Kapitel VIII - Irdische Sühnen
Marcell
das Kind von Nr. 4
In einer Heilanstalt befand sich ein Kind von ungefähr acht oder zehn Jahren in einem Zustand, der sich schwer beschreiben lässt. Es wurde nur mit “Nr. 4” bezeichnet. Es war völlig entstellt, sei es aufgrund einer angeborenen Missbildung oder infolge der Krankheit, und seine verdrehten Beine berührten seinen Hals. Es war so mager, dass die Haut unter dem Hervortreten der Knochen zerrissen wurde. Sein Körper war eine große Wunde, seine Leiden entsetzlich. Der Knabe gehörte einer armen israelitischen Familie an, und dieser traurige Zustand dauerte bereits vier Jahre. Sein Verstand war für sein Lebensalter bemerkenswert; seine Sanftmut, Geduld und Demut waren bemerkenswert. Der Arzt im zuständigen Bezirk, in dem sich der Junge befand, empfand Mitleid mit dem armen Wesen, das in gewisser Hinsicht ganz verlassen war, denn es schien nicht so, dass seine Eltern ihn häufig besuchten. Und da er an ihm solchen Anteil nahm, machte es ihm Freude, mit dem Kind zu plaudern, und er fand Gefallen an seiner frühreifen Vernunft. Er behandelte ihn nicht nur gütig, sondern kam, sowie es ihm seine Geschäfte erlaubten, und las ihm vor. Er war dabei von der Richtigkeit von dessen Urteil über Dinge erstaunt, die ihm über die Erfahrung und Einsicht seines Alters hinauszugehen schienen.
Eines Tages sagte das Kind zu ihm: “Doktor, seien Sie doch so gut und geben mir wieder die Pillen, wie die letzten, die Sie mir verordnet haben!” “Und warum das, mein Kind?" sprach der Arzt; "Ich habe dir genügend gegeben und befürchte, dass eine größere Menge dir schaden würde". "Sehen Sie”, erwiderte der Junge, “es ist, weil ich so sehr leide, dass ich mich vergeblich winde, um nicht zu schreien, und Gott vergeblich bitte, er möge mir die Kraft geben, die anderen Kranken, die neben mir sind, nicht zu stören. Ich habe oft ziemliche Mühe, mich zu beherrschen. Diese Pillen lassen mich einschlafen, und während dieser Zeit störe ich wenigstens niemanden."
Diese Worte genügen, um die Erhabenheit der Seele zu veranschaulichen, die dieser missgestaltete Körper beherbergte. Woher hatte dieses Kind derartige Einstellungen entwickelt? Unmöglich aus der Umgebung, in der es aufgewachsen war, und im Übrigen konnte es in dem Alter, in dem es zu leiden begann, noch keine logischen Schlüsse fassen. Diese waren ihm also angeboren. Warum hat Gott ihn dann, bei so edlen Beweggründen, zu einem so erbarmungswürdigen und so schmerzvollen Leben verurteilt, unter der Annahme, er habe diese Seele zugleich mit diesem Körper geschaffen, diesem Werkzeug zu so entsetzlichen Leiden? Entweder muss man die Güte Gottes leugnen oder man muss eine weit vorausgehende Ursache einräumen, das heißt: das vorherige Vorhandensein der Seele und die Mehrheit der Inkarnationen. Dieses Kind starb, und seine letzten Gedanken waren auf Gott und den liebevollen Arzt gerichtet, der Mitleid mit ihm hatte.
Nach einiger Zeit wurde es von der spiritistischen Gesellschaft in Paris angerufen, in der es folgende Mitteilung machte (1863):
"Ihr habt mich gerufen. Ich bin gekommen, um zu bewirken, dass meine Stimme jenseits dieses Umfelds erschallt, um an alle Herzen zu klopfen; dass der Widerhall, den sie erklingen lassen wird, bis in ihre Einsamkeit eindringt. Sie soll sie daran erinnern, dass der Todeskampf auf der Erde die Freuden des Himmels vorbereitet und dass das Leiden nur die bittere Rinde einer köstlichen Frucht ist, welche Mut und Ergebung verleiht. Sie soll ihnen sagen, dass über dem schlechten Bett, auf dem das Elend liegt, Abgesandte Gottes schweben, deren Aufgabe es ist, die Menschheit zu lehren, dass es keinen Schmerz gibt, den man nicht mit der Hilfe Gottes und der guten Geister ertragen könne. Sie solI ihnen weiterhin sagen, dass sie auf die Klagen hören sollen, die sich unter die Gebete mischen, und sie sollen den die Gottheit verherrlichenden Einklang derselben vernehmen, der so verschieden ist von den schuldvollen Tönen einer Klage, die sich mit Lästerungen vermischt.
Einer eurer guten Geistwesen, ein großer Apostel der Spiritistischen Lehre, hatte die Freundlichkeit, mir für diesen Abend diesen Platz zukommen zu lassen (Sankt Augustin, durch das Medium, dem er sich in der Gesellschaft gewöhnlich mitteilt). Auch muss ich euch meinerseits einige Worte über den Fortschritt eurer Lehre sagen. Diese soll denjenigen, die sich unter euch inkarnieren, in ihrer Aufgabe Hilfe anbieten, damit sie lernen, zu leiden. Die Spiritistische Lehre wird der Wegweiser sein; sie werden das nötige Beispiel und die weisende Stimme vor sich haben; und dann werden sich die Klagen in Jubelgeschrei und Freudentränen verwandeln."
Frage: Nach dem, was Sie eben gesagt haben, scheint es so, dass Ihre Leiden keineswegs die Sühne vorheriger Fehltritte waren, ist es so?
Antwort: Sie waren keine unmittelbare Sühne, aber seid versichert, dass jeder Schmerz seine gerechte Ursache hat. Der, den Ihr als so elend gekannt habt, ist schön, groß, reich und umschmeichelt gewesen. Ich hatte Schmeichler und Höflinge, deshalb bin ich eitel und hochmütig gewesen. Einst habe ich mich schuldig gemacht; ich habe Gott verleugnet und meinem Nächsten Böses zugefügt. Aber ich habe dafür entsetzlich gebüßt, zuerst in der Geistigen Welt und danach auf der Erde. Was ich in dieser letzten und sehr kurzen Inkarnation lediglich einige Jahre hindurch erduldet habe, das habe ich ein ganzes volles Leben lang, bis hinauf zum höchsten Greisenalter erlitten. Durch meine Reue bin ich vor dem Herrn wieder zu Gnaden gekommen, der mir seine Gnade erwiesen hat, mir mehrere Missionen anzuvertrauen, deren letzte euch bekannt ist. Ich habe diese gewünscht, um meine Vervollkommnung zu vollenden.
Lebt wohl, Freunde; ich werde manchmal zu euch zurückkommen! Meine Aufgabe ist es, zu trösten und nicht zu belehren. Doch es gibt so viele hier, deren Wunden verborgen sind; sie werden sich über mein Kommen freuen.
Marcell
Erklärung des Führers des Mediums
Armes, kleines, leidendes Wesen, elend, voller Geschwüre, missgestaltet! Wie viele Seufzer ließ es an diesem Zufluchtsort des Jammers und der Tränen hören! Und trotz seines so jugendlichen Alters, wie war es ergeben und wie sehr begriff seine Seele bereits den Zweck der Prüfungen! Es fühlte wohl, dass jenseits des Grabes eine Belohnung für so viele erstickte Klagen wartete. Wie betete es auch für die, die nicht wie es selbst den Mut hatten, ihre Leiden zu ertragen, besonders für die, die Lästerungen statt Gebete zum Himmel schleuderten!
War der Todeskampf lang, so ist die Stunde des Todes gar nicht schrecklich gewesen. Die zuckenden Glieder wanden sich allerdings und zeigten den Anwesenden einen verunstalteten Körper, der sich gegen den Tod auflehnt, das Gesetz dieses Fleisches, das unbedingt leben will. Aber ein Engel schwebte über dem Bett des Sterbenden und ließ die Wunden in seinem Herzen vernarben. Dann trug er auf seinen weißen Flügeln die so schöne Seele hinweg, die aus diesem missgestalteten Körper entwich, indem sie die Worte sprach: Lob und Ehre sei Dir, oh mein Gott! Und diese zum Höchsten hin aufgestiegene glückliche Seele hat ausgerufen: "Hier bin ich, Herr! Du hattest es mir zur Aufgabe gemacht, leiden zu lernen; habe ich die Prüfung würdig ertragen?"
Und nun hat der Geist des armen Kindes seine Form wieder bekommen. Er schwebt im Raum und geht vom Schwachen zum Kleinen und spricht zu allen: "Habt Hoffnung und Mut!" Frei von aller Materie und allen Fehlern, ist er da bei euch, spricht zu euch, nicht mehr mit seiner leidensvollen und klagenden Stimme, sondern in männlichen Tönen; er hat euch gesagt: “Die, die mich gesehen haben, haben ein Kind erblickt, das nicht murrte; sie haben daraus Frieden für ihre Leiden geschöpft, und ihre Herzen sind im süßen Vertrauen auf Gott erstarkt; seht, das ist der Zweck meines kurzen Aufenthaltes auf der Erde!"
Sankt Augustin
Szymel SlizgoI
ein Bettler
Er war ein armer Israelit aus Wilna, gestorben im Mai 1865. Dreißig Jahre lang hatte er, mit einem Behältnis in der Hand, gebettelt. Überall in der Stadt kannte man seinen Ruf: "Gedenkt der Armen, der Witwen und der Waisen!" Während dieser Zeit hatte SIizgol 90.000 Rubel zusammengebracht. Aber er behielt nicht einen Kopeken für sich. Er pflegte die Kranken selbst und brachte ihnen Erleichterung; er bezahlte den Unterricht für die armen Kinder; er verteilte das Essen, das man ihm schenkte, an die Bedürftigen. Den Abend widmete er der Zubereitung von Schnupftabak, den der Bettler verkaufte, um seine eigenen Bedürfnisse zu bestreiten. Was ihm übrig blieb, gehörte den Armen. Slizgol war allein auf der Welt. Am Tag seiner Beerdigung folgte ein großer Teil der Stadtbevölkerung seinem Sarg, und die Kaufläden waren geschlossen.
(Spiritistische Gesellschaft von Paris, 15. Juni 1865)
Anrufung: Hocherfreut und endlich mein sehnsüchtiges Verlangen erfüllt zu sehen, das ich recht teuer bezahlt habe, bin ich seit Beginn dieser Abendsitzung hier in eurer Mitte. Ich danke euch dafür, dass ihr euch mit dem Geist des armen Bettlers beschäftigt, der sich mit Freuden bemühen wird, auf eure Fragen zu antworten.
Frage: Ein Brief aus Wilna hat uns mit den bemerkenswertesten Einzelheiten Ihres Lebenslaufs bekannt gemacht. Aufgrund der Anteilnahme, die diese in uns hervorrufen, haben wir den Wunsch gehabt, uns mit Ihnen zu unterhalten. Wir danken Ihnen, dass Sie unserer Anrufung gefolgt sind, und da Sie nun so freundlich sind und uns antworten wollen, so freuen wir uns, Ihre Lage als Geistwesen für unsere eigene Aufklärung kennenzulernen, ebenso wie die Tatsachen, die der Grund für die eigentümliche Ausstattung Ihrer letzten Inkarnation waren.
Antwort: Bewilligt zuallererst meinem Geist, der seine wahre Lage begreift, die Gunst, euch seine Meinung über einen Gedanken zu nennen, der euch in Bezug auf mich gekommen ist. Ich erbitte euren Rat, wenn diese falsch ist.
Ihr findet es sonderbar, wenn die Äußerung der öffentlichen Meinung eine solche Entwicklung genommen hat, dass sie einem unbedeutenden Mann die Ehre erweist, der durch seine Wohltätigkeit solch eine Anteilnahme und Zuneigung erhalten konnte. Ich sage das weder für Sie, lieber Meister, noch für dich, liebes Medium, auch nicht für euch alle, ihr wahren und aufrichtigen Spiritisten, sondern ich spreche zu den Menschen, die dem Glauben gleichgültig gegenüberstehen. Das ist nicht verwunderlich. Die Kraft des moralischen Drucks, die das Gute auf die Menschheit ausübt, ist von der Art, dass man sich immer vor ihr verbeugt, egal wie materiell man auch eingestellt ist. Man begrüßt das Gute trotz der Neigung zum Bösen, die man hat.
Nun komme ich zu euren Fragen, die euch nicht die Neugierde eingegeben hat, sondern einfach in der Absicht zur allgemeinen Aufklärung gestellt wurden. Da es mir gestattet ist, will ich euch also in größtmöglicher Kürze sagen, welche Tatsachen meine letzte Inkarnation veranlasst und bestimmt haben.
Vor mehreren Jahrhunderten lebte ich unter dem Namen eines Königs oder zumindest eines absoluten Fürsten. Bezüglich meiner Macht, die im Vergleich zu euren gegenwärtigen Herrschaftsgebieten verhältnismäßig begrenzt gewesen ist, war ich der absolute Herrscher über das Schicksal meiner Untertanen. Ich handelte wie ein Tyrann, sagen wir eher: wie ein Henker. Da ich von herrschsüchtiger, gewaltsamer, geiziger und sinnlicher Natur war, so könnt ihr hieraus ersehen, welches Schicksal die armen Wesen hatten, die unter meinen Gesetzen lebten. Ich missbrauchte meine Gewalt, um die Schwachen zu unterdrücken, um jede Art von Handwerk, Arbeiten, Leidenschaften und Schmerzen zum Nutzen meiner eigenen Leidenschaften zu besteuern. So belegte ich die Einnahmen des Bettelns mit einem Zins. Keiner konnte betteln, ohne dass ich im Voraus meinen reichlichen Teil von dem genommen hätte, was menschliches Mitleid in die Tasche des Elends fallen ließ. Mehr als das: um die Zahl der Bettler unter meinen Untertanen nicht zu vermindern, verbot ich den Unglücklichen, ihren Freunden, Verwandten und Nahestehenden den geringen Teil zu geben, der für diese armen Wesen übrigblieb. Mit einem Wort: ich war all das, was es am mitleidslosesten gegenüber Leiden und Elend geben kann.
Schließlich verlor ich unter entsetzlichen Qualen und Leiden das, was ihr das Leben nennt. Mein Tod war ein abschreckendes Beispiel für all die, die meine Sichtweise teilten, aber auf einer weniger hohen Leiter standen. Dreieinhalb Jahrhunderte lang blieb ich ein umherirrendes Geistwesen, und als ich am Ende dieses Zeitraumes begriff, dass der Zweck der Inkarnation ein ganz anderer ist als der, den meine groben und stumpfen Sinne mich hatten verfolgen lassen, so erhielt ich durch viele Gebete, durch Demut und Bedauern die Erlaubnis, die materielle Aufgabe zu ergreifen, diese Leiden zu ertragen und sogar mehr als diejenigen, die ich bei anderen verursacht hatte. Ich erhielt diese Erlaubnis und Gott ließ mir das Recht, meine geistigen und körperlichen Leiden durch meinen freien Willen zu erweitern. Dank der Hilfe der guten Geister, die mir beistanden, beharrte ich auf meinem Vorsatz, das Gute zu üben, und ich danke ihnen dafür, denn sie haben verhindert, dass ich unter der von mir ergriffenen Aufgabe erlag.
