Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit

Allan Kardec

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Kapitel V - Selbstmorde

Der Selbstmörder im Samariterhaus

Am 7. April 1858 gegen sieben Uhr abends stellte sich ein etwa 50-jähriger Mann, anständig gekleidet, im “Samariterhaus” in Paris vor und ließ sich ein Bad bereiten. Der Bademeister wunderte sich, dass er diesen Menschen nach zwei Stunden noch immer nicht rufen hörte. Er entschloss sich, in sein Zimmer zu gehen, um nachzuschauen, ob es ihm gut geht. Dort bot sich ihm ein hässlicher Anblick. Der Unglückliche hatte sich mit einem Rasiermesser die Kehle durchgeschnitten, und sein ganzes Blut hatte sich mit dem Wasser der Badewanne vermischt. Da seine Identität nicht festgestellt werden konnte, brachte man den Leichnam ins Leichenhaus.

Der Geist dieses Mannes wurde sechs Tage nach seinem Tod in der Pariser Gesellschaft für spiritistische Studien gerufen, und er gab folgende Antworten:

Anrufung:

Antwort vom Führer des Mediums: Warte ... er ist da!

Frage an das Geistwesen: Wo sind Sie jetzt?

Antwort: Ich weiß nicht ... Sagt mir, wo ich bin.

Frage: Sie sind in einer Versammlung von Personen, die sich mit Forschungen über Geistwesen befassen und Ihnen wohlgesonnen sind.

Antwort: Sagt mir, ob ich lebe ... Ich ersticke im Sarg.

Bemerkung: Obwohl seine Seele vom Körper getrennt ist, ist sie noch vollständig in das eingetaucht, was man den Strudel der körperlichen Materie nennen könnte. Die irdischen Vorstellungen sind noch lebendig, er hält sich nicht für tot.

Frage: Wer hat Sie dazu bewogen, zu uns zu kommen?

Antwort: Ich habe mich erleichtert gefühlt.

Frage: Was hat Sie dazu gebracht, sich umzubringen?

Antwort: Bin ich tot? ... Nein ... Ich bewohne meinen Körper ... Ihr wisst nicht, wie sehr ich leide! Ich ersticke … Möge eine mitfühlende Hand versuchen, meinem Leben ein Ende zu setzen!

Frage: Warum haben Sie uns keine Spur hinterlassen, die uns in die Lage versetzen könnte, Sie wiederzuerkennen?

Antwort: Ich bin ganz verlassen. Ich bin dem Leiden entflohen, um die Folter vorzufinden.

Frage: Haben Sie jetzt dieselben Gründe, unerkannt bleiben zu wollen?

Antwort: Ja, steckt nicht ein glühendes Eisen in die blutende Wunde!

Frage: Würden Sie uns wohl Ihren Namen, Ihr Alter, Ihren Beruf, Ihren Wohnort nennen?

Antwort: Nein … Auf alles nein!

Frage: Hatten Sie Angehörige, eine Frau, Kinder?

Antwort: Ich war ganz verlassen, niemand liebte mich.

Frage: Was hatten Sie getan, dass Sie von niemandem geliebt wurden?

Antwort: Wie vielen geht es wie mir! … Ein Mensch kann sich inmitten seiner Angehörigen verlassen fühlen, wenn kein Herz ihn liebt.

Frage: Haben Sie in dem Augenblick, als Sie Selbstmord begingen, keine Bedenken gehabt?

Antwort: Ich sehnte mich nach dem Tod ... Ich sehnte mich nach Ruhe.

Frage: Wie kommt es, dass Sie der Gedanke an die Zukunft nicht davon abhielt, auf Ihr Vorhaben zu verzichten?

Antwort: Ich glaubte nicht mehr daran, ich war ohne Hoffnung. Die Zukunft, sie ist die Hoffnung.

Frage: Welche Überlegungen haben Sie angestellt, als Sie fühlten, dass das Leben in Ihnen erlöscht?

Antwort: Ich habe nicht nachgedacht, empfunden habe ich … Aber mein Leben ist nicht erloschen … Meine Seele ist an meinen Körper gebunden … Ich fühle die Würmer, die an mir nagen.

Frage: Was haben Sie in dem Moment empfunden, als der Tod vollendet war?

Antwort: Ist er es?

Frage: War der Zeitpunkt, in dem das Leben in Ihnen erlosch, für Sie schmerzvoll?

Antwort: Weniger schmerzvoll als das, was danach kam. Nur der Körper hat gelitten.

Frage an den Geist des heiligen Ludwig: Was meint der Geist, wenn er sagt, der Zeitpunkt des Todes sei weniger schmerzvoll gewesen als das Nachher?

Antwort: Der Geist befreite sich von einer Last, die ihn bedrückte. Er empfand die Wollust des Schmerzes.

Frage: Ist dieser Zustand stets die Folge des Selbstmords?

Antwort: Ja, der Geist des Selbstmörders ist bis zum Ende seines Lebens an seinen Körper gebunden. Der natürliche Tod ist die Freisetzung des Lebens. Der Selbstmörder zertrümmert dieses ganz und gar.

Frage: Ist dieser Zustand der gleiche bei jedem vom Willen unabhängigen, zufälligen Tod, und der die natürliche Dauer des Lebens verkürzt?

Antwort: Nein ... Was versteht ihr unter einem Selbstmörder? Der Geist ist nur von seinen Handlungen her verantwortlich.

Bemerkung: Dieser Zweifel am Tod ist sehr verbreitet bei Menschen, die erst vor kurzem verstorben sind, und besonders bei denjenigen, die während ihres Lebens ihre Seele nicht über die Materie erhoben haben. Das ist ein auf den ersten Blick seltsames Phänomen, das sich jedoch sehr einfach erklären lässt. Wenn man einen Menschen, der zum ersten Mal in den Zustand des Schlafwandelns versetzt wurde, fragt, ob er schlafe, so antwortet er fast immer ‘nein’. Und seine Antwort ist logisch. Es liegt am Fragenden, der die Frage falsch stellt, indem er sich eines ungeeigneten Begriffs bedient. Der Begriff des Schlafes ist in der unter uns üblichen Sprache mit der Aufhebung all unserer sinnlichen Fähigkeiten verbunden. Der Schlafwandler jedoch, der denkt, sieht und fühlt und der das Bewusstsein seiner geistigen Freiheit hat, glaubt nicht zu schlafen. Und er schläft wirklich nicht, wenn man das Wort im eigentlichen Sinn versteht. Genau deshalb antwortet er ‘nein’, bis er mit der Art und Weise, die Sache aufzufassen, vertraut geworden ist. Genauso ist es bei einem Menschen, der gerade gestorben ist. Für ihn war der Tod die Vernichtung des Daseins. Nun sieht, fühlt und spricht er so wie der Schlafwandler, also hält er sich selbst nicht für tot, und er sagt es, bis er die geistige Sicht seines neuen Zustandes erreicht hat. Diese Täuschung ist immer mehr oder weniger schmerzhaft, weil sie nie vollständig ist und den Geist in einer gewissen Angst schweben lässt. Im oben genannten Beispiel ist sie eine wahre Qual, aufgrund der Empfindung der Würmer, die am Körper nagen, und aufgrund ihrer Dauer, die der entspricht, wie das Leben dieses Mannes gedauert hätte, wenn er es nicht verkürzt hätte. Dieser Zustand ist bei Selbstmördern häufig, zeigt sich aber nicht immer unter denselben Bedingungen. Meist wechseln seine Dauer und sein Ausmaß, entsprechend den erschwerenden oder mildernden Umständen der Schuld. Das Fühlen der Würmer und die Verwesung des Körpers betrifft nicht nur Selbstmörder. Sie ist häufig bei denen, die ein mehr materielles als ein geistiges Leben gelebt haben. Im Grunde gibt es kein strafloses Fehlverhalten. Aber es gibt keine einheitliche und absolute Regel für die Mittel der Bestrafung.


Der Vater und der Wehrpflichtige

Zu Beginn des Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieges im Jahre 1859 hatte ein Kaufmann aus Paris, Familienvater, der bei all seinen Nachbarn sehr angesehen war, einen Sohn, den das Schicksal zum Wehrdienst einberufen hatte. Da es ihm aufgrund seiner Lebenslage unmöglich war, ihn vom Dienst freizustellen, beschloss er, sich das Leben zu nehmen, um ihn als einzigen Sohn einer Witwe davor zu bewahren. Er wurde ein Jahr danach in der Pariser Gesellschaft für spiritistische Studien auf die Bitte einer Person hin gerufen, die ihn gekannt hatte und etwas über sein Schicksal in der geistigen Welt erfahren wollte.

Frage an den Heiligen Ludwig: Würden Sie uns sagen, ob wir den Mann rufen können, von dem gerade die Rede war?

Antwort: Ja, er wird darüber sogar sehr erfreut sein, denn es wird ihn ein wenig erleichtern.

Anrufung.

Antwort: Oh, habt Dank! Ich leide sehr, aber ... ist gerecht; jedoch, er wird mir verzeihen.

Bemerkung: Der Geist schreibt mit großer Schwierigkeit. Die Schriftzeichen sind unregelmäßig und verformt. Nach dem Wort ‘aber’ hält er inne, versucht vergeblich, weiterzuschreiben und macht nur einige nicht entzifferbare Striche und Punkte. Es ist offensichtlich das Wort ‘Gott’, das er nicht schreiben konnte.

Frage: Füllen Sie die Lücke aus, die Sie da eben gelassen haben.

Antwort: Ich bin dessen unwürdig.

Frage: Sie sagen, dass Sie leiden. Sie haben ohne Zweifel Unrecht daran getan, sich zu töten. Aber hat der Grund, der Sie zu diesem Schritt bewogen hat, Ihnen indessen nicht eine gewisse Nachsicht verschafft?

Antwort: Meine Strafe wird kürzer sein, aber die Tat ist deswegen nicht weniger schlecht.

Frage: Könnten Sie uns die Strafe beschreiben, die Sie erleiden?

Antwort: Ich leide doppelt, in meiner Seele und in meinem Körper. Ich leide in letzterem, obwohl ich ihn nicht mehr besitze, wie jemand an einem fehlenden Gliedmaß leidet, das amputiert wurde.

Frage: War Ihr Sohn das einzige Motiv für Ihre Tat und hat kein anderer Umstand Sie dazu bewogen?

Antwort: Nur väterliche Liebe hat mich geleitet, aber sie hat mich fehlgeleitet. Aufgrund dieses Beweggrundes wird mein Leiden verkürzt werden.

Frage: Sehen Sie das Ende Ihres Leidens voraus?

Antwort: Ich kann das Ende nicht absehen. Aber ich habe die Gewissheit, dass es ein Ende gibt, was mich tröstet.

