Einfluss eines Gefühls des gegenseitigen Wohlwollens stehen; und wenn sie sich sogar gegenseitig mit Misstrauen, Hass, Neid oder Eifersucht ansehen, dann stoßen sich die fluidalen Strömungen ihrer Gedanken ab, anstatt sich durch eine gegenseitige Sympathie zu vereinen. In diesem Fall sind sie nicht im Namen Jesu versammelt; Jesus ist dann nur ein Vorwand für ihr Treffen und nicht der wahre Grund. (Kap. XXVII, Nr. 9)
Das bedeutet keineswegs, dass Er taub für die Stimme einer einzigen Person wäre. Wenn Er nicht gesagt hat: „Ich komme zu jedem, der mich ruft“, so ist das so zu verstehen, dass Er vor allem die Liebe zum Nächsten verlangt, die man besser unter Beweis stellen kann, wenn man zu mehreren ist, und nicht allein, und dass jedes persönliche Gefühl Ihn entfernt. Das heißt, wenn sich bei einer großen Versammlung nur zwei oder drei Personen durch das Gefühl der wahren Nächstenliebe vom Herzen her vereinigen, während die andern sich isolieren und sich auf egoistische und weltliche Gedanken konzentrieren, dann wird er bei diesen zwei oder drei Personen sein und nicht bei den andern. Es ist daher nicht die Gleichzeitigkeit der Worte, der Gesänge oder äußerlichen Taten, die die Versammlung im Namen Jesus ausmacht, sondern die Übereinstimmung der Gedanken gemäß dem Geist der Nächstenliebe, der durch Jesus verkörpert wurde. (Kap. X, Nr. 7 - 8; Kap. XXVII, Nr. 2 - 4).
So soll die Art und Weise einer ernsthaften spiritistischen Zusammenkunft sein, Versammlungen, in denen man aufrichtig die Mitwirkung der guten Geister wünscht.
Wir bitten den Herrn den Allmächtigen Gott, uns gute Geister zu schicken, damit sie uns darin unterstützen, jene fernzuhalten, die uns irreführen könnten, und uns die notwendige Erkenntnis zu geben, um die Wahrheit vom Schwindel unterscheiden zu können.
Entferne auch feinfseligen Geister, die inkarnierten oder nicht, die versuchen könnten, Zwietracht unter uns zu säen und uns vom Wohlwollen und der Nächstenliebe abzulenken. Falls sie versuchen würden, hier einzudringen, mach, dass sie keinen Zutritt zu unseren Herzen finden.
Gute Geister, die ihr die Güte habt zu kommen, um uns zu unterweisen, macht uns zugänglich für eure Ratschläge. Entfernt von uns alle Gedanken von Egoismus, Hochmut, Neid und Eifersucht. Inspiriert uns zu der Nachsicht und zu dem Wohlwollen gegenüber unseren anwesenden und abwesenden Mitmenschen, Freunde oder Feinde. Bewirkt schließlich, dass wir an den Gefühlen, die uns beleben, euren heilsamen Einfluss erkennen.
Macht den Medien, die ihr damit betraut, uns eure Belehrungen zu übermitteln, bewusst, dass ihnen ein heiliger Auftrag anvertraut worden ist, ebenso auch, dass sie sich über den Ernsthaftigkeit der Handlung, die sie ausführen werden, im klaren sind und den dafür nötigen Eifer und die nötige innere Sammlung aufbringen.
Falls in der Versammlung sich Menschen befinden, die von anderen Absichten geleitet werden, die nicht für das Gute sind, öffnet ihre Augen für die Erkenntnis und verzeiht ihnen, so wie wir ihnen verzeihen werden, wenn sie mit bösen Absichten gekommen sind.
Wir bitten vor allem den Geist (Name), unseren geistigen Führer, uns beistehen und uns behüten.
Wir danken den guten Geistern, die sich freundlicherweise mit uns in Verbindung gesetzt haben. Wir bitten sie, uns zu helfen, die Belehrungen anzuwenden, die sie uns gegeben haben, und alles zu tun, damit sich jeder von uns beim Verlassen der Versammlung für die Ausübung des Guten und der Nächstenliebe gestärkt fühlt.
Wir wünschen auch, dass diese Belehrungen nützlich für die leidenden, unwissenden und lasterhaften Geister sein werden, die der Versammlung beigewohnt haben und wir bitten für sie um die Barmherzigkeit Gottes.
Für die Medien
Der Herr wollte, dass das Licht der Erlenntnis zu allen Menschen kommt und durch die Stimme der Geister überallhin durchdringt, damit jeder den Beweis der Unsterblichkeit erlangen kann. Die Geister offenbaren sich heute mit diesem Ziel in allen Teilen der Erde, und die Medialität - die sich bei Menschen jeden Alters und aller Gesellschaftsschichten, bei Männern und Frauen, bei Kindern und Greisen zeigt - ist eines der Zeichen der Erfüllung der vorausgesagten Zeiten.
Um die Dinge der sichtbaren Welt kennenzulernen und die Geheimnisse der materiellen Natur zu entdecken, gab Gott den Menschen das Sehvermögen, die Sinne und besondere Instrumente: mit dem Teleskop taucht er seinen Blick in die Tiefe des Weltraums ein, und mit dem Mikroskop entdeckt er die Welt der kleinsten Lebewesen. Um in die unsichtbare Welt einzudringen, gab Gott ihm die Medialität.
Die Medien sind die Vermittler, die beauftragt sind, die Belehrungen der Geister an die Menschen weiterzugeben; besser gesagt, sie sind die materiellen Organe, durch die die Geister sich äußern, um sich bei den Menschen verständlich zu machen. Ihre Mission ist heilig, denn sie hat das Ziel, die Horizonte des ewigen Lebens zu öffnen.
Die Geister kommen, um die Menschen über ihre zukünftigen Bestimmungen zu unterweisen, um sie auf den Weg des Guten zurückzuführen, und nicht, um ihnen die materielle Arbeit zu ersparen, die sie auf der Erde für ihren Fortschritt leisten müssen und auch nicht, um ihren Ehrgeiz und ihre Habgier zu begünstigen. Dessen müssen sich die Medien vollkommen bewusst sein, um ihre mediale Fähigkeit nicht zu missbrauchen. Wer die Bedeutung der Aufgabe versteht, die ihm verliehen wurde, erfüllt sie ehrfurchtsvoll. Sein Gewissen würde ihm eine frevelhafte Handlung vorwerfen, wenn er diese Fähigkeit - die ihn in Verbindung mit Wesen jenseits des Grabes bringt und die ihm für einen so ernsthaften Zweck gegeben wurde - zum Vergnügen und zur Unterhaltung - für sich und für die andern - einsetzen würde.
Als Interpreten der Belehrungen der Geister haben die Medien bei der moralischen Entwicklung, die sich vollzieht, eine bedeutende Rolle zu spielen. Die Dienste, die sie leisten können, stehen im Verhältnis zu der guten Richtung, die sie ihren Fähigkeiten geben; denn diejenigen, die einen falschen Weg genommen haben, schaden dem Anliegen des Spiritismus mehr, als das sie ihm zu nützen. Durch den schlechten Eindruck, den sie machen, verzögern sie manche Bekehrung. Deshalb werden sie über den Gebrauch, den sie von dieser Fähigkeit gemacht haben, die ihnen zum Wohl ihrer Mitmenschen gegeben wurde, zur Rechenschaft gezogen.
Das Medium, das die Unterstützung der guten Geister nicht verlieren möchte, muss stets an seiner eigenen Verbesserung arbeiten. Das Medium, das seine Fähigkeiten wachsen und sich entfalten sehen möchte, muss sich selbst moralisch weiterentwickeln und sich fernhalten von allem, was seine Fähigkeit von der Absicht der göttlichen Vorsehung abbringen könnte.
Wenn die guten Geister sich manchmal unvollkommener Werkzeuge bedienen, so geschieht dies, um gute Ratschläge zu geben und zu versuchen, diese zum Guten zurückzuführen; aber finden sie verhärtete Herzen vor und wird ihren Ratschlägen kein Gehör geschenkt, entfernen sie sich und die bösen Geister haben dann freie Hand. (siehe Kap. XXIV, Nr. 11 und 12)
Die Erfahrung beweist, dass bei denen - die die Ratschläge, die sie von den guten Geistern bekommen haben, nicht nutzbringend anwenden - die Botschaften, die erst glanzvoll waren, langsam entarten und schließlich im Irrtum, im Geschwätz oder in Lächerlichkeit enden. Dies ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die guten Geister sich entfernt haben.
Die Unterstützung der guten Geister zu erlangen, die leichtfertigen und lügenhaften Geister fernzuhalten, das muss die Zielsetzung der ständigen Bemühungen eines seriösen Mediums sein. Ohne dies ist die Medialität eine unfruchtbare Fähigkeit, die sogar demjenigen schaden kann, der sie besitzt, weil sie in gefährliche Besessenheit ausarten kann.
Das Medium, das sich seiner Pflicht bewusst ist, schreibt Gott die guten Dinge zu, die es erhält, und ist nicht stolz auf eine Fähigkeit, die ihm nicht gehört und die ihm ja jederzeit weggenommen werden kann. Wenn seine Botschaften Lob verdienen, rühmt es sich nicht deswegen, weil es weiß, dass diese nicht als persönlicher Verdienst anzurechnen sind, und es dankt Gott dafür, den guten Geistern erlaubt zu haben, sich durch seine Person zu offenbaren. Wenn die Botschaften Grund zu Kritik geben, fühlt sich das Medium nicht beleidigt, weil die Botschaften kein Werk seines eigenen Geistes sind. Das Medium sagt sich, dass es kein gutes Werkzeug war und dass es nicht alle notwendigen Eigenschaften besitzt, um sich der Einmischung der bösen Geistern zu widersetzen. Deswegen strebt das Medium danach, diese Eigenschaften zu erwerben und bittet durch das Gebet um die fehlende Kraft.
Allmächtiger Gott, erlaube den guten Geistern, mir jetzt bei dieser Mitteilung beizustehen Bewahre mich: – vor der Anmaßung, mich vor den bösen Geistern geschützt zu glauben – vor dem Hochmut, der mich über den Wert der erhaltenen Botschaften täuschen könnte – und vor allen Gefühlen, die der Nächstenliebe gegenüber anderen Medien widersprechen. Falls ich zu Fehlern verleitet werde, inspiriere irgendjemandem den Gedanken, mich zu warnen, und mir die Demut, die mich diese Kritik auch dankbar annehmen lässt, und dass ich erkenne, dass die Ratschläge, die die guten Geister erteilen, für mich selbst und nicht für die andern gedacht sind.
Falls ich zu irgendeinem Missbrauch meiner Fähigkeit, die DU mir gewährt hast, verführt würde oder eitel darauf wäre, so bitte ich DICH, mir diese zu entziehen, bevor sie mich von dem Ziel der Vorsehung, nämlich dem Wohl aller und meinem eigenen moralischen Fortschritt zu dienen, abbringen kann.
II. Gebete für sich selbst
Gebete an unsere Schutzengel und unsere Schutzgeister
Wir haben alle einen guten Geist, der seit unserer Geburt mit uns verbunden ist und der uns unter seinen Schutz genommen hat. Er erfüllt bei uns die Aufgabe eines Vaters seinem Kind gegenüber, nämlich: uns auf dem Weg des Guten und des Fortschritts durch die Prüfungen des Lebens zu führen. Er ist glücklich, wenn wir seiner Fürsorge Folge leisten; und er leidet, wenn er uns erliegen sieht.
Sein Name ist von geringer Bedeutung für uns, denn er kann auf der Erde unbekannt sein. Wir rufen ihn also als unseren Schutzengel, unseren guten Geist an. Wir können ihn sogar mit dem Namen irgendeines höheren Geistes anrufen, für den wir eine besondere Sympathie empfinden.
Außer unserem Schutzengel, der immer ein erhabener Geist ist, haben wir Schutzgeister, die, obwohl weniger erhaben, nicht weniger gut und wohlwollend sind. Diese können Verwandte oder Freunde sein oder auch Personen, die wir in unserem gegenwärtigen Leben nicht gekannt haben. Sie unterstützen uns mit ihren Ratschlägen und oft auch durch ihre Intervention in Handlungen unseres Lebens.
Die sympathischen Geister sind diejenigen, die sich mit uns durch eine bestimmte Ähnlichkeiten in Vorlieben und in Neigungen verbinden. Sie können gut oder böse sein, je nach Art der Neigungen, die sie zu uns hinziehen.
Die verführerischen Geister versuchen alles, um uns vom Weg des Guten abzubringen, indem sie uns negative Gedanken suggerieren. Sie nutzen all unsere Schwächen aus, die, wie viele andere offenen Türen, ihnen den Zugang zu unserer Seele ermöglichen. Es gibt einige, die sich an uns heften, wie an eine Beute, sie entfernen sich aber, sobald sie ihr Unvermögen erkennen, gegen unseren Willen anzukämpfen.
In unserem Schutzengel hat Gott uns einen hauptäschlichen und höheren Geistführer gegeben, und unseren schützenden und familiären Geistern untergeordnete Führer. Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, dass wir zwangsläufig einen bösen Geist an unserer Seite haben, um die guten Einflüsse auszugleichen. Die bösen Geister kommen freiwillig, je nachdem wie sie Zugang zu uns finden, durch unsere Schwäche oder durch unsere Nachlässigkeit, den Eingebungen der guten Geister zu folgen. Wir selbst ziehen sie also an. Daraus resultiert, dass uns die Unterstützung der guten Geister nie entzogen wird und dass es von uns abhängt, die niederen Geister abzuweisen. Aufgrund seiner Unvollkommenheit ist der Mensch die Ursache allen Elends, das er erleidet, und er ist meistens sein eigener böser Geist. (Kap. V, Nr. 4)
Das Gebet an die Schutzengel und an die Schutzgeister muss zum Ziel haben, Gott um die Zustimmung für ihr Eingreifen zu bitten, und sie zu bitten, um Kraft, damit wir den schlechten Eingebungen zu widerstehen vermögen, und um ihre Unterstützung bei den Nöten unseres Lebens.