Endlich habe ich einen Lebenslauf vollbracht, der durch seine Entsagung und Nächstenliebe das ausgeglichen hat, was der andere an Grausamkeit und Ungerechtigkeit mit sich brachte. Ich wurde als Kind armer Eltern geboren; als frühzeitiger Waise lernte ich, in einem Alter für mich selbst aufzukommen, in dem man noch für unfähig gehalten wird, sogar zu begreifen. Ich habe allein gelebt, ohne Liebe und Zuneigung zu empfangen, und habe zu Beginn meines Lebens sogar die Grausamkeit ertragen, die ich an anderen ausgelassen hatte. Man sagt, dass sämtliche von mir gesammelten Geldbeträge der Unterstützung meiner Mitmenschen gewidmet wurden. Genau das ist Tatsache und ohne Übertreibung und Hochmut füge ich hinzu, dass ich recht oft um den Preis verhältnismäßig großer, sehr großer Entbehrungen das Gute vermehrt habe, das mir die öffentliche Wohltätigkeit zu tun gestattete.
Ich starb in Frieden, im Vertrauen auf den Lohn, den die in meiner letzten Inkarnation vollbrachte Ersatzleistung erzielt hatte, und ich bin weit über das hinaus belohnt worden, was ich mir heimlich ersehnt hatte. Heute fühle ich mich glücklich, recht glücklich, euch sagen zu können, dass der, der sich erhöht, erniedrigt, und wer sich demütigt, erhöht werden wird.
Frage: Würden Sie uns bitte sagen, worin Ihre Sühne in der Geistigen Welt bestanden hat und wie lange sie seit Ihrem Tod bis zu dem Zeitpunkt gedauert hat, als Ihr Schicksal durch die Auswirkung der Reue und der guten Vorsätze, die Sie gefasst hatten, erleichtert worden ist? Sagen Sie uns auch, was diese Umwandlung Ihrer Vorstellungen bei Ihnen als Geistwesen hervorgerufen hat.
Antwort: Ihr ruft recht schmerzliche Erinnerungen in mir wach. Was habe ich gelitten! ... Aber ich beklage mich nicht: ja, ich erinnere mich! … Ihr wollt wissen, von welcher Art meine Sühne gewesen ist; erfahrt sie hier in all ihrer schrecklichen Grausamkeit!
Wie ich euch gesagt habe, bin ich als Henker für jede Art guter Gesinnungen lange, sehr lange durch meinen Perispirit an meinen in Verwesung befindlichen Körper gefesselt geblieben. Ich habe mich bis zu seinem vollständigen Zerfall von den Würmern angefressen gefühlt, die mich viel leiden ließen. Als ich der Bande entledigt war, die mich an das Werkzeug meiner Qual fesselten, wurde ich einer noch grausigeren Qual unterworfen. Nach dem körperlichen kam das geistige Leiden, und dieses währte noch weit länger als das erste. Ich wurde all den Opfern gegenübergestellt, die ich gequält hatte. Durch eine Kraft, die größer war als meine, wurde ich zeitweise in die Umstände meiner schuldbeladenen Handlungen zurückversetzt. Ich sah in körperlicher und geistiger Weise alle Schmerzen, die ich bei anderen verursacht hatte. Oh Freunde, wie schrecklich ist der ständige Anblick derer, denen man Böses zugefügt hat! Ein schwaches Beispiel davon habt ihr unter euch bei der Gegenüberstellung des Angeklagten und seines Opfers.
Da habt ihr eine Vorstellung davon, wie ich zweieinhalb Jahrhunderte hindurch geIitten habe, bis Gott, gerührt von meinem Schmerz und meiner Reue, angefleht von den Führern, die mir beistanden, erlaubte, das Leben der Sühne auf mich zu nehmen, das ihr kennt.
Frage: Hat Sie ein besonderer Beweggrund getrieben, für Ihre letzte Inkarnation den israelitischen Glauben zu wählen?
Antwort: Nicht von mir gewählt, sondern aufgrund des Rates meiner Führer angenommen. Der israelitische GIaube fügte meinem Leben in Sühne eine weitere kleine Demütigung hinzu. Denn besonders in gewissen Ländern missachtet die Mehrzahl der Inkarnierten die Israeliten und besonders bettelnde Juden.
Frage: In welchem Alter haben Sie in Ihrer letzten Inkarnation begonnen, die Vorsätze auszuführen, die Sie gefasst hatten? Wie ist Ihnen dieser Gedanke gekommen? Hatten Sie, während Sie mit so großer Selbstverleugnung Nächstenliebe ausübten, irgendein inneres Gefühl von der Ursache, die Sie dazu trieb?
Antwort: Ich war das Kind armer, aber gescheiter und geiziger Eltern. Noch jung wurde ich der Zuneigung und der Liebkosungen meiner Mutter beraubt. Ich fühlte einen Kummer über ihren Verlust, der umso größer war, als mein von Geldgier beherrschter Vater mich gänzlich mir selbst überließ. Meine Geschwister, alle älter als ich, schienen mein Unglück nicht wahrzunehmen. Ein anderer Jude, der von einem Gedanken bewogen war, der mehr selbstsüchtig als liebevoll war, nahm mich auf und sorgte dafür, dass ich arbeiten lernte. Er gewann durch die Einnahmen aus meiner Arbeit, die häufig meine Kräfte überstiegen, reichlich das wieder, was ich ihn gekostet haben konnte. Später befreite ich mich von diesem Joch und arbeitete nun für mich allein. Aber überall, in der Tätigkeit wie in der Ruhe, wurde ich von der Erinnerung an die Liebkosungen meiner Mutter verfolgt, und in dem Maße, wie ich älter wurde, grub sich die Erinnerung an sie tiefer in mein Inneres ein, sodass ich ihre Fürsorge und Liebe mehr und mehr vermisste.
Bald blieb ich der Einzige meines Namens; innerhalb etlicher Monate riss der Tod meine gesamten Angehörigen hinweg. Da begann die Art und Weise zum Vorschein zu kommen, mit der ich meine restliche Lebenszeit verbringen sollte. Zwei meiner Brüder hatten Waisen hinterlassen. Bewegt von der Erinnerung dessen, was ich erlitten hatte, wollte ich diese armen kleinen Wesen vor einer Jugend bewahren, die meiner ähnelte. Und da meine Arbeit nicht ausreichte, unser aller Lebensunterhalt zu bestreiten, so begann ich die Hand aufzuhalten, nicht für mich, sondern für die anderen. Gott durfte mir nicht den Trost lassen, mich an meinen Bemühungen zu erfreuen; die armen Kleinen verließen mich für immer. Ich sah wohl, was ihnen gefehlt hatte, es war ihre Mutter. Da beschloss ich, um Liebesgaben für unglückliche Witwen zu bitten, die für sich und ihre Kinder nicht ausreichend sorgen konnten und sich Entbehrungen auferlegten, die sie ins Grab brachten, wobei sie arme Waisen zurückließen, die auf diese Weise ganz verlassen und Qualen ausgesetzt blieben, wie ich sie selbst erlitten hatte.
Ich war dreißig Jahre alt, als man mich, voller Kraft und Gesundheit, für Witwen und Waisen betteln gehen sah. Die Anfänge waren beschämend, und ich musste mehr als ein demütigendes Wort hinnehmen. Als man aber sah, dass ich alles, was ich im Namen meiner Armen empfing, wirklich verteilte, und als man sah, dass ich dem noch den Überschuss von meiner Arbeit hinzufügte, erwarb ich eine Art von Ansehen, das für mich nicht ohne Reiz war.
Ich habe etwas über sechzig Jahre gelebt und mich nie der Aufgabe entzogen, die ich mir auferlegt hatte. Ebenso wenig ist mir je etwas bewusst geworden, das mich hätte vermuten lassen, dass eine meiner Inkarnation vorausgehende Ursache die Triebfeder meiner Handlungsweise war. Nur hörte ich eines Tages, ehe ich anfing, die Hand aufzuhalten, die Worte: “Tut nicht anderen, was ihr nicht wünscht, dass man euch selbst antut!" Ich blieb von der allgemeinen Moral betroffen, die in diesen paar Worten enthalten war, und überraschte mich recht oft, dem diese anderen hinzuzufügen: "Sondern tut ihnen im Gegenteil, wovon ihr wollt, dass es euch getan würde." Das Andenken an meine Mutter und das an meine Trübsale half mir, und ich fuhr fort, auf einer Bahn zu wandeln, die mir mein Gewissen guthieß.
Ich will diese lange Mitteilung beenden, indem ich euch danke. Noch bin ich nicht vollkommen; da ich aber weiß, dass Böses nur zu Bösem führt, so werde ich von Neuem, wie ich es getan habe, das Gute tun, um Glück einzusammeln.
Szymel Slizgol
Julienne-Marie
die Arme
In der Gemeinde de la Villate, bei Nozai (Untere Loire) war eine alte, gebrechliche arme Frau namens Julienne Marie, die von der öffentlichen Wohltätigkeit lebte. Eines Tages fiel sie in einen Teich, aus dem sie durch einen Bewohner des Landstrichs, Herrn A ... , herausgezogen wurde. Dieser hatte ihr gewöhnlich Unterstützung gegeben. An ihren Wohnort überführt, starb sie kurze Zeit danach an den Folgen des Unfalls. Die allgemeine Sichtweise war, dass sie Selbstmord begehen wollte. Noch an ihrem Sterbetag empfand der, der sie gerettet hatte und ein Spiritist und Medium ist, über seinen ganzen Körper etwas wie eine leichte Berührung von jemandem, der bei ihm sei, ohne dass er sich der Ursache bewusst war. Als er vom Tod der Julienne-Marie erfuhr, kam ihm der Gedanke, es sei vielleicht ihr Geist gekommen, um ihn zu besuchen.
Gemäß der Nachricht einer seiner Freunde, eines Mitglieds der Spiritistischen Gesellschaft in Paris, dem er von dem, was sich zugetragen hatte, berichtet hatte, rief diese Frau an, um ihr nützlich zu sein. Zuvor jedoch fragte er seine Schutzgeister um Rat und empfing von ihnen folgende Antwort:
“Du kannst es und es wird ihr Freude bereiten, wenn auch der Dienst, den du ihr leisten möchtest, ohne Nutzen für sie sein wird. Sie ist selig und voller Hingabe an die, die Mitleid mit ihr hatten. Du bist einer ihrer guten Freunde. Sie verlässt dich kaum und unterhält sich oft mit dir, ohne dass du es weißt. Früher oder später werden erwiesene Dienste belohnt, wenn es nicht durch den Verpflichteten geschieht, so durch die, die Anteil an ihm nehmen, vor seinem Tod wie nachher. Hat der Geist nicht die Zeit gehabt, sich klar zu werden, so sind andere gleichgesinnte Geister da, die in seinem Namen seine ganze Erkenntlichkeit bezeugen. Das mag dir erklären, was du an ihrem Todestag empfunden hast. Nunmehr ist sie es, die dir bei dem Guten hilft, das du tun willst. Erinnere dich an das, was Jesus gesagt hat: "Wer erniedrigt worden ist, wird erhöht werden." Du wirst das Maß der Dienste erhalten, das sie dir erweisen kann, wann immer du ihren Beistand wünschst, nur um deinem Nächsten nützlich zu sein.”
Anrufung: Gute Julienne-Marie, Sie sind selig, das ist alles, was ich wissen wollte. Das wird mich nicht daran hindern, oft an Sie zu denken und Sie niemals in meinen Gebeten zu vergessen.
Antwort: Habe Vertrauen auf Gott! Erwecke in deinen Kranken einen aufrichtigen Glauben, und du wirst fast immer zum Ziel gelangen. Kümmere dich nie um die Belohnung, die du dafür erhältst. Sie wird über deine Erwartung hinausgehen. Gott weiß immer, wie er denjenigen belohnt, der sich der Aufrichtung seiner Mitmenschen widmet und zu seinen Handlungen vollständige Uneigennützigkeit mitbringt. Ohne das ist alles nur Täuschung und Trugbild. Vor allem ist der Glaube notwendig, sonst ist es nichts. Halte dir diesen Grundsatz vor Augen und du wirst erstaunt sein über die Erfolge, die du erzielen wirst. Die beiden Kranken, die du geheilt hast, sind Beweis dafür. Unter den Umständen, in denen sie sich befanden, hättest du mit den einfachen Heilmitteln dein Ziel verfehlt.
So oft du Gott bittest, den guten Geistern zu erlauben, dass sie ihre wohltuenden Fluide über dich strömen, wenn diese Bitte dich dann nicht einen unwillkürlichen Schauer empfinden lässt, so ist der Grund, dass diese nicht inbrünstig genug ist, um erhört zu werden. Sie ist es nur unter den von mir angegebenen Bedingungen. Das hast du empfunden, als du aus tiefstem Herzen sprachst: "Allmächtiger, barmherziger Gott, Du Gott von grenzenloser Güte, erhöre mein Gebet und erlaube den guten Geistern, dass sie mir beistehen in der Heilung von ... Hab Erbarmen mit ihm, Oh Gott, und gib ihm die Gesundheit wieder! Ohne Dich vermag ich nichts! Dein Wille geschehe!"
Du hast gut daran getan, die Demütigen nicht zu verachten. Die Stimme desjenigen, der gelitten und mit Ergebung das Elend und den Jammer dieser Welt ertragen hat, wird immer erhört, und wie du siehst, empfängt ein erwiesener Dienst immer seine Belohnung.
Nun ein Wort über mich! Es wird dir das oben Gesagte bestätigen.
Die Spiritistische Lehre erklärt dir die Sprache, die ich als Geist verwende. Ich brauche in dieser Hinsicht nicht ins Einzelne einzugehen. Ich halte es für ebenso unnütz, dir etwas von meiner vorhergehenden Existenz zu erzählen. Die Position, in der du mich auf dieser Erde gekannt hast, muss dich meine anderen Inkarnationen verstehen und schätzen lehren. Diese sind nicht immer ohne Vorwürfe gewesen. Zu einem Leben im Elend verurteilt, schwach und ohne arbeiten zu können, habe ich mein ganzes Leben lang gebettelt. Schätze habe ich dabei keine angehäuft. Auf meine alten Tage hin beschränkten sich meine Ersparnisse auf etwa 100 französische Francs, die ich für die Zeit aufhob, in der meine Beine mich nicht mehr tragen würden. Gott hat meine Prüfung und meine Sühne als ausreichend erachtet und hat sie beendet, indem er mich ohne Leiden vom irdischen Leben befreite. Ich habe mich nicht selbst umgebracht, wie man anfänglich geglaubt hat. Ich bin plötzlich am Ufer des Teichs gestorben, in dem Augenblick, als ich mein letztes Gebet an Gott richtete. Das Gefälle des Bodens war die Ursache dafür, dass mein Körper im Wasser lag.
Gelitten habe ich nicht. Ich fühle mich glücklich, dass ich meine Aufgabe ohne Hindernisse und mit Demut erfüllen konnte. Ich habe mich entsprechend meiner Kräfte und meiner Mittel nützlich gemacht und habe vermieden, meinem Nächsten Unrecht zu tun. Heute empfange ich die Belohnung dafür und danke Gott, unserem himmlischen Herrn, der die Bitterkeit der Prüfungen versüßt, indem er während unseres Lebens unsere ehemaligen Existenzen vergessen lässt und liebevolle Seelen auf unseren Weg führt, die uns helfen sollen, die Last unserer vergangenen Fehler zu ertragen.
Harre auch du aus, und du wirst so wie ich dafür belohnt werden! Ich danke dir für deine guten Gebete und für den Dienst, den du mir erwiesen hast. Ich werde ihn nie vergessen. Eines Tages werden wir uns wiedersehen und viele Dinge werden dir erklärt werden. Für den Augenblick wäre das überflüssig. Wisse nur, dass ich dir ganz ergeben bin und immer bei dir sein werde, so oft du mich brauchst, um die zu trösten, die leiden.