Frage: Sie konnten vorhin den Namen Gottes nicht schreiben. Allerdings haben wir gesehen, wie stark leidende Geistwesen ihn geschrieben haben. Ist das ein Teil Ihrer Bestrafung?

Antwort: Mit großen Anstrengungen der Reue werde ich es tun können.

Nun denn! Strengen Sie sich an und versuchen Sie, es zu schreiben. Wir sind überzeugt, dass es eine Erleichterung für Sie sein wird, wenn es Ihnen gelingt.

Der Geist schreibt schließlich in unregelmäßigen, zittrigen und sehr groben Zügen: "Gott ist sehr gut."

Wir möchten Ihnen danken, dass Sie auf unseren Ruf gekommen sind und werden Gott bitten, Ihnen seine Gnade zu schenken.

Ja, bitte.

Frage an den Heiligen Ludwig: Wie beurteilen Sie die Tat des Geistes, den wir gerade gerufen haben?

Antwort: Dieser Geist leidet zu Recht, denn er hatte kein Vertrauen zu Gott, was immer ein strafbares Vergehen ist. Die Strafe wäre schrecklich und sehr lang gewesen, wenn es nicht einen lobenswerten Anlass zu seinen Gunsten gäbe, nämlich zu verhindern, dass sein Sohn dem Tode entgegengeht. Gott, der in das Innere der Herzen schaut und gerecht ist, bestraft ihn nur nach seinen Taten.

Bemerkung: Auf den ersten Blick erscheint dieser Selbstmord verzeihlich, weil er als eine Tat der Aufopferung angesehen werden kann. Er ist es wirklich, ist es aber nicht völlig. So wie es das Geistwesen des Heiligen Ludwig ausführt, fehlte diesem Mann das Vertrauen zu Gott. Durch sein Handeln hat er vielleicht verhindert, dass sich die Bestimmung seines Sohnes erfüllt. Zunächst ist es nicht sicher, dass dieser im Krieg gestorben wäre, und vielleicht sollte diese Laufbahn ihm die Gelegenheit bieten, etwas zu tun, das seinem Fortschreiten nützlich gewesen wäre. Seine Absicht war zweifellos gut, ihr wird auch Rechnung getragen. Die Absicht schwächt das Böse ab und verdient Nachsicht. Sie hindert jedoch das Böse nicht daran, böse zu sein. Auch könnte man mit Hilfe des bloßen Denkens alle schlechten Taten entschuldigen und sogar unter dem Vorwand töten, damit einen Dienst zu erweisen. Ist eine Mutter, die ihr Kind in dem Glauben tötet, es unmittelbar in den Himmel zu senden, weniger schuldbeladen, weil sie es in guter Absicht tut? Mithilfe dieser Annahme könnte man all jene Verbrechen rechtfertigen, die blinder Idealismus in den Religionskriegen begehen ließ.

Im Grunde hat der Mensch kein Recht, über sein Leben zu verfügen, da es ihm ja im Hinblick auf die Pflichten gegeben worden ist, die er auf Erden erfüllen sollte. Darum darf er es nicht freiwillig unter irgendeinem Vorwand verkürzen. Da er seinen freien Willen hat, kann ihn keiner daran hindern, aber er muss immer die Folgen tragen. Der am strengsten bestrafte Selbstmord ist jener, der aus Verzweiflung begangen wird und in der Absicht, sich vom Elend des Lebens zu befreien. Da dieses Elend gleichzeitig eine Prüfung und eine Sühne ist, bedeutet es, sich ihnen zu entziehen, vor der Aufgabe zurückzuschrecken, die man übernommen hatte, manchmal sogar von der Mission, die man erfüllen sollte.

Der Selbstmord besteht nicht nur aus der freiwilligen Handlung, die den sofortigen Tod herbeiführt. Er liegt auch in allem, was man bewusst tut, um das Erlöschen der Lebenskräfte vorzeitig zu beschleunigen.

Selbstmord darf man nicht mit der liebevollen Aufopferung eines Menschen vergleichen, der sich einem drohenden Tod aussetzt, um einen anderen Menschen zu retten. Zunächst, weil in diesem Fall keine wohlüberlegte Absicht vorliegt, sich das Leben zu nehmen, und zweitens, weil es keine Gefahr gibt, aus der uns die Vorsehung nicht herausziehen könnte, falls die Stunde, die Erde zu verlassen, noch nicht gekommen ist. Tritt der Tod unter solchen Umständen ein, so ist er ein verdienstvolles Opfer, das erbracht wird, denn er ist eine Selbstverleugnung zum Vorteil eines Anderen. ("Evangelium aus der Sicht des Spiritismus", Kap. 5, Nr. 53, 65, 66 und 67).


François-Simon Louvet

(aus Le Havre)

Die folgende Mitteilung wurde am 12. Februar 1863 spontan in einem spiritistischen Treffen in Le Havre durchgegeben:

“Werdet ihr Mitleid mit einem armen Elenden haben, der seit so langer Zeit so furchtbare Qualen erleidet? Oh, die Leere … der Raum … ich falle, ich falle, zu Hilfe! Mein Gott, ich hatte so ein elendes Leben! … Ein armer Teufel war ich, ich litt auf meine alten Tage hin oft Hunger. Aus diesem Grund fing ich an zu trinken und schämte und ekelte mich vor allem … Ich wollte sterben und habe mich heruntergestürzt … Oh, mein Gott, was für ein Augenblick! … Warum wollte ich denn aufgeben, jetzt, da ich dem Ziel so nahe war? Betet, damit ich nicht immer diese Leere unter mir sehe! … Ich werde mich auf diesen Steinen zertrümmern. Ich beschwöre euch, die ihr Kenntnis habt von dem Jammer derer, die nicht mehr auf der Erde weilen. An euch wende ich mich, obwohl ihr mich nicht kennt, weil ich so sehr leide ... Warum wollt ihr Beweise haben? Ich leide, ist das nicht genug? Wenn ich Hunger hätte statt dieses schrecklicheren Leidens, das für euch aber unsichtbar ist, würdet ihr nicht zögern, mich zu befriedigen und mir ein Stück Brot zu reichen. Ich bitte euch, betet für mich … Ich kann nicht länger bleiben … Fragt einen von diesen Glücklichen, die hier sind, und Ihr werdet erfahren, wer ich war. Betet für mich!”

François-Simon Louvet

Der Führer des Mediums: Der, der sich gerade an dich gewandt hat, mein Kind, ist ein armer Unglücklicher, der auf Erden eine Prüfzeit des Elends hatte. Ihn hat aber der Ekel erfasst, ihm hat der Mut gefehlt, und der vom Missgeschick Verfolgte hat - anstatt nach oben zu blicken, wie er es ja hätte tun sollen - sich dem Alkohol ergeben. Er ist bis zur tiefsten Stufe der Verzweiflung hinabgestiegen und hat seiner traurigen Prüfzeit ein Ende gesetzt, indem er sich am 22. Juli 1857 vom Turm von Franz I. stürzte. Habt Mitleid mit seiner armen Seele, die nicht vorangeschritten ist, die jedoch ausreichend Kenntnis vom künftigen Leben hat, um zu leiden und um das Verlangen nach einer neuen Prüfzeit zu haben. Bittet Gott, ihm diese Gnade zu gewähren, und ihr werdet ein gutes Werk tun.

Nachdem Nachforschungen angestellt wurden, fand man am 23. Juli 1857 im Tagblatt von Le Havre einen Artikel, der im Wesentlichen Folgendes beinhaltet:

“Gestern, um 4 Uhr nachmittags, sind die Spaziergänger des Dammes von einem entsetzlichen Vorfall schmerzlich berührt worden: Ein Mann hat sich vom Turm gestürzt und ist, wie er wünschte, auf den Steinen zermalmt worden. Es ist ein alter Schiffszieher, den seine Alkoholsucht zum Selbstmord geführt hat. Er heißt François-Victor-Simon Louvet. Sein Körper ist zu einer seiner Töchter in die Seilereistraße gebracht worden, er war 67 Jahre alt."

Bemerkung: Seit fast 6 Jahren, die der Mann tot ist, sieht er sich immer noch vom Turm fallen und im Begriff, auf den Steinen zerschmettert zu werden. Ihm graut vor der Leere, die er vor sich hat. Er hat ständig Angst, zu fallen … und das seit 6 Jahren! Wie lange das dauern wird? Er weiß es nicht, und diese Ungewissheit steigert seine Angst. Wiegt das nicht genauso schwer wie die Hölle und ihre Flammen? Wer hat diese Strafen geschaffen? Hat man sie erfunden? Nein, diejenigen, die sie erleiden, kommen selbst, um sie zu beschreiben, so wie andere ihre Freuden beschreiben. Oft tun sie es aus eigenem Antrieb, ohne dass man an sie denkt; was jeden Gedanken daran ausschließt, der Spielball seiner eigenen Einbildungskraft zu sein.


Eine Mutter und ihr Sohn

Im März 1865 hatte Herr C ..., Kaufmann in einem Städtchen bei Paris, seinen 21-jährigen Sohn bei sich zu Hause, der schwer krank war. Als dieser junge Mann fühlte, dass er sterben würde, rief er seine Mutter und konnte noch so viel Kraft aufbringen, sie zu umarmen. Diese sprach unter vielen Tränen zu ihm: "Geh mir voran, mein Sohn, ich werde nicht zögern, dir zu folgen!" Im selben Augenblick ging sie hinaus und verbarg den Kopf in ihren Händen.

Diejenigen, die bei diesem herzzerreißenden Geschehen dabei waren, sahen in den Worten der Frau C… einen einfachen Ausbruch ihres Schmerzes, den Zeit und Vernunft lindern müssten. Doch als der Kranke verstorben war, suchte man sie im ganzen Haus und fand sie erhängt auf einem Speicher. Die Beisetzung der Mutter geschah zeitgleich mit der ihres Sohnes.

Anrufung des Sohnes einige Tage nach der Begebenheit:

Frage: Haben Sie Kenntnis vom Tod Ihrer Mutter, die sich das Leben genommen hat, weil sie der Verzweiflung erlag, in die Ihr Verlust sie gestürzt hat?

Antwort: Ja, und ohne den Kummer, den mir die Ausführung ihres verhängnisvollen Entschlusses verursacht hat, würde ich vollkommen glücklich sein. Arme und wunderbare Mutter! Sie hat die Prüfung dieser nur kurzzeitigen Trennung nicht ertragen können und hat, um mit ihrem so sehr geliebten Sohn wieder vereint zu sein, einen Weg gewählt, der sie bedauerlicherweise auf recht lange Zeit von ihm fernhalten musste. Somit hat sie diese Wiedervereinigung auf unabsehbare Zeit verzögert. Diese hätte sich so rasch vollzogen, wenn sich ihre Seele dem Willen des Herrn unterworfen hätte und wenn sie in reumütiger Demut die Prüfung, der sie sich unterziehen sollte und die Sühne, die sie reinigen sollte, angenommen hätte!