Weise und wohlwollende Geister, Gottesboten, deren Mission es ist, den Menschen zu helfen und sie auf den richtigen Weg zu führen, unterstützt mich bei den Prüfungen dieses Lebens. Gebt mir die Kraft, sie ohne Murren zu ertragen; wendet die bösen Gedanken von mir ab und macht, dass ich keinem der bösen Geister, die mich zum Bösen verleiten möchten, Zugang gewähre. Klärt mein Gewissen über meine Fehler auf und entfernt von meinen Augen den Schleier des Hochmuts, der mich daran hindern könnte, sie wahrzunehmen und sie mir selbst einzugestehen.
Vor allem du, mein Schutzengel, der du ganz besonders über mich wachst, und ihr Schutzgeister alle, die ihr euch für mich interessiert, macht, dass ich mich eures Wohlwollens würdig erweise. Ihr kennt meine Bedürfnisse, macht, dass sie gemäß dem Willen Gottes befriedigt werden.
Mein Gott, erlaube den guten Geistern, die mich umgeben, mir zu Hilfe zu kommen, wenn ich mich in Not befinde, dass sie mich, wenn ich ins Wanken gerate, festhalten. Mach, Herr, dass sie mir den Glauben, die Hoffnung und die Nächstenliebe inspirieren; lass sie mir eine Stütze, eine Hoffnung und ein Beweis Deiner Barmherzigkeit sein, und schließlich, lass mich in ihrer Nähe die Kraft schöpfen, die mir in den Prüfungen des Lebens fehlt und die Kraft, um den schlechten Einflüsterungen zu widerstehen, den Glauben, der rettet und die Liebe, die tröstet.
Geliebte Geister und ihr Schutzengel, euch erlaubt Gott in SEINER unendlichen Barmherzigkeit über uns Menschen zu wachen, seid unsere Beschützer in den Prüfungen unseres irdischen Lebens. Gebt uns die Kraft, den Mut und die Ergebenheit; inspiriert uns alles Gutes und haltet uns zurück, wenn wir am Abhang des Bösen geraten; euer sanfter Einfluss möge unsere Seele durchdringen; macht, dass wir spüren können, dass ein ergebener Freund da ist, nahe bei uns, der unsere Leiden sieht und unsere Freuden mit uns teilt.
Und du, mein guter Engel, lass mich nicht im Stich; ich brauche deinen ganzen Schutz, um mit Glauben und Liebe die Prüfungen zu ertragen, die es Gott gefällt mir zuzusenden.
Gebet, um die bösen Geister fernzuhalten
Die bösen Geister gehen nur dahin, wo sie ihre Lasterhaftigkeit befriedigen können. Um sie fernzuhalten, genügt es nicht, sie darum zu bitten und auch nicht, es ihnen zu befehlen: Man muss all das von sich abzulegen, was sie anzieht. Die bösen Geister wittern die Wunden der Seele wie die Fliegen die Wunden des Körpers. Ebenso wie ihr den Körper reinigt, um Ungeziefer fernzuhalten, genauso muss die Seele von ihren Unreinheiten gereinigt werden, um die bösen Geister fernzuhalten. Da wir aber in einer Welt leben, in der es von bösen Geistern wimmelt, schützen die guten Eigenschaften des Herzens uns nicht immer gegen ihre Versuchungen, sie geben uns aber die Kraft, ihnen zu widerstehen.
Im Namen des Allmächtigen Gottes bitte ich, dass die bösen Geister sich von mir fernhalten und dass die Guten mich vor ihnen beschützen.
Bösartige Geister, die ihr den Menschen schlechte Gedanken eingebt; hinterhältige und trügerische Geister, die ihr sie täuscht; spöttische Geister, die ihr mit der Leichtgläubigkeit der Menschen spielt, ich weise euch mit allen Kräften meiner Seele zurück und verschließe meine Ohren gegenüber euren Eingebungen; ich bitte aber um die Barmherzigkeit Gottes für euch.
Gute Geister, die ihr mir beistehen, gebt mir die Kraft, diesem Einfluss der bösen Geister zu widerstehen und die notwendige Erleuchtung, um nicht von ihren Betrügereien getäuscht zu werden. Bewahrt mich vor Hochmut und Überheblichkeit. Entfernt von meinem Herzen die Eifersucht, den Hass, die Böswilligkeit und jedes der Nächstenliebe gegensätzliche Gefühl, die allesamt offene Türen für den Geist des Bösen sind.
Gebet, um einen Fehler zu korrigieren
Unsere bösen Instinkte sind das Ergebnis der Unvollkommenheit unseres eigenen Geistes und nicht unseren physischen Körpers, sonst könnte sich der Mensch jeder Art der Verantwortung entziehen. Unsere Verbesserung hängt von uns ab, denn jeder Mensch, der im Vollbesitz seiner Fähigkeiten ist, hat hinsichtlich aller Dinge die Freiheit, sie zu tun oder nicht zu tun. Um das Gute zu tun, fehlt ihm somit nur der Wille. (Kap. XV, Nr. 10 und Kap. XIX, Nr. 12).
Mein Gott, DU hast mir die notwendige Intelligenz gegeben, um das Gute vom Bösen zu unterscheiden. Folglich mache ich mich von dem Moment an schuldig, in dem ich erkenne, dass eine Sache schlecht ist, und ich mich nicht anstrenge, ihr zu widerstehen.
Bewahre mich vor dem Hochmut, der mich daran hindern könnte, meine Fehler wahrzunehmen, und vor den bösen Geistern, die mich dazu anstifften könnten, bei ihnen zu bleiben.
Unter all meinen Unvollkommenheiten erkenne ich, dass ich insbesondere zu (Name des Lasters) neige, und wenn ich dieser Verführung nicht widerstehe, geschieht es aus der Gewohnheit heraus, ihr nachzugeben.
DU hast mich nicht schuldig erschaffen, weil DU gerecht bist, aber mit der gleichen Fähigkeit für das Gute wie für das Böse; falls ich dem falschen Weg gefolgt bin, geschah dies aus freiem Willen. Aber aus dem gleichen Grund, aus dem ich die Freiheit gehabt habe, das Böse zu tun, habe ich sie auch, um das Gute zu tun, folglich habe ich auch die Freiheit, meinen Weg zu ändern.
Meine gegenwärtigen Fehler sind ein Überbleibsel der Unvollkommenheiten, die ich von meinen früheren Existenzen her behalten habe. Sie sind meine Erbsünde, von der ich mich durch meinen Willen und mit der Hilfe der guten Geister befreien kann.
Gute Geister, die ihr mich beschützt, insbesondere du, mein Schutzengel, gebt mir die Kraft, den bösen Eingebungen zu widerstehen und aus dem Kampf siegreich hervorzugehen.
Fehler sind Barrieren, die uns von Gott trennen, und jeder überwundene Fehler ist ein Schritt auf dem Weg des Fortschritts, der mich IHM näher bringen soll.
Der Herr gewährte mir in SEINER unendlichen Barmherzigkeit die gegenwärtige Existenz, damit sie meinem Fortschritt diene. Gute Geister, helft mir, diese Existenz zu nutzen, damit sie für mich nicht umsonst sein wird; und wenn es Gott gefällt, mich aus ihr zurückzuholen, damit ich besser aus ihr hervorgehe als ich in sie hineingegangen bin. (Kap. V, Nr. 5; Kap. XVII, Nr. 3)
Gebet, um einer Versuchung zu widerstehen
Jeder böse Gedanke kann zwei Ursache haben: Die eigene Unvollkommenheit unserer Seele oder einen unheilvollen Einfluss, der auf sie einwirkt. In diesem letzteren Fall ist dies das Anzeichen einer Schwäche, die uns dazu neigen lässt, diesem Einfluss nachzugeben und folglich das Anzeichen einer unvollkommenen Seele, so dass derjenige, der zu Fall kommt, sich nicht auf den Einfluss eines fremden Geistes als Entschuldigung berufen kann, da dieser Geist ihn nicht zum Bösen verführt hätte, wenn er ihn unzugänglich für diese Verführung gehalten hätte.
Wenn ein böser Gedanke in uns hochkommt, können wir uns vorstellen, dass ein böswilliger Geist uns zum Bösen verführen möchte, und wir sind vollkommen frei, nachzugeben oder zu widerstehen, so als ob es sich um das Ersuchen einer lebenden Person handeln würde. Wir dürfen uns aber auch gleichzeitig vorstellen, dass unser Schutzengel oder Schutzgeist seinerseits den bösen Einfluss in uns bekämpft und voller Sorge die Entscheidung abwartet, die wir treffen werden. Unser Zögern, Böses zu tun, ist die Stimme des guten Geistes, der sich über das Gewissen bemerkbar macht.
Man erkennt, dass ein Gedanke böse ist, wenn er von der Nächstenliebe abweicht, die ja die Grundlage jeder wahren Moral ist; wenn sein Ursprung im Hochmut, in der Eitelkeit und im Egoismus zu finden ist; wenn seine Verwirklichung einem andern Schaden zufügen könnte; schließlich, wenn er uns auffordert andern das anzutun, was wir selbst nicht möchten, das sie es uns antun. (Kap. XXVIII, Nr. 15 und Kap. XV, Nr. 10).
Allmächtiger Gott, lass mich nicht der Versuchung erliegen, dass ich mich eines Fehlverhaltens schuldig mache. Wohlwollende Geister, die ihr mich beschützt, entfernt von mir diesen bösen Gedanken und gebt mir die Kraft, der Eingebung des Bösen zu widerstehen. Falls ich der Versuchung erliege, so habe ich es verdient, mein Fehlverhalten in diesem oder in einem anderen Leben büßen zu müssen, weil ich frei bin, zu wählen.
Dankgebet für den Sieg über eine Versuchung
Derjenige, der einer Versuchung widerstanden hat, verdankt diesen Beistand den guten Geistern, deren Stimmen er Gehör geschenkt hat. Er sollte also Gott und seinem Schutzengel dafür danken.
Mein Gott, ich danke DIR, dass DU es mir ermöglicht hast, siegreich aus dem Kampf hervorzugehen, den ich gegen das Böse geführt habe. Mach, dass dieser Sieg mir die Kraft gibt, erneuten Versuchungen ebenfalls zu widerstehen.
Und du, mein Schutzengel, ich danke dir für die Hilfe, die du mir gewährt hast. Möge mein Gehorsam deinen Ratschlägen gegenüber von neuem deinen Schutz verdienen!
Bitte um einen Rat
Falls wir unentschlossen sind, etwas zu tun oder nicht zu tun, müssen wir uns selbst vor allem folgende Fragen stellen:
1. Die Sache, die ich zögere zu tun, kann sie einem andern irgendeinen Schaden zufügen?
2. Kann sie jemandem nützlich sein?
3. Wenn irgendjemand mir gegenüber dieses getan hätte, wäre ich damit zufrieden?
Wenn eine Angelegenheit nur einen selbst betrifft, dann ist es erlaubt, die Summe der persönlichen Vor- und Nachteile, die daraus entstehen könnten, abzuwägen.
Betrifft sie jedoch andere und könnte dadurch dem einen Gutes und dem andern aber Schlechtes widerfahren, so ist es gleichfalls erforderlich, die Summe der guten und der bösen Auswirkungen abzuwägen, um darauf zu verzichten oder zu handeln.
Auch für die besten Dinge ist es schließlich notwendig, die Zweckmäßigkeit und die Begleitumstände abzuwägen, weil eine an sich gute Sache in ungeschickten Händen zu schlechten Ergebnissen führen kann, wenn sie nicht mit Klugheit und Umsicht durchgeführt wird. Bevor man etwas unternimmt, ist es notwendig, seine Kräfte und seine Mittel zur Durchführung abzuschätzen.
In allen Fällen kann man aber immer die Hilfe seiner Schutzgeister erbitten, indem man sich an diesen weisen Grundsatz erinnert: „Im Zweifelsfall, enthalte dich“.
Im Namen des Allmächtigen Gottes, ihr guten Geister, die ihr mich beschützt, helft mir in dieser Ungewissheit, in der ich mich befinde, die beste Lösung zu finden.
Lenkt meinen Gedanken zum Guten und wendet den Einfluss jener von mir ab, die versuchen könnten, mich irrezuleiten.
In Situationen voller Kummer
Wir können Gott um eine irdische Gunst bitten, und ER kann sie uns gewähren, wenn sie einen nützlichen und seriösen Zweck hat. Da wir aber die Nützlichkeit der Dinge nach unseren eigenen Gesichtspunkten beurteilen und weil unsere Sicht auf die Gegenwart begrenzt ist, sehen wir nicht immer die schlechte Seite von dem, was wir uns wünschen. Gott, der viel besser sieht als wir und nur auf unser Wohl bedacht ist, kann sie uns verweigern, wie auch ein Vater seinem Sohn das verweigert, was ihm schaden kann. Wenn uns also das, um was wir bitten, nicht gewährt wird, sollten wir nicht den Mut verlieren. Im Gegenteil, wir sollten denken, dass die Entbehrung dessen, was wir uns wünschen, uns als Prüfung oder als Sühne auferlegt wurde, und dass unser Verdienst entsprechend der Ergebenheit sein wird, mit der wir sie angenommen haben. (Kap. XXVII, Nr. 6 und Kap. II, Nr. 5 - 7).
Allmächtiger Gott, der DU unsere Nöte siehst, erhöre gnädigerweise und mit Wohlwollen meine Bitten, die ich in diesen Moment an DICH richte. Wenn meine Bitte unüberlegt ist, verzeih mir; falls sie in DEINEN Augen angebracht und nützlich ist, lass die guten Geister, die DEINEN Willen ausführen, mir bei ihrer Erfüllung zu Hilfe kommen.