"Die arme gute Frau", Julienne-Marie
Der Geist von Julienne-Marie wurde in der Pariser Gesellschaft am 10. Juni 1864 gerufen und machte nachstehende Mitteilung:
“Haben Sie Dank, dass Sie so gut gewesen sind, mir in Ihrem Kreis Zutritt zu gestatten, werter Vorsitzender! Sie haben wohl gefühlt, dass meine vorherigen Existenzen bezüglich gesellschaftlicher Stellung höher gewesen sind. Wenn ich zurückgekommen bin, mich jener Prüfung der Armut zu unterziehen, so geschah es, um mich für eitlen Hochmut zu strafen, der mich dazu geführt hat, alles von mir zu stoßen, was arm und elend war. Da habe ich mich jenem gerechten Gesetz der Vergeltung unterstellt, das mich zu der hässlichen Armen aus dieser Gegend gemacht hat, und wie zum Beweis der Güte Gottes für mich, wurde ich nicht von allen zurückgestoßen: das war meine ganze Furcht. Auch habe ich meine Prüfung ohne Murren ertragen und ein besseres Leben vorausgeahnt, aus dem ich auf diese Erde der Verbannung und des Unglücks nicht wieder zurückkehren sollte.
Wie glücklich ist der Tag, an dem unsere noch jugendliche Seele ins geistige Leben zurückkehren kann, um die geliebten Wesen wiederzusehen! Denn auch ich habe geliebt und fühle mich glücklich, die wiedergefunden zu haben, die mir vorausgegangen sind. Dank jenem guten Herrn A … , der mir die Tür des Dankes aufgemacht hat! Ohne seine Medialität hätte ich ihm nicht Dank sagen, ihm nicht beweisen können, dass meine Seele die beglückenden Einflüsse seines guten Herzens nicht vergisst, ihm nicht empfehlen können, seinen göttlichen Glauben auszubreiten. Er ist berufen, verirrte Seelen zurückzuführen, möge er fest überzeugt von meiner Unterstützung sein! Ja, ich kann ihm hundertfach wiedererstatten, was er für mich getan hat, indem ich ihn auf dem Weg unterweise, den ihr verfolgt. Dankt dem Herrn, weil er erlaubt hat, dass die Geister euch Unterweisungen geben können, wie ihr den Armen in seiner Not ermutigen und den Reichen in seinem Hochmut aufhalten könnt. Erkennen Sie die Demütigung, die darin liegt, einen Unglücklichen von sich zu stoßen! Möge ich euch als Beispiel dienen, damit ihr der Notwendigkeit entkommt, in eine ähnliche Lage wie ich zu kommen und eure Fehler durch jene schmerzhaften gesellschaftlichen Lebensumstände zu sühnen, die euch einen so niedrigen Ort zuweisen und zum Ausschuss der menschlichen Gesellschaft machen!"
Julienne-Marie
Diese Mitteilung wurde an Herrn A… übermittelt, der seinerseits die folgende Mitteilung als Bestätigung erhielt:
Frage: Gute Julienne-Marie, da Sie mich mit Ihrem guten Rat freundlichst unterstützen wollen, um mich beim Fortschreiten auf dem Weg unserer göttlichen Lehre voranzubringen, würden Sie denn die Güte haben, sich mir mitzuteilen! Ich werde mir alle Mühe geben, aus Ihren Unterweisungen Nutzen zu ziehen.
Antwort: Erinnere dich an die Empfehlung, die ich dir geben möchte und weiche niemals von ihr ab! Sei immer wohltätig nach Maßgabe deiner Mittel! Du verstehst genug, was jene Nächstenliebe ist, die man in allen Lagen des irdischen Lebens ausüben soll! Ich brauche daher nicht zu kommen, um dir in dieser Beziehung eine Belehrung zu geben. Du selbst wirst der beste Richter sein, wenn du immer der Stimme deines Gewissens folgst, die dich niemals irreführen wird, so oft du aufrichtig auf sie hörst.
Täusche dich nicht über die Aufgaben, die ihr zu erfüllen habt! Kleine und Große haben die ihrige. Meine ist recht schmerzlich gewesen, jedoch verdiente ich eine derartige Bestrafung wegen meiner früheren Existenzen, wie ich dem guten Vorsitzenden der Muttergesellschaft zu Paris gestanden habe, der ihr euch alle eines Tages wieder anschließen werdet. Dieser Tag ist nicht so fern wie du denkst. Die Spiritistische Lehre macht Riesenschritte, trotz allem, was man tut, um sie zu behindern. Schreitet darum alle ohne Furcht dahin, als glühende Jünger der Lehre, und eure Bemühungen werden mit Erfolg gekrönt sein. Was kümmert es euch, was man von euch sagen wird! Stellt euch über spöttische Kritik, die auf die Gegner des Spiritismus zurückfallen wird!
Die Hochmütigen! Sie wähnen sich stark und denken, euch leicht niederwerfen zu können. Seid ihr, meine guten Freunde, ruhig und habt keine Furcht davor, wie ihr euch mit ihnen messen werdet. Sie sind leichter zu besiegen als ihr glaubt! Viele unter ihnen ängstigen sich und fürchten, die Wahrheit möge endlich kommen und ihnen die Augen blenden. Wartet und sie werden kommen, um ihrerseits bei der Krönung des Gebäudes zu helfen.
Julienne-Marie
Bemerkung: Diese Tatsache birgt eine Fülle von Belehrungen für jeden, der über die in den vorstehenden drei Mitteilungen enthaltenen Worte dieses Geistes nachdenken will. Alle großen Grundlehren der Spiritistischen Lehre finden sich darin vereint. Gleich von der ersten Mitteilung an zeigt der Geist seine Überlegenheit durch seine Ausdrucksweise. Gleich einer wohltätigen Zauberin kommt diese Frau, heute strahlend und wie umgewandelt, um den zu beschützen, der sie unter den Lumpen ihres Elends nicht von sich gewiesen hat. Das ist eine Anwendung jener Aussprüche des Evangeliums: "Die Großen werden erniedrigt und die Kleinen erhöht werden. Selig die Demütigen, selig die Leidtragenden, denn sie werden getröstet werden! Verachtet die Kleinen (Geringen) nicht, denn wer klein in dieser Welt ist, kann größer sein als ihr glaubt!"
Max
der Bettler
In einem bayrischen Dorf starb um das Jahr 1850 ein beinahe hundertjähriger Greis, bekannt unter dem Namen: Vater Max. Niemand kannte recht seine Herkunft, denn er hatte keine Angehörigen. Seit fast einem halben Jahrhundert hatte er, niedergebeugt von Schwäche, die ihn außerstande setzte, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, keine anderen Hilfsquellen als die öffentliche Wohltätigkeit, was er sich nicht anmerken ließ, indem er zu den Gutshöfen und Schlössern ging, um dort Kalender und Kleinigkeiten zu verkaufen. Man hatte ihm den Spottnamen "Graf Max" gegeben, und die Kinder nannten ihn immer nur den Herrn Grafen, worüber er lächelte, ohne es übelzunehmen. Woher diese Bezeichnung? Niemand hätte es zu sagen gewusst, sie war üblich geworden. Vielleicht lag es an seinen Gesichtszügen und seinem Benehmen, deren Vornehmheit einen Gegensatz zu seinen Lumpen bildete! Mehrere Jahre nach seinem Tod erschien er im Traum der Tochter des Eigentümers eines der Schlösser, in dessen Pferdestall er Gastfreundschaft fand, denn er hatte keine eigene Unterkunft. Er sprach zu ihr: "Ich danke Ihnen dafür, dass Sie in Ihren Gebeten des alten Max gedacht haben, denn die sind vom Herrn gehört worden. Sie wünschen zu wissen, wer ich bin, Sie mitleidige Seele, die für den unglücklichen Bettler Mitleid hatten! Ich will Sie zufriedenstellen. Das wird für alle eine große Belehrung sein."
Er gab ihr dann ungefähr den folgenden Bericht:
"Es ist ungefähr eineinhalb Jahrhunderte her, da war ich in dieser Gegend ein reicher und mächtiger Herr, aber eitel, hochmütig und vernarrt in meinen Adel. Mein unermessliches Vermögen hat stets nur meinen Vergnügungen gedient und es reichte für diese kaum aus, denn ich war ein Spieler, ein Lüstling und verbrachte mein Leben in schwelgerischen Gelagen. Meine Lehensleute (Pächter), von denen ich glaubte, dass sie zu meinem Nutzen geschaffen sind, wie die Tiere der Gutshöfe, wurden ausgebeutet und misshandelt, um für meine Verschwendungen aufzukommen. Ich blieb taub für ihre Klagen, wie für die aller Unglücklichen, und meiner Meinung nach mussten sie sich zu sehr geehrt fühlen, meinen Launen zu dienen. Ich starb jung, erschöpft durch die Ausschweifungen, aber ohne irgendein wahres Unglück erlitten zu haben. Im Gegenteil, alles schien mir so zuzulächeln, dass ich in den Augen aller einer der Glücklichen der Erde war. Mein Rang brachte mir ein kostspieliges Begräbnis ein. Die Lebemänner betrauerten in mir den prunkliebenden Herrn, aber es wurde nicht eine Träne über meinem Grab vergossen, nicht ein Herzensgebet für mich zu Gott gerichtet, und mein Andenken wurde von allen verwünscht, deren Elend durch mich vergrößert worden war. Ach, wie schrecklich ist es, den Fluch derer zu erfahren, die man unglücklich gemacht hat! Dieser hat lange Jahre hindurch, die mir eine Ewigkeit schienen, in meinen Ohren gehallt. Und beim Tod von jedem meiner Opfer war es eine neue drohende oder höhnende Gestalt, die sich vor mir aufrichtete und mich ohne Nachlassen verfolgte, ohne dass ich eine dunkle Ecke zu finden vermochte, um mich ihrem Anblick zu entziehen! Nicht ein freundlicher Blick! Meine ehemaligen Kumpane, unglücklich wie ich, flohen vor mir und schienen mir mit Verachtung zu sagen: "Unsere Vergnügungen bezahlen kannst du nicht mehr!" Oh, wie teuer hätte ich damals einen Augenblick der Ruhe, ein Glas Wasser erkauft, um den brennenden Durst zu löschen, der mich verzehrte! Aber ich besaß nichts mehr, und alles Gold, das ich mit vollen Händen auf Erden ausgestreut hatte, hatte nicht einen einzigen Segen gestiftet, nicht einen einzigen, verstehen Sie, mein Kind?
EndIich, niedergedrückt von Müdigkeit, erschöpft gleich einem ermüdeten Reisenden, der das Ende seines Weges nicht sieht, rief ich aus: "Mein Gott, erbarme dich meiner! Wann wird diese schreckliche Lage endlich ein Ende haben?" Da sprach eine Stimme, die erste, die ich vernahm, seitdem ich die Erde verlassen hatte, zu mir: "Sobald du es willst." “Was muss ich tun, großer Gott?" erwiderte ich: "Sag es mir! Ich unterwerfe mich allem!" "Du musst bereuen", klang es, "dich demütigen vor denen, die du selbst gedemütigt hast, sie bitten, für dich einzutreten, denn das Gebet des Beleidigten, der vergibt, ist dem Herrn allezeit angenehm." Ich demütigte mich. Ich bat meine Lehensleute, meine Diener, die dort vor meinen Augen waren, und ihre immer wohlwollender werdenden Gesichter verschwanden endlich. Das war, als ob für mich ein neues Leben beginnt. An die Stelle der Verzweiflung trat die Hoffnung, und ich dankte Gott mit allen Kräften meiner Seele. Darauf sprach die Stimme zu mir: "Fürst!" und ich antwortete: “Hier gibt es keinen anderen Fürsten als den allmächtigen Gott, der die Hochmütigen demütigt. Vergib mir, oh Herr, denn ich habe gesündigt! Mache aus mir einen Diener meiner Diener, wenn's Dir gefällt!"
Einige Jahre später wurde ich wiedergeboren, aber diesmal in einer Familie armer Dorfbewohner. Meine Eltern starben, als ich noch ein Kind war, und ich blieb auf der Welt hilflos allein. Ich verdiente meinen Lebensunterhalt so gut ich konnte, bald als Tagelöhner, bald als Gutsknecht, aber immer auf rechtschaffene Weise, denn diesmal glaubte ich an Gott. Als ich vierzig Jahre alt war, lähmte mich eine Krankheit in allen Gliedern, und ich musste mehr als fünfzig Jahre auf genau den gleichen Ländereien betteln gehen, die ich besessen hatte und wo man mir mit bitterem Spott den Beinamen "der Graf" gab. Ich war oft überglücklich, wenn ich im Pferdestall des Schlosses, das mir gehört hatte, ein Obdach finden konnte. In meinem Schlaf gefiel es mir, durch dieses Schloss zu wandern, wo ich als Tyrann geherrscht hatte. Wie oft habe ich mich da in meinen Träumen wieder gesehen, mitten in meinem ehemaligen Glück! Diese Visionen ließen mir beim Erwachen ein unbeschreibliches Gefühl von Bitterkeit und Leid zurück. Aber nie kam eine Klage aus meinem Mund, und wenn es Gott gefallen hat, mich wieder zu sich zu rufen, so habe ich ihn dafür gepriesen, dass er mir den Mut gegeben hatte, mich ohne Murren dieser langen und schmerzlichen Prüfung zu unterziehen, für die ich nun den Lohn empfange. Und Sie, meine Tochter, ich segne Sie, dass Sie für mich gebetet haben!"
Wir empfehlen diese Begebenheit zur Erwähnung für diejenigen, die behaupten, die Menschen würden keine Grenzen mehr kennen, wenn sie nicht vor ihren Augen das Schreckgespenst der ewigen Strafen hätten. Und wir fragen, ob die Aussicht auf eine Strafe, wie die von Vater Max, weniger dazu geeignet ist, sich auf der Bahn des Bösen aufzuhalten als jene auf endlose Qualen, an die man nicht mehr glaubt.
Geschichte eines Bediensteten
In einer Familie von hohem Rang war ein ganz junger Bediensteter, dessen intelligentes und feines Gesicht uns durch seine vornehme Mimik auffiel. In seinem Benehmen spiegelte sich nirgends Falschheit. Sein Eifer für den Dienst seiner Herren hatte nichts von jener unterwürfigen Dienstbarkeit, die den Leuten dieser Lebensstellung zu eigen ist. Als wir im folgenden Jahr wieder zu dieser Familie kamen, sahen wir dort jenen Burschen nicht mehr und fragten, ob man ihn zurückgeschickt habe. "Nein", gab man zur Antwort, "er war für einige Tage in seine Heimat gegangen und ist dort gestorben. Wir vermissen ihn sehr, denn er war ein ausgezeichnetes Menschenkind und hatte eine über seine Stellung wahrhaft hinausgehende Gesinnung. Er war uns sehr zugetan und hat uns Beweise der größten Aufopferung gegeben."
Später kam uns der Gedanke, diesen jungen Mann anzurufen, und hier folgt, was er gesagt hat:
"In meiner vorletzten Inkarnation war ich, wie man auf Erden sagt, aus sehr gutem Hause, das jedoch durch die Verschwendungssucht meines Vaters zugrunde gerichtet wurde. Sehr jung und ohne Hilfsmittel bin ich Waise geblieben. Ein Freund meines Vaters hat mich aufgenommen, mich als seinen Sohn aufgezogen und mir eine schöne Ausbildung geben lassen, aus der ich ein wenig zu viel Eitelkeit mit ins Leben nahm. Dieser Freund ist heute Herr von G ..., in dessen Diensten Sie mich gesehen haben. Ich wollte in meiner letzten Existenz meinen Hochmut sühnen, indem ich in einer dienenden Lebensstellung geboren wurde und habe darin Gelegenheit gefunden, meinem Wohltäter meine Ergebenheit zu beweisen. Ich habe ihm sogar, ohne dass er es je vermutet hätte, das Leben gerettet. Es war zur gleichen Zeit eine Prüfung, aus der ich siegreich hervorging, indem ich eben genug Kraft hatte, mich nicht durch Kontakt mit einer fast immer lasterhaften Umgebung verderben zu lassen. Trotz der schlechten Beispiele bin ich rein geblieben und ich danke Gott, denn ich werde belohnt durch das Glück, das ich genieße.”