Betet, oh, betet für sie! … Und macht es ihr vor allem nicht nach, ihr Mütter, die ihr von dem traurigen Bericht über ihren Tod gerührt seid! Glaubt nicht, dass sie diesen Sohn, der ihre Freude und ihr Stolz war, mehr als andere Mütter liebte! Nein, sie liebte nicht mehr, aber ihr fehlten Mut und Gottvertrauen. Ihr Mütter, die ihr mir zuhört, wenn ihr seht, wie der Todeskampf die erloschenen Augen eurer Kinder verschleiert, dann erinnert euch, dass sie wie Christus den Gipfel von Golgatha besteigen, von dem sie sich in die ewige Herrlichkeit erheben sollen!

Benjamin C …

Anrufung der Mutter: Ich will meinen Sohn sehen! Habt ihr die Macht, ihn mir wiederzugeben? ... Die Grausamen! ... Sie haben ihn mir genommen, um ihn ins Licht zu führen, und haben mich in der Dunkelheit gelassen! ... Ich will ihn haben, ich will ihn haben ... Er gehört mir! ... Gilt denn die Mutterliebe nichts? ... Was? Neun Monate getragen zu haben, genährt mit meiner Milch, Fleisch vom eigenen Fleisch, Blut vom eigenen Blut; seine ersten Schritte gelenkt zu haben; ihn gelehrt zu haben, den heiligen Namen Gottes und den süßen Namen Mutter zu stammeln; daraus einen Mann gemacht zu haben voller Aktivität, Einsicht, Ehrbarkeit, Anstand und Kindesliebe, und ihn dann zu verlieren, als er die Hoffnungen verwirklichte, die man auf ihn gesetzt hatte, als sich eine glänzende Zukunft vor ihm auftat! Nein, Gott ist nicht gerecht. Er ist kein Gott der Mütter. Er versteht ihre Verzweiflung und ihren Schmerz nicht ... Und wenn ich mich umbringe, um mein Kind nicht zu verlassen, so raubt man es mir von Neuem! … Mein Sohn, mein Sohn! Wo bist du?

Der Anrufer: Arme Mutter, wir haben Mitleid mit Ihrem Schmerz, aber Sie haben ein trauriges Mittel ergriffen, um mit Ihrem Sohn wieder vereint zu werden. Der Selbstmord ist in Gottes Augen ein Verbrechen, und Sie hätten bedenken sollen, dass Gott jede Verletzung Seiner Gesetze bestraft. Ihr Kind nicht sehen zu dürfen, das ist Ihre Bestrafung.

Die Mutter: Nein, ich glaubte, Gott sei besser als die Menschen. Ich glaubte nicht an seine Hölle, sondern an die ewige Wiedervereinigung der Seelen, die einander geliebt haben, wie wir einander liebten. Ich habe mich getäuscht … Er ist kein gerechter und guter Gott, weil er die Endlosigkeit meines Schmerzes und meiner Liebe nicht verstanden hat! ... Oh, wer wird mir meinen Sohn wiedergeben? Habe ich ihn denn für immer verloren? Erbarmen, Erbarmen, mein Gott!

Der Anrufer: Schauen Sie, besänftigen Sie Ihre Verzweiflung! Bedenken Sie: Wenn es ein Mittel für Sie gibt, Ihr Kind wiederzusehen, so lästern Sie nicht über Gott, wie Sie es gerade tun. Statt zu erreichen, dass Gott Ihnen gewogen ist, ziehen Sie sich eine größere Strenge herbei.

Die Mutter: Man hat mir gesagt, dass ich ihn nicht wiedersehen würde. Ich hab’s verstanden: Sie haben ihn ins Paradies geführt. Und ich, ich bin also in der Hölle? ... In der Hölle der Mütter? ... Es gibt sie, ich sehe es nur zu gut.

Der Anrufer: Ihr Sohn ist gar nicht unwiederbringlich verloren, glauben Sie es mir! Sie werden ihn ganz bestimmt wiedersehen. Aber Sie müssen es durch Ihre Unterwerfung unter den Willen Gottes erst verdienen, während Sie diesen Zeitpunkt durch Ihre Empörung auf unbestimmbare Zeit verzögern können. Hören Sie auf mich! Gott ist unendlich gut, aber er ist unendlich gerecht. Er straft nie ohne Grund und wenn er Ihnen auf Erden großen Schmerz auferlegt hat, so geschah es, weil Sie das verdient hatten. Der Tod Ihres Sohnes war eine Prüfung für Ihre Ergebenheit. Unglücklicherweise sind Sie zu Ihren Lebzeiten erlegen und siehe da, nach Ihrem Tod unterliegen Sie von Neuem. Wie soll Gott nach Ihrem Wunsch und Willen seine rebellischen Kinder belohnen? Aber er ist nicht unerbittlich, er nimmt immer die Reue des Schuldigen an. Hätten Sie die Prüfung, die er Ihnen in dieser kurzen, vorübergehenden Trennung auferlegte, vielmehr ohne Murren und mit Demut hingenommen und geduldig gewartet, bis es ihm gefiel, Sie von der Erde zu holen, dann hätten Sie bei Ihrem Eintritt in die Welt, in der Sie jetzt sind, Ihren Sohn sofort wieder gesehen, der Sie willkommen geheißen und Ihnen die Arme entgegengestreckt hätte. Sie hätten die Freude gehabt, ihn nach dieser Zeit der Abwesenheit strahlend vor Glück zu sehen. Was Sie getan haben und was Sie noch in diesem Augenblick tun, setzt eine Schranke zwischen Sie und ihn. Glauben Sie ja nicht, dass er in den Tiefen des Raumes verloren sei! Nein, er ist Ihnen näher als Sie glauben. Aber ein undurchdringlicher Schleier entzieht ihn Ihrem Blick. Er sieht Sie, er liebt Sie für immer, und er seufzt über die traurige Lage, in die Sie Ihr Mangel an Gottvertrauen gebracht hat. Er ruft mit all seinen Wünschen den beglückenden Zeitpunkt herbei, wenn es ihm vergönnt sein wird, sich Ihnen zu zeigen. Allein von Ihnen hängt es ab, diesen Zeitpunkt zu beschleunigen oder zu verzögern. Bitten Sie Gott und sprechen Sie mit mir:

"Mein Gott, verzeihe mir, dass ich an Deiner Gerechtigkeit und Güte gezweifelt habe! Wenn Du mich gestraft hast, so erkenne ich, dass ich es verdient habe. Nimm gnädig meine Reue und meine Unterwerfung unter Deinen heiligen Willen an!”

Die Mutter: Welch einen Hoffnungsstrahl haben Sie jetzt in meiner Seele aufleuchten lassen! Das ist ein Blitz in die Nacht hinein, die mich umgibt. Haben Sie Dank! Ich werde beten. Gott befohlen! C ...

Bemerkung: Bei diesem Geistwesen hat der Tod, sogar der Selbstmord, keineswegs die Täuschung bewirkt, sich noch am Leben zu glauben. Sein Zustand ist ihm vollkommen bewusst. Das rührt daher, dass bei anderen die Strafe genau in dieser Täuschung besteht und auf den Banden beruht, die sie an ihren Körper fesseln. Diese Frau wollte die Erde verlassen, um ihrem Sohn in die Welt zu folgen, in die er eingetreten war. Sie musste erkennen, dass sie in jener Welt war, um dadurch bestraft zu werden, dass sie ihn dort nicht wiederfand. Ihre Strafe ist genau genommen die Folgende: zu wissen, dass sie nicht mehr körperlich lebt und in der Kenntnis, die sie von ihrer Lage hat. Auf diese Weise wird jeder Fehler durch die Umstände, die ihn begleiten, bestraft, und es gibt keine einheitlichen und feststehenden Strafen für Fehler derselben Art.


Doppel-Selbstmord aus Liebe und aus Pflicht

Eine Zeitung vom 13. Juni 1862 enthielt folgenden Bericht:

"Fräulein Palmyre, Modistin, wohnhaft bei ihren Eltern, besaß ein reizvolles Aussehen und einen liebenswürdigen Charakter. Auch war sie mehrfach als Ehefrau begehrt. Unter denen, die um ihre Hand anhielten, hatte sie Herrn B ... ausgewählt, der eine leidenschaftliche Zuneigung für sie empfand. Obwohl sie ihn selbst sehr liebte, glaubte sie jedoch, sich aus kindlicher Achtung vor ihren Eltern deren Wünschen fügen zu sollen, indem sie Herrn D … heiratete, dessen gesellschaftliche Stellung ihnen vorteilhafter zu sein schien, als die seines Nebenbuhlers.

"Herr B … und Herr D … waren enge Freunde. Obwohl sie keinerlei bedeutsame Beziehung zueinander hatten, besuchten sie sich andauernd. Die gegenseitige Liebe von B ... und Palmyre, die zwischenzeitlich Frau D ... geworden war, hatte keineswegs nachgelassen. Und da sie sich bemühten, sie zu verdrängen, so nahm sie genau in dem Maße zu, wie man sich bemühte, sie zu unterdrücken. Um zu versuchen, diese Liebe zu vergessen, fasste Herr B ... den Entschluss, sich zu vermählen. Er heiratete eine junge Frau, die hervorragende Eigenschaften besaß, und tat sein Möglichstes, um sie zu lieben. Aber er bemerkte bald, dass dieses heldenhafte Mittel untauglich war, ihn zu heilen. Dessen ungeachtet entzogen sich vier Jahre hindurch weder Herr B ... noch Frau D … ihren Pflichten. Sie mussten unvorstellbar leiden, denn Herr D ..., der seinen Freund zweifellos liebte, holte ihn immer zu sich in sein Haus und nötigte ihn zum Bleiben, sobald er fortgehen wollte.

Die beiden Liebenden, die sich eines Tages durch einen zufälligen Umstand, den sie nicht gesucht hatten, näherkamen, vertrauten sich gegenseitig den Zustand ihrer Seele an und waren sich bei dem Gedanken einig, dass der Tod das einzige Heilmittel gegen die Leiden wäre, die sie ertrugen. Sie beschlossen, zusammen zu sterben und ihr Vorhaben am nächsten Tag auszuführen, da Herr D ... dann die meiste Zeit des Tages von seinem Wohnort abwesend sein musste. Nachdem sie ihre letzten Vorbereitungen getroffen hatten, schrieben sie einen langen und rührenden Brief, in dem sie den Grund ihres Todes, den sie wählten, erklärten, um sich nicht ihren Pflichten entziehen zu müssen. Der Brief endete mit einer Bitte um Verzeihung und dem Verlangen, im selben Grab vereint zu sein.