Was auch immer kommen mag, mein Gott, DEIN Wille geschehe. Falls meine Wünsche nicht erfüllt werden, bedeutet dies, dass es DEINE Absicht ist, mich zu prüfen, und ich unterwerfe mich, ohne zu murren. Gib, dass ich auf keinen Fall den Mut verliere, und dass weder mein Glaube noch meine Ergebenheit ins Wanken gerät. (nun kannst du deine Bitte formulieren)
Dankgebet für eine erlangte Gunst
Man soll nicht nur die Dinge von großer Bedeutung als glückliche Ereignisse betrachten; die scheinbar unbedeutendsten Ereignisse sind oft die, die unser Schicksal am meisten beeinflussen. Der Mensch vergisst leicht das Gute und erinnert sich eher an das, was er erlitten hat. Wenn wir Tag für Tag die Wohltaten registrieren würden, die uns zuteil geworden sind, ohne sie erbeten zu haben, würden wir uns oft darüber wundern, so viele bekommen zu haben, die aus unserem Gedächtnis entschwunden sind und wir wären über unsere Undankbarkeit beschämt.
Jeden Abend, wenn wir unsere Seele zu Gott erheben, sollen wir uns an die Gunst erinnern, die ER uns während des Tages gewährt hat, und IHM dafür danken. Besonders in den Augenblicken, wo wir die Wirkung SEINER Güte und SEINES Schutzes empfinden, sollten wir IHM, durch einen spontanen Impuls, unsere Dankbarkeit bezeugen. Dafür genügt ein Gedanke, der IHM die Wohltaten zuschreibt, ohne dass es notwendig wäre, die Arbeit dafür zu unterbrechen.
Die Wohltaten Gottes bestehen nicht nur aus materiellen Dingen; man sollte IHM auch für die guten Ideen und die glücklichen Inspirationen danken, die uns eingegeben werden. Während der Hochmütige sich daraus ein Verdienst macht und der Ungläubige diese dem Zufall zuschreibt, dankt derjenige, der gläubig ist, Gott und den guten Geistern. Hierfür sind keine langen Sätze notwendig: „Danke, mein Gott, für den guten Gedanken, den DU mir eingegeben hast“, das sagt mehr als viele Worte. Die spontane Begeisterung, die uns dazu bringt, Gott das Gute zuzuschreiben, das uns geschieht, bezeugt eine Gewohnheit der Dankbarkeit und der Demut, die die Sympathie der guten Geister für uns gewinnt.
Unendlich guter Gott, DEIN Name sei gesegnet für die Wohltaten, die DU mir gewährt hast. Es wäre empörend, wenn ich die Ereignisse dem Zufall oder meinem Verdienst zuschreiben würde.
Gute Geister, ihr, die ihr die Ausführenden des Willen Gottes gewesen seid, ich danke euch und besonders dir, meinem Schutzengel. Wendet von mir den Gedanken ab, stolz darauf zu sein und davon einen Gebrauch zu machen, der nicht für das Gute wäre.
Besonders danke ich euch für (hier die Angelegenheit benennen)
Handlung der Ergebenheit und der Resignation
Würden wir die Ursache für den uns zugestoßenen Kummer suchen, so könnten wir oft feststellen, dass sie aus unserer Unvorsichtigkeit, unserer Sorglosigkeit oder von irgendeiner früheren Handlung herrührt. In solchen Fällen können wir nur uns selbst dafür verantwortlich machen. Falls der Grund eines Unglücks unabhängig von jeglicher unserer Handlungen ist, handelt es sich entweder um eine Prüfung für das gegenwärtige Leben oder die Sühne aus einer vorherigen Existenz, und in diesem letzteren Fall kann die Art der Sühne uns die Art des Fehlers erkennen lassen, weil wir immer damit bestraft werden, wogegen wir gesündigt haben. (Kapitel V, Nr. 4, 6 und folgende)
Bei dem, was uns betrübt, sehen wir im Allgemeinen nur das gegenwärtige Leiden und nicht die späteren günstigen Folgen, die daraus entstehen können. Das Gute ist oft die Folge eines vorübergehenden Bösen, wie die Heilung eines Kranken das Resultat der schmerzhaften Mittel ist, die man angewendet hat, um sie zu erreichen. In allen Fällen sollten wir uns dem Gottes Willen unterwerfen und die Drangsale des Lebens mutig ertragen, wenn wir möchten, dass sie uns angerechnet werden; so dass diese Worte Jesu auch an uns angewendet werden: „Selig sind die Leidenden“. (Kapitel V, Nr. 18).
Mein Gott, DU bist souverän gerecht: Jedes Leiden hier auf Erden muss daher seine gerechte Ursache und seine Nützlichkeit haben. Ich sehe die Ursache des Kummers, den ich erleide, als eine Sühne meiner vergangenen Fehler an und als eine Prüfung für die Zukunft.
Gute Geister, ihr, die ihr mich beschützt, gebt mir die Kraft, das Leiden ohne Murren zu ertragen. Macht, dass ich es wie eine heilsame Warnung sehe; dass es mich reicher an Erfahrung macht; dass es meinen Hochmut, Ehrgeiz, meine törichte Eitelkeit und meinen Egoismus bekämpft; und somit zu meinem Fortschritt beiträgt.
Mein Gott, ich empfinde das Bedürfnis, DICH darum zu bitten, mir die Kraft zu geben, die Prüfungen zu ertragen, die DU mir auferlegt hast. Erlaube, dass das Licht in meinem Geist lebendig werde, damit ich die ganze Tragweite einer Liebe verstehen kann, die mich leiden lässt, weil sie mich retten will. Mit Ergebenheit unterwerfe ich mich DIR, mein Gott; aber leider ist der Mensch so schwach, dass ich zu erliegen fürchte, wenn DU mich nicht stärkst. Verlass mich nicht, mein Herr, denn ohne DICH vermag ich nichts.
Ich habe meinen Blick zu DIR erhoben, oh Ewiger! und habe mich gestärkt gefühlt. DU bist meine Kraft, verlass mich nicht, mein Gott! Die Last meiner schlechten Taten erdrückt mich! Hilf mir! DU kennst die Schwäche meines Fleisches und wendest DEINEN Blick nicht vor mir ab!
Es verzehrt mich ein brennender Durst. Lass die Quelle des lebendigen Wassers hervorsprudeln, und mein Durst wird gestillt. Dass mein Mund sich nur öffne, um DICH zu lobpreisen und nicht über die Betrübnisse meines Lebens zu murren. Ich bin schwach, Herr, aber DEINE Liebe wird mich stärken.
Ewiger Gott! DU allein bist groß, DU allein bist das Ziel und der Zweck meines Lebens. DEIN Name sei gelobt, wenn DU mich bestrafst, denn DU bist der Herr und ich der untreue Diener. Ich werde meine Stirn beugen, ohne mich zu beklagen, denn DU allein bist groß, DU allein bist das Ziel meines Lebens.
Angesichts einer bevorstehenden Gefahr
Durch die Gefahren, die wir erleben, erinnert uns Gott an unsere Schwäche und an die Zerbrechlichkeit unserer Existenz. ER zeigt uns, dass unser Leben in SEINER Hand ist, und dass es nur an einem Faden hängt, der zu einem Zeitpunkt zerreißen kann, an dem wir nicht damit rechnen. In dieser Hinsicht gibt es kein Privileg für irgendjemanden, denn der Große und der Kleine sind den gleichen Alternativen unterworfen.
Wenn man die Art und die Konsequenzen der Gefahr genau untersucht, sieht man, dass diese sehr oft, wenn sie eintreffen würden, die Strafe für einen begangenen Fehler oder für eine vernachlässigte Pflicht gewesen wären.
Allmächtiger Gott und du, mein Schutzengel, helft mir! Sollte ich erliegen, möge der Wille Gottes geschehen. Werde ich gerettet, so will ich den Rest meines Lebens das Böse wiedergutmachen, das ich getan habe und das ich nun bereue.
Dankgebet nach dem Entgehen einer Gefahr
Durch die Gefahr, durch die wir gegangen sind, zeigt Gott uns, dass wir von einem Augenblick auf den anderen gerufen werden können, um Rechenschaft darüber abzulegen, wie wir unser Leben genutzt haben. ER mahnt uns auf diese Weise, uns auf uns selbst zu besinnen und zu verbessern.
Mein Gott und du, mein Schutzengel, ich danke euch für die Hilfe, die ihr mir in der Gefahr, die mich bedroht hat, geschickt habt. Diese Gefahr möge für mich eine Warnung sein und mir meine Fehler vor Augen führen, durch die ich in sie hineingeraten bin. Ich verstehe, Herr, dass mein Leben in DEINER Hand liegt und dass DU es mir wegnehmen kannst, wann es DIR gefällt. Inspiriere mir durch die guten Geister, die mir helfen, die Gedanken, die Zeit gut zu nutzen, die DU mir auf dieser Welt gewährt hast.
Mein Schutzengel, unterstütze mich bei dem gefassten Beschluss, meine Fehler wieder gutzumachen und Gutes zu tun, soviel in meiner Macht steht, damit ich - wenn es Gott gefällt, mich zu sich zu rufen - mit weniger Unvollkommenheiten belastet in die geistige Welt eintreten kann.
Beim Einschlafen
Der Schlaf ist die Erholung des Körpers, der Geist aber braucht sich nicht auszuruhen. Während die Sinne einschlafen, befreit sich die Seele teilweise von der Materie und genießt die Freiheiten des Geistes. Der Schlaf ist dem Menschen für die Wiederherstellung der organischen und auch der moralischen Kräfte gegeben. Während der Körper die Elemente wiedergewinnt, die er durch die Aktivitäten des Tages verloren hat, kommt der Geist unter anderen Geistern wieder zu Kräften. Bei dem, was er dort sieht und hört und bei den Ratschlägen, die er erhält, schöpft er Ideen, die ihm beim Aufwachen als Intuition wieder gegenwärtig sind. Es ist die vorübergehende Rückkehr des Verbannten in seine wahre Heimat; der Gefangene, dem für einen Augenblick seine Freiheit zurückgegeben wird.
Aber es geschieht genauso wie mit einem entarteten Gefangenen, dass der Geist nicht immer diese Momente der Freiheit für seinen Fortschritt nutzt. Wenn er niedere Instinkte hat, sucht er - anstatt die Gesellschaft von guten Geistern zu suchen – diejenigen auf, die ihm ähnlich sind, und besucht solche Orte, an denen er seinen Neigungen freien Lauf lassen kann.
Möge derjenige, der von dieser Wahrheit überzeugt ist, seine Gedanken in dem Moment erheben, in dem sich der Schlaf nähert, und um die Ratschläge der guten Geister und von allen, an die er sich gerne erinnert, bitten, damit sie sich während dieser kurzen Zeit der Freiheit, die ihm gewährt wird, bei ihm versammeln können, und wenn er aufwacht, wird er sich stärker fühlen gegen das Böse und mutiger gegen die Widrigkeiten des Lebens.
Meine Seele wird für einen Augenblick mit den anderen Geistern zusammen sein. Mögen diejenigen, die gut sind, mir mit ihrem Rat zu Hilfe kommen. Mach, mein Schutzengel, dass ich beim Aufwachen einen nachhaltigen und heilsamen Eindruck bewahre.
In Erwartung des nahenden Todes
Der Glaube an die Zukunft und die Erhebung der Gedanken – schon im Laufe des Lebens - in Richtung auf die zukünftigen Bestimmungen, helfen bei der schnellen Befreiung des Geistes, indem sie die Bande schwächen, die ihn an den Körper binden; oft ist das physische Leben noch nicht erlöscht, während die Seele sich bereits ungeduldig in ihrem Flug zur Unendlichkeit emporgeschwungen hat. Im Gegensatz dazu sind bei dem Menschen, der all seine Gedanken auf die materiellen Dinge konzentriert hat, diese Bande zäher; die Trennung ist schwierig und schmerzhaft, und das Aufwachen jenseits des Grabes ist voller Verwirrung und Angst.
Mein Gott! Ich glaube an DICH und an DEINE ewige Güte! Deshalb kann ich nicht daran glauben, dass DU den Menschen die Intelligenz, die ihn DICH erkennen lässt und das Streben nach der Zukunft, gegeben hast, um ihn danach in das Nichts versenken zu lassen.
Ich glaube, dass mein Körper nur die vergängliche Hülle meiner Seele ist, und dass ich, wenn ich aufgehört habe zu leben, in der Welt der Geister aufwachen werde.
Allmächtiger Gott, ich spüre, dass die Bande reißen, die meine Seele an meinen Körper binden, und bald werde ich Rechenschaft darüber ablegen, was ich aus meinem Leben gemacht habe, das ich verlasse. Ich werde die Folgen tragen von dem Guten oder dem Bösen, das ich getan habe. Dort wird es weder Täuschungen noch mögliche Ausflüchte mehr geben. Meine ganze Vergangenheit wird sich vor mir abspielen und es wird gemäß meiner Taten über mich geurteilt.
Ich werde nichts von den Gütern der Erde mitnehmen. Ehren, Reichtümer, Befriedigungen der Eitelkeit und des Stolzes, schließlich alles, was mit dem Körper zu tun hat, wird auf der Erde bleiben. Nicht einmal der geringste Teil von all diesen Dingen wird mich begleiten und mir von keinem Nutzen in der geistigen Welt sein. Ich werde nur das mitnehmen, was zu meiner Seele gehört, d.h. die guten und die schlechten Eigenschaften, die auf der Waage einer strengen Gerechtigkeit gewogen werden. Ich werde umso strenger beurteilt werden, je mehr meine irdische Situation mir die Gelegenheit gegeben hat, das Gute zu tun, und ich es nicht getan habe. (Kap. XVI, Nr. 9)
Barmherziger Gott, möge meine Reue bei DIR ankommen! Sei mir gnädig und breite DEINE Nachsicht über mir aus!