Frage: Unter welchen Umständen haben Sie Herrn von G ... das Leben gerettet?
Antwort: Auf einem Spazierritt, auf dem ich ihm allein folgte, bemerkte ich, wie ein dicker Baum, den er nicht sah, auf die Seite niederfiel, wo er sich befand. Ich rufe ihn, indem ich einen fürchterlichen Schrei ausstoße. Er wendet sich lebhaft um, und in diesem Augenblick stürzt der Baum vor seine Füße. Ohne die von mir hervorgerufene Bewegung wäre er erschlagen worden.
Herr von G ..., dem diese Begebenheit berichtet wurde, hat sich genau daran erinnert.
Frage: Warum sind Sie so jung gestorben?
Antwort: Gott hatte meine Prüfung für ausreichend erachtet.
Frage: Wie konnten Sie von dieser Prüfung profitieren, da Sie ja keine Erinnerung von dem Sachverhalt hatten, der ihr zugrunde lag?
Antwort: In meiner bescheidenen Lebensstellung blieb mir eine Neigung zum Hochmut, die ich zum Glück habe meistern können. Das hat bewirkt, dass mir die Prüfung gewinnbringend war, sonst hätte ich diese von vorne beginnen müssen. Mein Geist erinnerte sich in seinen freien Augenblicken, und es blieb mir beim Erwachen ein lebhafter Wunsch, meinen Neigungen, deren schlechte Eigenschaft ich erkannte, zu widerstehen. Ich habe mehr Verdienst daran gehabt, so zu kämpfen, als wenn ich mich der Vergangenheit klar erinnert hätte. Die Erinnerung an meine ehemalige Stellung hätte meinen Hochmut gesteigert und mich verwirrt, während ich nur die großen Gefahren und Versuchungen meiner neuen Stellung zu bekämpfen hatte.
Frage: Sie haben eine glänzende Erziehung genossen, wozu hat Ihnen das in Ihrer letzten Existenz gedient, da Sie sich ja an die Kenntnisse, die Sie erlangt hatten, nicht erinnerten?
Antwort: Diese Kenntnisse wären in meiner neuen Stellung unnütz gewesen, ein Widerspruch sogar. Sie sind verborgen geblieben, und heute finde ich sie wieder. Indessen sind mir dieselben nicht gänzlich ohne Nutzen gewesen, denn sie haben meinen Verstand entwickelt. Ich hatte instinktiv Gefallen an erhabenen Dingen, was mir Abscheu und Widerstandskraft einflößte gegen die niedrigen und unedlen Beispiele, die ich vor Augen hatte. Ohne diese Erziehung wäre ich nur ein Knecht gewesen.
Frage: Haben die Beispiele von Dienern, die ihren Herren bis zur Selbstverleugnung ergeben sind, vorausgehende Beziehungen zur Ursache?
Antwort: Zweifelt nicht daran! Es ist zumindest der gewöhnlichste Fall. Diese Diener sind manchmal sogar Familienmitglieder, oder wie ich, Verpflichtete, die eine Dankesschuld abtragen und denen ihre Hingabe zum Fortschritt verhilft. Ihr kennt nicht alle Wirkungen der Zuneigung oder Abneigung, die von diesen früheren Beziehungen in der Welt herrühren. Nein, der Tod unterbricht diese Beziehungen nicht, die sich häufig von Jahrhundert zu Jahrhundert fortsetzen.
Frage: Warum sind diese Beispiele von Hingabe bei Dienern heutzutage so selten?
Antwort: Man muss da den Geist des Egoismus und des Hochmuts anklagen, wie er sich in eurem Jahrhundert durch Unglauben und materialistische Gedankenrichtung entwickelt hat. Wahrer Heilsglaube geht durch Gier und Gewinnsucht verloren und mit ihm die Regungen edler Hingabe. Die Spiritistische Lehre führt die Menschen zum Gefühl für die Wahrheit zurück und wird auf solche Weise die vergessenen Tugenden wiederauferstehen lassen.
Nichts lässt besser als dieses Beispiel die Wohltat des Vergessens der vorigen Inkarnationen ins Auge springen. Wenn Herr von G… sich an das erinnert hätte, was sein junger Bediensteter gewesen war, so hätte er sich in einer Zwangslage mit ihm befunden und ihn in dieser Lage noch nicht einmal behalten. Er hätte so die Prüfung behindert, die für sie beide gewinnbringend gewesen ist.
Antonio B…
Lebendig begraben - Vergeltungsstrafe
Herr Antonio B …, ein verdienstvoller, von seinen Zeitgenossen geschätzter Schriftsteller, der mit Auszeichnung und Unbescholtenheit öffentliche Ämter der Lombardei bekleidet hatte, geriet um das Jahr 1850 infolge eines Schlaganfalls in einen Zustand von Scheintod, den man unglücklicherweise, wie das manchmal vorkommt, für den wirklichen Tod hielt. Der Irrtum war um so leichter möglich, als man am Körper Zeichen der Verwesung zu bemerken geglaubt hatte. Vierzehn Tage nach der Beerdigung veranlasste ein zufälliger Umstand die Angehörigen, die Ausgrabung zu verlangen. Es handelte sich um ein vergessenes Erinnerungszeichen, das aus Versehen im Sarg liegen geblieben war. Aber groß war das Staunen der Anwesenden, als man beim Öffnen erkannte, dass der Körper seine Lage verändert hatte, dass er sich herumgedreht und, oh wie schrecklich, dass eine der Hände durch den Verstorbenen zum Teil gegessen wurde. Es wurde damit offenbar, dass der unglückliche Antonio B … lebendig begraben worden war. Er hatte den Nöten der Verzweiflung und des Hungers erliegen müssen.
Herr Antonio B … wurde in der Pariser Spiritistischen Gesellschaft im August 1861 angerufen und gab auf den Wunsch einer seiner Verwandten folgende Erklärungen:
Anrufung: Was wollt Ihr von mir?
Frage: Einer Ihrer Verwandten hat uns gebeten, Sie anzurufen. Wir tun es mit Freuden, und es wird uns sehr angenehm sein, wenn Sie uns gerne antworten werden.
Antwort: Ja, ich antworte euch gerne.
Frage: Erinnern Sie sich an die Umstände Ihres Todes?
Antwort: Ach ja, gewiss, ich erinnere mich daran. Warum diese Erinnerung an die Strafe wieder aufwecken?
Frage: Ist es gewiss, dass Sie infolge eines Irrtums lebendig beerdigt worden sind?
Antwort: Das musste so sein, denn der Scheintod hatte alle Anzeichen eines wirklichen Todes gehabt. Ich war fast blutleer. Man darf niemanden für eine in der Zeit vor meiner Geburt vorgesehene Begebenheit verantwortlich machen.
Frage: Wenn diese Fragen von der Art sind, dass sie Ihnen Schmerz verursachen, sollte man dann aufhören?
Antwort: Nein, fahrt fort!
Frage: Wir wünschten, Sie glücklich zu wissen, denn Sie haben den Ruf eines rechtschaffenen Mannes hinterlassen.
Antwort: Ich danke euch sehr. Ich weiß, dass ihr für mich beten werdet. Ich will mich bemühen, zu antworten. Wenn es mir aber nicht gelingt, so wird einer eurer Führer das Fehlende hinzufügen.
Frage: Können Sie uns die Empfindungen beschreiben, die Sie zu jenem schrecklichen Zeitpunkt hatten?
Antwort: Oh, welch schmerzvolle Prüfung, sich zwischen vier Brettern eingeschlossen zu wissen, so, dass man sich weder bewegen noch rühren kann! Nicht rufen zu können, da die Stimme nicht mehr widerhallt in einer der Luft beraubten Umgebung! Oh, welche Folterqual ist es für den Unglücklichen, der sich vergeblich anstrengt, in einer unzureichenden Luftmenge zu atmen, der der atembare Teil fehlt! Ach, ich lag da wie einer, der in den Rachen eines Backofens hinein verdammt ist, bis auf die Hitze! Oh, ich wünsche niemandem solche Qualen. Nein, ich wünsche niemandem ein Ende wie das meinige. Ach, grauenhafte Bestrafung eines grauenhaften und verbrecherischen Lebens! Fragt mich nicht, an was ich dachte! Aber ich versenkte mich in die Vergangenheit und sah aus der Ferne die Zukunft in unbestimmten Farben.
Frage: Sie sagen: grauenhafte Bestrafung eines verbrecherischen Lebens. Aber Ihr bis zu diesem Tag unangetasteter Ruf ließ so etwas nicht vermuten. Können Sie uns das erklären?
Antwort: Was ist die Dauer des Erdenlebens in der Ewigkeit! Gewiss, ich war bestrebt, in meiner letzten Inkarnation recht zu handeln. Aber dieses Ende war von mir vor meinem Eintritt in das Menschendasein hingenommen worden. Ach, warum mich über diese schmerzvolle Vergangenheit ausfragen, die nur ich kannte, sowie die Geister, die Diener des Allmächtigen? Wisst denn, weil ich es euch eben sagen muss, dass ich in einer vorausgehenden Existenz eine Frau eingemauert hatte, meine eigene, lebendig, in einem Kellerchen! Es ist die Strafe der Vergeltung, die ich mir auferlegen musste. Auge um Auge, Zahn um Zahn!
Frage: Wir danken Ihnen, dass Sie so gut gewesen sind, unsere Fragen zu beantworten, und wir bitten Gott, Ihnen das Vergangene zugunsten Ihres Verdienstes Ihrer letzten Existenz zu verzeihen.
Antwort: Ich werde später wiederkommen. Übrigens wird der Geist des Erastus so gut sein und vervollständigen.
Belehrung von Seiten des Leiters des Mediums
Was ihr aus dieser Unterweisung entnehmen sollt, ist, dass all eure Inkarnationen miteinander zusammenhängen und keiner in Bezug auf die anderen unabhängig ist. Die Sorgen, der Wirrwarr, sowie die großen Schmerzen, die die Menschen in Verwunderung setzen, sind immer die Folgen eines vorhergehenden verbrecherischen oder schlecht angewandten Lebens. Allerdings muss ich euch sagen, ein Ende wie das des Antonio B ... ist selten, und wenn dieser Mann, dessen letzte Existenz von Tadel freigeblieben ist, auf solche Weise geendet hat, so geschah es, weil er sich selbst einen solchen Tod ausgebeten hatte, um die Zeit seines Umherirrens abzukürzen und rascher die höheren Sphären zu erreichen. Tatsächlich wird ihm, nach einer Zeit der Verwirrung und des geistigen Leidens, in dem er sein furchtbares Verbrechen noch zu sühnen hat, vergeben werden. Und er wird sich zu einer besseren Welt aufschwingen, wo er das Opfer seiner Grausamkeit wiederfinden wird, das ihn erwartet und ihm schon längst vergeben hat. Wisst also aus diesem grausigen Beispiel für euch Nutzen zu ziehen, um mit Geduld, oh meine lieben Spiritisten, die körperlichen und moralischen Leiden und alle kleinen Jammer des Lebens zu ertragen!
Frage: Welchen Nutzen kann die Menschheit aus solchen Bestrafungen ziehen?
Antwort: Strafen sind nicht dazu da, um die Menschheit zu entwickeln, sondern um das schuldige Individuum zu bestrafen. In Wahrheit hat die Menschheit kein Interesse daran, einen der Ihrigen leiden zu sehen. Hier ist die Bestrafung dem Fehltritt angepasst worden. Warum gibt es Narren? Warum Blödsinnige? Warum Gelähmte? Warum solche, die im Feuer sterben? Warum solche, die jahrelang in den Qualen eines langen Todeskampfes leben und weder leben noch sterben können? Ach, glaubt mir, respektiert den höchsten Willen und sucht nicht die Ursache der Beschlüsse der Vorsehung zu ergründen! Wisst, Gott ist gerecht und macht gut, was Er macht.
Erastus
Liegt in dieser Begebenheit nicht eine große und schreckliche Lehre? So erreicht Gottes Gerechtigkeit immer den Schuldigen, und auch wenn sie manchmal zögernd ist, verfolgt sie nichtsdestoweniger ihren Lauf. Ist es nicht in hohem Maße moralisch, zu wissen, dass, wenn große Sünder ihre Existenz friedlich und oft im Überfluss an irdischen Gütern beenden, früher oder später die Stunde der Sühne schlagen wird? Strafen dieser Art sind verständlich, nicht nur weil sie sich gewissermaßen vor unseren Augen abspielen, sondern weil sie logisch sind. Man glaubt daran, weil die Vernunft sie zugibt.
Eine ehrbare Inkarnation befreit keineswegs von den Prüfungen des Lebens, weil man sie eben als eine Ergänzung zur Sühne gewählt oder angenommen hat. Sie sind die ergänzende Zugabe einer Schuld, die man begleicht, ehe man den Preis des vollbrachten Fortschritts empfängt.
Bedenkt man, wie häufig in den vergangenen Jahrhunderten selbst in den höchsten und aufgeklärtesten Schichten Handlungen der Grausamkeit waren, die uns heute so sehr empören. Wie viele Mordtaten in jenen Zeiten begangen wurden, in denen man mit dem Leben seines Mitmenschen sein Spiel trieb, wo der Mächtige ohne Bedenken den Schwachen zermalmte, so wird man begreifen, wie sehr es unter den Menschen unserer Tage die geben muss, die ihre Vergangenheit noch reinzuwaschen haben. Man wird sich nicht mehr über die so beträchtliche Zahl derer wundern, die als Opfer vereinzelter Unfälle oder allgemeiner Schicksalsschläge sterben. Die Gewaltherrschaft, der Fanatismus, die Unwissenheit und die Vorurteile des Mittelalters sowie der Jahrhunderte, die ihm gefolgt sind, haben den künftigen Generationen eine ungemein große Schuld vermacht, die noch nicht abgetragen ist. Viel Unglück scheint uns unverdient, nur weil wir lediglich die Gegenwart wahrnehmen.
Herr Letil
Herr Letil, Fabrikant bei Paris, starb im April 1864 auf entsetzliche Weise. Ein Dampfkessel mit aufwallendem Lack hatte Feuer gefangen und seinen Inhalt über ihn ergossen, sodass er in einem Augenblick mit entzündeter Masse bedeckt wurde und sofort begriff, dass er verloren war. Da er zu dieser Zeit mit einem jungen Lehrling in der Werkstatt allein war, hatte er den Mut, sich zu seiner Wohnung zu begeben, die mehr als 200 Meter entfernt war. Als die Knochen eines Teiles des Körpers und des Gesichts waren freigelegt. So lebte er zwölf Stunden unter den schrecklichsten Schmerzen, bewies aber trotzdem seine ganze Geistesgegenwart bis zum letzten Augenblick und brachte mit vollkommener Geistesklarheit seine Angelegenheiten in Ordnung. Während dieses grausigen Todeskampfes ließ er keinerlei Klage und kein Murren hören und starb im Gebet zu Gott. Er war ein sehr ehrbarer Mann, von sanftem und wohlwollendem Wesen, geliebt und geachtet von all denen, die ihn gekannt haben. Er hatte die Lehren des Spiritismus mit Begeisterung aufgenommen, jedoch ohne ausreichendes Nachdenken und wurde aus diesem Grund, da er selbst ein wenig medial veranlagt war, der Spielball zahlreicher Täuschungen, die allerdings seinen Glauben nicht erschütterten. Sein Vertrauen in das, was ihm die Geister sagten, ging unter gewissen Umständen etwas zu weit, bis hin zur Gedankenlosigkeit.