Als Herr D ... zurückkehrte, fand er beide mit Gas erstickt, wie im Original. Er hat ihren letzten Wunsch berücksichtigt und verlangt, dass sie auf dem Friedhof nicht getrennt würden."

Dieses Ereignis war der Pariser Gesellschaft für spiritistische Studien als Forschungsgegenstand vorgelegt worden, und ein Geistwesen antwortete:

“Die beiden Liebenden, die sich umgebracht haben, können euch noch nicht antworten. Ich sehe sie, sie sind völlig verwirrt und erschrocken vom Hauch der Ewigkeit. Die moralischen Folgen ihres Fehltritts werden sie über mehrere Inkarnationen hinweg bestrafen, auf denen ihre der Vereinsamung zum Opfer fallenden Seelen sich ständig suchen werden und die doppelte Strafe der Vorahnung und der Sehnsucht erleiden müssen. Nach vollbrachter Sühne werden sie für immer im Schoß der ewigen Liebe vereint sein. Nach acht Tagen, in eurer nächsten Sitzung, könnt ihr sie rufen. Sie werden kommen, sich jedoch einander nicht sehen. Eine tiefe Dunkelheit verbirgt sie auf lange Zeit voreinander."

Anrufung der Frau: Sehen Sie Ihren Liebhaber, mit dem Sie sich gemeinsam umgebracht haben?

Antwort: Ich sehe nichts. Ich sehe nicht einmal die Geister, die mit mir an dem Ort, wo ich bin, umherschweifen. Welche Nacht! Welche Nacht! Und was für ein dichter Schleier über meinem Gesicht!

Frage: Welche Empfindung hatten Sie, als Sie nach Ihrem Tod erwachten?

Antwort: Seltsam! Mir war sehr kalt und ich brannte. Eis floss in meinen Adern und Feuer lag auf meiner Stirn. Seltsamer Zustand, unglaubliche Mischung! Es schien, als ob Eis und Feuer mich erdrücken wollten! Ich dachte, ich würde ein zweites Mal sterben.

Frage: Empfinden Sie körperlichen Schmerz?

Antwort: Mein ganzes Leiden ist ‘da, und da’.

Frage: Was wollen Sie sagen mit ‘da, und da’?

Antwort: ‘Da’, in meinem Gehirn, ‘da’, in meinem Herzen.

Bemerkung: Wenn man den Geist hätte sehen können, hätte man ihn wahrscheinlich die Hand an seine Stirn und an sein Herz führen sehen.

Frage: Glauben Sie, dass Sie stets in dieser Lage sein werden?

Antwort: Oh, stets, stets! Manchmal nehme ich höllisches Gelächter und schreckliche Stimmen wahr, welche mir die Worte zuschreien: ‘Immer so!’

Frage: Nun denn! Wir können Ihnen mit voller Sicherheit sagen, dass es nicht immer so sein wird. Wenn Sie bereuen, werden Sie Vergebung empfangen.

Antwort: Was habt ihr gesagt? Ich verstehe nicht.

Frage: Ich wiederhole, dass Ihre Leiden ein Ende haben werden, das Sie selbst durch Ihre Reue schneller erreichen können, und wir werden Sie durch das Gebet dabei unterstützen.

Antwort: Ich habe nur ein Wort und unklare Geräusche gehört. Dieses Wort, es heißt ‘Gnade’. Habt ihr von Gnade sprechen wollen? Ihr habt von Gnade gesprochen: das galt zweifellos der Seele, die an meiner Seite vorübergeht, dem armen Kind, das weint und hofft.

Bemerkung: Eine Dame der Gesellschaft sagt, sie habe soeben ein Gebet an Gott für diese Unglückliche gerichtet und genau das sei zweifellos, was sie verwundert habe. Sie habe wirklich für sie in Gedanken inständig um die ‘Gnade’ Gottes gebeten.

Frage: Sie sagen, Sie befänden sich in der Finsternis. Sehen Sie uns denn nicht?

Antwort: Es ist mir vergönnt, einige der Worte zu vernehmen, die ihr sprecht, aber ich sehe nur einen schwarzen Schleier, auf dem sich zu gewissen Stunden ein weinender Kopf abzeichnet.

Frage: Wenn Sie Ihren Geliebten nicht sehen, fühlen Sie nicht doch seine Gegenwart in Ihrer unmittelbaren Nähe, da er hier ist?

Antwort: Ach, sprecht nicht über ihn! Für den Augenblick muss ich ihn vergessen, wenn ich will, dass das Bild von dem Schleier verschwindet, das darauf abgebildet ist.

Frage: Was ist das für ein Bild?

Antwort: Das eines Mannes, der leidet und dessen moralisches Leben ich auf Erden für lange Zeit vernichtet habe.

Bemerkung: Beim Lesen dieses Berichts ist man von Anfang an geneigt, bei diesem Selbstmord mildernde Umstände zu finden, ihn sogar als eine heldenhafte Tat anzusehen, da er ja aus einem Pflichtgefühl herbeigeführt worden ist. Man sieht, dass darüber anders gerichtet worden ist und die Strafe der Schuldigen lang und schrecklich wurde, weil sie freiwillig in den Tod geflüchtet sind, um den Kampf zu vermeiden. Die Absicht, ihre Pflicht nicht zu vernachlässigen, war zweifellos ehrenvoll, und später wird es ihnen angerechnet werden. Jedoch hätte der wahre Verdienst darin bestanden, die unwiderstehliche Leidenschaft zu besiegen, während sie es so wie ein Abtrünniger gemacht haben, der sich im Augenblick der Gefahr davonschleicht.

Wie man sieht, wird die Strafe der beiden Schuldigen darin bestehen, dass sie sich lange gegenseitig suchen, ohne sich jedoch zu begegnen, weder in der Geistigen Welt noch in anderen irdischen Inkarnationen. Sie wird momentan durch den Gedanken erschwert, dass ihr gegenwärtiger Zustand für immer andauern müsse. Da dieser Gedanke ein Teil der Bestrafung ist, ist ihnen nicht vergönnt worden, Worte der Hoffnung zu hören, die an sie gerichtet wurden. Denen, die diese Strafe gar schrecklich und lang finden möchten, zumal, wenn sie erst nach mehreren Inkarnationen aufhören soll, möchten wir sagen, dass ihre Dauer nicht unwiderruflich ist. Sie wird von der Art abhängen, wie sie ihre künftigen Prüfungen ertragen werden. Dabei kann man ihnen durch Gebete helfen. Wie alle mit Schuld beladenen Geistwesen werden sie die Schiedsrichter ihres eigenen Schicksals sein. Ist das jedoch nicht mehr wert als die hoffnungslose, ewige Verdammnis, zu der sie nach der kirchlichen Lehre unwiderruflich verurteilt sind? Diese betrachtet sie dermaßen als für immer der Hölle ausgeliefert, dass sie ihnen die letzten Gebete, die sie ohne Zweifel als unnütz ansieht, versagt hat.


Ludwig und die Stiefeletten Stepperin

Seit sieben oder acht Monaten machte ein Schuhmacher namens Ludwig G ... einer jungen Frau, Victorine R …, einer Stiefeletten Stepperin, den Hof. Er sollte sich mit ihr demnächst vermählen, und das öffentliche Aufgebot war bereits im Gange. So wie sich die Dinge bis dahin entwickelten, betrachteten sich die jungen Leute als nahezu untrennbar verbunden. Und weil er sehr sparsam war, kam der Schuhmacher jeden Tag, um seine Mahlzeiten bei seiner Zukünftigen einzunehmen.

Eines Tages war Ludwig wie gewöhnlich gekommen, um bei der Stiefeletten Stepperin zu Abend zu speisen, als aus geringfügigem Anlass Streit entstand. Beide waren unnachgiebig und es kam dazu, dass Ludwig den Tisch verließ und mit dem Schwur wegging, nie mehr wiederzukommen.

Am folgenden Tag kam der Schuhmacher jedoch, um um Verzeihung zu bitten. Guter Rat kommt über Nacht, das weiß man ja. Aber die Handwerkerin, die nach dem Streit vom Vorabend vielleicht vorhersah, was geschehen könnte, wenn es zu spät wäre, sich zu trennen, weigerte sich, sich mit ihm zu versöhnen. Weder Erklärungen noch Tränen oder Verzweiflung, nichts konnte sie bewegen. Seit dem Streit waren schon mehrere Tage vergangen. In der Hoffnung, dass seine Geliebte wieder zugänglicher wäre, wagte Ludwig einen letzten Versuch. Er kommt also herbei und klopft in einer Weise, wie er sich zu erkennen gab, aber man weigert sich, ihm zu öffnen. Daraufhin neues Flehen vonseiten des armen Ausgeschlossenen, neue Einwände durch die Tür hindurch, aber nichts vermochte die unversöhnliche Geliebte zu berühren. "Dann leben Sie wohl, Sie Böse!", schreit schließlich der arme Mann, "leben Sie für immer wohl! Versuchen Sie, einen Gatten zu finden, der Sie so sehr liebt wie ich!" Im gleichen Moment hört das junge Mädchen eine Art erstickten Seufzer, dann etwas wie ein Geräusch eines fallenden Körpers, der an der Tür entlang gleitet, und alles wird wieder still. Da denkt sie, Ludwig habe sich auf dem Boden schlafen gelegt, um ihren ersten Ausgang abzuwarten. Aber sie nimmt sich fest vor, den Fuß nicht nach außen zu setzen, solange er dort sein werde.

Das hatte vor kaum einer Viertelstunde stattgefunden, als ein Mieter, der mit einem Licht auf dem Treppenabsatz vorüberging, einen Schrei ausstößt und um Hilfe ruft. Umgehend erscheinen die Nachbarn und Fräulein Victorine, die ebenfalls ihre Tür geöffnet hatte, stößt einen Schrei des Schreckens aus, als sie ihren Bräutigam blass und leblos auf dem Fußboden ausgestreckt sieht. Jeder beeilt sich, ihm Hilfe zu leisten, aber man merkt bald, dass alles unnütz ist und er nicht mehr lebt. Der unglückliche junge Mann hatte sich ein Messer in die Herzgegend gestoßen, und das Eisen war in der Wunde stecken geblieben.

(Pariser Gesellschaft für spiritistische Studien, August 1858.)

Frage: (An den Geist des heiligen Ludwig) Trägt das junge Mädchen als unfreiwillige Ursache des Todes ihres Liebhabers die Verantwortung dafür?