Wenn es DIR gefällt, meine Existenz hier zu verlängern, dann möge, soweit es mir möglich ist, diese Verlängerung der Wiedergutmachung des Bösen, das ich getan haben mag, dienen. Falls meine Stunde unwiderruflich geschlagen hat, nehme ich den beruhigenden Gedanken mit mir, dass es mir erlaubt sein wird, mich durch neue Prüfungen zu erlösen, damit ich eines Tages das Glück der Auserwählten verdiene.
Wenn es mir nicht gegeben sein wird, sofort in den Genuss dieser ungetrübten Glückseligkeit zu gelangen, was nur das Verdienst der ganz besonders Gerechten ist, weiß ich doch, dass mir die Hoffnung nicht auf immer verwehrt ist und dass ich mit meiner Arbeit das Ziel früher oder später erreichen werde, entsprechend meiner Bemühungen. Ich weiß, dass die guten Geister und mein Schutzengel in meiner Nähe sind, um mich zu empfangen. Ich werde sie bald so sehen, wie sie mich sehen. Ich weiß, dass ich die, die ich auf der Erde geliebt habe, wieder treffen werde, falls ich es verdient habe, und dass diejenigen, die ich auf dieser Welt hinterlasse, eines Tages wieder mit mir zusammentreffen werden, damit wir auf immer vereint bleiben, aber zwischenzeitlich wird es mir schon möglich sein, sie zu besuchen.
Ich weiß auch, dass ich diejenigen treffen werde, denen ich geschadet habe. Mögen sie mir verzeihen, was sie mir vorzuwerfen haben: meinen Hochmut, meine Härte, meine Ungerechtigkeiten, damit ihre Anwesenheit mich nicht vor Scham niederdrückt!
Ich vergebe all jenen, die mir auf der Erde Böses getan haben oder antun wollten; ich hege ihnen gegenüber keinen Groll und ich bitte DICH, Gott, ihnen zu vergeben.
Herr, gib mir die Kraft, ohne Bedauern die Genüsse dieser Erde zu verlassen. Sie sind nichts verglichen mit den reinen Freuden der Welt, in die ich nun eintreten werde. Dort gibt es für den Gerechten weder Qualen noch Leiden oder Elend, nur der Schuldige leidet, aber ihm bleibt stets den Trost der Hoffnung.
Gute Geister und du mein Schutzengel lasst mich keine Fehler machen in diesem letzten Augenblick. Lasst vor meinen Augen das göttliche Licht leuchten, um meinen Glauben wieder zu beleben, falls er ins Wanken geraten war.
Anmerkung: Siehe unter V.: „Gebete für Kranke und Besessene“.
III. Gebete für andere
Für jemand, der bekümmert ist
Falls es im Interesse des Betrübten ist, dass seine Prüfung ihren Lauf nimmt, wird sie nicht auf unsere Bitte hin verkürzt; es wäre aber ein Akt der Ungnade, wenn man aufgeben würde, nur weil die Bitte nicht erhört wurde. Außerdem, selbst wenn die Prüfung nicht unterbrochen wird, können wir vielleicht einen Trost in etwas anderem finden, der die Bitterkeit der Prüfung mildert. Mut und Ergebenheit sind wahrhaft hilfreich für denjenigen, der betrübt ist, denn ohne sie wird das, worunter er leidet, nicht nützlich für ihn sein, und er wird nicht umhin kommen, die Prüfung erneut zu beginnen. Daher müssen wir unsere Bemühungen vor allem auf Folgendes ausrichten, sei es, indem wir die guten Geister um Beistand für ihn bitten oder ihm durch Ratschläge und Ermutigungen wieder Mut zu machen, und nicht zuletzt ihm auch materiell beizustehen, falls dies möglich ist. Das Gebet kann in diesem Fall auch eine direkte Wirkung haben, indem es eine fluidale Strömung zu dieser Person leitet, um ihre Gemütsverfassung zu stärken. (Kap. V, Nr. 5 und 27, Kap. XXVII, Nr. 6 und 10)
Mein Gott! DEINE Güte ist unendlich, bitte mildere die Bitterkeit der Zustände von (Name der Person), wenn dies auch DEIN Wille ist.
Gute Geister, im Namen des allmächtigen Gottes, ich flehe euch an, ihm in seiner Betrübnis beizustehen. Falls ihm die Leiden in seinem eigenen Interesse nicht erspart werden können, veranlasse ihn zu verstehen, dass sie für seinen Fortschritt notwendig sind. Gebt ihm das Vertrauen in Gott und die Zukunft, damit die Bitterkeit seines Kummers gemildert wird. Gebt ihm auch die Kraft, damit er nicht der Verzweiflung unterliegt, was ihn den Nutzen seiner Prüfung zunichte und seine zukünftige Lage noch verschlimmern würde. Leitet meine Gedanken zu ihm, sie mögen seinen Mut unterstützen.
Dankgebet für eine Gunst, die anderen gewährt wurde
Derjenige, der vom Egoismus nicht beherrscht wird, freut sich über das Gute, das seinem Nächsten widerfährt, auch wenn er es nicht in einem Gebet erbeten hat.
Oh mein Gott! DIR sei Dank für das Glück, das DU (Name der Person) gewährt hast. Gute Geister, bewirkt, dass er in dieser Wohltat die Wirkung der Güte Gottes erkennt. Und wenn das Gute, das ihm widerfahren ist, eine Prüfung für ihn sein soll, so inspiriert ihm Gedanken, dieses gut anzuwenden und sich nicht damit zu brüsten, damit es sich in der Zukunft nicht zu seinem Nachteil wendet.
Du, mein guter Geist, der du mich beschützt und mein Glück wünschst, halte jeden Gedanken und jedes Gefühl von Neid oder Eifersucht von mir fern.
Für unsere Feinde und die, die uns Böses wollen
Jesus sagte: „Liebt eure Feinde“. Dieser Grundsatz ist das Erhabenste der christlichen Nächstenliebe. Aber damit meinte Er nicht, dass wir für unsere Feinde die gleiche Liebe empfinden sollen, wie für unsere Freunde. Er lehrte uns mit diesen Worten ihre Beleidigungen zu vergessen, ihnen das Böse, das sie uns angetan haben, zu vergeben und das Böse mit dem Guten zu vergelten. Außer dem Verdienst, das sich vor den Augen Gottes daraus ergibt, zeigt es den Menschen, was wahre Überlegenheit ist. (Kap. XII, Nr. 3 und 4).
Mein Gott, ich verzeihe (Name der Person) das Böse, das er/ sie mir angetan hat und das er/sie mir antun wollte, so wie ich auch wünsche, dass DU mir vergibst und er/sie auch mir die Fehler verzeiht, die ich begangen habe. Wenn DU ihn/sie als Prüfung auf meinen Weg geführt hast, möge DEIN Wille geschehen.
Befreie mich, oh mein Gott, von dem Gedanken, ihn zu verdammen und von allen negativen Gefühlen ihm gegenüber. Gib, dass ich mich nie über das Übel freue, das ihm widerfahren könnte, und dass auch die Wohltaten, die ihm gewährt werden könnten, kein Missfallen in mir erregen, damit ich meine Seele nicht mit Gedanken beflecke, die eines Christen unwürdig sind. Möge DEINE Güte, Herr, indem sie sich über ihn ausbreitet, ihn zu besseren Gefühlen mir gegenüber führen.
Gute Geister, lasst mich das Übel vergessen und mich an das Gute erinnern. Auf dass weder Hass noch Groll noch der Wunsch, Böses mit Bösem zu vergelten, in meinem Herzen Platz finden können, denn Hass und Rache sind nur bösen Geistern eigen, inkarnierten und nicht inkarnierten. Möge ich im Gegenteil immer dazu bereit sein, ihm die brüderliche Hand zu reichen, das Böse mit dem Guten zu vergelten und ihm zu helfen, so es in meiner Macht steht.
Um die Aufrichtigkeit meiner Worte unter Beweis zu stellen, möchte ich, dass mir die Gelegenheit gegeben wird, ihm nützlich zu sein. Mein Gott, bewahre mich aber insbesondere davor, dies aus Stolz oder Prahlerei zu tun, indem ich ihn mit einer beschämenden Großzügigkeit erdrücke, was das Verdienst meiner Tat zunichtemachen würde. In diesem Fall verdiente ich, dass folgende Worte Christi auf mich angewendet werden: „Du hast deine Belohnung schon bekommen“. (Kap. XIII, Nr. 1 und folgende)
Dankgebet für das meinen Feinden gewährte Gute
Seinen Feinden nichts Böses zu wünschen, ist nur eine halbherzige Nächstenliebe. Die wahre Nächstenliebe verlangt, dass wir ihnen das Gute wünschen und uns glücklich über das Gute fühlen, das ihnen widerfährt. (Kap. XII, Nr. 7 und 8).
Mein Gott, in DEINER Gerechtigkeit hast DU DICH entschieden, das Herz von (Name der Person) zu erfreuen. Für ihn/sie danke ich DIR, trotz des Bösen, das er/sie mir angetan hat oder versucht hat, mir anzutun. Wenn er/sie dies ausnutzt, um mich zu erniedrigen, akzeptiere ich das als eine Prüfung meiner Nächstenliebe.
Gute Geister, die ihr mich beschützt, erlaubt nicht, dass ich mich deshalb niedergeschlagen fühle. Befreit mich von dem Neid und von der Eifersucht, die mich entwürdigen. Inspiriert mir im Gegenteil die Güte, die mich erhebt. Die Demütigung liegt im Bösen und nicht im Guten; und wir wissen, dass früher oder später jedem Gerechtigkeit, seinen Taten entsprechend, widerfahren wird.
Für die Feinde des Spiritismus
Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn die Menschen euch um meinetwegen verfluchen und verfolgen und alle Art von Lüge wider euch reden. Freut euch, denn es ist eine große Belohnung für euch im Himmel reserviert. Ebenso haben sie auch die Propheten verfolgt, die vor euch gewesen sind. (Matthäus, Kap. V; 6 und 10-12)
Fürchtet euch nicht vor denen, die zwar den Leib, aber nicht die Seele töten können; fürchtet euch vielmehr vor dem, der Leib und Seele ins ewige Verderben schicken kann. (Matthäus, Kap. X; 28)
Von allen Freiheiten ist jene des Denkens die am wenigsten antastbare, sie umfasst auch die Freiheit des Gewissens. Diejenigen zu verdammen, die nicht wie wir denken, bedeutet, diese Freiheit nur für sich allein in Anspruch zu nehmen und sie den andern zu verweigern; das bedeutet auch, das erste Gebot Jesu zu übertreten: die Wohltätigkeit und die Nächstenliebe. Jemanden aufgrund seines Glaubens zu verfolgen, heißt gegen das heiligste Recht zu verstoßen, das jeder Mensch besitzt: nämlich an das zu glauben, was ihm gefällt und Gott anzubeten, wie es ihm richtig erscheint. Jemanden zu äußerlichen Handlungen zu zwingen, die den unsrigen entsprechen, zeigt, dass wir mehr Wert auf die Form als auf das Wesentliche legen, mehr auf den Schein als auf die Überzeugung. Die erzwungene Abschwörung hat niemals irgendjemanden zum wahren Glauben geführt, sie kann nur Heuchler erzeugen. Es ist ein Missbrauch physischer Kräfte, die nicht in der Lage sind, die Wahrheit zu beweisen. Die Wahrheit ist sich ihrer sicher; sie überzeugt und verfolgt nicht, weil sie nicht zu verfolgen braucht.
Der Spiritismus ist eine Idee, ein Glaube; und wenn er sogar eine Religion wäre, hätte man nicht auch die Freiheit, sich einen Spiritisten zu nennen, so wie man die Freiheit hat, sich einen Katholiken, einen Protestanten, einen Juden zu nennen oder einen Anhänger von dieser oder jener philosophischen Lehre, von diesem oder jenem wirtschaftlichen System? Dieser Glaube kann ein Irrtum oder wahr sein. Falls er ein Irrtum ist, wird er von selber fallen, da Irrtümer sich niemals gegen die Wahrheit durchsetzen können, wenn der Verstand erleuchtet wird. Falls er aber wahr ist, so wird ihn die Verfolgung nicht in einen Irrtum verwandeln.
Die Verfolgung ist die Taufe aller neuen Ideen, die groß und gerecht sind, und sie nimmt mit der Größe und Wichtigkeit einer Idee zu. Die Wut und der Zorn ihrer Feinde stehen im Verhältnis zu der Furcht, die sie ihnen einflößt. Dies ist der Grund, warum das Christentum früher verfolgt wurde, und dies ist auch der Grund für die heutige Verfolgung des Spiritismus, allerdings mit dem Unterschied, dass das Christentum von den Heiden verfolgt wurde, während der Spiritismus von den Christen verfolgt wird. Es stimmt, dass die Zeiten der blutigen Verfolgungen vorbei sind, aber wenn man den Körper nicht mehr tötet, dann quält man die Seele. Man greift sie an, bis hin zu ihren innersten Gefühlen, ihren wertvollsten Zuneigungen und Lieben. Man trennt die Familien, man hetzt die Mutter gegen die Tochter auf, die Ehefrau gegen den Ehemann, man greift selbst den Körper in seinen materiellen Bedürfnissen an, indem man ihm seinen Broterwerb wegnimmt, um ihn durch den Hunger zu niederzudrücken. (Kap. XXIII, Nr. 9 und folgende).
Spiritisten, seid nicht bekümmert über die Schläge, die man euch versetzt, sie beweisen, dass ihr Recht habt, denn wenn es nicht so wäre, würde man euch in Frieden lassen und man würde euch nicht angreifen. Das ist eine Prüfung für euren Glauben, denn an eurem Mut, an eurer Ergebenheit und an eurer Geduld wird Gott euch unter SEINEN treuen Dienern wiedererkennen, die ER ab heute zählt, um jedem den Anteil zukommen zu lassen, der ihm gemäß seiner Werke zusteht.