Am 29. April 1864 in der Pariser Gesellschaft angerufen, wenige Tage nach seinem Tod und noch unter dem Eindruck des schrecklichen Ereignisses, dessen Opfer er gewesen war, machte er folgende Mitteilung:
"Tiefe Traurigkeit bedrückt mich. Noch ganz entsetzt durch meinen kläglichen Tod glaube ich mich unter dem Stahl eines Scharfrichters. Was habe ich doch gelitten! Oh, was habe ich gelitten. Ich zittere noch am ganzen Körper. Mir ist, als fühle ich noch den Gestank, den mein verbranntes Fleisch um mich herum verbreitete. Zwölfstündiger Todeskampf, wie hast du den schuldvollen Geist geprüft! Ohne Murren hat er gelitten, auch wird Gott ihm seine Verzeihung schenken.
Oh meine Teure! Weine nicht mehr um mich! Meine Schmerzen werden schwinden. Ich leide nicht mehr wirklich, aber die Erinnerung kommt der Wirklichkeit gleich. Meine Kenntnis der Spiritistischen Lehre hilft mir sehr. Ich sehe jetzt, dass ich ohne diesen süßen Glauben in der Verwirrung geblieben wäre, in den ich durch diesen grässlichen Tod gestürzt worden bin.
Aber ich habe einen Tröster, der mich seit meinem letzten Seufzer nicht verlassen hat. Ich sprach noch davon, dass ich ihn schon bei mir sah. Es schien mir, dass das, was mir den Schwindel verursachte und mir Gespenster zeigte, eine Auswirkung meiner Schmerzen sei ... Nein, es war mein Schutzengel, der mich still und stumm in meinem Herzen tröstete. Sobald ich der Erde Lebewohl gesagt hatte, sprach er zu mir: "Komm, mein Sohn, und sieh den Tag wieder!" Ich atmete freier, ich glaubte, aus einem schrecklichen Traum zu erwachen. Ich sprach von meiner geliebten Frau, von dem tapferen Kind, das sich für mich aufgeopfert hatte. "Alle sind auf der Erde", sprach er zu mir: "Du, oh, mein Sohn, bist unter uns." Ich suchte mein Haus. Der Engel ließ mich dort in seiner Begleitung wieder eintreten. Ich sah alle in Tränen. Alles in dieser friedlichen Wohnung von einst war voller Betrübnis und Trauer. Ich konnte den Anblick dieses schmerzlichen Schauspiels nicht länger aushalten. Zu sehr ergriffen sprach ich zu meinem Führer: “Oh mein guter Engel, lass uns hier weggehen!" - "Ja, gehen wir", sprach der Engel, “und suchen wir die Ruhe auf!"
Seitdem leide ich weniger. Wenn ich nicht meine untröstliche Gattin, meine trauernden Freunde sähe, wäre ich beinahe glücklich.
Mein guter Führer, mein lieber Engel, ist so gütig gewesen, mir zu sagen, warum ich einen so schmerzlichen Tod hatte, und zu eurer Belehrung, meine Kinder, will ich euch ein Geständnis machen.
Vor zweihundert Jahren ließ ich ein junges Mädchen, voller Unschuld, wie man es in diesem Alter ist, auf einem Scheiterhaufen verbrennen. Sie war ungefähr 12 oder 14 Jahre alt. Welche Schuld hatte sie? Ach, die Mitschuldige an einem Anschlag gegen die priesterliche Führung gewesen zu sein. Ich war Italiener und Untersuchungsrichter. Die Henker wagten nicht, den Körper des jungen Mädchens anzutasten. Ich selbst war der Richter und der Henker. Oh Gerechtigkeit, Gerechtigkeit Gottes, du bist groß! Ich habe mich ihr ergeben. Ich hatte so sehr versprochen, am Tag des Kampfes nicht zu wanken, dass ich die Kraft gehabt habe, Wort zu halten. Ich habe nicht gemurrt und Du hast mir vergeben, mein Gott! Doch wann wird die Erinnerung an mein armes, unschuldiges Schlachtopfer aus meinem Gedächtnis getilgt werden? Das ist es, was mir Leiden bereitet. Es ist auch notwendig, dass sie mir vergibt.
Oh, ihr Kinder der neuen Lehre, ihr sprecht manchmal: "Wir erinnern uns nicht daran, was wir in unserem früheren Leben getan haben, darum können wir nicht die Fehler vermeiden, denen wir uns durch das Vergessen der Vergangenheit aussetzen. Oh Brüder, preist Gott! Hätte er euch die Erinnerung gelassen, würde es für euch keine Ruhe auf Erden geben. Unaufhörlich verfolgt von Selbstvorwürfen und Scham, könntet ihr da einen einzigen friedvollen Augenblick haben?
Das Vergessen ist eine Wohltat, die Erinnerung hier ist eine Qual. Noch etliche Tage und zur Belohnung für die Geduld, mit der ich meine Schmerzen ertragen habe, wird mir Gott das Vergessen meines Fehltritts schenken. Seht, das ist das Versprechen, das mir mein guter Engel soeben gegeben hat."
Die Gesinnung des Herrn Letil in seiner letzten Inkarnation zeigt, wie sehr sich sein Geist gebessert hatte. Seine Führung war das Ergebnis seiner Reue und der Entschlüsse, die er gefasst hatte. Das aber genügte nicht. Er musste seine Entschlüsse durch eine große Sühne besiegeln. Er musste als Mensch aushalten, was er andere hatte aushalten lassen. In diesem schrecklichen Fall war Ergebung für ihn die größte Bewährung und zum Glück für ihn ist er da nicht gestrauchelt. Die Kenntnis der Spiritistischen Lehre hat ohne Zweifel viel dazu beigetragen, seinen Mut zu stärken durch den aufrichtigen Glauben an die Zukunft, die sie ihm gegeben hatte. Er wusste, dass der Schmerz des Lebens nur Prüfung und Sühne ist, und er hatte sich ohne Klagen unterworfen, indem er sagte: Gott ist gerecht! Ich habe es ohne Zweifel verdient.
Ein ehrgeiziger Gelehrter
Frau B ..., aus Bordeaux, hat nicht die Nöte und Ängste des Elends empfunden, aber sie hat ihr ganzes Leben lang körperliche Schmerzen durch die zahllosen schweren Krankheiten erduldet, von denen sie siebzig Jahre lang ab dem Alter von fünf Monaten befallen wurde. Diese brachten sie beinahe jedes Jahr an den Rand des Grabes. Dreimal wurde sie durch die Experimente vergiftet, die die unsichere Wissenschaft an ihr machte. Ihre körperliche Konstitution, ebenso durch die Gegenmittel wie durch die Krankheiten zugrunde gerichtet, hat sie bis an das Ende ihrer Tage eine Beute unerträglicher Leiden sein lassen, die nichts mildern konnte. Ihre Tochter, spiritistische Christin und Medium, flehte in ihren Gebeten zu Gott, diese furchtbaren Prüfungen erträglicher zu machen, aber ihr geistiger Führer sagte ihr, sie solle einfach für sie um die Kraft bitten, diese mit Geduld und Ergebung zu ertragen, und gab ihr folgende Belehrungen:
"Alles im menschlichen Leben hat seinen Daseinsgrund. Es gibt nicht eines unter den Leiden, die ihr nicht verursacht habt, die nicht eine Berechtigung in den Leiden finden, die ihr zu erdulden habt, nicht eine eurer Ausschreitungen, die nicht ein Gegengewicht in einer eurer Entbehrungen findet. Nicht eine Träne fließt aus euren Augen, ohne dass sie einen Fehltritt, manchmal ein Verbrechen abzuwaschen hätte. Unterzieht euch also mit Geduld und Resignation euren körperlichen oder seelischen Schmerzen, so hart und schwer sie euch auch erscheinen mögen, und denkt an den Bauer, dessen Glieder von Mühe und Arbeit zerschlagen sind, der aber ohne Unterlassung sein Werk fortsetzt. Denn ihm winken stets die goldenen Ähren, die die Früchte seiner Ausdauer sind. Das ist das Los des Unglücklichen, der auf eurer Erde leidet. Die Sehnsucht nach dem Glück, das die Frucht seiner Geduld sein soll, wird ihn stark gegenüber den vorübergehenden Schmerzen des menschlichen Daseins machen.
So steht es mit deiner Mutter! Jeder Schmerz, den sie als eine Sühne hinnimmt, ist ein aus ihrer Vergangenheit getilgter Flecken und je eher die Flecken alle getilgt sein werden, desto eher wird sie glücklich sein. Der Mangel an Gottergebenheit allein macht das Leiden unfruchtbar, denn dann sind die Prüfungen von vorn anzufangen. Was also für sie am nützlichsten ist, ist Mut und Unterwerfung. Das ist es, um dessen Gewährung Gott und die guten Geister gebeten werden müssen.
Deine Mutter war einst ein guter Arzt, sehr angesehen in einer Gesellschaftsschicht, die sich um jeden Preis bemüht, ihr Wohlergehen zu sichern und von der er mit Geschenken und Ehren überhäuft wurde. Begierig nach Ruhm und Reichtum, bestrebt den Gipfel der Wissenschaft zu erreichen, nicht in der Absicht, seinen Brüdern Trost und Erleichterung zu bringen - denn ein Menschenfreund war er nicht - sondern in der Absicht, seinen Ruf und dadurch seine Kundschaft zu vermehren, ließ er sich keinen Preis zu hoch sein, wenn es darum ging, seine Forschungen zu einem guten Ende zu führen. Die Mütter wurden auf ihrem Leidensbett gequält, weil er in den Krämpfen, die er hervorrief, einen Gegenstand der Forschung sah. Die Kinder wurden den Experimenten unterzogen, die ihm den Schlüssel zu gewissen Erscheinungen liefern sollten. Greise sahen wie ihr Ende sich beschleunigte. Kräftige Männer fühlten sich durch die Versuche geschwächt, die die Wirkung von diesem oder jenem Trank feststellen sollten. Und alle diese Experimente wurden an den vertrauensvollen Unglücklichen durchgeführt. Die Befriedigung der Habgier und des Hochmuts, der Durst nach Gold und Ruhm, das waren die Triebfedern seines Handelns. Es hat Jahrhunderte und schreckliche Prüfungen gebraucht, um diesen hochmütigen und ehrgeizigen Geist zu bändigen. Dann hat die Reue ihr Erneuerungswerk begonnen und das Wiedergutmachen geht dem Ende zu. Denn die Prüfungen dieser letzten Inkarnation sind süß neben denen, die er erduldet hat. Mut also, wenn die Strafe lang und hart gewesen ist! Die der Geduld, der Ergebung und Demut gewährte Belohnung wird groß sein.
Seid mutig, ihr alle, die ihr leidet! Denkt an die Kürze der Zeit, die euer materielles Dasein währt. Denkt an die Freuden der Ewigkeit! Ruft die Hoffnung zu euch, diese ergebene Freundin jedes leidenden Herzens! Ruft den Glauben zu euch, diese Schwester der Hoffnung, den Glauben, der euch den Himmel zeigt, in den die Hoffnung euch vor der Zeit hinführt. Ruft auch jene Freunde zu euch, die der Herr euch schenkt, die euch umgeben, euch aufrecht halten und euch liebhaben, und deren beständige Fürsorge euch zu Dem zurückführt, den ihr durch Übertretung Seiner Gesetze beleidigt hattet!"
Bemerkung: Nach ihrem Tod hat Frau B ... teils ihrer Tochter, teils der Spiritistischen Gesellschaft von Paris Mitteilungen gemacht, in denen sich die hervorragendsten Eigenschaften spiegeln und in denen sie bestätigt, was in den auf sie bezogenen vorherigen Aussagen gesagt worden war.
Charles de Saint-G...
ein Mensch mit intellektuellen Einschränkungen
Spiritistische Gesellschaft von Paris, 1860
Charles de Saint-G ... war ein lebender junger Mensch mit intellektuellen Einschränkungen, 13 Jahre alt. Seine geistigen Fähigkeiten waren so unbedeutend, dass er seine Eltern nicht kannte und kaum seine Nahrung zu sich nehmen konnte. Es war bei ihm ein völliger Stillstand der Entwicklung im gesamten körperlichen Leben.
Frage an den Heiligen Ludwig: Möchten Sie uns sagen, ob wir die Anrufung des Geistes dieses Kindes bewirken können?
Antwort: Ihr könnt ihn anrufen, als ob ihr den Geist eines Verstorbenen ruft.
Frage: Ihre Antwort lässt uns vermuten, dass die Anrufung in jedem beliebigen Augenblick bewirkt werden kann?
Antwort: Ja, seine Seele ist durch materielle Bande an seinen Körper gebunden, aber nicht durch geistige. Sie kann sich jederzeit losmachen.
Anrufung von Charles de Saint-G ... - Ich bin ein armer Geist, an die Erde gefesselt wie ein Vogel durch seine Klaue.
Frage: Haben Sie in Ihrem gegenwärtigen Zustand, als Geist, das Bewusstsein Ihrer Bedeutungslosigkeit auf dieser Welt?
Antwort: Gewiss! Ich fühle meine Gefangenschaft wohl.
Frage: Wenn Ihr Körper schläft und Ihr Geist sich löst, haben Sie dann ebenso klare Begriffe als wären Sie in einem normalen Zustand?
Antwort: Wenn mein unglücklicher Körper ruht, fühle ich ein wenig mehr Freiheit, mich zum Himmel zu erheben, nach dem ich mich sehne.
Frage: Haben Sie als Geist eine schmerzliche Empfindung von Ihrem körperlichen Zustand?
Antwort: Ja, weil dieser ja eine Strafe ist.
Frage: Erinnern Sie sich an Ihre vorhergehende Inkarnation?
Antwort: Oh ja, sie ist die Ursache meiner gegenwärtigen Verbannung.
Frage: Was für eine Existenz war es?
Antwort: Ich war ein junger Freigelassener unter Heinrich dem Dritten von Frankreich.
Frage: Sie sagen, Ihre derzeitige Lage sei eine Bestrafung. Sie haben diese also nicht gewählt?
Antwort: Nein.
Frage: Wie kann Ihr gegenwärtiges Leben Ihrem Fortschritt dienen, in dem Zustand völliger Leere, in der Sie sich befinden?
Antwort: Dieser ist vor Gott, der ihn auferlegt hat, nicht unbedeutend für mich.
Frage: Sehen Sie die Dauer Ihrer gegenwärtigen Existenz voraus?
Antwort: Nein, noch etliche Jahre und ich werde in mein wahres Vaterland heimkehren.
Frage: Was haben Sie von Ihrer vorherigen Existenz bis zu Ihrer gegenwärtigen Inkarnation als Geist getan?
Antwort: Gerade weil ich ein leichtsinniger Geist war, hat Gott mich zu einem Gefangenen gemacht.
Frage: Haben Sie im Wachzustand Kenntnis von dem, was um Sie herum vorgeht, und zwar trotz der Unvollkommenheit Ihrer Sinnesorgane?
Antwort: Ich sehe und vernehme, aber mein Körper erfasst nichts und sieht nichts.
Frage: Können wir etwas tun, das für Sie nützlich wäre?
Antwort: Nichts.
Frage: An den Heiligen Ludwig. Können die Gebete für einen wieder inkarnierten Geist dieselbe Wirkung haben wie für einen umherirrenden?
Antwort: Gebete sind immer gut und Gott angenehm. In der Lage dieses armen Geistes können sie ihm zu nichts dienen. Sie werden das später, denn Gott wird ihrer gedenken.
