Lisbeth
(Bordeaux, 13. Februar 1862)
Ein leidender Geist schreibt sich mit dem Namen Lisbeth ein.
Frage: Können Sie mir einige Einzelheiten über Ihre Lage und die Ursache Ihrer Leiden geben?
Antwort: Sei von Herzen demütig, gehorsam dem Willen Gottes, geduldig in Prüfungen, mildtätig für die Armen, ermutigend für die Schwachen, warmherzig für alle Leidenden, und du wirst nicht die Qualen erleiden, die ich ertragen muss.
Frage: Wenn die Fehler, die Sie zu Fall gebracht haben, den von Ihnen bezeichneten Eigenschaften entgegengesetzt sind, scheinen Sie zu bereuen, dass sie Ihnen fehlten. Ihre Reue muss Ihnen Erleichterung bieten?
Antwort: Nein. Reue ist unfruchtbar, wenn sie nur die Folge von Leiden ist. Eine wirkliche Reue ist nur die, die als Grundlage das Bedauern hat, Gott beleidigt zu haben und den brennenden Wunsch, Wiedergutmachung zu leisten. Soweit bin ich leider noch nicht. Empfehlen Sie mich den Gebeten aller, die sich den Leidenden widmen. Ich brauche solche Bitten.
Bemerkung: Das ist eine große Wahrheit. Das Leiden bringt manchmal einen Schrei der Reue hervor, aber das ist nicht der aufrichtige Ausdruck des Bedauerns, etwas Schlechtes getan zu haben. Denn wenn der Geist nicht mehr leiden würde, wäre er bereit, neu anzufangen. Deshalb führt Reue nicht immer zur sofortigen Befreiung des Geistes. Sie bereitet ihn vor, das ist alles. Aber es ist für ihn notwendig, die Aufrichtigkeit und Festigkeit seiner Entschlüsse durch neue Prüfungen zu beweisen, die die Wiedergutmachung des von ihm begangenen Übels darstellen. Wenn man alle von uns angeführten Beispiele bedenkt, wird man in den Worten selbst der niedrigsten Geister wesentliche Belehrungen finden, weil sie uns in die innersten Einzelheiten des spirituellen Lebens einweihen. Während der oberflächliche Mensch in diesen Beispielen nur mehr oder weniger reizvolle Geschichten sehen wird, wird der ernsthafte und nachdenkliche Mensch in ihnen eine reiche Quelle des Studiums finden.
Frage: Ich werde tun, was Sie verlangen. Möchten Sie mir ein paar Details über Ihre letzte Existenz geben? Daraus kann sich eine nützliche Belehrung für Sie ergeben, und Sie werden so Ihre Reue fruchtbar machen.
(Der Geist zeigt sich sehr unentschlossen bei der Beantwortung dieser Frage und einiger der folgenden.)
Antwort: Ich wurde in einem hohen Stande geboren. Ich hatte alles, was Menschen als Quelle des Glücks ansehen. Weil ich reich war, war ich egoistisch. Weil ich schön war, war ich eitel, gleichgültig und betrügerisch. Weil ich vornehm war, war ich ehrgeizig. Ich habe mit meiner Macht diejenigen zermalmt, die sich nicht tief genug vor mir niedergeworfen haben. Ich habe noch diejenigen zermalmt, die unter meinen Füßen waren, ohne daran zu denken, dass der Zorn des Herrn früher oder später auch die höchsten Stirne zermalmt.
Frage: Wann haben Sie gelebt?
Antwort: Vor hundertfünfzig Jahren in Preußen.
Frage: Haben Sie als Geist seit dieser Zeit keine Fortschritte gemacht?
Antwort: Nein. Die Materie empörte sich immer. Du kannst den Einfluss, den diese trotz der Trennung von Körper und Geist immer noch ausübt, nicht verstehen. Der Hochmut, verstehst du, schlingt stählerne Ketten um euch, deren Ringe sich immer enger um den Elenden ziehen, der ihm sein Herz überlässt. Der Hochmut! Diese Giftschlange mit hundert, immer aufs Neue entstehenden Köpfen, die ihr giftiges Zischen so zu wandeln versteht, dass man es für himmlische Musik hält! Der Hochmut! Dieser vielfältige Lügengeist, der sich allen Verirrungen eures Geistes beugt, der sich in den Winkeln eures Herzens versteckt, eure Adern durchdringt, euch umgarnt, euch vollkommen einnimmt und euch mit sich zieht in die Dunkelheit der ewigen Hölle! Ja, ewigen!