Antwort: Ja, denn sie liebte ihn nicht.

Frage: Hätte sie ihn, um diesem Unglück zuvorzukommen, trotz ihrer Abneigung heiraten müssen?

Antwort: Sie suchte eine Gelegenheit, um sich von ihm zu trennen. Am Anfang ihrer Verbindung hat sie das getan, was sie später ohnehin getan hätte.

Frage: So besteht ihre Schuld darin, dass sie bei ihm Gefühle genährt hat, die sie nicht teilte, Gefühle, die die Ursache des Todes des jungen Mannes geworden sind?

Antwort: Ja, das ist so.

Frage: In diesem Fall muss ihre Verantwortung ihrem Fehltritt angemessen sein. So muss sie wohl nicht so groß sein, wie wenn sie den Tod aus freiem Entschluss herbeigeführt hätte?

Antwort: Das ist offensichtlich.

Frage: Lässt sich der Selbstmord Ludwigs mit der Verwirrung entschuldigen, in die ihn Victorines Hartnäckigkeit versetzt hat?

Antwort: Ja, denn sein Selbstmord, der aus Liebe entsprang, ist in den Augen Gottes weniger verbrecherisch als der Selbstmord eines Menschen, der das Leben aus Feigheit beenden will.

Ein anderes Mal, als der Geist des Ludwig G ... gerufen wurde, richtete man folgende Fragen an ihn:

Frage: Was denken Sie über die Handlung, die Sie begangen haben?

Antwort: Victorine ist eine Undankbare. Ich habe Unrecht getan, mich für sie zu töten, denn sie verdiente es nicht.

Frage: Sie liebte Sie also nicht?

Antwort: Nein, anfänglich hat sie es geglaubt. Sie gab sich einer Täuschung hin. Die Szene, die ich ihr gemacht habe, hat ihr die Augen geöffnet. Da war sie froh, diesen Vorwand zu nutzen und beschloss, mich loszuwerden.

Frage: Und Sie, liebten Sie sie aufrichtig?

Antwort: Ich empfand Leidenschaft für sie. Das ist alles, glaube ich. Wenn ich sie mit reiner Liebe geliebt hätte, so hätte ich sie nicht verletzen wollen.

Frage: Wenn sie gewusst hätte, dass Sie sich wirklich töten wollten, hätte sie dann auf ihrer Weigerung beharrt?

Antwort: Ich weiß nicht, ich glaube nicht. Denn sie ist nicht bösartig. Aber sie wäre unglücklich gewesen. Aber es ist besser für sie, dass es so gekommen ist.

Frage: Hatten Sie, als Sie an der Tür waren, die Absicht, sich im Falle ihrer Weigerung zu töten?

Antwort: Nein, ich dachte nicht daran. Ich glaubte nicht, dass sie so hartnäckig sein würde. Erst als ich ihre Hartnäckigkeit sah, hat mich ein Schwindel erfasst.

Frage: Sie scheinen Ihren Selbstmord nur zu bedauern, weil Victorine ihn nicht verdiente. Ist dies das einzige Gefühl, das Sie empfinden?

Antwort: In diesem Augenblick, ja. Ich bin noch ganz verwirrt. Es scheint mir an der Tür zu sein. Aber ich fühle etwas anderes, das ich nicht näher bezeichnen kann.

Frage: Werden Sie es später begreifen?

Antwort: Ja, wenn ich aus der Verwirrung sein werde … Was ich getan habe, ist übel, ich hätte sie in Ruhe lassen sollen ... Ich bin schwach gewesen und trage die Strafe dafür … Seht ihr? Leidenschaft macht den Menschen blind und lässt ihn viele Dummheiten begehen. Er sieht es erst ein, wenn keine Zeit mehr ist.

Frage: Sie sagen, dass Sie die Strafe dafür tragen. Welche Strafe erleiden Sie?

Antwort: Ich habe Unrecht getan, mein Leben zu verkürzen. Das durfte ich nicht. Ich hätte lieber alles ertragen sollen, als ihm vorzeitig ein Ende zu setzen. Und hinterher bin ich nun unglücklich. Ich leide, immer ist sie es, die mir Leid verursacht. Es scheint mir, als wenn ich noch dort an ihrer Tür wäre. Die Undankbare! Sprecht nicht mehr über sie! Ich will nicht mehr daran denken, es tut mir zu weh. Lebt wohl.

Bemerkung: Da sieht man wieder einen weiteren Beweis der abwägenden Gerechtigkeit, die die Bestrafung der Schuldigen aufgrund des Grades ihrer Verantwortlichkeit bestimmt. Im vorliegenden Fall liegt der erste Fehler bei dem jungen Mädchen, das in Ludwig eine Liebe genährt hatte, die sie nicht teilte und mit der sie ein Spiel trieb. Infolgedessen wird sie den größten Teil der Verantwortung tragen. Was den jungen Mann angeht, so wird auch er durch den Schmerz bestraft, den er durchlebt. Seine Strafe ist jedoch leicht, weil er nichts anderes getan hat, als einer unüberlegten Gemütserregung und einem augenblicklichen Wutausbruch nachzugeben. Im Gegensatz zur bösen Absicht jener, die Selbstmord begehen, um sich den Prüfungen des Lebens zu entziehen!


Ein Atheist

Herr J. B. D ... war ein gebildeter Mann, aber im höchsten Maße durchdrungen von den materialistischen Gedanken, glaubte er weder an Gott noch an seine Seele. Er wurde zwei Jahre nach seinem Tod auf die Bitte eines seiner Verwandten in der spiritistischen Gesellschaft von Paris angerufen.

Anrufung:

Antwort: Ich leide! Ich bin verstoßen.

Frage: Wir wurden von Ihren Verwandten, die etwas über Ihr Schicksal erfahren möchten, gebeten, Sie zu rufen. Würden Sie uns bitte sagen, ob unsere Anrufung Ihnen angenehm oder peinlich ist!

Antwort: Peinlich.

Frage: Ist Ihr Tod freiwillig gewesen?

Antwort: Ja.

Der Geist schreibt mit äußerster Schwierigkeit. Die Schrift ist sehr grob, unregelmäßig, krampfhaft und fast unlesbar. Anfangs zeigt er Zorn, zerbricht den Bleistift und zerreißt das Papier.

Frage: Seien Sie ruhiger, wir alle werden Gott für Sie bitten.

Antwort: Ich bin gezwungen, an Gott zu glauben.

Frage: Was hat Sie dazu bringen können, sich umzubringen?

Antwort: Lebensüberdruss ohne Hoffnung.

Bemerkung: Man versteht einen Selbstmord, wenn das Leben hoffnungslos ist. Man will dem Unglück um jeden Preis entrinnen. Bei der Spiritistischen Lehre offenbart sich die Zukunft, und die Hoffnung ist gerechtfertigt: der Selbstmord hat somit keinen Zweck mehr. Vielmehr erkennt man, dass man durch dieses Mittel einem Übel entrinnt, nur um wieder in ein anderes zu geraten, das hundertmal schlimmer ist. Darum hat die spiritistische Lehre so viele Opfer dem freiwilligen Tod entrissen. Diejenigen sind sehr schuldig, die sich Mühe geben, mittels wissenschaftlicher Scheingründe und sozusagen im Namen der Vernunft jenen verzweifelten Gedanken glaubhaft erscheinen zu lassen, eine Quelle so vieler Leiden und Verbrechen, dass mit diesem Leben alles zu Ende geht! Sie werden verantwortlich sein, nicht nur für ihre eigenen Irrtümer, sondern für all die Übel, deren Ursache sie gewesen sein werden.

Frage: Sie wollten den Wechselfällen des Lebens entkommen, haben Sie etwas dabei gewonnen? Sind Sie nun glücklicher?

Antwort: Warum besteht das Nichts nicht?

Frage: Bitte seien Sie so gut, uns so genau wie Sie es können, Ihre Lage zu beschreiben.

Antwort: Ich leide darunter, dass ich gezwungen bin, an all das zu glauben, was ich leugnete. Es ist, als ob meine Seele in einem Glutofen wäre, sie wird schrecklich gequält.

Frage: Woher kamen Ihnen die materialistischen Gedanken, die Sie zu Lebzeiten hatten?

Antwort: In einem anderen Leben war ich böse gewesen, und mein Geist war dazu verurteilt, die Qualen des Zweifels mein Leben lang zu erleiden. Auch habe ich mich umgebracht.

Bemerkung: Hier gibt es eine ganze Reihe von Gedanken. Oft fragt man sich, wie es Materialisten geben kann, da sie ja das Jenseits bereits durchschritten haben und eigentlich jetzt davon eine Ahnung besitzen sollten. Nun ist es gerade diese Ahnung, die gewissen Geistern versagt ist, die ihren Hochmut bewahrt und ihre Sünden nicht bereut haben. Ihre Prüfung besteht darin, dass sie während der körperlichen Existenz und durch ihre eigene Vernunft den Beweis der Existenz Gottes sowie des künftigen Lebens erlangen sollen, das sie unaufhörlich vor Augen haben. Oft aber behält der Hochmut, der nichts über sich gelten lassen will, noch die Oberhand, und sie müssen die Strafe dafür erleiden, bis ihr Hochmut gebändigt ist und sie sich endlich den Tatsachen ergeben.

Frage: Als Sie sich ertränkt haben, was sollte da nach Ihrer Meinung aus Ihnen werden? Welche Gedanken hatten Sie zu diesem Zeitpunkt?

Antwort: Gar keine, es war für mich das Nichts. Danach habe ich gesehen, dass ich, da ich meine ganze Strafe noch nicht gebüßt habe, noch sehr zu leiden haben werde.

Frage: Sind Sie jetzt von der Existenz Gottes, der Seele und des künftigen Lebens fest überzeugt?

Antwort: Ach, ich werde nur zu sehr dafür gequält.

Frage: Haben Sie Ihren Bruder wiedergesehen?

Antwort: Oh, nein.

Frage: Warum ist das so?

Antwort: Warum unsere Qualen vereinen? Man verbannt sich im Unglück, man vereinigt sich im Glück, leider.

Frage: Wäre es schön, Ihren Bruder wiederzusehen, den wir an Ihre Seite rufen könnten?

Antwort: Nein, nein, ich bin auf einer viel niedrigeren Stufe.

Frage: Warum wollen Sie nicht, dass wir ihn rufen?

Antwort: Darum, weil er nicht glücklich ist, auch er nicht.

Frage: Sie fürchten seinen Anblick. Das könnte Ihnen nur gut tun.

Antwort: Nein, später.

Frage: Wünschen Sie, Ihren Verwandten etwas ausrichten zu lassen?

Antwort: Sie mögen für mich beten.