Diese Anrufung bestätigt, was über geistige Behinderte stets gesagt wurde. Ihre äußere moralische Bedeutungslosigkeit rührt nicht von der Bedeutungslosigkeit ihres Geistes her, der, wenn man von den Organen des Körpers absieht, sich all seiner Fähigkeiten erfreut. Die Unvollkommenheit dieser Organe ist ein Hindernis für die freie Äußerung der Gedanken, aber sie vernichtet diese nicht. Das ist wie bei einem kräftigen Mann, dessen Glieder durch Fesseln zusammengehalten werden.
Belehrung eines Geistes über Menschen mit intellektuellen Einschränkungen und die Kretine
Mitteilung in der Pariser Gesellschaft
Die Kretine sind Wesen, die auf Erden für den schlechten Gebrauch, den sie von bedeutenden Fähigkeiten gemacht haben, gestraft werden. Ihre Seele ist in einem Körper gefangen, dessen ohnmächtige Organe ihren Gedanken keinen Ausdruck erlauben. Diese geistige und körperliche Stummheit ist eine der härtesten irdischen Strafen. Oft wird diese von reumütigen Geistern gewählt, die ihre Fehler wiedergutmachen wollen. Diese Prüfung ist durchaus nicht nutzlos; denn in seinem körperlichen Gefängnis steht der Geist nicht still. Diese stumpfen Augen sehen, dieses niedergedrückte Gehirn begreift, aber nichts kann, weder durch das Wort, noch durch den Blick ausgedrückt werden, und, abgesehen von der Bewegung, sind sie geistig in dem Zustand der der Lethargie oder dem Starrkrampf Verfallenen, die sehen und hören, was um sie herum vorgeht, ohne es ausdrücken zu können. Wenn ihr im Traum jene schrecklichen Alpträume habt, wo ihr einer Gefahr entfliehen wollt, wo ihr um Hilfe schreit, während eure Zunge am Gaumen und eure Füße am Boden kleben bleiben, so empfindet ihr für einen Augenblick, was der Kretin immer empfindet: Lähmung des Körpers, mit dem Leben des Geistes verbunden.
Fast alle Gebrechen haben so ihren Grund. Nichts geschieht ohne Ursache, und was ihr Ungerechtigkeit des Schicksals nennt, ist die Anwendung der höchsten Gerechtigkeit. Ebenso ist Geisteskrankheit eine Bestrafung des Missbrauchs hoher Fähigkeiten. Der Geisteskranke hat zwei Persönlichkeiten: eine, die konfuse Dinge tut, und eine, die das Bewusstsein ihrer Handlungen hat, ohne denselben eine Richtung geben zu können. Hinsichtlich der Kretine kann das beschauliche und vereinsamte Leben ihrer Seele, das nicht die Zerstreuungen des Körpers hat, ein durch die Vorkommnisse ebenso bewegt sein wie die kompliziertesten Lebensläufe. Einige lehnen sich gegen ihre freiwillige Strafe auf. Sie bedauern, diese gewählt zu haben, und empfinden einen unbändigen Wunsch, zu einem anderen Leben zurückzukehren, ein Wunsch, der sie die Entsagung für das gegenwärtige Leben vergessen lässt, ebenso den Gewissensschmerz wegen des vergangenen Lebens, der ihnen bewusst ist. Denn Kretine und Schwachsinnige wissen mehr als ihr, und unter ihrer körperlichen Ohnmacht verbirgt sich eine geistige Macht, von der ihr keine Ahnung habt. Die Handlungen der Wut oder des Schwachsinns, denen sich ihr Körper hingibt, werden von dem inneren Wesen gerichtet, das darunter leidet und sich schämt. Deshalb werden ihre Leiden durch Verspotten, Beleidigen, sogar Misshandeln von ihnen, wie man es manchmal übt, vergrößert. Denn das heißt: sie ihre Schwachheit und ihre Verworfenheit noch härter fühlen zu lassen und wenn sie könnten, würden sie diejenigen der Feigheit anklagen, die nur auf diese Weise handeln, weil sie wissen, dass ihr Opfer sich nicht verteidigen kann.
Der Kretinismus ist keines der Gesetze Gottes und die Wissenschaft kann ihn zum Verschwinden bringen. Denn Kretinismus ist das augenscheinliche Ergebnis der Unwissenheit, des Elends und der Unreinheit. Die neuen Heilmittel, die die Wissenschaft, nachdem sie immer besser geworden ist, in den Fokus aller gerückt hat, reichen aus, diese zu zerstören. Da der Fortschritt die ausdrückliche Bedingung für das Glück der Menschheit ist, so werden sich die auferlegten Prüfungen wandeln und dem Lauf der Jahrhunderte folgen. Diese werden alle geistiger Art werden, und wenn eure noch junge Erde alle Phasen ihres Daseins durchlaufen hat, wird sie ein Aufenthaltsort der Glückseligkeit werden, wie andere Planeten, die fortgeschrittener sind.
Pierre Jouty, Vater des Mediums
Bemerkung: Es gab eine Zeit, in der man das Vorhandensein der Seele bei Menschen mit intellektuellen Einschränkungen in Frage gestellt hatte und nun überlegte, ob sie in Wahrheit zur menschlichen Spezies gehörten. Ist die Art und Weise, in der der Spiritismus sie betrachten lässt, nicht von hoher Moral und großer Belehrungen? Gibt es bei dem Gedanken daran nicht Grund zu ernsten Betrachtungen, dass diese missgebildeten Körper Seelen bergen, die vielleicht in der Welt geglänzt haben, die ebenso klar und ebenso denkend wie die unsrigen sind, jedoch unter einer dichten Hülle, die deren Ausdrucksfähigkeiten erstickt, und dass es uns ebenso ergehen kann, wenn wir die Fähigkeiten missbrauchen, die uns die Vorsehung zugewiesen hat?
Wie könnte sich sonst die geistige Behinderung (der Kretinismus) erklären lassen? Wie wollte man sie in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit und der Güte Gottes bringen, ohne eine Vielzahl von Existenzen anzunehmen? Wenn die Seele nicht bereits gelebt hat, so wird sie also zu gleicher Zeit mit dem Körper erschaffen. Wie lässt sich bei dieser Hypothese die Erschaffung von Seelen, die so benachteiligt sind wie die der Menschen mit intellektuellen Einschränkungen, vonseiten eines gerechten und guten Gottes rechtfertigen? Hier nämlich handelt es sich durchaus nicht um eines jener Missgeschicke, wie z. B. der Wahnsinn, die man entweder verhindern oder heilen kann. Diese Wesen werden geboren und sterben in demselben Zustand. Da sie keinen Begriff von gut und böse haben, was ist dann ihr Schicksal in der Ewigkeit? Werden sie ebenso glücklich sein wie intelligente und fleißige Menschen? Aber weshalb dann diese Vergünstigung, da sie ja nichts Gutes getan haben? Werden sie in der sogenannten Vorhölle sein, das heißt in einem gemischten Zustand, der weder Glück, noch Unglück ist? Aber wozu diese ewige Minderwertigkeit? Ist es ihre Schuld, wenn Gott sie als Schwachsinnige erschaffen hat? Wir bezweifeln, dass alle, die die Lehre von der Reinkarnation ablehnen, aus dieser Sackgasse herausfinden. Bei der Reinkarnation hingegen wird das, was als Ungerechtigkeit erscheint, eine bewundernswerte Gerechtigkeit, was unerklärlich ist, erklärt sich auf die vernünftigste Weise.
Übrigens ist uns nicht bekannt, dass diejenigen, die diese Lehre verwerfen, sie je mit anderen Argumenten bekämpft hätten als denen, dass sie gegen eine Rückkehr zur Erde eine Abneigung haben. Darauf antwortet man ihnen: Um euch dahin zurückzuschicken, fragt euch Gott nicht um eure Erlaubnis, ebenso wenig, wie der Richter nach dem Geschmack des Verurteilten fragt, wenn er diesen ins Gefängnis schicken will. Jeder hat die Möglichkeit, nicht dahin zurückzukommen, indem er sich genug bessert, um es zu verdienen, auf eine höhere Welt zu gelangen. In jenen seligen Kreisen aber werden Egoismus und Hochmut nicht zugelassen. Man muss also daran arbeiten, dass man die moralischen Mängel ablegt, wenn man eine Stufe höher steigen will.
Man weiß, dass in bestimmten Gegenden die Menschen mit intellektuellen Einschränkungen (Kreidlinge, die mit kreidefarbigem Haar und Blödsinn), kein Gegenstand der Verachtung, sondern von wohlwollender Fürsorge umgeben sind. Sollte eine solche Einstellung nicht mit einer Intuition vom wirklichen Zustand dieser Unglücklichen zusammenhängen, die umso mehr Rücksichtnahme verdienen, je mehr ihr Geist, der seine Lage begreift, darunter leiden muss, sich als der Abschaum der Gesellschaft zu sehen?
Man erachtet es dort sogar als eine Gunst und einen Segen, eines jener Wesen unter seinen Angehörigen zu haben. Ist das reiner Aberglaube? Es ist möglich, weil sich nämlich bei den Unwissenden der Aberglaube mit den gesünderen Vorstellungen mischt, die ihnen nicht bewusst sind. In allen Fällen ist es für die Eltern eine Gelegenheit, barmherzige Liebe zu üben, die um so verdienstvoller ist, als es für sie, die im allgemeinen arm sind, eine Last ohne materiellen Ausgleich bildet. Es ist verdienstvoller, einem missgebildeten Kind liebevolle Fürsorge zuzuwenden, als jenem, dessen Eigenschaften eine Entschädigung bieten. Da nun ein vom Herzen kommendes Erbarmen eine der gottgefälligsten Tugenden ist, so bringt diese denen, die sie ausüben, immer Segen. Ist diese Gesinnung angeboren, so stimmt sie bei jenen Leuten mit folgendem Gebet überein: "Danke, oh Gott, dass Du uns zur Prüfung ein schwaches Wesen zu unterstützen und einen Betrübten zu trösten gegeben hast!"
Adelaide-Marguerite Gosse
Sie war eine demütige arme Magd aus der Normandie, nahe bei Harfleur. Im Alter von elf Jahren trat sie in den Dienst reicher Großpächter ihrer Heimat. Wenige Jahre danach nimmt eine Überschwemmung der Seine den Leuten alles Vieh mit und ertränkt es. Anderes Unglück kommt dazu, ihre Herren versinken in Not. Adelaide verbindet ihr Schicksal mit dem ihren, erstickt die Stimme des Egoismus und, nur auf ihr großmütiges Herz hörend, bringt sie diese dazu, dass sie 500 Francs von ihr annehmen, die sie erspart hatte, und fährt fort, ihnen zu dienen, ohne Lohn zu beanspruchen. Als jene dann sterben, bleibt sie der Tochter derselben ergeben, die Witwe geblieben und ohne Hilfsmittel war. Sie arbeitet in den Feldern und bringt ihren Gewinn nach Hause. Sie heiratet und, da der Tagelohn ihres Mannes zu dem ihrigen hinzukommt, unterstützen sie nunmehr zu zweit die arme Frau, die von ihr immer "ihre Herrin" genannt wird. Diese erhabene Aufopferung dauerte fast ein halbes Jahrhundert.
Die Nachahmungsgesellschaft von Rouen ließ diese so verehrungs- und bewunderungswürdige Frau nicht in Vergessenheit geraten. Man sprach ihr eine Ehrengedenkmünze und eine finanzielle Anerkennung zu. Die Freimaurerlogen des Havre schlossen sich diesem Ausdruck der Wertschätzung an und boten ihr einen kleinen Geldbetrag an, um ihr Wohlergehen zu fördern. Endlich befasste sich die Ortsverwaltung auf feinfühlige Weise mit ihrem Schicksal, ihre Empfindsamkeit schonend.
Ein Lähmungsanfall nahm in einem Augenblick und ohne Leiden zu verursachen dieses wohltätige Wesen hinweg. Die letzte Ehre wurde ihr auf einfache, aber würdevolle Weise erwiesen. Der Gemeindeschreiber der Gemeinde hatte sich an die Spitze des Trauerzuges gestellt.
(Spiritistische Gesellschaft von Paris, 27. Dezember 1861)
Anrufung: Wir bitten den allmächtigen Gott, dem Geist von Marguerite Gosse zu erlauben, dass er sich uns mitteilt.
Antwort: Ja, Gott ist so gütig, er erweist mir diese Gnade.
Frage: Wir sind erfreut darüber, Ihnen unsere Bewunderung für Ihr Verhalten bezeugen zu können, das Sie während Ihres irdischen Daseins gezeigt haben, und hoffen, Ihre Selbstverleugnung hat ihren Lohn empfangen.
Antwort: Ja, Gott ist für seine Dienerin voller Liebe und Erbarmen gewesen. Was ich getan habe und ihr gut findet, war ganz selbstverständlich.
Frage: Könnten Sie uns zu unserer Belehrung wohl sagen, was die Ursache der so bescheidenen Lage gewesen ist, die Sie auf Erden hingenommen haben?
Antwort: In zwei aufeinanderfolgenden Inkarnationen hatte ich eine ziemlich hohe Stellung eingenommen. Das Gute zu tun fiel mir leicht. Ich tat es, ohne dass es mich ein Opfer kostete, weil ich reich war. Ich fand, dass ich langsam voranschritt. Darum hatte ich Verlangen danach, zurückzukommen und zwar in eine tieferstehende Lebenslage, in der ich selbst mit Entbehrungen zu kämpfen haben würde, und ich hatte mich lange Zeit darauf vorbereitet. Gott hat meinen Mut aufrechterhalten und ich habe an das Ziel gelangen können, das ich mir gesetzt hatte, Dank der spirituellen Hilfe, die mir Gott geschenkt hat.
Frage: Haben Sie Ihre ehemaligen Herren wiedergesehen? Sagen Sie uns bitte, wie Ihre Stellung jenen gegenüber ist und ob Sie sich immer als deren Untergebene betrachten.
Antwort: Ja, ich habe sie wiedergesehen. Sie waren bei meiner Ankunft in dieser Welt. Ich will euch in aller Demut sagen, dass sie mich als eine weit über ihnen Stehende betrachteten.
Frage: Hatten Sie einen besonderen Beweggrund dafür, ihnen mehr als Anderen anhänglich zu sein?
Antwort: Keinen zwingenden Grund. Ich würde mein Ziel auch sonstwie erreicht haben. Ich habe sie gewählt, um gegen sie eine Dankesschuld abzutragen. Einst waren sie mir gegenüber gütig gewesen und hatten mir Dienste geleistet.
Frage: Was wird Ihrem Gefühl nach Ihre Zukunft sein?
Antwort: Ich hoffe, wieder in einer Welt inkarniert zu werden, wo der Schmerz unbekannt ist. Vielleicht werdet ihr mich recht anspruchsvoll finden. Aber ich antworte euch mit all der Lebendigkeit meines Geistes. Übrigens lasse ich es da auf den Willen Gottes ankommen.
Frage: Wir danken Ihnen, dass Sie unserer Anrufung gefolgt sind und zweifeln nicht daran, dass Gott Sie mit Seiner Güte überhäuft.
Antwort: Habt Dank! Möge Gott euch segnen und euch alle nach dem Tod die so reinen Freuden empfinden lassen, die man mich hat widerfahren lassen!