Gemäß dem Beispiel der ersten Christen, seid stolz, euer Kreuz zu tragen. Glaubt an das Wort Christi, das sagt: „Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich. Fürchtet euch nicht vor jenen, die zwar den Leib, aber nicht die Seele töten können.“ Er sagte auch: „Liebt eure Feinde, tut jenen Gutes, die euch Böses antun, und betet für diejenigen, die euch verfolgen.“ Zeigt, dass ihr seine wahren Jünger seid und dass eure Lehre gut ist, indem ihr tut, was Er gesagt hat und was Er selbst getan hat.
Die Verfolgung wird vorübergehend sein. Wartet geduldig auf den Sonnenaufgang, denn der Morgenstern zeigt sich schon am Horizont. (Kap. XXIV, Nr. 13 und folgende).
Herr, DU hast uns durch den Mund Jesu, DEINEN Messias, sagen lassen: „Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; liebt eure Feinde; betet für diejenigen, die euch verfolgen;“ und Er selbst zeigte uns den Weg, indem Er für seine Henker betete.
Seinem Beispiel folgend, mein Gott, flehen wir um DEINE Barmherzigkeit für diejenigen, die DEINE göttlichen Vorschriften verleugnen, die einzigen, die den Frieden in dieser und in der anderen Welt sichern können. Wie Christus sagen wir ebenfalls zu DIR: „Vergib ihnen, mein Vater, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Gib uns die Kraft, damit wir mit Geduld und Ergebenheit – als Prüfungen für unseren Glauben und unsere Demut – ihre Verspottungen, ihre Beschimpfungen, ihre Verleumdungen und ihre Verfolgungen ertragen. Wende von uns jegliche Gedanken der Vergeltungsmaßnahmen ab, denn die Stunde DEINER Gerechtigkeit wird für alle schlagen, und wir warten auf sie, indem wir uns DEINEM heiligen Willen unterwerfen.
Gebet für ein neugeborenes Kind
Die Geister erreichen die Vollkommenheit erst, nachdem sie die Prüfungen des physischen Lebens überstanden haben. Diejenigen, die sich in der Erratizität befinden, warten darauf, dass Gott ihnen erlaubt, erneut eine Existenz anzunehmen, die ihnen zu ihrem Fortschritt gereichen soll, sei es durch die Sühne ihrer vergangenen Fehler mittels der Schicksalsschläge, denen sie unterworfen werden, sei es durch die Erfüllung einer der Menschheit nützlichen Mission. Ihr Fortschritt und ihr künftiges Glück werden entsprechend der Art und Weise sein, wie sie die Zeit nutzen, die sie auf der Erde verbringen sollen. Die Aufgabe, ihre ersten Schritte zu lenken und sie zum Guten zu führen, liegt in den Händen ihrer Eltern, die vor Gott Rechenschaft abzulegen haben über die Art und Weise, wie sie ihren Auftrag erfüllt haben. Um dies zu erleichtern, hat Gott aus der Eltern- und aus der Kindesliebe ein Naturgesetz gemacht, ein Gesetz, das niemals ungestraft verletzt werden kann.
Geist, der du dich in dem Körper unseres Kindes inkarniert hast, sei willkommen unter uns. Sei gepriesen, allmächtiger Gott, der DU ihn geschickt hast.
Er ist ein Gut, das uns anvertraut wurde und über das wir eines Tages Rechenschaft ablegen müssen. Wenn er zu der neuen Generation von guten Geistern gehört, die die Erde bevölkern werden, dann danken wir DIR, Gott, für diese Gnade! Wenn es sich um einen unvollkommenen Geist handelt, ist es unsere Pflicht, ihm mit unserem Rat und unseren guten Beispielen zu helfen, auf dem Weg des Guten voran zu schreiten. Wenn er durch unsere Schuld dem Schlechten verfällt, dann werden wir dafür von DIR zur Verantwortung gezogen, weil wir unseren Auftrag ihm gegenüber nicht erfüllt haben.
Herr, unterstütze uns bei unserer Aufgabe und gib uns die Kraft und den Willen, sie zu erfüllen. Wenn dieses Kind ein Objekt der Prüfung für uns sein soll, möge DEIN Wille geschehen!
Gute Geister, die ihr gekommen seid, um seine Geburt zu überwachen und um es während seines Lebens zu begleiten, verlasst es nicht. Entfernt von ihm die bösen Geister, die es zum Bösen führen könnten. Gebt ihm die Kraft, ihren Einflüsterungen zu widerstehen, und den Mut, mit Geduld und Ergebenheit die Prüfungen zu ertragen, die es auf Erden erwarten. (Kap. XIV, Nr. 9).
Mein Gott, DU hast mir das Schicksal eines DEINER Geister anvertraut. Gib, Herr, dass ich für diese Aufgabe würdig sein werde, die DU mir auferlegt hast. Gewähre mir DEINEN Schutz und erleuchte meine Intelligenz, damit ich früh genug die Neigungen dieses Geistes erkennen kann, den ich darauf vorbereiten soll, in DEINEN Frieden einzutreten.
Gütiger Gott, da DU ja erlaubt hast, dass der Geist dieses Kindes zurückkommt, um den irdischen Prüfungen zu stellen, die für seinen Fortschritt bestimmt sind, gib ihm die Erleuchtung, damit er lernt, DICH kennen zu lernen, DICH zu lieben und DICH anzubeten. Ermögliche es durch DEINE Allmacht, dass diese Seele sich an der Quelle DEINER göttlichen Unterweisungen verbessert. Möge ihre Intelligenz unter dem Schutz ihres Schutzengels zunehmen und sie danach streben lassen, immer näher zu DIR zu kommen. Möge die Wissenschaft des Spiritismus das glänzende Licht sein, das ihren Weg durch die Klippen des Lebens erleuchtet. Möge sie schließlich den ganzen Umfang DEINER Liebe zu schätzen wissen, die uns prüft, um uns zu reinigen.
Herr, wirf DEINEN väterlichen Blick auf die Familie, der DU diese Seele anvertraut hast, damit sie die Wichtigkeit dieser Aufgabe verstehen kann und mach, dass in diesem Kind die guten Samen keimen, bis zu dem Tag, an dem es sich durch sein eigenes Bestreben allein zu DIR erheben kann.
In DEINER Gnade, mein Gott, erhöre dieses demütige Gebet im Namen und durch die Verdienste desjenigen, der sagte: „Lasst die Kinder zu mir kommen, denn das Himmelreich gehört denjenigen, die ihnen ähnlich sind.“
Für einen Sterbenden
Der Todeskampf ist das Vorspiel der Trennung der Seele und des Körpers. Man kann sagen, dass in diesem Augenblick der Mensch nur noch einen Fuß auf dieser Welt hat und der andere bereits in der anderen ist. Dieser Übergang ist manchmal schwierig für diejenigen, die an der Materie festhalten und die mehr für die Güter auf dieser Welt gelebt haben als für die von der anderen Welt, oder deren Gewissen durch Bedauern und Reue geschüttelt wird. Für diejenigen, deren Gedanken sich im Gegensatz dazu in Richtung des Unendlichen erhoben haben und sich von der Materie befreit haben, sind die Bande leichter zu trennen und ihre letzten Momente sind nicht schmerzhaft. Nur ein Faden verbindet dann die Seele mit dem Körper, während sie im andern Fall durch tiefe Wurzeln mit dem Körper verhaftet ist.
In allen Fällen übt das Gebet bei dem Prozess der Trennung eine starke Wirkung aus. („Himmel und Hölle“, zweiter Teil, Kap. I, Der Übergang). 58. Gebet.
Allmächtiger und barmherziger Gott, hier befindet sich eine Seele, die gerade dabei ist, ihre physische Hülle zu verlassen, um in die Welt der Geister zurückzukehren, die ihre wahre Heimat ist. Möge sie dorthin in Frieden zurückkehren und DEINE Barmherzigkeit sich über sie ausbreiten.
Gute Geister, die ihr sie hier auf der Erde begleitet habt, verlasst sie nicht in diesem letzten Augenblick. Gebt ihr die Kraft, die letzten Leiden zu ertragen, die sie noch auf dieser Welt aushalten muss zugunsten ihres zukünftigen Fortschritts. Inspiriert sie, damit sie die letzten Lichtblicke ihrer Intelligenz, die sie noch hat oder die augenblicklich wieder kommen könnten, der Reue über ihre begangenen Fehler widmet.
Leitet meine Gedanken, damit sie bewirken, dass die Arbeit der Trennung weniger schwierig wird, und damit sie seiner Seele zu dem Zeitpunkt, an dem sie die Erde verlässt, Trost und Hoffnung mitgibt.
Allmächtiger und barmherziger Gott, hier befindet sich eine Seele, die gerade dabei ist, ihre physische Hülle zu verlassen, um in die Welt der Geister zurückzukehren, die ihre wahre Heimat ist. Möge sie dorthin in Frieden zurückkehren und DEINE Barmherzigkeit sich über sie ausbreiten.
Gute Geister, die ihr sie hier auf der Erde begleitet habt, verlasst sie nicht in diesem letzten Augenblick. Gebt ihr die Kraft, die letzten Leiden zu ertragen, die sie noch auf dieser Welt aushalten muss zugunsten ihres zukünftigen Fortschritts. Inspiriert sie, damit sie die letzten Lichtblicke ihrer Intelligenz, die sie noch hat oder die augenblicklich wieder kommen könnten, der Reue über ihre begangenen Fehler widmet.
Leitet meine Gedanken, damit sie bewirken, dass die Arbeit der Trennung weniger schwierig wird, und damit sie seiner Seele zu dem Zeitpunkt, an dem sie die Erde verlässt, Trost und Hoffnung mitgibt.
IV. Gebete für diejenigen, die nicht mehr auf der Erde leben
Gebet für jemanden, der gerade gestorben ist
Die Gebete für diejenigen, die die Erde vor kurzem verlassen haben, bezwecken nicht nur, ihnen einen Beweis der Zuneigung zu geben, sondern auch um ihnen zu helfen, sich von den irdischen Bindungen zu befreien, und dadurch die Verwirrung, die immer kurz nach der Trennung vom Körper eintritt, abzukürzen, und sein Erwachen ruhiger zu gestalten. Aber auch hier, wie unter allen anderen Umständen, liegt die Wirksamkeit des Gebets in der Aufrichtigkeit der Gedanken und nicht in der Fülle pompöser Worte, an denen das Herz sehr oft nicht beteiligt ist.
Die Gebete, die aus dem Herzen kommen, schwingen um den Geist herum, für den sie gesprochen werden, dessen Gedanken noch konfus sind, wie die geliebten Stimmen, die uns aus dem Schlaf aufwecken. (Kap. XVII, Nr. 10).
Allmächtiger Gott, breite DEINE Barmherzigkeit über die Seele von (Name der Person) aus, die DU zu DIR gerufen hast, auf dass die Prüfungen, die er/sie auf der Erde durchgemacht hat, ihm/ ihr angerechnet werden können, und dass unsere Gebete die Qualen, die er als Geist eventuell noch erleiden muss, verkürzen helfen!
Gute Geister, die ihr gekommen seid, um ihn zu empfangen, und besonders du, sein Schutzengel, steht ihm bei, um ihm zu helfen, sich von der Materie zu lösen. Gebt ihm die Erleuchtung und das Bewusstsein seiner selbst, um ihn von der Verwirrung zu befreien, die den Übergang vom irdischen in das geistige Leben begleitet. Inspiriert ihn zur Reue über die begangenen Fehler und den Wunsch, sie wiedergutzumachen, um seinen Fortschritt in die ewige Seligkeit zu beschleunigen.
(Name der Person), der/die du gerade jetzt in die geistige Welt eingetreten bist, dir möchte ich sagen, dass du dich trotzdem hier unter uns befindest und uns sehen und hören kannst, denn zwischen dir und uns besteht nur der Unterschied, dass du jetzt deinen vergänglichen Körper verlassen hast, welcher nun sehr bald zu Staub werden wird.
Du hast nun deine grobe Hülle verlassen, welche den Schicksalsschlägen und dem Tod unterworfen ist, und nur deine ätherische, unvergängliche und den materiellen Leiden unzugängliche Hülle bewahrt. Da du nun nicht mehr in einem physischen Körper lebst, führst du jetzt das Leben der Geistwesen, und dieses Leben ist von der Misere befreit, mit der die Menschheit geschlagen ist.
Du hast nicht mehr den Schleier über den Augen, der uns den Glanz des zukünftigen Lebens verbirgt. Du kannst von jetzt ab neue Herrlichkeiten betrachten, während wir noch in die Finsternis eingetaucht bleiben. Du wirst den Raum durcheilen und die Welten in voller Freiheit besuchen, während wir uns beschwerlich auf der Erde dahinschleppen, verhaftet mit unserem materiellen Körper, ähnlich einer schweren Last.
Die Horizonte des Unendlichen werden sich vor dir öffnen und bei dem Anblick solcher Größe wirst du die Nichtigkeit und Leere unserer irdischen Wünsche, unserer weltlichen Ambitionen und belanglosen Freuden verstehen, an denen die Menschen sich erfreuen.
Der Tod ist nichts anderes als eine nur kurze Zeit dauernde materielle Trennung der Menschen. Aus dem Exil heraus – in dem wir noch durch den Willen Gottes und ebenso durch die Pflichten, die wir auf der Erde zu erfüllen haben, zurückgehalten werden - folgen wir dir in Gedanken bis zu dem Zeitpunkt, an dem es uns erlaubt sein wird, dich wieder zu treffen, so wie du jetzt jene getroffen hast, die dir vorangegangen sind.
Wenn wir uns auch nicht an deine Seite begeben können, du kannst jedoch an die unsere kommen. Komm also zu denen, die dich lieben und die du geliebt hast; unterstütze sie bei den Prüfungen des Lebens. Wache über diejenigen, die du gern hast; schütze sie entsprechend deiner Möglichkeiten und lindere ihre Trauer mit den Gedanken, dass du heute glücklicher bist und die tröstliche Sicherheit, dass wir eines Tages in einer besseren Welt zusammen kommen werden.