Frage: Es scheint, dass in der Gesellschaft, in der Sie verkehrten, einige die Meinungen teilten, die Sie während Ihren Lebzeiten hatten. Sollten Sie ihnen diesbezüglich etwas zu sagen haben?

Antwort: Ach, die Unglücklichen! Könnten sie an ein anderes Leben glauben! Das ist das Beglückendste, das ich ihnen wünschen kann. Wenn sie meine traurige Lage begreifen könnten, würde sie das wohl zum Nachdenken bringen.

(Anrufung seines Bruders, der sich zu denselben Anschauungen bekennt, sich jedoch nicht umgebracht hat. Obwohl er unglücklich ist, ist er ruhiger und seine Schrift ist zierlich und lesbar.)

Anrufung:

Antwort: Möge euch die Darstellung unserer Leiden eine nützliche Lehre sein und euch überzeugen können, dass es ein anderes Leben gibt, in dem man seine Sünden und seinen Unglauben büßt.

Frage: Sehen Sie Ihren Bruder, den wir vorhin gerufen haben?

Antwort: Nein, er weicht mir aus.

Bemerkung: Man könnte fragen, warum sich die Geistwesen in der geistigen Welt aus dem Weg gehen können, in der doch keine äußeren Hindernisse, noch dem Blick verborgene Schlupfwinkel vorhanden sind. In jener Welt ist eben alles entsprechend der Beziehung und steht im Verhältnis zur (fluidischen) Grundbeschaffenheit der Wesen, die sie bewohnen. Nur die höheren Geister haben ein unbegrenztes Wahrnehmungsvermögen. Bei den niederen Geistwesen ist dieses beschränkt, und für sie sind die fluidischen Hindernisse von der Wirkung her grobstofflicher. Die Geister entziehen sich untereinander dem Blick durch ihre Willenskraft, die auf ihre sie kleidende Hülle und die umgebenden Fluide wirkt. Die Vorsehung jedoch, die über jeden im besonderen und über allen als ihren Kindern wacht, lässt oder versagt ihnen jene Fähigkeit gemäß den moralischen Eigenschaften eines jeden. Je nach den Umständen ist es eine Bestrafung oder eine Belohnung.

Frage: Sie sind ruhiger als er. Könnten Sie uns wohl eine genauere Beschreibung Ihrer Leiden geben?

Antwort: Leidet ihr auf der Erde nicht in eurem Egoismus und in eurem Hochmut, wenn ihr gezwungen seid, euer Unrecht einzugestehen? Empört sich euer Geist nicht gegen den Gedanken, euch vor dem zu demütigen, der euch beweist, dass ihr im Irrtum seid? Nun! Wie glaubt ihr, wie leidet ein Geistwesen, das sich während einer ganzen irdischen Existenz eingeredet hat, dass nach dem Tod nichts existiert, dass er gegen alle Recht habe? Wenn er sich dann plötzlich der offenkundigen Wahrheit gegenüber findet, so ist er vernichtet und er fühlt sich gedemütigt. Hierzu kommt noch der innere Vorwurf darüber, dass er das Dasein eines so guten, so nachsichtigen Gottes hat vergessen können. Sein Zustand ist unerträglich. Er findet weder Frieden noch Ruhe. Auch wird er erst ein bisschen Beruhigung in der Stunde finden, in der ihn die heilige Gnade, d. h. Gottes Liebe berühren wird. Denn der Hochmut bemächtigt sich dermaßen unseres armen Geistes, dass er ihn ganz einhüllt, und es noch sehr viel Zeit für ihn braucht, um sich von diesem verhängnisvollen Gewand zu befreien. Nur das Gebet unserer Geschwister vermag uns dabei zu helfen, es loszuwerden.

Frage: Meinen Sie die inkarnierten Geschwister oder die Geistwesen?

Antwort: Beide, die einen und die anderen.

Frage: Während wir uns mit Ihrem Bruder unterhielten, hat jemand der hier Anwesenden für ihn gebetet. Ist ihm dieses Gebet von Nutzen gewesen?

Antwort: Es wird nicht verloren sein. Stößt er jetzt die Gnade von sich, so wird er sich daran erinnern, sobald er im Stande sein wird, auf dieses göttliche Allheilmittel zuzugreifen.

Bemerkung: Wir sehen hier eine andere Art von Strafe, die aber nicht bei allen Ungläubigen gleich ist. Unabhängig vom Leiden ist es eine Notwendigkeit für diesen Geist, die Wahrheiten anzuerkennen, die er zu seinen Lebzeiten geleugnet hat. Seine gegenwärtigen Vorstellungen zeigen einen gewissen Fortschritt im Vergleich zu anderen Geistwesen, die an der Verleugnung Gottes festhalten. Das ist schon etwas und ein Aufkeimen von Demut, zuzugeben, dass man sich getäuscht hat. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass der Unglaube in seiner nächsten Inkarnation dem angeborenen Gefühl des Glaubens Platz gemacht haben wird.

Das Ergebnis dieser beiden Anrufungen wurde dem Herrn übermittelt, der uns gebeten hatte, dies zu bewerkstelligen, und wir empfingen von ihm die folgende Antwort:

"Sie können nicht glauben, mein Herr, was Gutes durch die Anrufung meines Stiefvaters und meines Onkels bewirkt worden ist.'' Wir haben dieselben vollkommen wiedererkannt. Zumal die Schrift des Ersteren eine sehr große Ähnlichkeit mit jener hat, die er zu seinen Lebzeiten hatte, um so mehr als diese während der letzten Monate, die er bei uns zugebracht hat, verzerrt und nicht zu entziffern war. Man findet da die Form der Grundstriche, der Schriftzeichen und gewisser Buchstaben wieder. Bezüglich der Worte, der Ausdrücke und der Schreibart ist das noch eindeutiger. Für uns ist die Ähnlichkeit vollkommen, bis auf die Tatsache, dass er aufgeklärter ist über Gott, die Seele und die Ewigkeit, die er früher so stark leugnete. Wir sind also von seiner Identität vollkommen überzeugt. Gott wird durch unseren um so festeren Glauben an die spiritistische Lehre verherrlicht, und unsere Brüder, Geistwesen und Inkarnierte werden dadurch besser. Die Identität seines Bruders ist nicht weniger offensichtlich; bei dem großen Unterschied zwischen dem Atheisten und dem Gläubigen haben wir seinen Charakter, seine Schreibart und Redewendungen wiedererkannt. Ein Wort ist uns vor allem aufgefallen, es ist das Wort "Allheilmittel" (Panacee), das hatte er sich angewöhnt; er sagte und wiederholte es bei jeder Gelegenheit.”

"Ich habe diese beiden Anrufungen mehreren Bekannten mitgeteilt, die von ihrer Echtheit überrascht waren. Aber die Ungläubigen, die die Meinungen meiner beiden Verwandten teilen, hätten lieber noch entschiedenere Antworten gehabt, dass Herr D... z.B. genau den Ort angibt, wo er beerdigt worden ist, den, an dem er sich ertränkt hat; wie er sich verhalten hat, usw. Um sie zufriedenzustellen und zu überzeugen, könnten Sie ihn da nicht von Neuem anrufen, und in diesem Fall würden sie wohl bitte folgende Fragen an ihn richten: wo und wie er seinen Selbstmord begangen hat, wie lange er unter Wasser geblieben ist, an welchem Ort sein Körper wiedergefunden wurde und an welcher Stelle er bestattet worden ist, in welcher bürgerlichen oder kirchlichen Weise man ihn beerdigt hat, usw.”

"Würden Sie, ich bitte Sie, mein Herr, diese Fragen mit ganzer Entschiedenheit beantworten lassen. Sie wird wichtig sein für die, die noch zweifeln. Ich bin überzeugt, dass es von großem Nutzen sein wird. Ich richte es so ein, dass mein Brief Sie morgen, Freitag, erreicht, damit Sie den besagten Anruf in der spiritistischen Sitzung durchführen können, die an jenem Tag stattfinden soll, usw.”

Wir haben diesen Brief wiedergegeben wegen der tatsächlichen Identität, die er feststellt. Wir fügen die Antwort bei, die wir darauf gegeben haben, zur Unterweisung derer, die mit Mitteilungen aus dem Jenseits nicht vertraut sind.

“Die Fragen, die Sie uns von Neuem an den Geist Ihres Stiefvaters zu richten bitten, sind ohne Zweifel von einer löblichen Absicht eingegeben, nämlich der, Ungläubige zu überzeugen. Denn bei Ihnen mischt sich kein Gefühl von Zweifel und Neugier bei. Jedoch hätte eine größere Kenntnis der spiritistischen Wissenschaft Sie erkennen lassen, dass diese überflüssig sind. Zunächst wissen Sie, indem Sie mich bitten, Ihren Verwandten mit Entschiedenheit antworten zu lassen, ohne Zweifel nicht, dass man die Geister nicht nach Belieben lenkt. Sie antworten, wann sie wollen, wie sie wollen und häufig, wie sie können. Ihre Freiheit zu handeln ist noch größer als sie es zu ihren Lebzeiten war, und sie haben mehr Mittel, einem moralischen Zwang zu entrinnen, den man auf sie ausüben möchte. Die besten Identitätsbeweise sind die, die sie aus freien Stücken und aus eigenem Willen geben oder die sich aus den Umständen ergeben, und es ist meistens vergeblich, wenn man diese herbeizuführen sucht. Ihr Verwandter hat seine Identität nach Ihrer Meinung auf unwiderlegbare Weise bewiesen. Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass er sich weigern würde, auf Fragen zu antworten, die er mit gutem Recht für überflüssig ansehen kann und die in der Absicht gestellt wurden, die Neugierde von Leuten zu befriedigen, die ihm gleichgültig sind. Er würde antworten, wie das oft andere Geistwesen im gleichen Fall getan haben: "Wozu fragt ihr mich Dinge, die ihr wisst?" Ich darf sogar hinzufügen, dass der Zustand der Verwirrung und des Leidens, in dem er sich befindet, ihm Nachforschungen dieser Art noch schmerzvoller machen muss. Das ist genauso, als ob man einen Kranken, der kaum denken und sprechen kann, zwingen wollte, die Einzelheiten seines Lebens zu erzählen. Das würde sicherlich heißen, die Rücksicht außer Acht zu lassen, die man seiner Lage schuldet.

Was das Ergebnis angeht, das Sie davon erhofften, so würde es gleich Null sein, seien Sie überzeugt davon! Die Identitätsbeweise, die geliefert worden sind, haben gerade dadurch einen weit größeren Wert, dass sie unaufgefordert sind und die durch nichts zustande gebracht werden konnten. Wenn die Ungläubigen damit nicht zufrieden sind, so würden sie es nicht mehr sein, vielleicht noch weniger durch vorgegebene Fragen, die in ihnen den Verdacht eines Einverständnisses erwecken könnten. Es gibt Leute, die nichts überzeugen kann. Sie würden ihren Verwandten mit eigenen Augen in Gestalt sehen und sich den Spielball einer Sinnestäuschung nennen.