Claire Rivier
Claire Rivier war ein junges Mädchen von zehn Jahren, das einer Bauernfamilie in einem Dorf im südlichen Frankreich angehörte. Sie war seit vier Jahren vollständig gebrechlich. Während ihres Lebens hat sie niemals eine einzige Klage hören lassen, noch ein einziges Zeichen von Ungeduld gegeben. Obwohl sie keinen Unterricht genossen hatte, tröstete sie ihre betrübten Angehörigen, indem sie diese über das zukünftige Leben und über das Glück, das sie dort finden sollte, unterhielt. Sie starb im September 1862 nach vier Tagen der Qualen und Krämpfe, während derer sie nicht aufhörte, zu Gott zu beten. "Ich fürchte den Tod nicht", sagte sie, "da ja ein glückliches Leben für mich vorgesehen ist". Zu ihrem Vater, der weinte, sprach sie: "Tröste dich, ich werde wiederkommen und dich besuchen. Meine Stunde ist nahe, ich fühle es. Aber wenn sie kommen wird, werde ich es wissen und dich im Voraus benachrichtigen." Wirklich, als der verhängnisvolle Augenblick gekommen war, rief sie alle ihre Angehörigen herbei und sprach: "Ich habe nur noch fünf Minuten zu leben. Gebt mir eure Hände!" Und sie verstarb, wie sie es angekündigt hatte.
Ab dieser Zeit ist ein Klopfgeist gekommen und besucht das Haus der Eheleute Rivier, wo er alles drunter und drüber wirft. Er schlägt auf den Tisch, als hätte er eine Keule. Er bewegt die Tuchbehänge und die Fenstervorhänge und verrückt das Tischgeschirr. Dieser Geist erscheint in der Gestalt von Claire ihrer jungen Schwester, einem erst fünfjährigen Mädchen. Nach den Äußerungen dieses Kindes hat ihre Schwester oft zu ihr gesprochen, und diese Erscheinungen bringen sie oft dazu, dass sie Freudenschreie ausstößt und sagt: "Aber seht doch, wie hübsch Claire ist!"
Anrufung von Claire Rivier.
Antwort: Ich bin bei Ihnen und bereit, zu antworten.
Frage: Woher kamen Ihnen, obwohl Sie so jung waren und ohne Unterricht geblieben waren, die hohen Gedanken, die Sie über das künftige Leben äußerten, ehe Sie starben?
Antwort: Von der kurzen Zeit, die ich auf eurem Planeten zu verbringen hatte, und einer vorausgegangenen Inkarnation. Ich war Medium, als ich die Erde verließ, und war Medium, als ich unter euch zurückkam. Es war eine Vorherbestimmung. Ich fühlte und sah, was ich sagte.
Frage: Wie kommt es, dass ein Kind in Ihrem Alter vier Leidensjahre hindurch keine Klage ausgestoßen hat?
Antwort: Dadurch, dass das körperliche Leiden von einer größeren Gewalt beherrscht war, nämlich der meines Schutzengels, den ich ständig neben mir sah. Er wusste alles, was ich empfinden musste, leichter zu machen. Er bewirkte, dass mein Wille stärker war als der Schmerz.
Frage: Wie sind Sie von dem Augenblick Ihres Todes vorher benachrichtigt worden?
Antwort: Mein Schutzengel sagte ihn mir. Er hat mich nie getäuscht.
Frage: Sie hatten zu Ihrem Vater gesagt: "Tröste dich, ich will wiederkommen und dich besuchen." Wie kommt es nun, dass Sie, von so guten Gefühlen für Ihre Eltern erfüllt, nach dem Tode kamen, um diese zu quälen, indem Sie Lärm in ihrem Haus machten?
Antwort: Ich habe da allerdings eine Prüfung oder vielmehr eine Sendung zu erfüllen. Wenn ich komme, meine Eltern wiederzusehen, glauben Sie, das habe keinen Grund? Diese Geräusche, diese Unruhe, diese durch meine Gegenwart herbeigeführten Streitereien sind eine Benachrichtigung. Ich werde von anderen Geistern unterstützt, deren Störungen eine Wichtigkeit hat, wie ich die meinige habe, wenn ich meiner Schwester erscheine. Dank uns werden viele Überzeugungen aufkeimen. Meine Eltern hatten eine Prüfung zu bestehen. Diese wird bald aufhören, aber erst, nachdem sie in einer Menge von Geistern die Überzeugung bewirkt haben.
Frage: Also sind es nicht Sie selbst, die jene Verwirrung verursachen?
Antwort: Andere Geister helfen mir dabei, die zu der meinen lieben Eltern vorbehaltenen Prüfung dienen.
Frage: Wie kommt es, dass Ihre Schwester Sie wiedererkannt hat, wenn doch nicht Sie es waren, die diese Kundgebungen hervorbrachten?
Antwort: Meine Schwester hat nur mich gesehen. Sie besitzt jetzt "das zweite Gesicht'', und es ist nicht das letzte Mal, dass meine Gegenwart dazu dienen soll, sie zu trösten und zu ermutigen.
Frage: Warum sind Sie als ein so junges Wesen mit so vielen Gebrechlichkeiten behaftet gewesen?
Antwort: Ich hatte frühere Fehltritte zu sühnen, hatte Missbrauch mit der Gesundheit und der glänzenden Stellung geübt, deren ich mich in meiner vorausgehenden Inkarnation erfreute. Da hat Gott zu mir gesprochen: "Du hast in großem, grenzenlosen Maße genossen, ebenso sollst du nun leiden. Du warst hochmütig, du sollst nun demütig sein. Du warst stolz auf deine Schönheit und sollst nun eine Gebrochene sein. Anstelle der Eitelkeit sollst du dich nun bemühen, barmherzige Liebe und Güte zu erlangen.” Ich habe nach dem Willen Gottes gehandelt und mein Schutzengel hat mir beigestanden.
Frage: Möchten Sie Ihren Eltern etwas ausrichten lassen?
Antwort: Auf die Bitte eines Mediums haben meine Eltern viel Wohltätigkeit geübt. Sie haben Recht gehabt, nicht immer mit den Lippen zu beten: man muss es mit der Hand und mit dem Herzen tun. Denen geben, die leiden, dies heißt beten, heißt ein Spiritist zu sein.
Gott hat allen Seelen freie Entscheidung gegeben, d. h. die Fähigkeit, fortzuschreiten. Allen gab er dieselbe Sehnsucht und darum eben berührt das grobe Wollkleid in größerer Nähe das mit Gold durchwirkte Kleid, wie man allgemein denkt. Nähert denn auch wieder die voneinander entfernten Enden durch barmherzige Liebe, führt den Armen in euer Haus, ermutigt ihn, erhebt ihn wieder, demütigt ihn nicht! Wenn man dieses große Gesetz des Gewissen überall zu betätigen wüsste, so würde man nach bestimmten Zeiträumen nicht jene Zustände großen Elends haben, die die gesitteten Völker entehren und die Gott schickt, um dieselben zu strafen und ihnen die Augen zu öffnen.
Liebe Eltern, bittet Gott, liebt einander, übt das Gesetz Christi aus: nicht Andern zu tun, was ihr nicht wünscht, dass es euch getan wird! Fleht zu Gott, der euch prüft, indem er euch zeigt, dass Sein Wille heilig und groß ist, wie Er selbst. Wisst in Voraussicht der Zukunft euch mit Mut und Ausdauer zu wappnen! Denn ihr seid noch berufen, zu leiden. Man muss sich eine gute Lage in einer besseren Welt zu verdienen wissen, in der das Begreifen der göttlichen Gerechtigkeit die Bestrafung der schlechten Geister wird.
Ich werde euch immer nahe sein, liebe Eltern. Lebt wohl! Oder vielmehr: auf Wiedersehen! Habt Gottergebenheit, Erbarmen, Nächstenliebe, und ihr werdet eines Tages glücklich sein.
Claire
Dies ist ein schöner Gedanke: "Das grobe Wollkleid berührt näher als man glaubt das mit Gold durchwirkte Kleid." Das ist eine Anspielung auf Geister, die, von einem Lebenslauf zum anderen hin, von einer glänzenden Stellung zu einer bescheidenen oder elenden übergehen. Denn oft büßen sie in einer tiefstehenden Umgebung den Missbrauch, den sie mit den Gaben, die ihnen Gott gewährt hatte, getrieben haben. Das ist eine Gerechtigkeit, die von jedermann begriffen wird.
Ein anderer, nicht minder tiefgreifender Gedanke ist der, der die Notlagen der Völker der Übertretung des Gesetzes Gottes zuschreibt. Denn Gott züchtigt die Völker, wie Er die Einzelnen züchtigt. Es ist gewiss, dass, wenn dieselben das Gesetz der barmherzigen Liebe ausüben, es weder Kriege, noch großes Elend geben würde. Die Spiritistische Lehre führt eben zur Ausübung jenes Gesetzes hin. Sollte diese denn wohl deshalb so erbitterten Feinden begegnen? Sind die Worte dieses jungen Mädchens an seine Eltern die eines Lügengeistes?
Françoise Vernhes
Von Geburt an blind, Tochter eines Pächters aus der Gegend von Toulouse, gestorben 1855, im Alter von 45 Jahren. Sie beschäftigte sich ständig damit, die Kinder im Katechismus zu unterrichten, um sie zur Erstkommunion vorzubereiten. Als das Unterrichtsbuch geändert worden war, fand sie keine Schwierigkeit dabei, ihnen das neue beizubringen, denn sie kannte alle beide auswendig. An einem Winterabend kehrte sie mit ihrer Tante von einem Ausflug von mehreren Stunden zurück. Dabei musste man auf üblen und schmutzigen Wegen durch einen Wald wandern, und die beiden Frauen mussten mit Vorsicht am Rand der Gräben entlanggehen. Die Tante wollte ihr behilflich sein und sie an der Hand führen, aber sie erwiderte ihr: "Bemühen Sie sich nicht um mich! Ich laufe keine Gefahr, zu fallen. Ich sehe auf meiner Schulter ein Licht, das mich leitet. Folgen Sie mir! Ich bin es, die Sie führen will." So kamen sie ohne Unfall nach Hause, indem diejenige, die ihre Augen benutzen konnte, von der Blinden geführt wurde.
Anrufung in Paris im Mai 1865
Frage: Hätten Sie wohl die Güte, uns eine Erklärung von dem Licht zu geben, das Sie in jener dunklen Nacht führte und nur für Sie sichtbar war?
Antwort: Wie? Leute, die wie ihr in ständiger Beziehung zu den Geistern stehen, brauchen eine Erklärung für eine derartige Tatsache? Es war mein Schutzengel, der mich führte!
Frage: Das war wohl unsere Meinung, aber wir wünschten sie bestätigt zu haben. Hatten Sie zu jenem Zeitpunkt Kenntnis davon, dass es Ihr Schutzengel war, der Ihnen als Führer diente?
Antwort: Nein, ich gebe das zu. Doch glaubte ich an einen himmlischen Schutz. Ich hatte unseren guten und gnädigen Gott so lange gebeten, sich meiner zu erbarmen! ... und es ist so hart, blind zu sein! ... Ja, das ist recht hart! Aber ich erkenne auch wieder die darin liegende Gerechtigkeit. Diejenigen, die mit den Augen sündigen, müssen durch die Augen gestraft werden, und so ist es mit allen Fähigkeiten, mit denen die Menschen begabt sind, und diese missbrauchen. Sucht also bei den zahllosen Unglücksfällen, die die Menschheit treffen, nach keiner anderen Ursache als der für dieselbe so naheliegenden: der Sühne, Sühne, die nur dann verdienstvoll ist, wenn sie mit Ergebung hingenommen wird und die damit versüßt werden kann, dass man durch das Gebet die geistigen Einflüsse anzieht, die die Schuldigen vor dem menschlichen Strafgericht schützen und Hoffnung und Trost in die betrübten Herzen der Leidenden gießen.
Frage: Sie hatten sich der Unterrichtung armer Kinder im Glauben gewidmet. Ist es Ihnen schwergefallen, die für die Einprägung des Unterrichtsbuchs nötigen Kenntnisse zu erwerben, das Sie trotz Ihrer Blindheit auswendig konnten, und obwohl es geändert worden war?
Antwort: Die Blinden haben allgemein die anderen Sinne zweifach, wenn ich mich so ausdrücken darf. Die Beobachtung ist nicht eine von den geringsten Fähigkeiten ihrer Natur. Ihr Gedächtnis ist wie ein Kästchen, worin alle Belehrungen, für die sie Neigung und Begabung haben, geordnet aufbewahrt werden, um niemals daraus zu verschwinden. Nichts Äußerliches kann diese Fähigkeit trüben, und hieraus ergibt sich, dass diese durch Erziehung und Ausbildung in bemerkenswerter Weise entwickelt werden kann. Das war bei mir nicht der Fall, denn ich hatte gar keine Ausbildung genossen. Umso mehr danke ich Gott dafür, dass er mir ermöglicht hat, das Empfangene hinreichend zu wissen, dass ich meine Aufgabe, mich diesen jungen Kindern zu widmen, erfüllen konnte. Es war gleichzeitig eine Wiedergutmachung für das schlechte Beispiel, das ich ihnen in meiner vorhergehenden Existenz gegeben hatte. Alles ist für Spiritisten ein ernster Gegenstand der Beobachtung. Sie müssen sich nur umschauen, und das wäre ihnen nützlicher, als sich durch die scheinwissenschaftlichen Spitzfindigkeiten gewisser Geister irreleiten zu lassen, die sich über sie lustig machen, indem sie ihrem Hochmut durch großartige, aber sinnlose Redensarten schmeicheln.
Frage: Ihrer Ausdrucksweise nach halten wir Sie für geistig fortgeschritten und glauben, dass Ihre Lebensführung auf Erden ein Beweis Ihres moralischen Fortschritts ist.
Antwort: Ich muss noch sehr viel dazu lernen. Aber es gibt viele auf Erden, die als unwissend gelten, weil ihr Verstand durch die Sühne verschleiert ist. Beim Tod aber fallen diese Schleier, und solch arme Unwissende sind häufig gebildeter als jene, deren Geringschätzung sie traf. Glaubt mir, der Hochmut ist der Prüfstein, durch den man die Menschen erkennen kann. Alle, deren Herz der Schmeichelei zugänglich ist oder die ein zu großes Vertrauen auf ihr Wissen haben, sind auf üblem Weg. In der Regel sind sie nicht aufrichtig. Misstraut ihnen! Seid demütig wie Christus und tragt wie er euer Kreuz mit Liebe, damit ihr Zutritt habt zum Königreich der Himmel!
Françoise Vernhes.
Vom Verlust eines vergötterten Kindes getroffen zu werden, ist ein nagender Kummer. Aber ein einziges Kind, das die schönsten Hoffnungen weckte, auf das man seine alleinige Zuneigung richtete, vor seinen Augen umkommen, ohne Leiden und aus unbekannter Ursache dahinsiechen zu sehen, das ist eine jener Seltsamkeiten im Lauf der Dinge, die dem Scharfsinn der Wissenschaft Rätsel aufgeben. Und nachdem man vergeblich alle Hilfsquellen der Kunst ausgeschöpft und die Gewissheit erlangt hat, dass keine Hoffnung mehr vorhanden ist, diese Angst nun Tag für Tag durch lange Jahre hindurch zu ertragen, ohne dass ein Ende abzusehen ist, das ist eine harte Strafe, die durch Reichtümer vermehrt wird, weit davon entfernt, gemildert zu werden. Denn man hat die Hoffnung ein geliebtes Wesen dieselben genießen zu sehen.