In der Welt, in der du bist, müssen alle irdischen Rachegefühle ausgerottet werden. Auf dass du von nun an für dein zukünftiges Glück ihnen unzugänglich bleibst! Vergib deswegen denjenigen, die gegen dich gefehlt haben, so wie sie auch dir die Fehler vergeben, die du gegen sie begangen hast.
Bemerkung:
Man kann zu diesem Gebet, das für alle anwendbar ist, einige besondere Worte hinzufügen, je nach den persönlichen Umständen der Familie oder den Beziehungen und der Position des Verstorbenen. Wenn es sich um ein Kind handelt, so lehrt uns der Spiritismus, dass wir nicht vor einem Geist stehen, der kürzlich erschaffen wurde, sondern dass er schon gelebt hat und sehr fortgeschritten sein kann. Falls seine letzte Existenz sehr kurz war, bedeutet dies, dass sie nichts anderes war als die Ergänzung einer Prüfung oder dass sie eine Prüfung für die Eltern sein sollte. (Kap. V, Nr. 21)
Allmächtiger Gott, breite DEINE Barmherzigkeit über unsere Brüder und Schwestern aus, die gerade die Erde verlassen haben! Lass DEIN Licht vor ihren Augen glänzen! Hole sie aus der Finsternis; öffne ihre Augen und Ohren! DEINE guten Geister mögen sie umgeben und sie Worte des Friedens und der Hoffnung hören lassen!
Herr, als Unwürdige, die wir sind, wagen wir um DEINE nachsichtige Barmherzigkeit zu flehen für diesen Bruder, der gerade aus der Verbannung zurückgerufen wurde. Lass seine Rückkehr wie die des verlorenen Sohnes sein. Vergiss, oh mein Herr, die Fehler, die er begangen hat, und erinnere DICH nur an das Gute, das er getan hat. Unveränderlich ist DEINE Gerechtigkeit, das wissen wir; aber unermesslich ist DEINE Liebe. Wir flehen DICH an, DEINE Gerechtigkeit durch diese Quelle der Güte, die von DIR ausströmt, zu besänftigen!
Möge das Licht für dich leuchten, mein Bruder, der du gerade die Erde verlassen hast! Mögen die guten Geister des Herrn zu dir herunterkommen, dich umgeben und dir helfen, deine irdischen Fesseln abzuschütteln. Versteh und sieh die Erhabenheit unseres Herrn. Unterwirf dich und murre nicht über SEINE Gerechtigkeit; zweifle aber auch nie an SEINER Barmherzigkeit. Bruder! Möge eine ernsthafte Rückkehr zu deiner Vergangenheit dir die Türen der Zukunft öffnen, indem dies dir hilft, die Fehler, die du hinter dir gelassen hast, zu erkennen, aber auch die Arbeit, die du noch vor dir hast, zu deren Wiedergutmachung! Möge Gott dir vergeben, und die guten Geister mögen dich beschützen und ermutigen! Deine Brüder und Schwestern auf der Erde werden für dich beten, und sie bitten dich, gleiches für sie zu tun.
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Für Menschen, die wir geliebt haben
Wie schrecklich ist der Gedanke über das Nichts. Wie bedauernswert sind doch diejenigen, die glauben, dass die Stimme eines Menschen, der seinen Freund beweint, verloren geht in der Leere, die als Antwort keinen Widerhall vernimmt! Diejenigen, die glauben, dass alles mit dem Körper stirbt; dass das Genie, das die Welt mit seiner großen Intelligenz erleuchtet hat, ein Spiel der Materie sei, die für immer erlischt wie ein Hauch; dass von den liebsten Wesen, vom Vater, von der Mutter oder vom geliebten Kind nichts anderes übrig bleibt, als Staub, welcher vom Wind für immer zerstreut wird. Diese haben nie die reine und heilige Zuneigung kennen gelernt.
Wie kann ein sensibler Mensch bei dieser Vorstellung gleichgültig bleiben? Wie kann der Gedanke einer absoluten Vernichtung ihn nicht vor Schrecken erstarren lassen und ihn nicht zumindest wünschen lassen, dass dies nicht so sei? Falls sein Verstand ihm bis heute nicht ausgereicht hat, seine Zweifel aufzuheben, haben wir nun den Spiritismus, er beseitigt alle Unsicherheiten über die Zukunft mit materiellen Beweisen, die er uns über das Überleben der Seele und die Existenz der Wesen jenseits des Grabes gibt. Daher werden überall diese Beweise mit Freude empfangen; das Vertrauen erwacht erneut, da der Mensch von nun an weiß, dass das irdische Leben nur eine kurze Passage ist, die zu einem besseren Leben führt; dass seine Arbeiten hier auf dieser Erde für ihn nicht verloren sind, und dass die heiligsten Zuneigungen nicht ohne Hoffnung zerstreut werden. (Kap. IV, Nr. 18; Kap. V, Nr. 21)
Mein Gott, sei so gütig und nimm das Gebet wohlwollend an, das ich an DICH für den Geist von (Name der Person) richte. Gib, dass er DEIN göttliches Licht sehen kann, und erleichtere ihm den Weg zum ewigen Glück. Erlaube, dass die guten Geister ihm meine Worte und meinen Gedanken überbringen.
Du, der du mir in dieser Welt so lieb warst, höre auf meine Stimme, die dich ruft, um dir von neuem einen Beweis meiner Freundschaft zu geben. Gott erlaubte, dass du als erster erlöst wurdest, und ich wäre egoistisch, wenn ich mich darüber beklagte, denn dies würde bedeuten, dass ich dir weiterhin die Leiden und Schmerzen des irdischen Lebens gönnen würde. Ich warte daher mit Ergebenheit auf den Zeitpunkt unserer Zusammenführung in einer glücklicheren Welt, in die du mir vorausgegangen bist.
Ich weiß, unsere Trennung ist nur vorübergehend und ihre Dauer, so lang sie mir auch erscheinen mag, verblasst vor der Ewigkeit des Glücks, das Gott SEINEN Auserwählten verspricht. SEINE Güte bewahre mich davor etwas zu tun, was diesen ersehnten Augenblick hinauszögern könnte, denn somit bleibt mir der Schmerz erspart, dich bei der Beendigung meiner irdischen Gefangenschaft nicht wiedertreffen zu können.
Oh, wie sanft und tröstend ist die Sicherheit, dass es zwischen uns nichts anderes als den materiellen Schleier gibt, der dich vor meinen Augen verbirgt; dass du hier an meiner Seite sein kannst, mich wie früher siehst und hörst, wenn nicht sogar noch besser als früher; dass du mich nicht vergisst, so wie ich dich auch nicht vergessen werde; dass unsere Gedanken nicht aufhören sich zu vermischen; und dass der deinige mich immer begleitet und schützt.
Der Friede Gottes sei mit dir.
Für die leidenden Seelen, die um Gebete bitten
Um die Linderung zu verstehen, die das Gebet den leidenden Geistern verschaffen kann, ist es wichtig zu wissen, wie es wirkt. (Kap. XXVII, Nr. 9, 18 und folgende). Derjenige, der von dieser Wahrheit überzeugt ist, betet mit mehr Inbrunst, weil er die Sicherheit hat, dass er nicht umsonst betet.
Gnädiger und barmherziger Gott, möge sich DEINE Güte über alle Geister ausbreiten, die sich auf unsere Gebete berufen, und insbesondere über die Seele von (Name der Person).
Gute Geister, ihr, die ihr nur das Gute tut, setzt euch mit mir gemeinsam für ihre Linderung ein. Sorgt euch, vor ihren Augen einen Strahl der Hoffnung leuchten zu lassen und dass das göttliche Licht sie über ihre Unvollkommenheit aufklärt, die sie vom Aufenthaltsort der Glückseligen fernhält.
Öffnet ihnen das Herz für die Reue und den Wunsch sich zu reinigen, um ihren Fortschritt zu beschleunigen. Lasst sie verstehen, dass sie durch ihre Anstrengungen die Dauer ihrer Prüfungen verkürzen können.
Möge Gott in SEINER Güte ihnen die Kraft geben, auf ihren guten Beschlüssen zu beharren.
Mögen diese wohlwollenden Worte ihre Leiden lindern, indem sie ihnen zeigen, dass es auf der Erde Menschen gibt, die ihnen ihr Mitgefühl entgegenbringen und Glück wünschen.
Herr, wir bitten DICH, breite die Gnade DEINER Liebe und DEINER Barmherzigkeit über die Leidenden aus, sowohl über die in der geistigen Welt umherirrenden Geister, als auch über die Inkarnierten unter uns. Erbarme DICH unserer Schwächen. DU hast uns fehlbar gemacht, aber DU hast uns auch die Fähigkeit gegeben, dem Bösen zu widerstehen und es zu besiegen. Möge sich DEINE Barmherzigkeit ausbreiten über allen, die ihren schlechten Neigungen nicht widerstehen konnten und noch auf dem Weg des Bösen mitgerissen werden. Mögen DEINE guten Geister sie umgeben. Möge DEIN Licht vor ihren Augen leuchten und mögen sie sich, angezogen von seiner belebenden Wärme, demütig, reuig und ehrerbietig vor DEINEN Füßen niederwerfen.
Wir bitten DICH ebenso, barmherziger Gott, für all unsere Brüder und Schwestern, die nicht genügend Kraft hatten, ihre irdischen Prüfungen zu ertragen. Herr, DU hast uns eine Bürde auferlegt, die wir nur DIR vor die Füßen niederlegen dürfen; aber in unserer großen Schwäche fehlt uns unterwegs manchmal der Mut dazu. Erbarme DICH dieser trägen Diener, die ihre Arbeit vorzeitig aufgegeben haben. Möge DEINE Gerechtigkeit sie verschonen und erlaube DEINEN guten Geistern, ihnen Linderung, Trost und Hoffnung für die Zukunft zu bringen. Die Aussicht auf Vergebung stärkt die Seele. Zeige sie, oh Herr, den Schuldigen, die dabei sind, zu verzweifeln. Sie werden - gestützt von dieser Hoffnung - Kraft schöpfen, und zwar im Ausmaß ihrer Fehler und ihrer Leiden, um ihre Vergangenheit zu sühnen und sich darauf vorzubereiten, die Zukunft zu erobern.
Für einen verstorbenen Feind
Die Nächstenliebe unseren Feinden gegenüber soll ihnen auch jenseits des Grabes folgen. Es ist zu bedenken, dass das Böse, das sie uns angetan haben, eine Prüfung für uns war. Eine Prüfung, die für unseren Fortschritt dann hilfreich war, wenn wir sie genutzt haben. Sie war vielleicht noch förderlicher für uns als rein materielle Sorge, da sie uns erlaubt hat, zum Mut und zur Ergebenheit die Nächstenliebe und das Vergessen der Beleidigungen beizufügen. (Kap. X, Nr. 6; Kap. XII, Nr. 5 und 6).
Herr, es war DEIN Wille, die Seele von (Name der Person) vor mir zurückzurufen. Ich vergebe ihm das Böse, das er mir angetan hat, und seine schlechten Absichten mir gegenüber. Möge er dies bedauern, jetzt, da er nicht mehr die Illusionen dieser Welt hat.
Mein Gott, DEINE Barmherzigkeit möge sich über ihm ausbreiten und Gedanken von mir fernhalten, mich über seinen Tod zu freuen. Falls ich ihm gegenüber ungerecht war, möge er mir dieses verzeihen, sowie ich auch das vergesse, was er mir angetan hat.
Für einen Kriminellen
Falls die Wirksamkeit der Gebete proportional zu ihrer Länge wäre, dann müssten die längsten für die Schuldigsten reserviert sein, denn die brauchen sie viel dringender als diejenigen, die fromm gelebt haben. Den Kriminellen die Gebete zu verweigern, heißt, gegen die Nächstenliebe zu verstoßen und die Barmherzigkeit Gottes zu verkennen. Die Gebete für unnötig zu halten, weil jemand diesen oder jenen Fehler begangen hat, heißt auch, sich anzumaßen, die Gerechtigkeit des Allerhöchsten im Vorhinein zu kennen. (Kap. XI, Nr. 14).
Herr, Gott der Barmherzigkeit, verstoße diesen Kriminellen nicht, der gerade die Erde verlassen hat. Die Justiz der Menschen konnte ihn verurteilen, aber dies befreit ihn nicht von DEINER Gerechtigkeit, falls sein Herz noch nicht von Reuegefühle berührt wurde.
Nimm ihm die Binde von den Augen, die ihm die Größe seiner Fehler verbirgt. Möge seine Reue Gnade vor DIR finden und die Leiden seiner Seele lindern! Mögen auch unsere Gebete und die Fürbitte der guten Geister ihm Hoffnung und Trost bringen; ihm den Wunsch eingeben, seine schlechten Handlungen wiedergutzumachen in einer neuen Existenz, und ihm die erforderliche Kraft spenden, um nicht bei den neuen Prüfungen, denen er sich unterziehen muss, zu unterliegen.
Herr, Erbarme DICH seiner!
Für einen Selbstmörder
Der Mensch hat niemals das Recht, über sein eigenes Leben zu verfügen, denn nur Gott obliegt es, ihn aus der irdischen Gefangenschaft herauszuholen, wenn ER es für angebracht hält. Trotzdem kann die göttliche Gerechtigkeit ihre Strenge zugunsten gewisser Umstände mildern, aber sie ist vollkommen unnachsichtig demjenigen gegenüber, der sich den Prüfungen des Lebens entziehen wollte. Der Selbstmörder ähnelt dem Gefangenen, der vor Ablauf seiner Strafe aus dem Gefängnis entflieht, und der dann, nachdem er wieder dingfest gemacht wurde, einer härteren Behandlung unterworfen wird. Ebenso ergeht es dem Selbstmörder, der glaubt, seinem gegenwärtigen Elend entfliehen zu können und sich dabei in ein noch größeres Unglück stürzt. (Kap. V, Nr. 14 und folgende).