Zwei Worte noch, mein Herr, über die Bitte, die Sie an mich stellen: diese Anrufung an diesem Tage zu tun, an dem ich Ihren Brief empfangen sollte. Die Anrufungen geschehen nicht einfach nach Belieben. Die Geistwesen antworten nicht immer auf unseren Ruf. Es ist notwendig, dass sie es können oder dass sie es wollen. Außerdem braucht man dazu ein Medium, das ihnen zusagt und das die notwendigen besonderen Eigenschaften hat. Dieses Medium muss zum gegebenen Zeitpunkt zur Verfügung stehen und die Umgebung muss der Art des Geistes entsprechen, usw.; lauter Umstände, für die man niemals bürgen kann und die man kennen sollte, wenn man die Sache ernst betreiben will.”


M. Félicien

Das war ein reicher, gebildeter Mann, ein geistreicher Dichter von gutem, gewinnendem und zuvorkommendem Charakter, sowie vollkommener Aufrichtigkeit. Falsche Spekulationen hatten sein Vermögen gefährdet. Sein Alter ließ nicht mehr zu, dieses wieder aufzubauen. So verfiel er in Mutlosigkeit und beging im Dezember 1864 Selbstmord, indem er sich in seinem Schlafzimmer erhängte. Er war weder Materialist noch Atheist, aber ein Mann von etwas leichtnehmender Natur, der sich um das künftige Leben wenig Sorgen machte. Da wir mit ihm bekannt und vertraut gewesen waren, riefen wir ihn vier Monate nach seinem Tod aus Sympathie für sein Schicksal an.

Anrufung: Ich sehne mich nach der Erde zurück. Ich habe dort Enttäuschungen erlebt, aber weniger als hier. Ich träumte von Wundern und sehe mich fernab unterhalb der Vorstellung von Wirklichkeit, die ich mir davon gemacht hatte. Die geistige Welt ist eine sehr gemischte, und um sie erträglich zu machen, wäre hierfür eine gute Auslese nötig. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Welche spiritistischen Skizzen über Moral könnte man hier machen! Ein Balzac sollte sich damit befassen, die Arbeit wäre hart. Aber ich habe ihn nicht bemerkt. Wo befinden sich denn jene großen Geister, die die Laster der Menschheit so stark verurteilt haben? Sie sollten, wie ich, einige Zeit hier verweilen, ehe sie in erhabenere Gefilde gehen. Es ist ein merkwürdiger Aufenthaltsort von Dämonen (Pandämonium), deren Beobachtung mir gefällt, und ich bleibe da.

Bemerkung: Wiewohl der Geist erklärt, er befinde sich in sehr gemischter Gesellschaft, folglich einer solchen von niederen Geistern, so überraschte uns seine Ausdrucksweise, im Hinblick auf seine Todesart, auf die er keinerlei Anspielung macht, denn andererseits spiegelte sie seine Denkweise. Das ließ uns einige Zweifel an seiner Identität.

Frage: Würden Sie uns bitte sagen, wie Sie gestorben sind?

Antwort: Wie ich gestorben bin? Durch den von mir gewählten Tod. Er gefiel mir, ich habe lange genug nachgedacht, welchen ich wählen sollte, um mich des Lebens zu entledigen. Meine Güte, ich gestehe, dass ich nicht viel gewonnen habe. Außer befreit von meinen materiellen Sorgen zu sein, allerdings um in meiner Lage als Geist schwerere, schmerzlichere wiederzufinden und deren Ende ich nicht voraussehe.

Frage: (An den Führer des Mediums.) Ist es gewiss der Geist des Herrn Félicien, der geantwortet hat? Dieses fast sorglose Reden verwundert uns bei einem Selbstmörder.

Antwort: Ja; aber wegen eines in seiner Lage entschuldbaren Gefühls, das ihr begreifen werdet, wollte er dem Medium seine Todesart nicht enthüllen. Aus diesem Grund hat er Redensarten vorgebracht, er hat diese letztlich eingestanden, ausgelöst durch eure direkte Frage. Aber er ist davon sehr betroffen. Er leidet sehr daran, dass er sich umgebracht hat und er verdrängt so gut er kann alles, was ihn an dieses unglückliche Ende erinnert.

Frage: (An den Geist.) Ihr Tod hat uns umso mehr betroffen gemacht, da wir dessen für Sie traurige Folgen voraussahen und vor allem im Hinblick auf die Achtung und Sympathie, die wir für Sie hatten. Was mich selbst betrifft, so habe ich nicht vergessen, wie gut und hilfsbereit Sie zu mir waren. Ich würde mich freuen, Ihnen dafür meine Dankbarkeit zeigen zu können, falls ich etwas Nützliches für Sie tun kann.

Antwort: Und dennoch konnte ich den Schwierigkeiten meiner finanziellen Lage nicht anders entrinnen. Gegenwärtig benötige ich nur Gebete. Betet vor allem dafür, dass ich von den grauenhaften Gefährten befreit werden kann, die bei mir sind und mich mit ihrem Gelächter, ihrem Geschrei und ihrem höllischen Spott plagen. Sie nennen mich feige und sie haben Recht. Es ist Feigheit, das Leben verlassen zu wollen. Seht, bereits viermal unterliege ich dieser Prüfung. Ich hatte mir doch fest vorgenommen, nicht zu versagen... Verhängnis!... Ach, betet! Wie hart ist meine Strafe! Ich bin recht unglücklich! Ihr werdet mehr für mich tun, wenn ihr jenes tut, was ich nicht für euch getan habe, als ich auf Erden weilte. Aber die Prüfung, in der ich so oft gestrauchelt bin, richtet sich vor mir in unauslöschlichen Zügen auf. Ich muss mich dieser zu gegebener Zeit von Neuem unterziehen. Werde ich die Kraft dazu haben? Ach, das Leben so oft wieder anzufangen! So lange kämpfen und von den Ereignissen hingerissen werden, gegen den Willen zu unterliegen, das ist zum Verzweifeln, selbst hier! Gerade dafür werde ich Kraft brauchen. Man schöpft solche aus dem Gebet, sagt man: betet für mich! Auch ich will beten.

Bemerkung: Dieser merkwürdige Fall von Selbstmord zeigt sich in einer besonderen Form, obwohl dieser unter sehr gewöhnlichen Umständen begangen worden war. Er zeigt uns einen Geist, der mehrmals in dieser sich bei jeder Inkarnation erneuernden Prüfung versagt hat und die sich solange weiterhin erneuern wird, bis er die Kraft besitzen wird, an diesem Punkt zu widerstehen. Es ist die Bestätigung jener Lehre, dass, wenn das Ziel zur Verbesserung, wofür wir uns inkarniert haben, nicht erreicht wird, wir ohne Nutzen gelitten haben. Denn es liegt an uns, wieder anzufangen, bis wir siegreich aus dem Kampf hervorgehen.

An den Geist des Herrn Félicien: Ich bitte Sie, hören Sie, was ich Ihnen sagen will und haben Sie die Güte, über meine Worte nachzudenken! Was Sie Verhängnis nennen, ist nichts anderes als Ihre eigene Schwäche. Denn ein Verhängnis gibt es nicht. Andernfalls würde der Mensch für seine Handlungen ja nicht verantwortlich sein. Der Mensch ist immer frei und das ist gerade sein schönstes Vorrecht. Gott wollte aus ihm kein blind handelndes und gehorchendes Triebwerk machen. Wenn ihn diese Freiheit fehlbar macht, so ermöglicht sie auch seine Vervollkommnung. Und nur durch Vollkommenheit gelangt er zum höchsten Glück. Nur sein Stolz allein bringt ihn dazu, das Schicksal für sein Unglück auf Erden verantwortlich zu machen, anstatt in den meisten Fällen seiner Sorglosigkeit die Schuld zu geben. Sie sind in Ihrer letzten Inkarnation ein anschauliches Beispiel hierfür. Sie hatten alles, was man braucht, um im Sinne der Welt glücklich zu sein. Geist, Gaben, Vermögen und ein verdientes Ansehen. Sie hatten keine verderblichen Laster, sondern im Gegenteil wertvolle Eigenschaften. Wie konnte sich Ihre Lebensstellung so grundlegend beeinträchtigt haben? Einzig durch Ihre Unbesonnenheit. Geben Sie zu, hätten Sie mit mehr Umsicht gehandelt, hätten Sie sich mit dem schönen Teil, der Ihnen zugefallen ist, zufrieden gegeben, statt ohne Not Wege zu suchen, wie Sie diesen vergrößern könnten, so hätten Sie sich nicht zugrunde gerichtet. Es gab also kein Verhängnis, da Sie ja vermeiden konnten, was vorgefallen ist.

Ihre Prüfung bestand in einer Verkettung von Umständen, die Ihnen nicht die Notwendigkeit, sondern die Versuchung zum Selbstmord geben sollten. Zu Ihrem Unglück haben Sie diese Umstände trotz Ihres Verstandes und Ihrer Bildung nicht zu beherrschen verstanden. Nun tragen sie die Strafe ihrer Schwäche. Diese Prüfung muss sich, wie Sie mit Recht vermuten, noch einmal wiederholen. In ihrer nächsten Inkarnation werden Sie Situationen ausgesetzt sein, die den Gedanken an Selbstmord erneut hervorrufen werden, und es wird in gleicher Weise geschehen, bis Sie den Sieg errungen haben.

Weit davon entfernt, sich über ihr Schicksal zu beklagen, das ja Ihr eigenes Werk ist, bitten wir Sie, lieber die Güte Gottes zu bewundern, der, anstatt Sie für einen ersten Fehler unwiderruflich zu verdammen, Ihnen unaufhörlich die Mittel anbietet, diesen wiedergutzumachen. Sie werden also nicht ewig, sondern eben so lange leiden, wie die Wiedergutmachung nicht erfolgt ist. Von Ihnen hängt es ab, im Zustand als Geist so starke Entschlüsse zu fassen, vor Gott eine so aufrichtige Reue zu zeigen und mit so viel Beharrlichkeit um die Hilfe der guten Geistwesen zu bitten, dass Sie gegen alle Versuchungen gepanzert, auf der Erde ankommen. Ist dieser Sieg einmal errungen, so werden Sie umso schneller den Weg zum Glück erreichen, da in anderer Hinsicht ihr Voranschreiten schon sehr groß ist. Es bleibt also noch ein Schritt zu tun. Wir werden Ihnen durch unsere Gebete dabei helfen. Sie würden jedoch machtlos sein, wenn Sie uns nicht durch Ihre Bemühungen unterstützen wollen.