So war die Lage des Vaters von Anna Bitter. Auch hatte düstere Verzweiflung seine Seele ergriffen und sein Wesen verbitterte immer mehr beim Anblick jenes herzzerreißenden Schauspiels, dessen Ausgang nur verhängnisvoll sein konnte, wenn auch unbestimmt. Ein Freund des Hauses, eingeweiht in die Spiritistische Lehre, glaubte, seinen Schutzgeist hierüber fragen zu sollen, und erhielt von diesem folgende Antwort:
"Ich werde dir gerne die Erklärung der seltsamen Erscheinung geben, die du vor Augen hast, weil ich weiß, dass du nicht aus vorwitziger Neugierde darum bittest, sondern aus Anteil, den du an diesem armen Kind nimmst, und weil für dich, der an die Gerechtigkeit Gottes glaubt, eine gewinnbringende Lehre daraus hervorgehen wird. Diejenigen, die der Herr schlagen will, sollen ihren Nacken beugen und nicht über ihn lästern und sich empören. Denn Er schlägt niemals ohne Ursache. Das arme junge Mädchen, dessen Todesurteil der Allmächtige aufgeschoben hatte, soll bald in unsere Mitte zurückkehren. Denn Gott hat Erbarmen mit ihm gehabt und ihr Vater, der unter den Menschen Unglückliche, soll in der alleinigen Zuneigung seines Lebens getroffen werden, weil er mit dem Herzen und dem Vertrauen derer gespielt hat, die ihn umgeben. Einen Augenblick hat seine Reue den Höchsten gerührt, und der Tod hat sein Schwert über dieses teure Haupt gehängt, aber die Empörung ist zurückgekehrt, und der Empörung folgt allezeit die Strafe. Glücklich seid ihr, wenn eure Strafe auf dieser Erde geschieht! Betet Freunde, für dieses arme Kind, dessen Jugend die letzten Augenblicke schwer machen wird. In diesem jungen Wesen ist der Saft so überreichlich, trotz seinem Zustand des Hinwelkens, dass die Seele sich nur mit Mühe davon losmachen wird. Oh, betet! Später wird sie euch beistehen und euch auch trösten. Denn ihr Geist steht höher als die Geister derer, die sie umgeben.”
"Infolge einer besonderen Erlaubnis des Herrn habe ich auf das antworten können, worum du mich gefragt hast, weil dieser Geist Hilfe erhalten muss, damit die Loslösung für ihn leichter wird."
Der Vater starb, nachdem er die Leere der Vereinsamung, die der Verlust seines Kindes mit sich führte, hatte fühlen müssen.
Die Tochter: Haben Sie Dank, mein Freund, dass Sie mit dem armen Kind Mitleid hatten und dem Rat Ihres guten Führers gefolgt sind! Oh, dank euren Gebeten habe ich leichter meine irdische Hülle verlassen können. Denn mein Vater, ach! der betete nicht: er fluchte. Ich bin ihm darüber nicht böse. Es geschah infolge seiner großen zärtlichen Liebe für mich. Ich bitte Gott, Er möge ihm die Gnade schenken, vor seinem Tod aufgeklärt zu werden. Ich treibe ihn an, ich ermutige ihn. Es ist eine Aufgabe für mich, seine letzten Augenblicke zu versüßen. Manchmal scheint ein Strahl göttlichen Lichtes bis zu ihm zu dringen. Aber das ist nur ein vorübergehender Blitz, und er fällt bald in seine alten Gedanken zurück. Es ist in ihm nur ein durch irdische Interessen erstickter Glaubenskeim vorhanden, den nur neue, schrecklichere Prüfungen entwickeln können werden, zumindest fürchte ich das sehr. Was mich betrifft, so hatte ich mich nur dem letzten Teil einer Sühne zu unterziehen. Darum ist sie weder sehr schmerzhaft, noch sehr schwierig gewesen. In meiner ungewöhnlichen Krankheit habe ich nicht zu leiden gehabt. Vielmehr war ich ein Werkzeug der Prüfung zugunsten meines Vaters. Denn er litt mehr darunter, mich in diesem Zustand zu sehen, als ich selbst. Ich war gottergeben und er war es nicht. Nun werde ich dafür belohnt. Gott hat mir die Gnade gewährt, meinen Aufenthalt auf der Erde abzukürzen, und ich danke Ihm dafür. Ich fühle mich beglückt inmitten der guten Geister, die um mich sind. Wir alle gehen mit Freuden unseren Beschäftigungen nach, denn Untätigkeit wäre eine schwere Strafe.
(Der Vater, ungefähr einen Monat nach seinem Tode.) Unser Zweck, wenn wir Sie rufen, ist der, uns nach der Lage zu erkundigen, in der Sie sich in der geistigen Welt befinden, um Ihnen nützlich zu sein, sofern es in unserer Macht steht.
Antwort: Die geistige Welt! Ich sehe gar nichts davon. Ich sehe nur die Menschen, die ich gekannt habe und von denen keiner an mich denkt oder mich gar zurückwünscht. Dieselben scheinen im Gegenteil recht zufrieden zu sein, dass sie mich los sind.
Frage: Haben Sie wohl Klarheit über Ihre Lage?
Antwort: Vollkommen. Eine Zeit lang glaubte ich noch auf eurer Welt zu sein, aber jetzt weiß ich sehr wohl, dass ich es nicht mehr bin.
Frage: Wie kommt es da, dass Sie keine anderen Geister um sich sehen?
Antwort: Das weiß ich nicht, es ist doch alles hell rings um mich her. Frage: Haben Sie Ihre Tochter nicht wieder gesehen? Antwort: Nein, sie ist tot. Ich suche sie, rufe sie vergeblich. Welche entsetzliche Leere hat mir ihr Tod auf der Erde hinterlassen! Beim Sterben sagte ich mir, ich würde sie ohne Zweifel wiederfinden, aber nichts! Immer Einsamkeit rings um mich her! Niemand, der ein Wort des Trostes und der Hoffnung an mich richtet. Lebt wohl! Ich gehe mein Kind suchen.
Der Führer des Mediums: Dieser Mann war weder ein Atheist noch Materialist, aber er gehörte zu denen mit einem schwankenden Glauben, ohne sich viel mit Gott oder der Zukunft zu beschäftigen, sondern in die Interessen der Erde vertieft sind. In hohem Maße selbstsüchtig, hätte er ohne Zweifel alles geopfert, um seine Tochter zu retten, aber er hätte auch ohne Bedenken alle Anliegen Anderer seinem egoistischen Vorteil geopfert. Außer zu seiner Tochter empfand er zu niemandem Zuneigung. Gott hat ihn dafür gestraft, wie ihr wisst. Er hat ihm seinen einzigen Trost auf Erden genommen, und da der Mann nicht bereut hat, so wird sie ihm gleicherweise in der anderen Welt entzogen. Er erwärmte sich für niemanden auf der Erde, niemand erwärmt sich hier für ihn. Er ist allein, verlassen, das ist seine Bestrafung. Seine Tochter ist indessen bei ihm, aber er sieht sie nicht. Sähe er sie, so wäre er nicht bestraft. Was tut er? Wendet er sich zu Gott? Bereut er? Nein, er murrt immer. Er lästert sogar. Er tut, mit einem Wort, was er auf Erden tat. Helft ihm, durch Gebet und gute Ratschläge, aus seiner Verblendung herauszukommen!
Ein Blinder.
Joseph Maître gehörte der mittleren Klasse der Gesellschaft an. Er genoss einen bescheidenen Wohlstand, der ihn vor Not schützte. Seine Eltern hatten ihm eine gute Erziehung geben lassen und bestimmten ihn zum Erwerbsleben, aber im Alter von zwanzig Jahren wurde er blind. Er starb im Jahre 1845, um sein 50. Lebensjahr. Ein zweites Gebrechen befiel ihn, ungefähr zehn Jahre vor seinem Tod war er vollständig taub geworden, sodass er nun seine Beziehungen mit den Lebenden nur durch Betasten pflegen konnte. Nicht mehr zu sehen, war schon recht schmerzlich. Aber nicht mehr zu hören, war eine harte Strafe für den, der, nachdem er sich all seiner Fähigkeiten erfreut hatte, umso mehr die Wirkungen dieser zweifachen Beraubung empfinden sollte. Was hatte ihm wohl dieses traurige Los zuziehen können? Es war nicht seine letzte Existenz, denn seine Führung war immer vorbildlich gewesen. Er war ein guter Sohn, von mildem und wohlwollendem Charakter, und als er sich auch noch des Gehörs beraubt sah, nahm er diese neue Prüfung mit Resignation hin, und nie hörte man ihn eine Klage murmeln. Seine Reden bekundeten völlige Geistesklarheit und einen ungewöhnlichen Verstand. Jemand, der ihn gekannt hatte, setzte voraus, man werde aus einer Unterhaltung mit seinem Geist, wenn man ihn rufe, nützliche Lehren ziehen können, und empfing von ihm folgende Mitteilung als Antwort auf die Fragen, die an ihn gerichtet wurden.
(Paris, 1863.)
Liebe Freunde, ich danke euch, dass ihr euch an mich erinnert habt, obwohl ihr vielleicht nicht daran gedacht haben würdet, wenn ihr nicht gehofft hättet, aus meiner Mitteilung einigen Nutzen zu ziehen. Ich weiß jedoch, dass euch ein ernsterer Beweggrund treibt. Darum füge ich mich mit Freuden eurem Ruf. Man ist ja so gütig, es mir zu gestatten, und es beglückt mich, eurer Belehrung dienen zu können. Möge mein Beispiel den so zahlreichen Beweisen, die euch von den Geistern gegeben werden, für die Gerechtigkeit Gottes, nun einen neuen hinzufügen.
Ihr habt mich als einen Blinden und Tauben gekannt und habt euch gefragt, was ich getan hätte, um ein derartiges Los zu verdienen. Ich will es euch sagen. Wisst zunächst: dies ist das zweite Mal, dass ich des Augenlichts beraubt worden bin. In meiner vorausgegangenen Existenz, die am Anfang des vorigen Jahrhunderts stattfand, wurde ich blind im Alter von dreißig Jahren, infolge von Ausschreitungen jeder Art, die meine Gesundheit zu Grunde gerichtet und meine Sinneswerkzeuge geschwächt hatten. Dies war schon eine Bestrafung dafür, dass ich die Gaben missbrauchte, die ich von der Vorsehung empfangen hatte, denn ich war reich begabt. Anstatt jedoch anzuerkennen, dass ich die erste Ursache meiner Gebrechen war, klagte ich dieselbe Vorsehung darüber an, an die ich übrigens wenig glaubte. Ich habe Lästerungen gegen Gott ausgestoßen, habe Ihn geleugnet, Ihn angeklagt, indem ich sagte, wenn Er da sei, müsse Er ungerecht und böse sein, da Er ja Seine Geschöpfe so leiden lasse. Ich hätte mich im Gegenteil glücklich schätzen sollen, dass ich nicht, wie so viele andere elende Blinde, genötigt war, mein Brot zu erbetteln. Aber nein! Ich dachte nur an mich und an die mir auferlegte Entbehrung von Genüssen. Unter der Herrschaft dieser Gedanken und meines Mangels an Glauben war ich mürrisch, anspruchsvoll, mit einem Wort unleidlich geworden für die, die um mich waren. Das Leben war von da an ohne Sinn für mich. Ich dachte nicht an die Zukunft, die ich vielmehr für ein Traumbild ansah. Nachdem ich erfolglos alle Hilfsquellen der Wissenschaft erschöpft hatte und sah, dass meine Heilung unmöglich war, beschloss ich, der Sache früher ein Ende zu machen und ermordete mich.
Bei meinem Wiedererwachen war ich, ach! in dieselbe Finsternis gebettet wie während meines Lebens. Es dauerte jedoch nicht lange, bis ich erkannte, dass ich nicht mehr der Körperwelt angehörte, sondern ein blinder Geist war. Das Leben im Jenseits war also eine Wirklichkeit! Vergeblich versuchte ich, es mir zu nehmen, um mich ins Nichts zu versenken. Ich stieß ins Leere. Wenn dieses Leben ewig sein sollte, wie ich es hatte sagen hören, so würde ich also die Ewigkeit hindurch in dieser Lage sein? Der Gedanke war schrecklich. Ich musste nicht leiden. Euch aber die Qualen und Ängste meines Geistes zu beschreiben, wäre etwas Unmögliches. Wie lange das gedauert hat? Ich weiß es nicht, aber wie lang erschien mir diese Zeit!
Erschöpft und ermattet kam ich endlich wieder zu mir selbst. Ich begriff, dass eine höhere Macht schwer auf mir lastete. Ich sagte mir, wenn diese Macht mich niederdrücken könne, so könne sie mich auch aufrichten, und ich flehte um ihr Erbarmen. In dem Maße, wie ich betete und wie mein Eifer sich verstärkte, hörte ich etwas zu mir sagen, diese grauenvolle Lage werde ein Ende haben. Endlich wurde es Licht. Mein Entzücken stieg aufs Höchste, als ich aus der Ferne die Herrlichkeiten des Himmels wahrnahm und die Geister unterscheiden konnte, die mich unter wohlwollendem Lächeln umringten, und jene, die strahlend im Raum dahinschwebten. Ich wollte ihren Spuren folgen, aber eine unsichtbare Kraft hielt mich zurück. Da sprach einer von ihnen zu mir: "Gott, Den du geleugnet hast, hat dir deine Bekehrung zu Ihm angerechnet und uns erlaubt, dir das Licht wiederzuschenken. Du aber hast nur dem Zwang und der Ermüdung nachgegeben. Wenn du von nun an an dem Glück teilhaben willst, das man hier genießt, so musst du beweisen, dass deine Reue und deine guten Gesinnungen aufrichtig sind, indem du deine irdische Prüfung von neuem antrittst, unter Bedingungen, bei denen du der Gefahr ausgesetzt bist, in dieselben Fehler zurückzufallen. Denn diese neue Prüfung wird noch härter sein als die erste." Ich nahm sie bereitwillig an und fasste den festen Vorsatz, nicht zu straucheln.
Ich bin also auf die Erde zurückgekehrt und habe jene Existenz angetreten, die ihr kennt. Es fiel mir nicht schwer, gut zu sein, denn böse war ich von Haus aus nicht. Ich hatte mich gegen Gott aufgelehnt, und Gott hatte mich bestraft. Ich kam dorthin zurück mit dem angeborenen Glauben an Ihn. Aus diesem Grund murrte ich nicht mehr gegen Ihn und nahm mein zweifaches Gebrechen mit Ergebung und als eine Sühne hin, die ihre Quelle in der allerhöchsten Gerechtigkeit haben musste. Die Vereinsamung, in der ich mich in den letzten Lebensjahren befunden habe, hatte nichts Hoffnungsloses, da ich Glauben an die Zukunft und an Gottes Barmherzigkeit besaß. Sie ist mir sehr nützlich gewesen, denn während dieser langen Nacht, in der alles Schweigen war, schwang sich meine nun freiere Seele zum Ewigen auf und nahm den Unendlichen im Gedanken von Ferne wahr. Als das Ende meiner Verbannung kam, da hat die Geisterwelt für mich nur Glanz und unaussprechliche Freuden gehabt.
Ein Vergleich mit der Vergangenheit lässt mich meine Lage als verhältnismäßig sehr glücklich sehen, und ich sage Gott Dank dafür. Wenn ich jedoch vorwärts blicke, so sehe ich, wie weit entfernt ich noch vom vollkommenen Glück bin. Ich habe gesühnt, nun muss ich wiedergutmachen. Meine letzte Existenz ist lediglich für mich selbst gewinnbringend gewesen. Ich hoffe, bald wieder eine neue zu beginnen, in der ich anderen nützlich sein kann. Das wird die Wiedergutmachung für meine vorhergehende Nutzlosigkeit sein. Erst dann werde ich auf der gepriesenen Bahn fortschreiten, die allen Geistern geöffnet ist, die guten Willens sind.
Da habt ihr meine Geschichte, Freunde! Wenn mein Beispiel etliche meiner inkarnierten Brüder aufklären und sie vor dem Morast bewahren kann, in den ich gesunken bin, so habe ich begonnen, meine Schuld abzutragen.
Joseph.