Oh Gott, es ist uns bewusst, welches Schicksal diejenigen erwartet, die gegen DEINE Gesetze verstoßen haben, indem sie ihre Tage hier auf dieser Erde eigenmächtig verkürzten. Wir wissen auch, dass DEINE Barmherzigkeit unendlich groß ist: sei so gütig und breite sie über die Seele von (Name der Person) aus. Mögen unsere Gebete und DEIN Erbarmen die Härte der Leiden, die er erduldet, mildern, weil er nicht den Mut hatte, bis zum Ende seiner Prüfungen auszuharren!
Gute Geister, den Unglücklichen beizustehen ist eure Sendung, nehmt ihn in eure Obhut; inspiriert ihn dazu, seinen Verstoß, den er begangen hat, zu bereuen. Euer Beistand möge ihm die Kraft geben, die neuen Prüfungen, die er absolvieren muss, um seinen Fehler wiedergutzumachen, mit mehr Ergebenheit anzunehmen. Befreit ihn von den bösen Geistern, die in der Lage sind, ihn nochmals zum Bösen zu verführen und ihm somit die Leiden verlängern würden, wodurch er um die Früchte seiner zukünftigen Prüfungen käme.
An dich, dein Elend ist Anlass für unsere Gebete, möge unser Mitgefühl für dich deinen Verdruss mildern und in deinem Herzen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft entstehen lassen. Diese Zukunft liegt in deinen Händen; vertraue dich der Güte Gottes an, Der immer auf diejenigen wartet, die bereuen und DER nur mit denjenigen streng verfährt, die verhärtete Herzen haben.
Für die reumütigen Geister
Es wäre ungerecht, die reumütigen Geister, die um Gebete bitten auch in die Kategorie der bösen Geister einzuordnen. Sie mögen böse gewesen sein, sie sind es aber von dem Zeitpunkt an nicht mehr, in dem sie ihre Fehler erkennen und sie bereuen; sie sind dann nur noch unglücklich und einige davon fangen sogar schon an, ein relatives Glück zu genießen.
Barmherziger Gott, Der die ehrliche Reue der inkarnierten und nichtinkarnierten Übeltäter annimmst, , hier ist ein Geist, der am Bösen Vergnügen gefunden hat, der aber seine Fehler erkennt und jetzt den rechten Weg einschlägt; Herr, wir bitten DICH in DEINER Güte, ihn als verlorenen Sohn aufzunehmen und ihm zu vergeben.
Gute Geister, er hat eure Stimme nicht beachtet, aber von nun an möchte er euch Gehör schenken. Erlaubt ihm das Glück, die von Gott Auserwählten kurz zu sehen, damit er an seinem Wunsch, sich zu läutern, beharrlich festhält, um zu ihnen gelangen zu können. Unterstützt ihn bei seinen guten Entschlüssen und gebt ihm die Kraft, seinen schlechten Neigungen zu widerstehen.
Du, Geist von (Name der Person), wir gratulieren dir zu deiner Veränderung und wir danken den guten Geistern, die dir geholfen haben!
Wenn es dir früher gefallen hat, Böses zu tun, geschah dies, weil du nicht verstanden hast, wie angenehm die Freude sein kann, Gutes zu tun; du fühltest dich auch zu erbärmlich, um dies tun zu können. Aber seit dem Augenblick, als du Deinen Fuß auf den rechten Weg gesetzt hast, ist für dich ein neues Licht aufgegangen. Du hast begonnen, ein unbekanntes Glück zu genießen, und die Hoffnung hat dein Herz erfüllt. Das heißt, Gott erhört immer das Gebet des bereuenden Sünders; ER verstößt keinen von denjenigen, die zu IHM kommen.
Um vollständig in SEINE Gnade aufgenommen zu werden, bemühen von jetzt an, nicht nur nichts Böses zu tun, sondern Gutes und vorallem, dein Unrecht wiedergutmachen. Dann wirst du der Gerechtigkeit Gottes Genüge geleistet haben; denn jede gute Tat tilgt einen deiner früheren Fehler.
Der erste Schritt ist getan; und jetzt wird dir, je mehr du fortschreitest, der Weg leichter und angenehmer erscheinen. Gehe also beharrlich weiter, und eines Tages wirst du den Segen erfahren, zu den guten und glücklichen Geistern zu zählen.
Für die verhärteten Geister
Die bösen Geister sind diejenigen, die noch nicht von der Reue berührt wurden; die am Bösen Gefallen finden und dies nicht bereuen; die Vorwürfen gegenüber gleichgültig sind, die die Gebete zurückweisen und oft über den Namen Gottes lästern. Es sind diese verhärteten Seelen, die sich nach ihrem Tod an den Menschen rächen für die Leiden, die sie ertragen mussten, und die mit ihrem Hass diejenigen verfolgen, die sie schon während ihres irdischen Lebens verabscheut haben, und sie tun dies, indem sie Besessenheit oder einen sonstigen verhängnisvollen Einfluss ausüben. (Kap. X, Nr. 6; Kap. XII, Nr. 5 und 6)
Unter den perversen Geistern unterscheidet man zwei Kategorien: jene die eindeutig böse sind und jene, die Heuchler sind. Die ersten sind unendlich leichter zum Guten zu führen als die zweiten. Sie sind meistens roh und gemein, wie wir es bei den Menschen sehen können, die das Böse mehr aus Instinkt als aus Berechnung tun und nicht beanspruchen, als etwas Besseres angesehen zu werden, als was sie sind. Es besteht in ihnen ein latenter Keim, den man aufgehen lassen muss; und dies gelingt meistens mit Beharrlichkeit und Festigkeit, verbunden mit Wohlwollen, durch Ratschläge, Überlegungen und das Gebet. Bei der Medialität haben sie Schwierigkeiten, den Namen Gottes zu schreiben, und das ist das Anzeichen einer instinktiven Furcht, einer inneren Stimme des Gewissens, die ihm sagt, dass sie unwürdig dafür seien; jener, der schon so weit gekommen ist, ist bereits an der Schwelle der Bekehrung, und man kann alles von ihm erwarten. Man braucht nur den verwundbaren Punkt seines Herzens zu finden.
Die heuchlerischen Geister sind fast immer sehr intelligent, aber sie besitzen keine empfindliche Faser in ihrem Herzen. Nichts berührt sie. Sie täuschen alle guten Gefühle vor, um das Vertrauen zu gewinnen, und sie sind glücklich, wenn sie einige törichte Menschen finden, die sie als gute, erhabene Geister annehmen, denn so wird es ihnen möglich, sie nach Belieben zu beherrschen. Der Name Gottes, anstatt ihnen Furcht einzuflößen, dient ihnen als Maske für ihre Verworfenheit. Sowohl in der unsichtbaren wie in der sichtbaren Welt, sind die Heuchler die gefährlichsten Wesen, weil sie im Verborgenen wirken und man misstraut ihnen nicht. Dem Anschein nach sind sie gläubig, glauben in Wirklichkeit aber nicht.
Herr, sei so gnädig und werfe DEINEN gütigen Blick auf die unvollkommenen Geister, die sich noch in den Nebeln ihrer Unwissenheit befinden und DICH verkennen und vor allem auf (Name der Person).
Gute Geister, hilft uns, ihn erkennen zu lassen, dass er seine eigenen Leiden dadurch verlängert, indem er die Menschen zum Bösen verleitet, sie beherrscht und quält. Macht, dass das Beispiel vom Glück, das ihr genießt, ihm eine Ermutigung sein wird.
Geist, der du noch Gefallen am Bösen findest, du hast gerade das Gebet gehört, das wir für dich gesprochen haben; es soll dir beweisen, dass wir Gutes für dich bewirken möchten, obwohl du Böses tust.
Du bist unglücklich, weil es unmöglich ist, glücklich zu sein, wenn man Böses tut. Warum dann in dem Leiden verweilen, wenn es von dir abhängt, aus ihm heraus zu kommen? Betrachte die guten Geister, die dich umgeben; sieh wie glücklich sie sind; und wäre es für dich nicht auch angenehmer, an diesem Glück teilzunehmen?
Du wirst sagen, dass dies unmöglich sei; aber nichts ist unmöglich für denjenigen, der es wünscht, weil Gott dir, wie allen seinen Geschöpfen, die Freiheit gegeben hat, zwischen Gut und Böse zu wählen, d.h. zwischen Glück und Unglück; niemand ist dazu verdammt, das Böse zu tun. Wenn du den Willen hast, das Böse zu tun, dann kannst du auch den Willen haben, das Gute zu tun und glücklich zu sein.
Richte deinen Blick zu Gott; erhebe deine Gedanken einen einzigen Augenblick zu IHM, und ein Strahl SEINES göttlichen Lichts wird dich erleuchten. Sprich mit uns folgende einfache Worte: „Mein Gott, ich bereue, vergib mir.“ Versuch zu bereuen und das Gute anstelle des Bösen zu tun, und du wirst sehen, dass SEINE Barmherzigkeit sich über dir ausbreitet und dass ein dir noch unbekanntes Wohlbefinden die Ängste ersetzen wird, die du durchleidest.
Wenn du einmal einen Schritt auf dem guten Weg getan hast, wird dir der Rest des Weges leicht erscheinen. Du wirst dann verstehen, wie viel Zeit des Glücks du aus eigenem verschulden verloren hast; aber eine strahlende und hoffnungsvolle Zukunft wird sich vor dir öffnen und wird dich deine elende Vergangenheit vergessen lassen, die voller Verwirrungen und moralischen Qualen war, die für dich die Hölle sein würden, wenn sie ewig anhielten. Es wird ein Tag kommen, an dem diese Qualen so stark sein werden, dass du sie um jeden Preis los werden möchtest; und je länger du wartest, desto schwieriger wird es für dich.
Glaube nicht, dass du für immer in diesem Zustand bleiben wirst; oh nein, das ist unmöglich. du hast zwei Perspektiven vor dir: die eine, dass du noch viel mehr leiden wirst als bisher; die andere, glücklich zu sein, wie die guten Geister, die dich umgeben. Die erstere wird unvermeidlich sein, wenn du weiterhin auf deiner Hartnäckigkeit beharrst; bei der zweiten genügt eine einfache Anstrengung deines Willens, um dich vom falschen Weg, auf dem du dich befindest, abzubringen. Beeile dich daher, denn jeder Tag später ist ein verlorener Tag für dein Glück.
Gute Geister, macht dass diese Worte bei dieser noch rückständigen Seele Einlass finden, damit sie ihr helfen können, Gott näher zu kommen. Wir bitten euch darum, im Namen Jesus Christus, der eine so große Macht über die bösen Geister gehabt hat.
V. Gebete für Kranke und Besessene
Für die Kranken
Die Krankheiten gehören zu den Prüfungen und Schicksalsschlägen des irdischen Lebens. Sie hängen zusammen mit unserer groben materiellen Natur und der niederen Stellung unserer Welt.
Die Leidenschaften und Ausschweifungen jeder Art säen in uns schädliche, oft ererbte Keime. In den physisch und moralisch fortschritlicheren Welten unterliegt der menschliche Organismus, der dort geläuterter und weniger materiell ist, nicht den gleichen Gebrechen und der Körper ist nicht zerrüttet durch verheerende Leidenschaften. (Kap. III, Nr. 9) Man muss sich daher damit abfinden, die Konsequenzen der Umgebung zu ertragen, in das uns unsere Niedrigkeit platziert hat, bis wir eine Versetzung verdient haben. Das darf uns unterdessen aber nicht daran hindern, das zu tun, was von uns abhängt, um unsere heutige Situation zu verbessern. Falls wir aber trotz unserer Bemühungen dies nicht erreichen können, so lehrt uns der Spiritismus, sollen wir mit Ergebenheit unsere vorübergehenden Leiden ertragen.
Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass in einigen Fällen die physischen Leiden geheilt oder gelindert werden, hätte ER uns keine heilenden Mittel zu Verfügung gestellt. Seine vorausschauende Fürsorge in dieser Hinsicht, bestätigt durch den Selbsterhaltungstrieb, zeigt, dass es unsere Pflicht ist, sie zu erforschen und anzuwenden.
Neben der gewöhnlichen, von der Wissenschaft entwickelten Behandlung, zeigt uns der Magnetismus die Kraft der fluidalen Wirkung, und der Spiritismus enthüllt uns noch eine andere mächtige Kraft, und zwar in der Medialität der Heilung und im Einfluss des Gebets. (Siehe im Kap. XXVI Informationen über diese Medialität der Heilung).
Herr, DU bist volkommen gerecht und die Krankheit, die DU für mich ausgewählt hast, muss ich wohl verdient haben, weil n DU nie jemanden grundlos leiden lässt. Ich überlasse mich für meine Heilung DEINER unendlichen Barmherzigkeit. Wenn es DEIN Wille ist, dass ich wieder gesund werde, werde ich DEINEN Namen preisen; wenn ich dagegen aber noch weiter leiden soll, werde ich DICH ebenso preisen. Ich füge mich DEINEN göttlichen Beschlüssen, ohne zu murren, denn alles, was DU tust, hat nichts anderes als nur das Wohl DEINER Geschöpfe zum Ziel.
Lass, mein Gott, diese Krankheit eine heilsame Warnung für mich sein und mich dazu bringt, mich selbst zu prüfen. Ich nehme sie an als Sühne der Vergangenheit und als eine Prüfung für meinen Glauben und meine Gehorsam gegenüber DEINEM heiligen Willen. (Siehe Gebet Nr. 40).
Mein Gott, DEINE Pläne sind unergründlich, und in DEINER Weisheit hältst DU es für richtig, (Namen des Kranken) eine Krankheit erleiden lassen. Wirf einen barmherzigen Blick auf ihn, ich flehe DICH an, sei ihm gnädig und bereite seinem Leiden ein Ende!