Antwort: Danke Ihnen, oh, danke für Ihre guten Ermahnungen! Die hatte ich sehr nötig, denn ich bin unglücklicher, als ich es erscheinen ließ. Ich werde sie nutzen, das verspreche ich Ihnen und werde mich auf meine nächste Inkarnation vorbereiten, in der ich diesmal so handeln werde, dass ich nicht scheitere. Ich sehne mich danach, aus der elenden Umgebung herauszukommen, in die ich hier verbannt bin.

Félicien


Antoine Bell

Er arbeitete als Buchhalter in einem Bankhaus in Kanada. Am 28. Februar 1865 beging er Selbstmord. Einer unserer Brieffreunde, ein gebildeter Arzt und Apotheker, der in derselben Stadt wohnte, hat uns über ihn folgende Auskunft gegeben:

“Ich kannte Bell seit mehr als 20 Jahren. Er war ein unbescholtener Mann und Vater von zahlreichen Kindern. Vor einiger Zeit bildete er sich ein, er hätte Gift bei mir gekauft und es benutzt, um jemanden zu vergiften. Er kam recht häufig, um mich inständig zu bitten, ihm zu sagen, wann ich es ihm verkauft hätte und verfiel dann in schreckliche Zustände. Er konnte nicht mehr schlafen, klagte sich an und schlug sich auf die Brust. Seine Familie hatte ständig Angst um ihn, von 9 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags, der Zeit, wenn er sich zum Bankhaus begab. Dort führte er seine Bücher sehr regelmäßig, ohne je einen einzigen Fehler zu begehen. Er pflegte von einem Wesen zu sprechen, das er in sich fühle und ihm helfe, sein Rechnungswesen ordnungsgemäß und regelmäßig zu führen. In einem Augenblick, in dem er von der Unsinnigkeit seiner Gedanken überzeugt zu werden schien, rief er: “Nein, nein, ihr wollt mich täuschen… Ich erinnere mich… das ist wahr.”

Auf Verlangen seines Freundes wurde Antoine Bell am 17. April 1865 gerufen.

Anrufung

Antwort: Was wollt ihr von mir? Mich einem Verhör unterwerfen? Es ist unnütz, ich werde alles gestehen.

Frage: Es liegt unseren Gedanken fern, Sie durch indiskrete Fragen quälen zu wollen. Wir wollen nur wissen, wie Ihre Lage in jener Welt ist, in der Sie weilen, und ob wir Ihnen behilflich sein können.

Antwort: Ach, wenn ihr das könntet, wäre ich euch sehr dankbar dafür! Mich schaudert es vor meinem Verbrechen und ich bin recht unglücklich.

Frage: Unsere Gebete, das hoffen wir, werden Ihren Schmerz lindern. Es scheint uns übrigens, dass Sie sich in guter Verfassung befinden. Sie zeigen Reue, und das ist schon ein Anfang zur Wiedergutmachung. Gott, der unendlich barmherzig ist, hat immer Mitleid mit dem reuigen Sünder. Beten Sie mit uns! (Hier sprach man das Gebet für die Selbstmörder, das sich im “Evangelium aus der Sicht des Spiritismus" befindet.)

Möchten Sie uns nun sagen, für welches Verbrechen Sie sich schuldig bekennen? Dieses mit Demut gemachte Geständnis wird Ihnen angerechnet werden.

Antwort: Lasst mich euch zuerst für die Hoffnung danken, die ihr soeben in meinem Herzen habt entstehen lassen. Ach ja! Es ist schon recht lange her, da lebte ich in einer Stadt, deren Mauern das Mittelmeer umspülte. Ich liebte ein schönes junges Kind, das meine Liebe erwiderte. Ich war jedoch arm und wurde von ihren Angehörigen zurückgewiesen. Sie verkündete mir, dass sie im Begriff sei, den Sohn eines Kaufmanns zu heiraten, dessen Handel sich bis jenseits beider Meere erstreckte, und ich wurde abgewiesen. Wahnsinnig vor Schmerz beschloss ich, mir das Leben zu nehmen, nachdem ich meinen Rachedurst durch Ermordung meines verabscheuten Rivalen gestillt haben würde. Gewaltsame Mittel widerstrebten mir jedoch; mir schauderte beim Gedanken an dieses Verbrechen, aber meine Eifersucht gewann die Oberhand. Am Vorabend des Tages, an dem meine Geliebte ihm gehören sollte, starb er durch Gift, das ich ihm verabreichte, da ich dieses Mittel leichter anwendbar fand. So erklären sich jene Erinnerungen aus der Vergangenheit. Ja, ich habe bereits gelebt und ich muss noch einmal im Körper leben... Oh mein Gott, hab Erbarmen mit meiner Schwäche und meinen Tränen!

Frage: Wir beklagen dieses Unglück, das Ihren Fortschritt aufgehalten hat, und bedauern Sie aufrichtig. Da Sie jedoch aufrichtig bereuen, so wird Gott sich Ihrer erbarmen. Sagen Sie uns doch bitte, ob Sie Ihr Selbstmordvorhaben ausgeführt haben.

Antwort: Nein, zu meiner Schande gestehe ich, dass die Hoffnung in mein Herz zurückkehrte. Ich wollte den Lohn meines Verbrechens genießen, aber meine Gewissensbisse verrieten mich. Ich büßte diese Stunden der Verirrung mit der höchsten Strafe: ich wurde gehängt.

Frage: Waren Sie sich in Ihrer letzten Inkarnation dieser bösen Tat bewusst?

Antwort: Nur in den letzten Jahren meines Lebens. Erfahrt, wie. Ich war von Haus aus gut. Nachdem ich, wie die Geister aller Mörder, der Qual des ständigen Anblicks meines Opfers ausgesetzt war, der mich wie ein lebendiger Vorwurf verfolgte, wurde ich recht lange Jahre durch meine Gebete und meine Reue davon befreit. Ich begann ein weiteres Leben, das letzte, und durchschritt es friedlich und furchtsam. In mir hatte ich ein unbestimmtes Gefühl von meiner angeborenen Schwäche und meinem vorherigen Fehltritt, von dem ich eine vage Erinnerung bewahrt hatte. Aber ein Quäl- und Rachegeist, der kein anderer war als der Vater meines Opfers, hatte keine große Mühe, sich meiner zu bemächtigen und die Erinnerungen an die Vergangenheit in meinem Herzen wie in einem Zauberspiegel wieder aufleben zu lassen.

Abwechselnd von ihm und von dem Führer, der mich beschützte, beeinflusst, war ich der Giftmörder oder der Familienvater, der das Brot für seine Kinder durch seine Arbeit verdiente. In der Gewalt des sich mir anheftenden besetzenden Geistes wurde ich von diesem zum Selbstmord getrieben. Ich bin sehr schuldig, das ist wahr, aber doch weniger, als wenn ich diesen selbst beschlossen hätte. Die Selbstmörder meiner Art, die zu schwach sind, um den besetzenden Geistern zu widerstehen, sind weniger schuldig und werden weniger bestraft als diejenigen, die sich aufgrund der alleinigen Entscheidung durch ihren freien Willen das Leben nehmen. Betet mit mir für das Geistwesen, das mich so verhängnisvoll beeinflusst hat, damit es seine Rachegefühle aufgibt. Und betet auch für mich, damit ich die nötige Stärke und Tatkraft gewinne, um nicht schwach zu werden in der Prüfung bezüglich Selbstmord durch den freien Willen, der ich, so sagt man mir, in meiner nächsten Inkarnation unterworfen sein werde.

Frage: An den Führer des Mediums. Kann ein Besetzergeist wirklich in den Selbstmord treiben?

Antwort: Sicherlich, denn die Obsession, die an sich eine Art Prüfung ist, kann alle Formen annehmen. Doch ist das keine Entschuldigung. Der Mensch hat immer die Freiheit der Entscheidung und folglich ist er ungehindert darin, den Einflüsterungen, denen er ausgesetzt ist, nachzugeben oder zu widerstehen. So oft er unterliegt, geschieht dies stets durch seinen freien Willen. Übrigens hat der Geist recht, wenn er sagt, derjenige, der auf die Anstiftung eines anderen hin Böses tut, weniger tadelnswert ist und weniger bestraft wird als derjenige, der es aus eigenem Antrieb tut. Jedoch wird er dadurch nicht schuldlos, vielmehr ist von diesem Augenblick an, in dem er sich vom rechten Weg abbringen lässt, die Ursache die, dass das Gute in ihm nicht kräftig genug verwurzelt ist.

Frage: Wie geschieht es, dass trotz des Gebetes und der Reue, die diesen Geist von der Qual befreit hatten, die er durch den Anblick seines Opfers empfand, er noch in seiner letzten Inkarnation von der Rache des Besetzergeistes verfolgt worden ist?

Antwort: Die Reue, ihr wisst es, ist nur die unerlässliche Vorbedingung für die Rehabilitation, aber sie genügt nicht, um den Schuldigen alle Strafen zu erlassen. Gott begnügt sich nicht mit Versprechungen. Man muss die Dauerhaftigkeit der Rückkehr zum Guten durch seine Handlungen beweisen. Deswegen wird der Geist neuen Prüfungen unterworfen, die ihn stark machen, während sie ihm zugleich einen weiteren Verdienst erlangen lassen, wenn er siegreich daraus hervorgeht. Er wird den Verfolgungen übelgesinnter Geistwesen ausgesetzt, bis diese merken, dass er stark genug ist, um ihnen zu widerstehen. Dann lassen sie ihn in Ruhe, weil sie wissen, dass ihre Versuche unnütz sein werden.

Bemerkung: Diese zwei letzten Beispiele zeigen uns, dass sich dieselbe Prüfung so lange bei jeder Inkarnation erneuert, solange man ihr unterliegt. Antoine Bell zeigt uns überdies den nicht minder lehrreichen Fall, dass ein Mensch von der Erinnerung an ein in einer früheren Inkarnation begangenes Verbrechen verfolgt wird, wie von einem Gewissensbiss und einer Warnung. Daran sehen wir, dass sich alle Inkarnationen gegenseitig bedingen. Gottes Gerechtigkeit und Güte leuchten hervor, aus der Fähigkeit, die er dem Menschen lässt, sich Schritt für Schritt zu bessern, ohne ihm je die Tür zur Ablösung von seinen Fehlern zu verschließen. Der Schuldige wird durch sein eigenes Vergehen bestraft, und die Bestrafung ist, anstatt eine Rache von Gott zu sein, das angewandte Mittel, seinen Fortschritt zu bewirken.