Bemerkung: Der Geist sagt, dass er keine Fortschritte gemacht hat. Zweifellos, weil seine Situation immer noch schmerzhaft ist. Aber die Art und Weise, wie er den Hochmut beschreibt und seine Folgen beklagt, ist zweifellos ein Fortschritt. Denn sicherlich hätte er zu seinen Lebzeiten oder kurz nach seinem Tod nicht so urteilen können. Er versteht das Böse und das ist schon etwas. Der Mut und der Wille, dasselbe zu vermeiden, werden ihm danach ebenfalls kommen.
Frage: Gott ist zu gut, um seine Geschöpfe zu ewigen Qualen zu verdammen. Hoffen Sie auf seine Barmherzigkeit.
Antwort: Es kann da eine Grenze geben, sagt man. Aber wo? Ich suche schon lange danach und sehe immer nur Leid! Immer! Immer!
Frage: Wie sind Sie heute hierher gekommen?
Antwort: Ein Geist, der mir oft folgt, hat mich hergeführt. Frage: Seit wann sehen Sie diesen Geist?
Antwort: Seit nicht allzu langer Zeit.
Frage: Und seit wann erkennen Sie die Fehltritte, die Sie begangen haben?
Antwort: (Nach langem Nachdenken.) Ja, du hast recht. Da habe ich ihn gesehen.
Frage: Verstehen Sie jetzt nicht den Zusammenhang zwischen Ihrer Reue und der sichtbaren Hilfe, die Ihnen Ihr Schutzgeist gewährt? Sehen Sie doch als Ursprung dieser Unterstützung die Liebe Gottes an und als Ziel seine Vergebung und seine unendliche Barmherzigkeit.
Antwort: Oh, wie ich es gerne hätte!
Ich glaube, ich kann Ihnen dies im heiligen Namen dessen versprechen, der nie taub war für die Stimme seiner in Not geratenen Kinder. Rufen Sie ihn aus tiefster Reue an, er wird Sie erhören.
Antwort: Ich kann nicht. Ich fürchte mich.
Frage: Lasst uns gemeinsam beten, er wird uns erhören. (Nach dem Gebet) Sind Sie noch da?
Antwort: Ja, hab Dank! Vergiss mich nicht.
Frage: Kommen Sie jeden Tag hierher, um sich einzuschreiben!
Antwort: Ja, ja, ich will immer wiederkommen.
Der geistige Mentor des Mediums: Vergiss nie die Lehren, die du aus den Leiden deiner Schützlinge ziehst und besonders aus den Ursachen dieser Leiden. Mögen sie euch allen als Lehre dienen, um euch vor denselben Gefahren und denselben Strafen zu bewahren. Reinigt eure Herzen, seid demütig, liebt einander, helft einander, und möge euer dankbares Herz niemals die Quelle aller Gnaden vergessen, eine unerschöpfliche Quelle, aus der jeder von euch im Überfluss schöpfen kann. Eine Quelle lebendigen Wassers, das gleichzeitig den Durst löscht und Nahrung gibt, eine Quelle des ewigen Lebens und des Glücks. Nur zu, meine Geliebten. Schöpft mit Glauben daraus. Werft eure Netze dort aus und sie werden aus diesen Fluten mit Segen beladen hervorkommen. Lasst eure Geschwister daran teilhaben und warnt sie vor den Gefahren, denen sie ausgesetzt sind. Verbreitet den Segen des Herrn. Der Segen sprießt ohne Aufhören immer aufs Neue. Sie werden ständig neu geboren. Je mehr ihr diesen um euch herum spenden werdet, desto mehr wird er sich vermehren. Ihr haltet ihn in euren Händen, denn wenn ihr zu euren Geschwistern sagt: Da sind die Gefahren, da sind die Klippen; folgt uns, um sie zu vermeiden. Ahmt uns nach, uns, die wir ein Beispiel geben! So verbreitet ihr den Segen des Herrn über diejenigen, die euch zuhören.
Gesegnet seien eure Bemühungen, meine Geliebten. Der Herr liebt reine Herzen, verdient euch seine Liebe.
Saint-Paulin