Gute Geister, ihr, die ihr die Gesandten Gottes seid, unterstützt meinen Wunsch - ich bitte euch darum - ihm zu helfen. Führt meine Gedanken, damit sie sich auf seinen Körper wie ein heilsamer Balsam ergießen können und in seine Seele wie ein Trost.
Inspiriert ihn, geduldig zu sein und sich Gottes Willen zu fügen. Gebt ihm die Kraft, seine Schmerzen mit christlicher Ergebenheit zu ertragen, damit er die Früchte dieser Prüfung nicht verliert. (Siehe Gebet Nr. 57).
Mein Gott, wenn DU in DEINER Güte, mich als Heilmedium nehmen willst, so unwürdig ich auch bin, dann kann ich dieses Leiden heilen, wenn dies DEIN Wunsch ist, weil ich Vertrauen in DICH habe; aber ohne DICH vermag ich gar nichts. Erlaube den guten Geistern, mich mit ihrem heilsamen Fluidum zu durchdringen, damit ich es diesem Kranken übertragen kann, und wendet jeden Gedanken des Hochmuts und des Egoismus von mir ab, der die Reinheit dieses Fluidums verändern könnte.
Für die Besessenen
Die Besessenheit ist ein andauerndes Eingreifen von einem bösen Geist auf eine Person. Sie zeigt sehr unterschiedliche Merkmale, angefangen vom einfachen moralischen Einfluss - ohne äußerlich wahrnehmbare Zeichen - bis zur vollständigen Störung des Organismus und der mentalen Fähigkeiten. Sie macht alle medialen Fähigkeiten unbrauchbar. Bei der Psychographie (mediales Schreiben) enthüllt sie sich durch die Hartnäckigkeit eines Geistes zu kommunizieren unter Ausschluss aller anderen.
Die bösen Geister wimmeln um die Erde herum, infolge der moralischen Unvollkommenheit ihrer Bewohner. Ihre bösartige Wirkung ist ein Teil der Geißeln, denen die Menschheit auf dieser Welt ausgesetzt ist. Die Besessenheit, wie die Krankheiten und alle Widrigkeiten des Lebens, soll als eine Prüfung oder Sühne angesehen und als solche angenommen werden.
Ebenso wie die Krankheiten das Ergebnis physischer Unvollkommenheiten sind, die den Körper zugänglich machen für äußerliche schädliche Einflüsse, so ist die Besessenheit jene einer moralischen Unvollkommenheit, die einem bösen Geist Zutritt gibt. Einer physischen Ursache setzt man eine physische Kraft entgegen; einer moralischen Ursache muss man mit einer moralischen Kraft entgegentreten. Um sich vor den Krankheiten zu bewahren, stärkt man den Körper; um sich vor der Besessenheit zu schützen, ist es nötig die Seele zu stärken. Daher besteht die Notwendigkeit, dass der Besessene für seine eigene Verbesserung arbeiten muss, was sehr oft genügt, um ihn von dem Besetzer, ohne Hilfe einer anderen Person, zu befreien. Eine Hilfe ist aber notwendig, wenn die Besessenheit in Unterjochung und in Besitzergreifung ausartet, weil der Patient dabei manchmal seinen Willen und seine freie Entscheidung verliert.
Die Besessenheit ist fast immer die Ausübung einer Rache eines Geistes, die sehr oft ihre Ursache in den Beziehungen hat, die der Besessene mit ihm in einer vorherigen Existenz gepflegt hatte. (Siehe Kapitel X, Nr. 6 und Kapitel XII, Nr. 5 und 6).
Bei den schweren Fällen von Besessenheit befindet sich der Besessene gleichsam eingewickelt und durchtränkt von einem schädlichen Fluidum, das die Wirkung der heilsamen Fluida aufhebt und sie zurückweist. Von diesem Fluidum muss man ihn daher befreien, aber ein bösartiges Fluidum kann nicht von einem anderen bösartigen Fluidum zurückgestoßen werden. Durch eine dem heilenden Medium ähnliche Wirkung bei Krankheitsfällen muss das bösartige Fluidum mit Hilfe eines besseren Fluidums ausgestoßen werden, was gewissermaßen Gegenwirkung erzeugt. Dies ist ein mechanisches Vorgehen, das aber nicht ausreichend ist. Es ist vor allem notwendig, dass man auf das intelligente Wesen einwirkt, mit dem man mit Autorität sprechen muss, und diese Autorität ist nur vorhanden, wo es eine moralische Überlegenheit gibt. Je größer diese ist, desto größer wird die Autorität sein.
Aber dies ist noch nicht alles. Um die Befreiung zu gewährleisten, ist es notwendig, den perversen Geist dazu zu bringen, auf seine bösen Absichten zu verzichten; es ist auch notwendig, mittels geschickt geführter Anweisungen in ihm, durch das Wachrufen persönlicher Fakten im Hinblick auf seine moralische Erziehung, die Reue und den Wunsch zum Guten zu erwecken. Man kann dadurch das doppelte Glück erreichen, indem du einen Inkarnierten befreist und einen unvollkommenen Geist bekehrst.
Die Aufgabe ist leichter, wenn der Besessene seinen Zustand versteht und Mithilfe durch seinen Willen und sein Gebet leistet. Es ist nicht das Gleiche, wenn sich derjenige, von dem betrügerischen Geist verführt, hinsichtlich der Fähigkeiten von demjenigen, der ihn beherrscht, täuschen lässt, und sich in dem Irrtum gefällt, in den dieser letztere ihn einwickelt. Ein solcher stößt jede Hilfe zurück, anstatt Mithilfe zu leisten. Dies ist der Fall der Verblendung, die weitaus rebellischer ist, als die gewaltsamste Unterjochung. („Das Buch der Medien“, Kap. XXIII).
Bei allen Fällen von Besessenheit ist das Gebet das stärkste Hilfsmittel, um auf den Besetzer-Geist einzuwirken.
Mein Gott, erlaube den guten Geistern, mich von dem bösen Geist zu befreien, der sich meiner bemächtigt hat. Falls es sich um eine Rache handelt, die er ausübt, weil ich ihm früher ein Unrecht angetan habe, erlaubst DU es, mein Gott, als meine Strafe und ich werde die Konsequenz meines Fehlers ertragen. Möge meine Reue mich DEINE Vergebung und meine Erlösung verdienen lassen! Aber was auch sein Motiv sein mag, ich erbitte für ihn DEINE Barmherzigkeit. Erleichtere ihm den Weg zum Fortschritt, der von ihm den Gedanken, Böses zu tun, abwendet. Möge ich ihn meinerseits zu besseren Gefühlen veranlassen, indem ich ihm das Böse mit Gutem vergelte.
Aber ich weiß auch, mein Gott, dass es meine Unvollkommenheiten sind, die mich den Einflüssen der unvollkommenen Geister zugänglich machen. Gib mir die notwendige Erkenntnis, um sie zu erkennen; bekämpfe vor allem den Hochmut in mir, der mich für meine Fehler blind macht.
Wie unwürdig muss ich doch sein, dass ein böser Geist mich beherrschen kann!Mein Gott, lass dieser Misserfolg für meine Eitelkeit mir für die Zukunft als Lektion dienen; dass er mich bestärkt in meinem Entschluss, mich durch gute Taten, Nächstenliebe und Demut zu läutern, damit ich mich fortan bösen Einflüssen entgegenstellen kann.
Herr, gib mir die Kraft, diese Prüfung mit Geduld und Ergebenheit hinzunehmen. Ich verstehe, dass sie wie alle anderen Prüfungen meiner Vervollkommnung dienen soll, wenn ich ihre Früchte nicht durch mein Murren zunichte mache, denn sie bietet mir ja eine Möglichkeit, meine Ergebenheit zu zeigen und Nächstenliebe gegenüber einem unglücklichen Mitmenschen auszuüben, indem ich ihm das mir angetane Böse vergebe. (Kap. XII, Nr. 5 und 6; Kapitel XXVIII, Nr. 15 und folgende, 46, 47).
Allmächtiger Gott, gib mir in DEINER Güte die Macht, (Name der Person) von dem Einfluss des Geistes, der ihn besetzt hat, zu befreien. Wenn es DEINE Absicht ist, dieser Prüfung ein Ende zu setzen, gewähre mir die Gnade, mit Autorität zu diesem Geist zu sprechen.
Gute Geister, die ihr mir beisteht, und du, sein Schutzengel, gebt mir eure Unterstützung. Helft mir, ihn von dem unreinen Fluidum, von dem er umhüllt ist, zu befreien.
Im Namen des allmächtigen Gottes beschwöre ich den bösartigen Geist, der ihn quält, sich zu entfernen.
Unendlich gütiger Gott, ich erflehe DEINE Barmherzigkeit für den Geist, der (Name der Person) verfolgt. Ermögliche es ihm, das göttliche Licht wahrzunehmen, damit er den falschen Weg, den er geht, erkennen kann. Gute Geister, helft mir, ihm verständlich zu machen, dass er, wenn er das Böse tut, alles verlieren und wenn er das Gute tut, alles gewinnen kann.
Und du, Geist, der Gefallen daran findest (Name der Person) zu quälen, hör mir zu, denn ich spreche zu dir im Namen Gottes. Wenn du darüber nachdenken möchtest, wirst du verstehen, dass das Böse niemals das Gute besiegen kann und du nichr stärker als Gott oder die guten Geister sein kannst.
Sie hätten (Name der Person) von jeglichen Angriffen deinerseits schützen können. Wenn sie dies nicht getan haben, bedeutet das, dass er/sie eine Prüfung ablegen musste. Wenn aber diese Prüfung beendet ist, werden sie dein Einwirken auf ihn/sie verhindern. Das Böse, das du ihm/ihr angetan hast, wird - anstatt ihm/ihr zu schaden - zu seinem/ihrem Fortschritt beitragen und er/sie wird darüber sehr glücklich sein. Deine Bosheit hat dir keinen Erfolg beschert, und sie wird sich gegen dich wenden.
Gott, der allmächtig ist, und die hohen Geister, SEINE Helfer, die mächtiger sind als du, können dieser Besessenheit ein Ende setzen, wenn sie es möchten, und dein Starrsinn wird an dieser höchsten Autorität zerbrechen. Aber da Gott gütig ist, möchte ER dir das Verdienst überlassen, diese Besessenheit durch deinen eigenen Willen zu beenden. Es ist eine Frist, die ER dir gewährt. Wenn du sie aber nicht nutzt, wirst du erbärmliche Konsequenzen erleiden. Große Strafen und grausame Leiden werden auf dich warten. Du wirst gezwungen sein, die Barmherzigkeit und die Gebete deines Opfers zu erflehen, das dir schon verziehen hat und für dich betet, was ein großes Verdienst vor Gottes Augen ist, und seine/ihre Befreiung beschleunigen wird.
Denk darüber nach, solange du noch Zeit dazu hast, denn die Gerechtigkeit Gottes wird über dich kommen, wie über alle rebellischen Geister. Denk daran, dass das Böse, das du gerade tust, zwangsläufig ein Ende haben wird, während deine Leiden stetig vergrößert werden, wenn du in deiner Verstocktheit verharrst.
Als du auf der Erde warst, hättest du es nicht für dumm angesehen, etwas Gutes zu opfern für eine kleine und kurze Genugtuung? Das Gleiche geschieht jetzt, wo du ein Geistwesen bist. Was gewinnst du mit dem, was du tust? Das traurige Vergnügen, jemanden zu quälen, was aber nicht verhindert, dass du unglücklich bist, egal was du sagen wirst, es macht dich nur noch unglücklicher.
Im Vergleich dazu, sieh was du verlierst: beobachte die guten Geister, die dich umgeben und sage, ob ihr Schicksal nicht deinem vorzuziehen ist. An dem Glück, das sie genießen, wirst du auch teilnehmen können, wenn du es möchtest. Und was musst du dafür tun? Gott anflehen, und Gutes tun anstatt das Böse. Ich weiß, dass du dich nicht schlagartig verändern kannst; Gott verlangt aber nicht das Unmögliche; ER möchte nur den guten Willen. Versuch es, und wir werden dir helfen. Sieh zu, dass wir bald für dich das Gebet für die reuigen Geister (Nr. 73) sprechen können und dich nicht mehr unter die bösen Geister einreihen müssen, in der Hoffnung, dass du zu den Guten gezählt werden könntest. (Siehe auch oben, Nr. 75, das Gebet für die verhärteten Geister).
Bemerkung:
Die Heilung der schweren Besessenheiten erfordert sehr viel Geduld, Beharrlichkeit und Hingabe. Sie erfordert auch Taktgefühl und Geschicklichkeit, um die Geister, die fast immer sehr pervers, verhärtet und listig sind, zum Guten zu führen, denn davon gibt es solche, die im höchsten Grad rebellisch sind. In den meisten Fällen müssen wir uns nach den gegebenen Umständen richten; aber egal welcher Natur der Geist ist, es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass man nichts durch Zwang oder Drohung erreicht. Jeglicher Einfluss hängt von der moralischen Überlegenheit ab. Eine andere Tatsache, die ebenso durch die Erfahrung wie auch durch die Logik festgestellt wurde, ist die vollkommene Unwirksamkeit des Exorzismus, von Sprüchen, sakramentalen Worten, Amuletten, Talismanen, äußerlichen Praktiken oder irgendwelchen materiellen Zeichen.
Die lang anhaltende Besessenheit kann pathologische Verwirrungen verursachen und erfordert eine gleichzeitige oder eine aufeinander folgende Behandlung, sei es eine magnetische oder medizinische, um den Organismus wieder herzustellen. Wenn die Ursache beseitigt ist, müssen die Auswirkungen bekämpft werden. (Siehe: „Das Buch der Medien“, Kap. XXIII „Die Besessenheit“. – „Revue spirite“, Februar und März 1864; April 1865: Beispiele von Heilungen der Besessenheit)